Urteilstext
Tenor
1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.02.2021 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden weiteren materiellen und nicht voraussehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Versuch einer Wurzelspitzenresektion vom 14.05.2018 entstanden ist, soweit diese Ansprüche nicht Kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/8 und der Beklagte 7/8 zu tragen.
5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung geltend.
Am 04.05.2017 stellte sich die Klägerin in der Praxis des Beklagten wegen Beschwerden an Zahn 37 vor, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine andernorts eingebrachte Wurzelkanalfüllung aufwies. Im Zusammenhang mit weiteren Füllungstherapien im März und April 2018 an anderen Zähnen im Oberkiefer links, berichtete die Klägerin von anhaltenden Schmerzen am Zahn 37. Der Beklagte stellte die Optionen einer Revision der Wurzelfüllung und einer Wurzelspitzenresektion vor. Die Klägerin ließ alio loco eine Wurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durchführen. Weil der Zahn weiterhin nicht beschwerdefrei war, erschien sie erneut in der Praxis des Beklagten am 14.05.2018. Der Beklagte begann mit der Durchführung einer Wurzelspitzenresektion bei Zahn 37, führte diese jedoch im Hinblick auf ausgeprägte Verwachsungen mit dem Nerv nicht durch. Er verordnete der Klägerin Amoxicillin.
Am Folgetag zeigten sich eine Schwellung und eine Sensibilitätsstörung. Am 28.05.2018 erschien dann die Klägerin erneut in der Praxis des Beklagten und berichtete, auf einen Kern gebissen zu haben, woraufhin es „gekracht“ hätte. Das daraufhin angefertigte Röntgenbild zeigte keine Fraktur. Im Anschluss begab sich die Klägerin in anderweitige Behandlung. Am 14.09.2018 wurde der Zahn 37 entfernt.
Die Klägerin behauptet, die Behandlung vom 14.05.2018 nebst Nachbehandlung habe nicht dem zahnärztlichen Standard entsprochen. Namentlich hätte 3D-Technologie zum Einsatz kommen müssen. Der Beklagte habe vorwerfbar fehlerhaft den N. alveolaris verletzt. Die Überweisung zum Oralchirurgen sei zu spät erfolgt. Hierdurch sei ein Nervschaden entstanden mit der Folge von unerträglichen Schmerzen, Taubheit, Sprachproblemen, Biss-Beeinträchtigungen und „Sabbern“. Die Klägerin meint, die beklagtenseits behauptete Aufklärung sei jedenfalls zu spät erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
I.
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, welches in das Ermessen des Gerichts gelegt wird, aber nicht weniger als 25.000,00 € betragen sollte, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
II.
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden weiteren materiellen und nicht voraussehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem schadenstiftenden Ereignis der Wurzelspitzenresektion vom 14.05.2018 und fehlerhafter Nachsorge entstanden ist, soweit diese Ansprüche nicht Kraft Gesetzes auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte behauptet, er habe eine Revision bei vorliegenden anatomischen Verhältnissen der Wurzel des Zahnes 37 als nicht einfach durchführbar eingeschätzt und die Klägerin darauf hingewiesen, dass ein Behandlungsversuch letztendlich nur ein Versuch sein könne, den Zahn zu erhalten, ohne eine bestimmte Erfolgsprognose abgeben zu können. Am 14.05.2018 habe Dr. K die Klägerin auf das erhebliche Risiko einer Nervläsion hingewiesen, weil die Wurzelspitze im Nervkanal lag. Die Klägerin habe den Zahn unbedingt erhalten wollen. Der Beklagte erhebt den Einwand der hypothetischen Einwilligung.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines zahnärztlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Dr. D vom 16.12.2021 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist größtenteils begründet. Die Klägerin kann Schadensersatz wegen der Durchführung des streitgegenständlichen Versuchs einer Wurzelspitzenresektion verlangen, nicht jedoch in Bezug auf die darauffolgende Nachbehandlung.
Unberücksichtigt blieb bei dieser Entscheidung gem. § 296a ZPO der Schriftsatz der Klägerin vom 05.02.2023, zu welchem der Beklagte noch kein rechtliches Gehör hatte (und welcher ohnedies im Wesentlichen nur Rechtsausführungen enthält, die teilweise - wie insbesondere die Darlegungen zum Aufklärungszeitpunkt - für diese Entscheidung nicht erheblich waren und im Übrigen reine Wiederholungen bereits früher erfolgter Ausführungen darstellen).
