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Zahnarztwerbung auf dem Einkaufswagen im Supermarkt

 | Gericht:  Minden  | Aktenzeichen: 7 K 39/08 | Entscheidung:  Urteil
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Urteilsgründe

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2007 wird aufgehoben.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als niedergelassener Zahnarzt in C. tätig.

 

Mit Schreiben vom 15.03.2007 wies ihn die Beklagte darauf hin, dass der Vorstand jedwede Werbemaßnahmen von Zahnärzten in Supermärkten - unabhängig von dem konkreten Inhalt - grundsätzlich als berufswidrig erachte. Eine unzulässige Kommerzialisierung (zahn-) ärztlicher Leistungen liege bereits durch deren Anpreisung in einer ausschließlich auf Werbung und Absatz ausgerichteten Umgebung vor. Es werde ausgenutzt, dass der Verbraucher konsumbereiter sei und empfänglicher auf Angebote reagiere. Zudem könne er sich der Werbung kaum entziehen. In einer solchen Umgebung reihe sich ein Angebot zahnärztlicher Leistungen in ein käufliches "Produkt" von vielen. Mit einem Feilschen um Patienten im Supermarkt, insbesondere aufgrund der sicher zu erwartenden Anzahl von Nachahmern, sei der Zahnarzt in seinem Ansehen und seinen Leistungen für einen Patienten von einem Anbieter gewerblicher Leistungen nicht mehr abzugrenzen.

 

In der Folgezeit warb der Kläger gleichwohl in dem Supermarkt "N. ", B. - M. -Straße in C. für seine Zahnarztpraxis in Form von Schildern, die an der Front von 20 Einkaufswagen befestigt waren.

 

Die Schilder enthielten neben der Abbildung eines Zahnimplantats und eines lächelnden, roten Mundes mit strahlend weißen Zähnen den Aufdruck: "Zahnarztpraxis N1. . U. Q. Master of Science Parodontologie ~ Implantologie (zertifiziert) B1. H. G. 10 C. Tel. ...................... Fax .................. e-mail:.........................

 

Mit Schreiben vom 11.06.2007 teilte die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 15.03.2007 mit, dass sie Kenntnis von der dargestellten Werbung erlangt habe. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Daraufhin führte der Kläger aus, dass zwei seiner Kollegen, die auch Mitglieder der Beklagten seien, die gleiche Art von Werbung seit Monaten betrieben, so dass er von der Zulässigkeit der Werbung ausgegangen sei. Im Übrigen verwies er auf ein Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.04.2007 an die Firma "B. Werbung auf Einkaufswagen GmbH" in dem ausgeführt worden war, dass nach einem Urteil des OLG Hamm - 4 U 34/05 - für einen Zahnarzt eine interessengerechte Information, die keinen Irrtum errege, im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr erlaubt sei. So habe das OLG Hamm Werbung in Zeitungen und Kinoprogrammheften für dem Grunde nach unbedenklich erachtet. Gleiches müsse für die den gewerblichen Verkehr betreffende Werbung in Supermärkten gelten. Jede Art von Werbung werde logischerweise in einer Umgebung platziert, die auch auf Absatz ausgerichtet sei (wie Zeitungen, Journale, etc.). Ansonsten dürfte sich ein Zahnarzt außer seinem Praxisschild keiner anderen Medien bedienen. Das sei jedoch nicht der Fall. Vielmehr könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der Art des gewählten Werbeträgers noch nicht auf die Berufswidrigkeit der Werbung geschlossen werden.

 

Mit Bescheid vom 12.12.2007 untersagte die Beklagte dem Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, in Supermärkten in Form von an Einkaufswagen angebrachten Werbeschildern Werbung für seine Zahnarztpraxis zu betreiben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte die Beklagte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 EUR an. Ferner erteilte die Beklagte dem Kläger wegen des Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung der Zahnärztekammer X. -M1. (BO ..) auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW eine Belehrung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die vom Kläger durchgeführte Werbung sei nicht mehr als sachlich und zulässig i.S.d. § 21 Abs. 1 BO WL anzusehen, da sie aus Sicht der Patienten in ihrer konkreten Ausgestaltung übertrieben und zu aufdringlich sei. Aus Sicht der Empfänger stehe damit nicht die Informationsvermittlung im Vordergrund, sondern ein Abnötigen von Kenntnisnahme und ein Aufdrängen der Leistungen des Werbenden. Dies erwecke den Eindruck einer ganz hauptsächlich absatzorientierten Werbung. Eine derartige Kommerzialisierung sei dem besonderen Ansehen und Verständnis des freien Berufs als Zahnarzt aus Sicht der Bevölkerung nicht mehr angemessen. Das Vertrauen in eine funktionierende und nicht von rein finanziellen Interessen gelenkte Versorgung wäre infrage gestellt.

