Beschlusstext
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. Juli 2009 - 11 K 1455/09 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 17.06.2009 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.05.2009 abgelehnt, mit dem dieses die Approbation des Antragstellers als Arzt unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit widerrufen und ihm aufgegeben hatte, die Approbationsurkunde bis spätestens 30.06.2009 dem Regierungspräsidium in Verwahrung zu geben.
Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner abweichenden Beurteilung.
Nach §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung (in der Fassung vom 16.04.1987, BGBl. I S. 1218, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 30.07.2009, BGBl. I S. 2495) ist die Approbation zu widerrufen, wenn sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Dies ist der Fall, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen besitzt (Senatsbeschluss vom 24.09.1993 - 9 S 1386/91 -, VBlBW 1994, 111, unter Hinweis auf BVerwG, Beschlüsse vom 02.11.1992 - 3 B 87/92 -, NJW 1993, 806, und vom 09.01.1991 - 3 B 75/90 - , NJW 1991, 1557; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.11.2002 - 13 A 683/00 -, NWVBl 2003, 233). Unwürdigkeit ist u.a. dann zu bejahen, wenn der Arzt vorsätzlich eine schwere gegen die Person gerichtete von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tief greifenden Abwertung der Persönlichkeit führt (Senatsbeschlüsse vom 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, NJW 2003, 3647 [3648] und vom 24.09.1993 - 9 S 1386/91 -, VBlBW 1994, 111 [113], jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ist die Unwürdigkeit eines Arztes zu Recht festgestellt, bedarf es keiner Prognose mehr, ob von ihm künftig eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht bzw. ob er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird (BVerwG, Beschluss vom 02.11.1992 - 3 B 87/92 -, NJW 1993, 806; vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18.05.2005 - 1 BvR 1028/05 -, wiedergegeben im Beschluss dieser Kammer vom 28.08.2007 - 1 BvR 1098/07 -).
Der mit dem Widerruf einer Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ist im Wege der Anordnung des Sofortvollzugs und damit vor Rechtskraft des Hauptverfahrens als Präventivmaßnahme nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618, unter Hinweis auf die Beschlüsse vom 19.06.1973 - 1 BvL 39/69 und 14/72 -, BVerfGE 35, 263 [274] und vom 02.03.1977 - 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 [117 ff.]). Ob es sich um eine unaufschiebbare Maßnahme im Interesse des allgemeinen Wohls handelt, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG a.a.O. unter Hinweis auf Beschluss vom 02.03.1977 - 1 BvR 124/76 -, BVerfGE 44, 105 [120 f.]). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert es jedenfalls dann, für sofort vollziehbar erklärte Eingriffe in grundrechtlich gewährte Freiheiten noch einmal einer gesonderten, über die Beurteilung der zu Grunde liegenden Verfügung hinausgehenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen (BVerfG a.a.O. unter Hinweis auf Beschlüsse vom 16.07.1974 - 1 BvR 75/74 -, BVerfGE 38, 52 [58] und vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 [228]), wenn die Rechtmäßigkeit der Approbationsentziehung nicht offensichtlich ist.
Gemessen an diesen, auch vom Verwaltungsgericht beachteten Kriterien ist der Antragsteller zum einen der Ausübung seines Arztberufs nicht mehr würdig, weil er durch die von ihm begangenen zahlreichen und erheblichen, von seiner Tätigkeit als Arzt untrennbaren Straftaten das damit verbundene besondere und auch von ihm in Anspruch genommene Vertrauen der um ärztliche Hilfe Nachsuchenden nicht mehr besitzt, und zum anderen ist wegen der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Widerrufs der dem Antragsteller erteilten Approbation wie auch wegen des hohen Ranges, den das ärztliche Vertrauen im Verständnis der Bevölkerung nach wie vor einnimmt, auch die Anordnung der Sofortvollzugs dieses Widerrufs rechtmäßig.