Die Kammer hat sich sachverständig durch Dr. D beraten lassen, welcher ihr als erfahrener Gutachter bekannt ist. Dr. D ist Fachzahnarzt für Oralchirurgie in eigener Praxis sowie bei der Landeszahnärztekammer gelisteter Gutachter. Er hat schon etliche Gutachten für die Kammer erstellt. Er verfügt über eine hohe zahnärztliche und gutachterliche Erfahrung. Im vorliegenden Fall ist er nach gründlicher Auswertung der Behandlungsunterlagen zu nachvollziehbaren und gut begründeten Ergebnissen gekommen.
I.
Die Klägerin kann Schadensersatz wegen der Durchführung des streitgegenständlichen Versuchs einer Wurzelspitzenresektion verlangen.
1.
Der Eingriff vom 14.05.2018 war nicht von einer wirksamen und mithin rechtfertigenden Einwilligung der Klägerin getragen.
Dabei kann dahinstehen, ob die beklagtenseits behauptete Aufklärung zu spät erfolgte oder - insbesondere im Hinblick auf umfassende (klageseits auch konzedierte: vgl. S. 3 des Protokolls vom 25.01.2023) Vorinformationen, welche lediglich die Risiken sowie die Chancen und Risiken der Alternativen nicht mit umfassten - der Klägerin noch in ausreichendem Maße die Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts in zeitlicher Hinsicht ermöglichte.
Die Aufklärung der Klägerin ist jedoch deshalb nicht ausreichend, weil diese nicht wusste, worauf sie sich mit ihrer Einwilligung im Großen und Ganzen einließ.
a)
Eine Einwilligung kann nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so wird sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt (BGH NJW 1989, 1533; 2011, 1088 ff.). Die Aufklärungspflicht hat ihren ursprünglichen Grund weder in der über die Körperintegrität vermittelten Strafdrohung bei unzureichender Aufklärung, noch in der drohenden zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung (§§ 630c II, 630d, 630e, 630h II, 280 BGB), noch in standesrechtlichen Regeln der Landesärztekammern (vgl. § 8 der Musterberufsordnung). Vielmehr ergibt sich schon aus der Menschenwürde (Art. 1 I GG), dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG) und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (§ 2 II GG), dass der Patient die Dispositionsmacht über seine körperliche Integrität hat (BGH NJW 2011, 1088 ff.). Vorrangig aus diesem Grund ist es für eine freie Entscheidung des einwilligungsfähigen Patienten erforderlich, dass er die für seine Entscheidung bedeutsamen Umstände kennt. Bedeutsame Umstände in diesem Sinne sind der medizinische Befund, die Art des geplanten Eingriffs, seine voraussichtliche gesundheitliche Tragweite sowie – bezogen auf die konkrete Situation dieses Patienten – die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden Heilungsaussichten, mögliche andere medizinisch sinnvolle Behandlungsweisen, ferner die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden oder möglichen, nicht völlig unerheblichen Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustands dieses Patienten. Erst die Kenntnis dieser Umstände in ihrer Gesamtheit und Bedeutung für die konkrete Situation ermöglicht dem Patienten eine Abwägung dahin, ob er sich dem Eingriff durch diesen Arzt unterziehen will oder nicht, insbes. ob er den geplanten Eingriff als nach seiner Auffassung notwendig, sinnvoll und hinreichend erfolgversprechend ansieht. Die Aufklärung soll dem Patienten diese Abwägung ermöglichen (BVerfG NJW 1979, 1925 (1931)).
Daher muss der Patient über die nicht ganz außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegenden Risiken des Eingriffs informiert werden, soweit diese sich für einen medizinischen Laien nicht ohnehin ergeben und für seine Entschließung von Bedeutung sein können. Das bedeutet nicht, dass die Risiken in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgezählt werden müssen und jede, noch so entfernt liegende Gefahrenmöglichkeit zu erwähnen ist. Es muss aber eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken und Belastungen vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Bei einem spezifisch mit der Therapie verbundenen Risiko hängt die Erforderlichkeit der Aufklärung nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt („Komplikations- oder Risikodichte“). Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Kommt eine besonders schwere Belastung für seine Lebensführung in Betracht, so ist die Information über ein solches Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht. Die Aufklärung hat patientenbezogen und damit den Umständen des konkreten Falles entsprechend zu erfolgen. Der Aufklärungsumfang wird hierbei einerseits durch das Gewicht der medizinischen Indikation bestimmt, das sich wiederum aus der Notwendigkeit des Eingriffs, seiner zeitlichen Dringlichkeit und den Heilungschancen ergibt, andererseits ist insbes. die Schwere der Schadensfolgen für die Lebensführung des Patienten im Fall der Risikoverwirklichung mitbestimmend (BGH NJW 2009, 1209 f.; 2011, 375; 2011, 1088 ff.; von Pentz MedR 2017, 437 (439) mwN). Mit der Aufklärung soll dem Patienten kein medizinisches Detailwissen vermittelt werden, sondern ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Risikospektrums, wobei sich der Arzt in der Regel mit einer Aufklärung im Großen und Ganzen begnügen und Näheres entsprechend der Fragestellung des Patienten überlassen kann (OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 2195). Es ist nicht erforderlich, das Risiko von Komplikationen prozentual genau zu beziffern (BGH NStZ 1996, 34), jedoch müssen die Risiken realistisch dargestellt werden; sie dürfen weder verharmlost noch überzeichnet werden (OLG Naumburg BeckRS 2008, 10392).
