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Zulässigkeit eines KZV-Posters nach dem UWG

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Hamm  | Aktenzeichen: 4 U 9/19  | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Ausübung des zahnärztlichen Berufs , Sonstiges

Urteilstext

Tenor

1.
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 27.11.2018 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

2.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

3.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

 

Gründe

I.
Der Verfügungskläger wendet sich im Wege der einstweiligen Verfügung gegen eine Kampagne der Verfügungsbeklagten.

Der Verfügungskläger ist der Verein "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main e.V.". Zu seinen Mitgliedern gehören u.a. die nachfolgend bezeichneten gesetzlichen Krankenkassen bzw. Verbände gesetzlicher Krankenkassen: die Techniker Krankenkasse, der AOK-Bundesverband, die BARMER, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse-KKH und die hkk.

Die Verfügungsbeklagte ist die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Mitglieder der Verfügungsbeklagten sind die Vertragszahnärzte (Kassenzahnärzte) in Westfalen-Lippe.

Unter dem 20.09.2018 versandte die Verfügungsbeklagte ein Rundschreiben an ihre Mitglieder, in dem sie über den Hergang der aktuellen Honorarverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen berichtete. Sie teilte mit, dass die Ersatzkassen, namentlich die Techniker Krankenkasse, die BARMER, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse-KKH, die hkk und die HEK-Hanseatische Krankenkasse, diese Verhandlungen "ohne Not" abgebrochen hätten. Sie, die Verfügungsbeklagte, habe deshalb eine Kampagne vorbereitet, die u.a. in den Zahnarztpraxen auszulegende Poster und Vordrucke für Postkarten beinhalten solle. Beigefügt waren diesem Rundschreiben die nachfolgend abgebildeten Muster für ein Poster und für eine Postkarte:

KZV-Poster

Die Postkarten sollten nach der Vorstellung der Verfügungsbeklagten von denjenigen Patienten, die bei den im Text des Posters genannten Krankenkassen versichert sind, ausgefüllt und an die entsprechende Krankenkasse verschickt werden. Die Zahnärzte sollten ihre Patienten dazu "motivieren", die Postkarten - oder auch inhaltsgleiche E-Mails - an die Krankenkassen zu versenden.
Der Verfügungskläger erhielt am 17.10.2018 Kenntnis von dem vorbezeichneten Rundschreiben.
Mit Schreiben vom 23.10.2018 mahnte er die Verfügungsbeklagte fruchtlos ab. Bei der von der Verfügungsbeklagten initiierten Kampagne handele es sich um eine unzulässige aggressive geschäftliche Handlung, sie nutze die "Machtposition" des Arztes im Verhältnis zu seinen Patienten aus.

Am 16.11.2018 hat der Verfügungskläger beim Landgericht Münster unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbingens aus der Abmahnung den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Der Patient werde durch die von der Verfügungsbeklagten konzipierte Kampagne unter einen unangemessenen Druck gesetzt, sich an der Postkartenaktion zu beteiligen. Er müsse erwarten, die Nicht-Teilnahme könne sich zu seinem Nachteil auswirken. Es sei zu befürchten, dass die Kampagne Patienten dazu bewegen könne, ihre Mitgliedschaft bei den im Text des Posters genannten Krankenkassen zu kündigen und als Mitglied zu anderen Krankenkassen zu wechseln.
Der Verfügungskläger hat beantragt,

die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung und unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,

Zahnarztpraxen die nachfolgend abgebildete Patienteninformation zum Aushang in ihrer Praxis und/oder Abgabe an den Patienten zur Verfügung zu stellen:

KZV-Poster

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, die von dem Verfügungskläger angegriffene Kampagne stelle keine "geschäftliche Handlung" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Sie, die Verfügungsbeklagte, habe als Körperschaft des öffentlichen Rechts ausschließlich in Erfüllung der ihr durch das öffentliche Recht übertragenen Aufgaben gehandelt, ohne hierbei das Ziel zu verfolgen, in den Wettbewerb einzugreifen. Im Übrigen handele es sich bei der Postkartenaktion auch nicht um eine "aggressive geschäftliche Handlung".

Mit dem angefochtenen, am 27.11.2018 verkündeten Urteil hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

Hiergegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht eine "geschäftliche Handlung" im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bejaht.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die angegriffene Kampagne stelle jedenfalls eine "geschäftliche Handlung" der Verfügungsbeklagten zugunsten ihrer Mitglieder, der Vertragszahnärzte, dar. Die Kampagne solle dazu dienen, die angeprangerten Krankenkassen zu einer Wiederaufnahme der Honorarverhandlungen mit der Verfügungsbeklagten zu veranlassen. Die angestrebte Honorarvereinbarung betreffe unmittelbar das von den Vertragszahnärzten für ihre Leistungen vereinnahmte Entgelt.