Die Unwürdigkeit des Antragstellers ist gegeben, denn er hat nicht nur eine sondern zahlreiche Straftaten begangen, die in besonderer Weise geeignet sind, das ihm als Arzt entgegengebrachte Vertrauen zu zerstören. Nach den Feststellungen im Urteil des Landgerichts Mannheim vom 25.07.2008 (2 KLs 616 Js 3682/01), das seit dem die Revision verwerfenden Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19.02.2009 - 1 StR 25/09 - rechtskräftig ist und zu Recht zur Grundlage des angefochtenen Bescheides gemacht worden ist (BVerwG, Beschluss vom 06.03.2003 - 3 B 10/03 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.11.2002 - 13 A 683/00 -, a.a.O.), hat der Antragsteller in 46 Fällen vorsätzliche Körperverletzungen dadurch begangen, dass er zum Zwecke der Abrechnung gegenüber den Krankenkassen Impfungen durchführte, die entweder nicht indiziert waren, über die er seine Patienten nicht sachgerecht aufgeklärt hatte oder die er vornahm, indem er seine ihm vertrauenden Patienten über sein tatsächliches Tun im Unklaren ließ. Nach den Feststellungen des Urteils war es dem Antragsteller „gleichgültig, ob die Patienten nach einer ordnungsgemäßen Aufklärung mit der Impfung einverstanden gewesen wären oder nicht und ob die Impfungen dem Interesse oder dem Wohl der Patienten dienten oder ihnen sogar schadeten. Maßgebend war für ihn vielmehr der finanzielle Profit, den er aus den Impfungen zog.“ In einer Vielzahl von Fällen hat der Antragsteller demnach seinen eigenen Profit über das Wohl seiner Patienten gestellt.
Zu diesen 46 Fällen, von denen 18 Personen betroffen waren, und die mit Einsatzstrafen von je sechs Monaten (25 Fälle), 150 Tagessätzen (4 Fälle) bzw. 100 Tagessätzen (17 Fälle) geahndet wurden, kamen noch 20 Vorgänge, die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurden. Das Verhältnis von Taten zu Personen zeigt, dass der Antragsteller sein strafbares Verhalten auf eine - relativ - geringe Zahl von Personen konzentrierte, sich diesen gegenüber jedoch mehrfach grob rechtswidrig verhalten hat. Dass sich hierdurch hervorgerufene Impfrisiken nicht realisiert haben, wurde strafrechtlich zwar zugunsten des Antragstellers berücksichtigt, lässt aber im vorliegenden Zusammenhang das Verhalten des Antragstellers nicht in einem milderen Licht erscheinen, zumal er keinen Anlass hatte, auf die medizinische Folgenlosigkeit seines Tuns zu vertrauen. Dagegen fällt auch hier, ebenso wie vor dem Strafgericht, besonders ins Gewicht, dass der Antragsteller „seine Pflichten als Arzt in schwerwiegendem Maße verletzt und das Vertrauen seiner Patienten missbraucht hat; besonders schwer wiegt dies in den Fällen, in denen er Patienten nicht nur ohne ihr Wissen impfte bzw. ihnen allenfalls mitteilte, dass und gegebenenfalls auch wogegen er sie impfe, sondern die Impfung auch medizinisch nicht indiziert war,“ teils wegen der Art des Impfstoffes, teils wegen unnötiger Mehrfachimpfungen. Dies gilt für immerhin 40 Fälle. Lediglich bei sechs der abgeurteilten Taten anerkannte das Strafgericht eine medizinische Indikation. In zwei Fällen waren die Impfungen aus zwei verschiedenen Gründen medizinisch nicht indiziert. In einem Fall hat der Antragsteller dazuhin eine Auszubildende unter Druck gesetzt, zur Vertuschung seiner Tat falsche schriftliche Erklärungen abzugeben. Das im Strafurteil wiedergegebene Verhalten des Antragstellers erlaubt nicht die Annahme, er habe Einsicht in das Unrecht seines Tuns gezeigt. In der Hauptverhandlung hat er sich zur Sache nicht eingelassen, gegenüber der Polizei auf die Impfempfehlungen der STIKO verwiesen und bestritten, Patienten ohne ihr Wissen und die gebotene Aufklärung geimpft zu haben. Vielmehr hat er insbesondere wegen der fehlenden oder verschleiernden Ankündigung bzw. Kommentierung seines Tuns jegliches Vertrauen bei den betroffenen Patienten in einem besonders sensiblen Bereich ärztlicher Berufsausübung zerstört, denn Impfungen erfolgen in aller Regel zu einem Zeitpunkt, in dem die Patienten hinsichtlich der Krankheiten, deretwegen geimpft wird, beschwerdefrei sind und daher keine Möglichkeit haben, aufgrund ihres körperlichen Zustandes das Erfordernis eines ärztlichen Tätigwerdens zu beurteilen. Sie müssen sich daher gerade in diesem Bereich in besonderer Weise auf die Korrektheit des Verhaltens ihres Arztes verlassen können.