Generell gilt, dass Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Aufklärung umgekehrt proportional sind zur Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten des Eingriffs (Katzenmeier MedR 2013, 576 (582) mwN). Die Aufklärungslast insbes. in Bezug auf Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen nimmt in dem Maße zu, in dem der Dringlichkeitsgrad des medizinischen Eingriffs und seine Heilungsaussicht abnehmen und umgekehrt (BGH NJW 2011, 1088 ff.; OLG Brandenburg BeckRS 2008, 41812).
Eingriffstypische Risiken sind nicht einfach nur zu nennen, sondern sie sind, soweit sie nicht allgemein bekannt sind, in verständlicher Weise – zumindest knapp – zu beschreiben. Ferner sind besonders gewichtige, mit ihnen verbundene Folgen zu nennen, sofern diese nicht allgemein bekannt sind. Darüber hinaus müssen einem Patienten aber nicht alle denkbaren medizinischen Risiken exakt oder in allen möglichen Erscheinungsformen dargestellt werden; was unter einer „Thrombose“ und einer „Embolie“ zu verstehen ist, muss jedenfalls dann nicht näher erläutert werden, wenn bei dem Patienten ein gewisses medizinisches Allgemeinwissen und der Mut zum Nachfragen unterstellt werden kann (OLG Köln MedR 2017, 147 f. für einen Rechtsanwalt als Patienten). Der Hinweis auf eine mögliche Lähmung impliziert das Risiko einer dauerhaften Lähmung; will der Patient Einzelheiten über Art und Größe des Lähmungsrisikos wissen, kann er diese erfragen (BGH NJW-RR 2017, 533 (534)). Ob auf denkbare schwere und sehr seltene Folgen der eingriffstypischen Risiken hinzuweisen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Entbehrlich ist ein derartiger Hinweis idR nur bei Vorliegen einer absoluten Indikation ohne besondere Erschwernisse. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, muss der Patient bspw. vor einer zwingend indizierten intraartikulären Injektion oder einer zweifelsfrei erforderlichen Gelenksoperation daher nicht darauf aufmerksam gemacht werden, dass infolge einer Infektion – die ein eingriffstypisches Risiko darstellt – in seltenen Fällen auch eine Versteifung des Gelenks erforderlich werden kann. Anders ist das aber, wenn gesteigerte Aufklärungspflichten bestehen, etwa weil Behandlungsalternativen existieren (BGH NJW 1989, 1533 ff.; OLG Hamm GesR 2005, 70 ff.) oder eine erhöhte Komplikationsrate droht (OLG Köln NJW-RR 1995, 1238; OLG München GuP 2013, 120).
Darüber hinaus ist die Aufklärung über gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsalternativen erforderlich, wenn diese zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder gewichtige unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (§ 630e BGB), mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten besteht (BGH NJW 2005, 1718). Die in Betracht kommenden Behandlungsalternativen müssen mit ihren Chancen und Risiken so dargestellt und dem gewählten Vorgehen gegenübergestellt werden, dass der Patient die wesentlichen Kriterien für die Entscheidung zwischen den in Betracht kommenden Vorgehensweisen erfasst. Unwesentliche Unterschiede der in Betracht kommenden Methoden müssen dem Patienten aber nicht mitgeteilt werden (OLG Koblenz VersR 2012, 238). Im Einzelfall kann auch eine vertiefte Darstellung der Risiken der in Betracht kommenden Methoden erforderlich sein (OLG Hamm VersR 1998, 1548 f.). Dabei verhält sich auch der Umfang der geschuldeten Alternativaufklärung umgekehrt proportional zu Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten des Eingriffs (BGH NJW 1982, 2121 ff.). Je höher die Risiken der beabsichtigten Behandlung sind, desto intensiver muss die Alternativaufklärung erfolgen (MAH MedR/Terbille/Feifel § 1 Rn. 363 ff. mwN).