 

Am 07.01.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, mit ihrer Untersagungsverfügung habe die Beklagte in unzulässiger Weise in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Im Übrigen habe er seine Werbeschilder nur an 20 von ca. 760 im N. vorhandenen Einkaufswagen angebracht.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Bescheid der Beklagten vom 12.12.2007 aufzuheben.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Ferner erklärt sie, dass sich das Verhältnis der Ziffern 1 und 4 ihres Bescheides so darstelle, dass die beiden getroffenen Regelungen korrespondierten, d.h. die Belehrung sei wegen der generell für unzulässig gehaltenen Werbung eines Zahnarztes auf einem Einkaufswagen in Supermärkten erteilt worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

 

Der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die verfügte Untersagung, in Supermärkten in Form von an Einkaufswagen angebrachten Werbeschildern Werbung für eine Zahnarztpraxis zu betreiben, ist rechtswidrig. Dem Kläger ist insoweit eine Berufspflichtverletzung nicht vorzuwerfen.

 

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der als Dauerverwaltungsakt zu qualifizierenden, in der Hauptsache angefochtenen Untersagungsverfügung mangels anderweitiger materiell-rechtlicher Regelungen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

 

vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.09.2001 - 13 A 2814/99 - (Juris).

 

Die angefochtene Untersagungsverfügung wird gestützt auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW sowie die Berufsordnung der Zahnärztekammer X. -M1. (BO ..) vom 19.11.2005 (MBl. NRW 2006 S. 42). Die genannte Berufsordnung ist in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage in §§ 31, 32, 29 HeilBerG NRW erlassen worden. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der BO .. sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW hat die Beklagte für die Erhaltung eines hoch stehenden Berufsstandes zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufswidriger Zustände zu treffen, insbesondere kann sie hierzu auch belastende Verwaltungsakte erlassen.

 

Gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 - 4 BO .. ist dem Kammerangehörigen berufswidrige Werbung untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung, wobei der Zahnarzt eine berufswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden darf, sondern vielmehr dem entgegen zu wirken hat.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen. So ist dem Arzt nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten. Für interessengerechte und sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben.

 

vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.08.2003 - 1 BvR 1003/02 -.

 

Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt die Regelung des § 21 Abs. 1 BO ...

 

Darüber hinaus entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass ein zur Selbstdarstellung gewähltes Medium für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen kann.

 

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 - u.a.; vom 26.08.2003 - 1 BvR 1003/02 - (Werbung im Internet); vom 26.10.2004 - 1 BvR 981/00 - (Werbung eines Steuerberaters auf Straßenbahnwagen).

 

So führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a. - grundlegend aus:

 

"Es ist nicht ersichtlich, dass bestimmte Werbeträger - entgegen ihrem erklärten Zweck und abweichend von der sonstigen Werbepraxis - generell geeignet wären, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Werbenden zu schmälern."

 

Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass auch eine Werbung außerhalb der Arztpraxis sachliche Aussagen enthalten und über das Angebot und die Lage der Praxis in einer Form informieren kann, die weder die ordnungsgemäße Berufsausübung des Arztes gefährdet noch sein Ansehen in der Öffentlichkeit herabmindert.

 

Ob eine solche Werbung außerhalb der Arztpraxis "übertrieben" erscheint und damit berufswidrig ist, lässt sich nur aus der Verbindung von Werbeträger und Werbeaussage unter Berücksichtigung

 

vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a.

 

Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht entschieden,

 

vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1996 - 1 BvR 744/88 u.a.

 

dass Werbeverbote einen Apotheker in seiner Berufsfreiheit jedenfalls dann unverhältnismäßig einschränken, wenn sie bestimmte Werbeträger ohne Rücksicht auf Form und Inhalt der Werbung vollständig ausschließen.

 

Dass für Ärzte insoweit etwas anderes gelten sollte, ist auch in Ansehung des Umstandes, dass Apothekern bzgl. von Teilen ihres Warensortiments Kaufmannseigenschaft zukommt, nicht ersichtlich.