Zu diesen Impfvorgängen kam noch ein weiterer Tatkomplex, der zwar angesichts des geringen dadurch hervorgerufenen finanziellen Schadens nur mit einer Einsatzstrafe von 20 Tagessätzen wegen Betrugs berücksichtigt wurde, sich jedoch dadurch auszeichnet, dass auch hier der Antragsteller einen vertrauensvollen Umgang mit seinen Patienten aus finanziellen Gründen hintertrieb. Der Antragsteller verlangte von Personen, die einen Patienten ins Sprechzimmer begleiten und ihm dort Bestand leisten wollten, dass sie gleichfalls ihre Versichertenkarte vorlegten, die er dann zur Abrechnung der sogenannten hausärztlichen Grundvergütung auch hinsichtlich dieser Begleitpersonen nutzte. Lehnten sie die Vorlage ihrer Versichertenkarte ab, wurde ihnen der Zugang zum Sprechzimmer verweigert. Damit hat der Antragsteller nicht nur in drei nachgewiesenen Fällen das Verantwortungsgefühl dieser Personen und ihre Sorge um das Wohl ihrer kranken Angehörigen ausgenutzt, sondern darüber hinaus bei einer nicht näher bekannten Anzahl von Begleitpersonen, die auf dieses Ansinnen nicht bzw. erst nach heftigem Widersprechen eingegangen sind, das ihm zunächst entgegengebrachte Vertrauen in eine seriöse Behandlung nachhaltig erschüttert.
Die Frage, ob ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist, und ob er deshalb der Ausübung seines Berufes unwürdig ist, unterliegt objektiven Beurteilungsmaßstäben. Es kommt daher, entgegen der Darstellung des Antragstellers, nicht darauf an, ob er - weiterhin - erhebliches Ansehen bei seinen Patienten genießt (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 06.03.2003 - 3 B 10/03 -; ebenso Senatsbeschluss vom 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, NJW 2003, 3647 [3649], und OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.11.2002 - 13 A 683/00 -, a.a.O.).
Die besondere Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient gründet im Berufsbild des Arztes. Zum Wesen des Heilkundigen gehört eine emotionale Komponente, ohne die eine echte Arzt-Patienten-Beziehung kaum möglich ist. Das Verhältnis zwischen dem Arzt und seinem Patienten lebt von der vertrauensvollen und uneingeschränkten Zuwendung bei- der Partner (Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 6. Aufl. 2009, Rdnr. 15 f). Der sich daraus ergebende berufsethische Anspruch findet seinen Niederschlag auch in rechtlichen Regelungen.
Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts übernimmt das, was die Standesethik vom Arzt fordert, das Recht weithin zugleich als rechtliche Pflicht. Weit mehr als sonst in den sozialen Beziehungen des Menschen fließt im ärztlichen Berufsbereich das Ethische mit dem Rechtlichen zusammen (Laufs a.a.O. Rdnr. 12 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 25.07.1979 - 2 BvR 878/74 -, BVerfGE 52, 131 [169 f.]). So ist es nach § 1 Abs. 1 der Bundesärzteordnung (in der Fassung vom 16.04.1987, BGBl. I, 1218, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 30.07.2009, BGBl. I, 2495, - BÄO -) Aufgabe des Arztes, der Gesundheit nicht nur des einzelnen Menschen sondern auch des gesamten Volkes zu dienen. Dementsprechend gehört es nach § 2 Abs. 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom 19.09.2007 (BerufsO) zu den allgemeinen ärztlichen Berufspflichten, dass Ärzte dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen entsprechen und weder ihr eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl der Patientinnen und Patienten stellen. Dabei hat jede medizinische Behandlung unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts zu erfolgen (§ 7 Abs. 1 BerufsO). Auch hieraus ergibt sich, dass es für die Beurteilung des Arzt-Patienten-Verhältnisses nicht darauf ankommen kann, ob bestimmte Patienten sich - weiterhin - ihrem Arzt anvertrauen.