b)
Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin keine ausreichenden Informationen über die konkrete Gefahr einer Nervverletzung und deren Folgen erhalten.
aa)
Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass eine Wurzelspitzenresektion am letzten unteren Molar wegen der anatomischen Verhältnisse und der schwierigen Zugangsmöglichkeit einen sportlichen Eingriff darstelle, weil sehr schnell die Kontrolle verloren werden könne. Es handele sich daher von vorneherein um einen gewissen Risikoeingriff. Hinzu komme, dass die Wurzelspitze nicht wie üblich, sondern sehr weit nach lingual stand. Vor diesem Hintergrund würde der Sachverständige einem Patienten in einer derartigen Situation von diesem Eingriff abraten und stattdessen die Extraktion des Zahnes vorschlagen, weil eine Implantatversorgung sinnvoll sei; die Wurzelspitzenresektion ist deutlich risikoreicher als Extraktion des Zahnes. Ferner würde er die Alternative des Abwartens mit einer Kontrolluntersuchung nach einem halben Jahr vorstellen, wobei in diesem Fall weiterhin Schmerzen zu erwarten seien und ein Abszess „sehr wahrscheinlich“ drohe (S. 4-5 des Protokolls vom 25.01.2023).
bb)
Die Klägerin selbst hat eingeräumt, dass ihr bereits Dr. L die in Betracht kommenden Alternativen genannt habe (S. 5 des Protokolls vom 25.01.2023).
Dr. K habe am 24.04.2018 eine Wurzelspitzenresektion durch den Beklagten empfohlen und dazu angegeben, dass man nah am Nerv arbeite. Sie habe dem entnommen, dass der Eingriff Schmerzen bereiten würde. Dass es zu einer Nervverletzung kommen könne, habe ihr niemand gesagt (S. 3/4 des Protokolls vom 25.01.2023).
Der Beklagte hat angegeben, meist habe Dr. K die Klägerin behandelt. Soweit er sie behandelt habe, habe er immer über Alternativen gesprochen sowie dabei die Klägerin mehrmals über die Vor- und Nachteile aufgeklärt; nach konkreten Daten gefragt, verwies der Beklagte darauf, dass er persönlich die Klägerin am 04.05.2017 behandelt habe; seine schriftsätzliche Behauptung, dass er die Klägerin am Tag des Eingriffs nochmals aufgeklärt habe, hat der Beklagte hingegen nicht aufrechterhalten (S. 2 des Protokolls vom 25.01.2023).
Der Beklagte hat eine EDV-Dokumentation als PDF-Dokument auf CD vorlegt. In dieser ist am Tag des Eingriffs eingetragen: „Wurzelspitze im Nervkanal, Pat. aufgeklärt über erhebliches Risiko Nervläsion. Alternative wäre ex, PAt. will ausdrücklich WSR probieren, da ex anschliessend noch möglich“. Dieser Eintrag ist Frau Dr. K zuzuordnen (S. 4 des Protokolls vom 25.01.2023). Die Klägerin bestreitet ein Gespräch mit Dr. K am Tag des Eingriffs (S. 6 des Protokolls).
cc)
Der Beklagte hat nicht den Nachweis geführt, dass die Klägerin in der dokumentierten Weise aufgeklärt worden ist.
(1)
Die Aufklärungsdokumentation gereicht nicht zum Nachweis einer entsprechenden Aufklärung. Sie kann lediglich Indiz sein und rechtfertigt die Anhörung bzw. Vernehmung der Parteien zur Aufklärung (BGH NJW-RR 2001, 1431).
Im Übrigen vermochte sich der Beklagte nicht einmal mit Erfolg auf die Indizwirkung berufen, weil die EDV-Dokumentation als PDF-Dokument vorgelegt worden ist, ohne dass das zugehörige Änderungsprotokoll beigefügt wurde. Die auf dem Markt verfügbaren elektronischen Dokumentationssysteme lassen nachträglich vorgenommene Änderungen nicht bereits auf Ausdrucken wie dem hier vorgelegten PDF-Dokument erkennen, sondern es wird lediglich in Änderungsprotokollen, die gesondert ausgedruckt werden können, dokumentiert, wann welche Eintragungen vorgenommen worden sind. Auch nachträgliche Eintragungen lassen sich unter einem früheren Datum vornehmen; der Zeitpunkt der Eintragung ist lediglich auf einem Änderungsprotokoll ersichtlich, welches hier nicht vorgelegt worden ist (vgl. Bekanntmachung der BUNDESÄRZTEKAMMER und der KASSENÄRZTLICHEN BUNDESVEREINIGUNG, Deutsches Ärzteblatt | PP | Heft 6 | Juni 2014, S. 285; in dieser Weise waren auch sämtliche Dokumentationsprogramme konfiguriert, mit welchen sich die Kammer bislang auseinandergesetzt hatte); die Voraussetzungen des § 630f Abs. 1 S. 1 und 3 BGB lassen sich für die hier vorgelegte Dokumentation mithin nicht feststellen.