II.
Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg.

Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch nicht dargetan.

1) 
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, der allein als Grundlage für das Unterlassungsbegehren des Verfügungsklägers in Betracht kommt, ist aufgrund der Spezialregelung des § 69 Abs. 1 SGB V nicht anwendbar.

a) 
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V werden unter anderem die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Verbänden der Zahnärzte, zu denen auch die Verfügungsbeklagte gehört, abschließend durch die Vorschriften des SGB V geregelt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Handlungen der Krankenkassen und der für sie tätigen Leistungserbringer zur Erfüllung des Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten nur nach öffentlichem Recht beurteilt werden. § 69 Abs. 1 SGB V schließt es danach aus, Handlungen der Krankenkassen und der von ihnen eingeschalteten Leistungserbringer, die der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags gegenüber den Versicherten dienen sollen, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen (BGH, Urteil vom 1.12.2016 - I ZR 143/15 - [Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln] <juris>, Rn. 11; BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 164/03 - [Blutdruckmessungen], GRUR 2006, 517 - 519). Dies gilt nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB V auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind. Die Vorschriften des BGB gelten für diese Rechtsbeziehungen gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V ebenfalls nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend und auch nur, soweit sie mit den Vorgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des SGB V vereinbar sind. Mit dieser durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung, nach der Handlungen der Krankenkassen, die den Versicherten gegenüber als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind, im Hinblick auf mögliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auch privatrechtlich einzuordnen sind und damit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht unterliegen können (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 382 = NJW 1982, 2117), die Grundlage entzogen (BSG, Urteil vom 15.03.2017 - B 6 KA 35/16 R).

Die Anwendbarkeit des § 69 SGB V und damit der Ausschluss der Vorschriften des UWG hängt dabei auch nicht davon ab, ob die zu beurteilenden Handlungen den Anforderungen des SGB V genügen. Es ist gerade der Sinn des § 69 SGB V, die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Handlungen, die dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag dienen sollen, nur den in dieser Bestimmung aufgeführten Rechtsvorschriften zu unterwerfen und dabei die Anwendung des Wettbewerbsrechts auszuschließen (BGH, Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 164/03 - [Blutdruckmessungen], GRUR 2006, 517, 519).

b) 
Die Verfügungsbeklagte hat bei dem hier streitgegenständlichen Verhalten in Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages gehandelt. Die streitgegenständliche Kampagne ist Teil der Vertragsverhandlungen zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung zwischen der Verfügungsbeklagten und den Ersatzkassen. Die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung für die von den Vertragszahnärzten erbrachten Leistungen ist integraler Bestandteil der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages. Dies ergibt sich aus § 72 Abs. 2 SGB V, der Folgendes bestimmt: "Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden." Diese Regelung soll verhindern, dass kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und hierdurch die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet wird (BSG, Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - <juris>, Rn. 42). Die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung dient damit unmittelbar der Erfüllung und Sicherstellung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages. Da sich die dem Abschluss der Vergütungsvereinbarung vorangehenden Vertragsverhandlungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen nicht vom eigentlichen Vertragsabschluss trennen lassen, sondern vielmehr ein denknotwendiger Schritt auf dem Weg zum Abschluss der Vereinbarung sind, sind auch die Vertragsverhandlungen Teil der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages.

2) 
Weitere zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen für das Begehren des Verfügungsklägers, eines privatrechtlich verfassten Wettbewerbsverbandes, der durch die angegriffene Maßnahme der Verfügungsbeklagten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in eigenen Rechten betroffen ist und auch im Übrigen in keinen besonderen rechtlichen Beziehungen zur Verfügungsbeklagten steht, greifen nicht ein. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V nicht erfüllt. Zwar können hiernach Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen. Allerdings erfasst § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V lediglich die hier nicht vorliegende Konstellation von Ansprüchen der Krankenkassen untereinander. Unabhängig von der Frage, ob § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V es zulässt, dass der Kläger, die Ansprüche seiner Mitgliedskrankenkassen geltend macht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 16/18 R), gehören die Krankenkassen jedenfalls nicht zu den Mitgliedern der Verfügungsbeklagten.

III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
 


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