 

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die verfügte - generelle - Untersagung, in Supermärkten in Form von an Einkaufswagen angebrachten Werbeschildern Werbung für seine Zahnarztpraxis - unabhängig von Größe, Inhalt, Aufmachung und Häufigkeit - zu betreiben, rechtswidrig und dem Kläger insoweit eine Berufspflichtverletzung nicht vorzuwerfen.

 

Die Werbung für eine Zahnarztpraxis auf dem Werbeträger Einkaufswagen ist für sich genommen allein aufgrund der Wahl des Werbeträgers nicht generell geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des werbenden Zahnarztes zu schmälern. Vielmehr sind auch auf dem Werbeträger Einkaufswagen in der Größe nicht zu beanstandende (kleine) Werbeschilder mit zulässigen Inhalten, wie beispielsweise einem nur für kurze Zeit erfolgenden Hinweis auf eine Praxisverlegung, wie auch in Zeitungsanzeigen erlaubt, denkbar. All dies würde ein generelles Verbot von Werbeschildern auf Einkaufswagen jedoch in unverhältnismäßiger Weise erfassen und einschränken.

 

Eine Berufswidrigkeit lässt sich auch nicht allein aus dem Umstand begründen, dass ein an sich zulässiger Werbeträger in dem "kommerziellen Raum" eines Supermarktes eingesetzt wird. Denn gleiches müsste dann beispielsweise auch für Anzeigen von Zahnärzten in Kinozeitschriften oder den "Gelben Seiten" gelten, die jedoch grundsätzlich als zulässig erachtet werden.

 

Dabei lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob die konkrete Werbung des Klägers auf 20 Einkaufswagen im Supermarkt "N. ", B. -M. -Straße in C. unter Berücksichtigung der verwendeten Werbeschilder in der Gesamtbetrachtung als berufswidrig einzustufen wäre, wofür einiges spricht. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 12.12.2007 verfügte generelle Untersagung der Werbung für die Zahnarztpraxis des Klägers in Form von an Einkaufswagen angebrachten Werbeschildern ist jedenfalls rechtswidrig und damit aufzuheben.

 

Die weiter verfügte Zwangsgeldandrohung teilt das rechtliche Schicksal der Grundverfügung. Auch die auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW wegen Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 der BO .. erteilte Belehrung durch die Beklagte ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

 

Die in Ziffer 4 des Bescheides vom 12.12.2007 erteilte Belehrung ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG NRW. Sie enthält eine Regelung eines Einzelfalles, indem sie einen Verstoß des Klägers gegen dessen ärztliche Berufspflichten feststellt und dies zum Anlass nimmt, ihm eine Belehrung zu erteilen.

 

vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 25.06.1991 - 5 A 502/91 -, NJW 1992, 1580 und BVerwG, Urteil vom 06.12.1999 - 1 A 5.98 -, Buchholz 452.00 § 81 VAG Nr. 8 (zitiert nach Juris) zum Verweis durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen gegenüber dem Vorstand eines Versicherungsunternehmens.

 

Auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet ist die Belehrung schon deswegen, weil sie in die Berufsfreiheit des Klägers eingreift.

 

vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, 2008, § 35 Rdnr. 75.

 

Die Beklagte hat vorliegend als Behörde gehandelt, d.h. als Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Denn sie ist nach § 1 Satz 2 HeilBerG NRW eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen - wie des Klägers - überwacht und ggf. mit belastenden Verwaltungsakten - die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände trifft.

 

Dafür, dass es sich bei der Belehrung um einen Verwaltungsakt und nicht nur um einen unverbindlichen Hinweis handelt, spricht auch, dass die Beklagte die Belehrung in einer eigenen Ziffer 4 des Bescheides aufgeführt und den gesamten Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat.

 

Hinsichtlich des konkreten Inhalts der Belehrung hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung klargestellt, das Verhältnis der Ziffern 1 und 4 des angefochtenen Bescheides stelle sich so dar, dass die beiden getroffenen Regelungen korrespondierten, d. h. die Belehrung sei erteilt worden wegen der generell für unzulässig gehaltenen Werbung des Zahnarztes auf einem Einkaufswagen in Supermärkten. Mithin knüpft die Belehrung an den gleichen Sachverhalt an wie die Untersagungsverfügung. Mangels festgestellten Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 der BO .. ist von daher auch die auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 HeilBerG NRW erteilte Belehrung des Beklagten rechtswidrig und damit aufzuheben.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 f. ZPO.


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