Unzutreffend ist auch die Darstellung der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023, die Klägerin habe die Richtigkeit der Dokumentation nicht bestritten (S. 11 des Protokolls vom 25.01.2023). Vielmehr hat die Klägerin von Anfang an vorgetragen, dass sie - anders als dokumentiert - über das Risiko einer Nervverletzung nicht aufgeklärt worden wäre. Dieser Vorwurf ist nicht zuletzt auch deshalb von substantiellem Gewicht, weil er nicht erst kurz vor Klageerhebung oder - wie so häufig - erst dann erhoben wurde, nachdem sich herausgestellt hat, dass eine Haftung unter Behandlungsfehlergesichtspunkten nicht gegeben sei. Vielmehr hat die Klägerin dem Beklagten eine unzureichende Aufklärung bereits weniger als 4 Monate nach dem Eingriff vorgeworfen (vgl. die E-Mail, aus welcher der Sachverständige auf S. 5 seines Gutachtens vom 16.12.2021 zitiert).
(2)
Der Beklagte hat seine schriftsätzliche Behauptung nicht aufrechterhalten, dass er die Klägerin am Tag des Eingriffs nochmals aufgeklärt habe.
Zwar will er die Klägerin über die in Betracht kommenden Optionen sowie ihre Risiken bei vorangegangenen Behandlungsterminen aufgeklärt haben. Als einziges Datum konnte der Beklagte insoweit jedoch das Gespräch vom 04.05.2017 nennen. Eine Risiko- und Alternativaufklärung ist für diesen Tag jedoch weder dokumentiert, noch hatte der Beklagte eine konkrete Erinnerung, noch konnte er so detailliert Angaben zu einer stets praktizierten Durchführung derartiger Gespräche machen, als dass unterstellt werden konnte, dass definitiv am 04.05.2017 eine solche Aufklärung erfolgte. Insbesondere hat der Beklagte nicht im Einzelnen dargestellt, welche konkreten Risiken sowie welche Vor- und Nachteile welcher Alternativen er der Klägerin an diesem Tag (bzw. stets) genannt haben möchte.
Im Übrigen wäre eine Aufklärung vom 04.05.2017 am 14.05.2018 ohnehin schon entaktualisiert gewesen (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2023, BGB § 630e Rn. 57-61).
(3)
Der Antrag des Beklagten vom 25.01.2023, Frau Dr. K zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass sie die Klägerin am Tag des Eingriffs aufgeklärt habe, ist gem. § 296 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen.
(a)
Der Antrag wurde erst nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist und nach Ablauf der Stellungnahmefrist auf das schriftliche Sachverständigengutachten gestellt. Im Zusammenhang mit der Setzung beider Fristen ist auf mögliche Präklusionsfolgen bei Fristversäumnis hingewiesen worden.
(b)
Die Einvernahme der Zeugin Dr. K würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern.
(c)
Die Verspätung ist nicht genügend entschuldigt.
(aa)
Bereits in der Klageerwiderung hätte Anlass zur Benennung von Dr. K bestanden. Die Klägerin hat eine unzureichende Aufklärung gerügt. Dass die Dokumentation allein zum Nachweis der Aufklärung nicht ausreicht, hat der BGH schon vor Jahrzehnten klargestellt (u.a. NJW-RR 2001, 1431). Dass die Aufklärung nach der Dokumentation nicht vom Beklagten, sondern von Dr. K vorgenommen worden sein soll, wusste der Beklagte, hätte es aber zumindest bei der Vorbereitung der Klageerwiderung mit der gebotenen Sorgfalt erkennen.
Eine genügende Entschuldigung kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Beklagte in der Klageerwiderung zum Beweis der von ihm behaupteten Aufklärung eine Zahnmedizinische Fachangestellte benannt hat. Zum einen handelt es sich hierbei um keinen ordnungsgemäßen Beweisantritt (BGH NJW 1983, 1905, 1908), ohne dass eine anwaltlich vertretene Partei hierauf hinzuweisen ist (BGH NJW 1987, 3077, 3080). Zum anderen handelt es sich bei einer angestellten Zahnärztin nicht um eine Zahnmedizinische Fachangestellte, sondern um eine Zahnärztin. Fachangestellte sind dem Feld der Assistenzberufe zuzuordnen, während ZahnärztInnen die Zahnheilkunde ausüben.
