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Zahnarzt als freier Mitarbeiter

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken  | Aktenzeichen: 4 W 25/09 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Arbeitsrecht

Beschlusstext

 

Tenor

I.Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

 

II. Die Parteien haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist Fachzahnarzt für Oralchirurgie. Er begehrt von der Beklagten, die eine private Zahnklinik betreibt, u. a. Zahlung noch ausstehenden Entgeltes für in deren Auftrag ausgeführte zahnärztliche Behandlungen. Diese hat der Kläger in der Klinik der Beklagten ohne schriftlichen Vertrag nach seiner Auffassung als freier Mitarbeiter erbracht. Vereinbart war, dass er von den für seine Behandlungen eingehenden Honoraren einen Betrag in Höhe von 25 % erhält. Die Patienten haben mit der Beklagten Behandlungsverträge geschlossen, zu deren Erfüllung sich diese unter anderem des Klägers bedient hat. Die Beklagte hat auch auf der Grundlage der ihr vom Kläger mitgeteilten Einzelheiten der Behandlung, die Rechnung gestellt und der Patient jeweils auf das Konto der Beklagten gezahlt.

 

Der Kläger hat seine Tätigkeit bei der Beklagten am 15. März 2008 zum 31. März 2008 gekündigt. Die Beklagte kündigte ihrerseits außerordentlich.

 

Nachdem die Kammer darauf hingewiesen hatte, dass Bedenken gegen die Rechtswegzuständigkeit des angerufenen Gerichts bestehen, hat der Kläger vortragen lassen, es sei von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit auszugehen. Es fehle an der nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Qualifizierung einer Person als arbeitnehmerähnlich erforderlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit. Außerdem sei er leistungsbezogen bezahlt worden.

 

Das Landgericht hat die Parteien im Termin vom 11. Februar 2009 gemäß § 141 ZPO angehört. Der Kläger hat erklärt, während der Zeit der Beschäftigung bei der M. Klinik ausschließlich von den dort erzielten Einkünften gelebt zu haben. Er habe von der Klinik die einzelnen Patienten zugewiesen bekommen und diese aufgrund der vorher zwischen der Klinik und dem Patienten getroffenen vertraglichen Vereinbarung behandelt. Die bei der Behandlung anwesende Helferin habe die einzelnen Behandlungsschritte dokumentiert. Diese Dokumentation habe er nach Kontrolle an die Klinikverwaltung weitergegeben, die ihrerseits die Rechnung gestellt habe. Die Helferinnen und Assistentinnen seien bei der M. Klinik beschäftigt. Er habe durchschnittlich zwischen 30 und 50 Stunden die Woche in der Klinik gearbeitet.

 

Der Vertreter der Geschäftsführerin der Beklagten hat angegeben, der Kläger habe seine Arbeitsleistung im Wesentlichen selbst bestimmt. Die Beklagte habe kaum Kenntnis gehabt, wann die jeweiligen Verpflichtungen durch ihn erfüllt worden seien. Es sei ihm freigestellt gewesen, wann er seine Arbeitsleistungen erbringe. Es sei dem Kläger darüber hinaus freigestellt gewesen, anderweitig tätig zu sein.

 

Mit Beschluss vom 11. Februar 2009 hat die Kammer den Rechtsweg vor dem Zivilgericht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein verwiesen.

 

Gegen diesen Beschluss, der den jeweiligen Prozessbevollmächtigten ausweislich der Empfangsbekenntnisse am 16. Februar 2009 zugestellt worden ist, haben beide Parteien Beschwerden eingelegt. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist am 2. März 2009 bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) eingegangen. Die Beklagte hat ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 3. März 2009, der per Telefax am 3. März 2009 bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) eingegangen ist, eingelegt. Nach Hinweis des Senates auf die Fristversäumung will die Beklagte ihr Rechtsmittel als unselbständige Anschlussbeschwerde behandelt wissen.

 

Beide Parteien vertreten die Auffassung, der Rechtsstreit sei von dem Landgericht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden.

 

Der Kläger trägt vor:

 

Er sei für die Beklagte nicht als Arbeitnehmer tätig gewesen und habe auch keine arbeitnehmerähnliche Stellung inne gehabt. Selbst wenn man vorliegend seine wirtschaftliche Abhängigkeit bejahen wollte, so reiche dies für die Qualifikation als arbeitnehmerähnliche Person nicht aus. Erforderlich wäre, dass der wirtschaftlich Abhängige aufgrund seiner gesamten sozialen Stellung in vergleichbarer Weise wie ein Arbeitnehmer schutzbedürftig wäre und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologischen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar wären. Zumindest an dem letztgenannten Kriterium fehle es hier. Gerade die tätigkeitsbezogene variable Vergütung in Höhe von 25 % des zahnärztlichen Umsatzes spreche gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. In dem ohnehin nur mündlich niedergelegten Vertrag sei keine Präsenzpflicht, wie sie für einen Arbeitnehmer typisch sei, vereinbart gewesen. Zudem habe er, wie der Vertreter der Geschäftsführerin bestätigt habe, seine Arbeitsleistung im Wesentlichen selbst bestimmt. Auch habe er erklärt, dass er lediglich 30 Stunden pro Woche in der Klinik gearbeitet habe, was einem üblichen Tätigkeitsumfang des angestellten Zahnarztes auch nicht annähernd entspreche. Aus der Zuladung zweier Zeugen ergebe sich, dass die Kammer auch selbst - zumindest zunächst - zutreffend von der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgegangen sei.