(bb)
Ein weiteres Mal bestand Anlass zur Benennung von Dr. K als Zeugin nach Fristsetzung zur Stellungnahme auf das Gutachten vom 16.12.2021. Auf S. 5 des Gutachtens wies der Sachverständige explizit darauf hin, dass die dokumentierte Aufklärung durch Dr. K vorgenommen worden sein soll, nicht aber durch den Beklagten selbst.
Mitnichten handelte es sich bei dieser Information daher um eine neue Erkenntnis aus der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023.
(d)
Die Präklusionsfolgen des § 296 Abs. 1 ZPO treten kraft Gesetzes ein, ohne dass Raum für eine Ermessensentscheidung (wie bei § 296 Abs. 2 ZPO) wäre.
dd)
Geht man (demzufolge) davon aus, dass die Klägerin lediglich in der von ihr konzedierten Weise aufgeklärt worden ist, so fehlte die Information über einen möglichen Nervschaden, welcher bei der streitgegenständlichen Operation ein erhöhtes Risiko darstellte, sowie die Information darüber, dass dieses Risiko bei der alternativ in Betracht kommende Zahnextraktion nicht in derselben Weise besteht. In der Tat ergibt sich aus der Information, dass nah am Nerv gearbeitet würde, nicht in einer für den Laien hinreichend deutlichen Weise, dass es durch den Eingriff auch zu einer Verletzung des Nerven kommen könne. Zudem bleibt vollkommen unklar, welche Bereiche der Nerv, an dem nahe gearbeitet wird, innerviert und welche Folgen eine Verletzung nach sich ziehen kann.
Aber selbst dann, wenn man unterstellt, dass die Klägerin aufgeklärt wurde, wie beklagtenseits behauptet, wäre sie nicht ausreichend informiert worden, um wirksam in den Eingriff einwilligen zu können. Namentlich behauptet der Beklagte nicht einmal, dass der Klägerin gesagt worden wäre, dass nicht nur eine Verletzung eines Nerven wie bei jeder zahnmedizinischen Operation eintreten könne, sondern dass es sich hier aufgrund der Art des Eingriffs einerseits und insbesondere der sehr weit nach lingual stehenden Wurzelspitze um ein erhöhtes Risiko handelte, welches bei einer bloßen Extraktion nicht in dieser erhöhten Weise zu besorgen wäre. Zudem behauptet der Beklagte auch nicht, dass die Klägerin hinreichend ausführlich über die Folgen informiert worden wäre, die aus einer Nervverletzung resultieren können. Wie schon ausgeführt, ist auf denkbare schwere und sehr seltene Folgen der eingriffstypischen Risiken hinzuweisen, wenn Behandlungsalternativen existieren (BGH NJW 1989, 1533 ff.; OLG Hamm GesR 2005, 70 ff.) oder eine erhöhte Komplikationsrate droht (OLG Köln NJW-RR 1995, 1238; OLG München GuP 2013, 120). Hier waren nach der Darstellung des Sachverständigen sogar beide dieser alternativen Voraussetzungen gegeben. Dass der Klägerin erläutert worden wäre, dass eine Nervverletzung zu einer - ggf. sogar dauerhaften - Taubheit führen könne, hat der Beklagte jedoch nicht behauptet. Auch der Sachverständige hat mitgeteilt, dass ihm die Aufklärung selbst dann nicht ausreichen würde, wenn sie so erfolgt wäre, wie es in der Dokumentation niedergelegt und von der Beklagtenvertreterin unter Beweis gestellt worden sei. Namentlich fehlt die Information, dass die Lippe taub sein werde, wenn der Nerv verletzt werde (S. 6 des Protokolls).
Schon aus den vorstehenden Erwägungen hinaus stellt sich sogar die beklagtenseits behauptete Aufklärung als unzureichend dar. Hinzu kommt (ohne dass das Urteil damit stehen und fallen würde) noch Folgendes: Der Beklagte selbst hat angegeben, dass er sich nicht für einen Spezialisten in einer solchen Wurzelspitzenresektion halte (S. 3 des Protokolls). Nicht widersprochen hat der Beklagte der klägerischen Darstellung, dass Frau Dr. K gesagt habe, eine Wurzelspitzenresektion sei eine Spezialität des Beklagten (S. 3 des Protokolls vom 25.01.2023). Diese Angabe ist glaubhaft und auch nicht unplausibel; denn riskante Eingriffe wie den streitgegenständlichen führen nicht alle Zahnärztinnen und Zahnärzte durch (vermutlich Dr. K eben nicht), der Beklagte indes vereinzelt schon. Im Hinblick darauf, dass es sich hier um einen Risikoeingriff handelte, stellt sich der Eingriff auch deshalb als rechtswidrig dar, weil der Klägerin eine besondere persönliche Kompetenz vorgetäuscht worden ist, über welche der Beklagte tatsächlich überhaupt nicht verfügte. Eine auf einer Täuschung beruhenden Einwilligung ist unwirksam (Ulsenheimer/Gaede ArztStrafR Rn. 558), das gilt auch für fahrlässige Falschinformationen. Fehlerhafte Angaben seitens seiner angestellten Zahnärztin hat sich der Beklagte gem. § 278 BGB zurechnen zu lassen.
2.
Der Einwand der hypothetischen Einwilligung dringt nicht durch. Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sie sich bei Information über einen möglichen Nervschaden zwar den Zahn nicht extrahieren hätte lassen, aber die Option gewählt hätte, noch abzuwarten (S. 3 und 4 des Protokolls). Plausibel ist insbesondere, dass sich die Klägerin gegen den risikobehafteten streitgegenständlichen Eingriff entschieden hätte. Aber es ist auch - wenigstens im Sinne eines Entscheidungskonflikts - plausibel und nicht widerlegt, dass die Klägerin anstelle einer invasiven Behandlung abgewartet hätte. So hat auch der Sachverständige berichtet, dass es immer wieder Patienten gibt, die sich für ein Abwarten entscheiden, auch wenn all diese Patienten den entsprechenden Zahn im Laufe der folgenden Zeit verlieren und möglicherweise noch unter Entzündungsfolgen zu leiden haben (S. 5 des Protokolls vom 25.01.2023). Die Klägerin meint in diesem Zusammenhang heute, sie habe nach der Behandlung durch Dr. L und vor dem streitgegenständlichen Eingriff nur noch ein leichtes Ziehen verspürt (S. 4 des Protokolls). Zwar mag es sein, dass sie aufgrund des großen Gewichts ihrer Leiden nach der streitgegenständlichen Behandlung ihre Situation davor in einem rosigeren Licht sieht (in diese Richtung tendiert wohl auch der Sachverständige, vgl. S. 4 unten des Protokolls vom 25.01.2023). Dies gereicht dem Einzelrichter jedoch nicht im Ansatz zu der Überzeugung, dass die Klägerin in der damaligen Situation gleichwohl in den streitgegenständlichen Eingriff eingewilligt hätte.
II.
Schadensursächliche Fehler in der Nachbehandlung vermochte die Klägerin nicht nachzuweisen. Insoweit war der Feststellungsantrag daher abzuweisen.
1.
Zwar hat der Sachverständige festgestellt, dass die Behandlung (allein) insoweit fehlerhaft war, als das Taubheitsgefühl vom Tag nach dem Eingriff nicht als Zeichen einer möglichen Nervverletzung gedeutet wurde; es wären weitere Diagnostik und Therapie erforderlich gewesen. Zudem hätte der Beklagte den Zahn 37 nach der dreidimensionalen Röntgenaufnahme vom 28.05.2018 sofort entfernen müssen (S. 15 f. des Gutachtens).
2.
Die Klägerin vermochte jedoch nicht nachzuweisen, dass diese Behandlungsfehler zu einem Gesundheitsschaden geführt hätten.
a)
Es handelte sich insbesondere nicht um grobe Behandlungsfehler (S. 17 des Gutachtens). Entgegen der Auffassung der Klägerin im Schriftsatz vom 05.02.2023 (dort S. 3) ist das ohne Weiteres nachvollziehbar und überzeugend, weil die Handlungsoptionen nach stattgehabter Nervverletzung sehr beschränkt und zeitlich nicht dringlich sind sowie eher schlechte Erfolgsaussichten haben (vgl. S. 8 oben des Protokolls vom 25.01.2023).
b)
Auch kommt es nicht zur Beweislastumkehr gem. § 630h Abs. 5 S. 2 BGB. Zwar hätte die gebotene Diagnostik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben (vgl. S. 7 des Protokolls). Auf diesen nicht zu reagieren, wäre jedoch nicht grob fehlerhaft gewesen (S. 9 des Protokolls). Auch das ist aus den schon unter Buchst. a) erläuterten Gründen ohne Weiteres nachvollziehbar.
c)
Auch vermochte die Klägerin nicht den Vollbeweis zu führen, dass Gesundheitsschäden auf der fehlerhaften Nachbehandlung beruhen.
III.
In der Konsequenz hat der Beklagte die Klägerin für die Durchführung des Eingriffs selbst, nicht aber für die fehlerhafte Nachbehandlung zu entschädigen.