 

Die Beklagte trägt vor:

 

Die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses spreche für einen selbständigen Dienstvertrag. Der Kläger habe ihr in regelmäßigen Abständen Rechnungen übersandt, die auf seinem Briefkopf erstellt worden seien. Er habe seine Arbeitszeiten selbst bestimmt und sei oftmals allenfalls ein oder zwei Tage in der Woche für sie tätig gewesen. Er sei auch weder weisungsgebunden gewesen, noch habe er jemals seinen Urlaub angezeigt oder gar von ihr genehmigen lassen. Auch sei er nicht in die betriebliche Organisation eingebunden gewesen und habe für die Herstellung prothetischer Leistungen stets ein von ihm allein ausgesuchtes Labor beauftragt. Überdies habe er jedenfalls in den letzten Monaten seiner Tätigkeit seine seitdem als selbständiger Zahnarzt betriebene Praxis in Stuttgart aufgebaut und aus dieser Einnahmen erzielt. Gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spreche auch der Umstand, dass sich die Höhe des Entgeltes des Klägers nach ständig wechselndem Umsatz gerichtet habe. Der Kläger sei auch nicht wirtschaftlich abhängig gewesen wie ein Arbeitnehmer. Er habe etwa im Jahr 2007 aus seiner Tätigkeit für sie Honorareinnahmen in Höhe von nahezu 200.000,00 € erzielt. Zudem habe er zumindest in den letzten Monaten aus seiner Zahnarztpraxis Einnahmen erzielt, weshalb das an ihn gezahlte Honorar nicht die alleinige Existenzgrundlage gewesen sei.

 

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO). Das Rechtsmittel der Beklagten ist gemäß § 567 Abs. 3 ZPO als unselbständige Anschlussbeschwerde zu behandeln. Als (selbständige) sofortige Beschwerde wäre es unzulässig. Denn es ist verfristet, da die Beschwerdeschrift erst am 3. März 2009 und somit nach Ablauf der mit Zustellung am 16. Februar 2009 in Lauf gesetzten und mit Ablauf des 2. März 2009 endenden Frist bei Gericht eingegangen ist.

 

2.

In der Sache führen die Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, bejaht. Die im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente vermögen den Beschwerden nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Landgericht hat den Kläger zu Recht als arbeitnehmerähnliche Person qualifiziert. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige, die wegen ihrer fehlenden oder gegenüber Arbeitnehmern geringeren Weisungsgebundenheit und oft auch wegen fehlender oder geringerer Eingliederung in eine betriebliche Organisation im Vergleich zu Arbeitnehmern in einem Arbeitsverhältnis in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig sind. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt die wirtschaftliche Abhängigkeit. Allerdings muss der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach in vergleichbarer Weise wie ein Arbeitnehmer schutzbedürftig und die geleisteten Dienste müssen nach ihrer sozialen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sein (LAG Hamm NZA-RR 2008, 324 m.w.N.). Der Kläger war, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, in diesem Sinne von der Beklagten abhängig. Er war in die betriebliche Organisation des Klinikbetriebes dergestalt eingebunden, dass er seine ärztlichen Leistungen nur in Zusammenarbeit zumindest mit dem nichtärztlichen Personal erbringen konnte. Er hat nach eigenen Angaben 30 bis 50 Stunden pro Woche gearbeitet. Selbst wenn er nunmehr vorträgt, es seien nur 30 Stunden gewesen, ändert dies für das Rechtswegbestimmungsverfahren nichts. Denn entscheidend ist, dass er einen wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft für die Beklagte aufgebracht hat. Dies ist auch auf der Grundlage von „lediglich“ 30 Wochenstunden unzweifelhaft der Fall. Der Kläger war auch wirtschaftlich von der Beklagten abhängig. Denn er hat im Rahmen der Anhörung angegeben, die Einnahmen von der Beklagten seien seine alleinigen Einkünfte und damit seine Existenzgrundlage gewesen. Dass er in einer Übergangsphase daneben wesentliche Einnahmen aus der neu gegründeten eigenen Praxis hatte, behauptet er selbst nicht. Der Umstand, dass sein bei der Beklagten erzieltes Einkommen nicht aus einem monatlichen Fixum, sondern aus einer 25 %-igen Beteiligung an den Honorareinnahmen der Beklagten aufgrund seiner zahnärztlichen Behandlungen bestand, hindert die Qualifizierung als arbeitnehmerähnliche Person ebenfalls nicht (vgl. BAG NJW 2007, 1709 f). Auch die Tatsache, dass dem Kläger im Hinblick auf seine Arbeitszeit keine ausdrücklichen Vorgaben gemacht waren, führt nicht zu einer anderen Betrachtung. Denn der zeitliche Rahmen seiner Tätigkeit war zum einen abhängig von der Zahl der anstehenden Behandlungen und zum anderen auch durch die Arbeitszeiten des nichtärztlichen Hilfspersonals bestimmt. Auf der Grundlage der dargelegten Einzelumstände ist auch die einem Arbeitnehmer vergleichbare Schutzbedürftigkeit des Klägers zu bejahen, ohne dass es insoweit entscheidend auf die Höhe der bei der Klägerin erzielten Einkünfte ankäme. Damit ist das Arbeitsgericht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG ausschließlich zuständig.

 

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten sind hälftig zu teilen, da mehrere Beschwerden, wenn sie sich – wie hier – gegen dieselbe Entscheidung richten und gleichzeitig entschieden werden als ein Verfahren gelten (vgl. Zöller/Heßler, ZPO 27. Aufl. § 567 Rdnr. 62).


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