1.
Der Feststellungsausspruch war daher auf diesen Teil, in dem die Klage Erfolg hatte, zu beschränken.
2.
Der Schmerzensgeldantrag erwies sich in einer Höhe von 20.000,00 € als begründet.
a)
Zu entschädigen ist die Durchführung des Eingriffs selbst und der Nervschaden, welcher sicher und ausschließlich auf der Operation beruht (S. 5 und 10 des Protokolls vom 25.01.2023).
b)
Folge des Nervschadens ist eine Taubheit der Unterlippe und des vestibulären Zahnfleisches der Zähne 31-35. Die Zähne im Unterkiefer links reagieren auf Kälte negativ. Seit September 2018 verspürt die Klägerin ein elektrisierendes Gefühl bei Berührung der Unterlippe, ferner ein brennendes Gefühl der Ober- und Unterlippe und Schmerzattacken (vgl. S. 18 des Gutachtens).
Ein Sabbern ist nicht feststellbar, es ist aber glaubhaft und plausibel, dass die Klägerin es nicht spürt, wenn ihr Flüssigkeit aus dem Mund fließt. Hinzu kommt eine Gefühlsbeeinträchtigung linksseitig im Mund, die vor allem beim Kauen zu Beeinträchtigungen führt (u.a. gelegentliches Beißen auf die Wange, so dass die Klägerin nur auf der rechten Seite kaut, um dies zu vermeiden). Die Artikulation in der deutschen Sprache ist bei der Klägerin unauffällig. Eine Veränderung der Artikulationsfähigkeit in der spanischen Sprache ist nicht objektivierbar (zu allem Vorstehenden: vgl. die glaubhaften Angaben der Klägerin und die Stellungnahme des Sachverständigen hierzu auf S. 9/10 des Protokolls vom 25.01.2023); letzteres ist für die Schmerzensgeldbemessung aber auch irrelevant; falls materielle Schäden geltend gemacht werden sollten, die auf diesen Vortrag gestützt werden, kann diese Feststellung noch im Betragsverfahren getroffen werden.
c)
Die Klägerin hat schon gegenüber dem Sachverständigen (vgl. S. 18 des Gutachtens), aber auch glaubhaft in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihr zur Therapie Neuroleptika verordnet würden (S. 9 des Protokolls); weiter hat die Klägerin ausgeführt, dass ein Wechsel hin zu Antidepressiva anstünde (Protokoll aaO.), welche nach Kenntnis des Einzelrichters aus mehreren Arzthaftungsfällen nicht nur zur Behandlung von Depressionen, sondern auch zur Linderung bei chronischen Schmerzen verwendet werden; es handelt sich um hochpotente Medikamente mit entsprechenden Nebenwirkungen. Ihr Einsatz belegt einen erheblichen Leidensdruck.
d)
Mit einer vollständigen Regeneration ist nicht zu rechnen (S. 18 des Gutachtens).
Insgesamt sind für die Schmerzensgeldbemessung durch den Einzelrichter die - eine erhebliche Medikation erfordernden - Schmerzen sowie die im Alltag beim Kauen und beim Lippenschluss relevanten Beeinträchtigungen besonders relevant. Die Klägerin ist von den Folgen des streitgegenständlichen Eingriffs täglich, dauerhaft und in erheblichem Maße betroffen. Ihre Lebensqualität ist insoweit deutlich reduziert.
3.
Prozesszinsen kann die Klägerin gem. §§ 288, 291 BGB verlangen.
IV.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO. Bei der Kostenquote fiel die Teilabweisung des Feststellungsantrages nicht ins Gewicht, weil die Klägerin alle geltend gemachten Schäden schon wegen der unzureichenden Aufklärung ersetzt verlangen kann.
Das Urteil beruht auf der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023. Die nachfolgend eingereichten Schriftsätze blieben gem. § 296a ZPO unberücksichtigt. Bei Berücksichtigung dieser Schriftsätze hätten sich aber auch keine Änderungen ergeben. Namentlich rechtfertigen die weiteren klägerischen Ausführungen weder die Annahme eines Behandlungsfehlers, noch die weiteren Ausführungen des Beklagten die Annahme einer ordnungsgemäßen Aufklärung; namentlich trägt der Beklagte weiterhin nicht vor, dass die Klägerin zu irgendeinem Zeitpunkt über das mit dem Eingriff verbundene Risiko in der erforderlichen Weise informiert worden wäre, ebenso wenig, dass eine Gegenüberstellung der mit den Alternativen verbundenen Chancen, Risiken und Belastungen erfolgt wäre.