Durch sein vielfaches vorsätzliches arztwidriges Verhalten, dessentwegen er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, hat der Antragsteller dieses Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Dies führt zur - nachträglichen - Unwürdigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO. Daher ist nach § 5 Abs.2 Satz 1 BÄO die Approbation zu widerrufen, ohne dass es einer Prognose hinsichtlich des künftigen Verhaltens des Antragstellers bedürfte. Auf eine - zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, Beschluss vom 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, NJW 1999, 3425; Senatsbeschluss vom 24.09.1993 - 9 S 1386/91 -, VBlBW 1994, 111, allg. M.) - feststellbare Zuverlässigkeit kommt es - entgegen der Annahme der Beschwerde - nicht an (Senatsbeschluss vom 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, NJW 2003, 3647 [3649] mit weiteren Nachweisen). Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem Vortrag des Antragstellers nicht außer Acht gelassen, dass er in den acht Jahren nach seiner letzten Straftat beanstandungsfrei tätig gewesen ist, sondern hat dies in seinem Beschluss berücksichtigt (dort S. 3 und S. 8). Es hat jedoch nicht - immanent - eine weiter bestehende Unzuverlässigkeit des Antragstellers unterstellt, sondern zu Recht und deutlich zwischen Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit unterschieden. Im Übrigen könnte der vorgetragene Umstand, dass der Antragsteller trotz sofortiger Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Approbation seit dem 18.08.2009 weiter praktiziert, darüber hinaus auch auf eine tatsächlich und zusätzlich bestehende Unzuverlässigkeit hindeuten.
Der angefochtene Bescheid vom 14.05.2009 erging weniger als drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 25.07.2008 am 19.02.2009. Im Übrigen kommt es auf die - somit eingehalte-ne - Jahresfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 LVwVfG nicht an, denn diese Frist ist auf die spezielle Regelung des § 5 Abs. 2 BÄO nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, a.a.O.; Senatsbeschluss vom 24.09.2003 - 9 S 1386/91 -, a.a.O. S. 113 f. m.w.Nachw.).
Damit ist die angefochtene Entscheidung offensichtlich rechtmäßig.
Die angesichts des erheblichen Eingriffs in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit gebotene besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung ergibt, dass auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der Approbation zu Recht erfolgt ist.
Entgegen dem - wiederholten - Vortrag des Antragstellers ist die Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet. Zu Recht hat der Antragsgegner auf das Vertrauen in die Ärzteschaft insgesamt abgehoben, das gestört würde, wenn es einem unwürdigen Arzt, dessen Unwürdigkeit sich aus einer Vielzahl von das Vertrauen seiner Patienten missbrauchenden Straftaten herrührt, ermöglicht würde, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Widerruf seiner Approbation weiter zu praktizieren. Dieses Vertrauen stellt, wie ausgeführt, ein besonders wichtiges, weil für das Arzt-Patienten-Verhältnis konstitutives und damit für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung insgesamt entscheidendes Gemeinschaftsgut dar. Antragsgegner wie Verwaltungsgericht haben gleichfalls zu Recht darauf hingewiesen, dass mit Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung die Bewertung der Unwürdigkeit des Antragstellers eine neue Qualität erlangt hat. Erst danach steht dieser, wie die Anordnung des Ruhens der Approbation durch den Antragsgegner zeigt schon seit Längerem bestehenden, Einschätzung des Antragsgegners die Vermutung seiner Unschuld, auf die der Antragsteller bis dahin ein Recht hatte, nicht mehr entgegen.
Auch materiell-rechtlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 14.05.2009 nicht zu beanstanden.
Zum einen ist die Entziehung der Approbation des Antragstellers die zwingende Folge seiner Unwürdigkeit, ohne dass es auf subjektive Aspekte wie Alter und finanzielle Folgen dieser Entscheidung ankäme (BVerwG, Beschluss vom 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 17.02.2009 - 13 A 2907/08 - und vom 02.04.2009 - 13 A 9/08-). Bereits die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Maßnahme erlaubt auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit ihre sofortige Vollziehbarkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, 3618, 3619, wonach in jenem Fall eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zuletzt deshalb für unerlässlich erklärt wurde, weil die Rechtmäßigkeit der Approbationsentziehung nicht offensichtlich sei).
Zum anderen ist der Sofortvollzug aber auch zum Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft, dessen besonderer Rang bereits dargestellt worden ist, damit im Interesse der ärztlichen Versorgung insgesamt und also einem wichtigen Gemeinschaftsgut geboten. Auf die vom Antragsgegner gleichfalls genannte Impfbereitschaft kommt es dabei nicht allein an. Gerade wenn wegen der aus vom Antragsgegner nicht zu beeinflussenden Gründen bis Februar 2009 zu beachtenden Unschuldsvermutung die Feststellung der Unwürdigkeit erst Jahre nach Begehung der zugrunde liegenden Straftaten möglich ist, ist eine rasche Wiederherstellung des Vertrauens in die Ärzteschaft durch Aussprechen der gebotenen Konsequenzen mit sofortiger Wirkung vonnöten.
Der Verzicht auf einen Sofortvollzug des Ruhens der Approbation macht unabhängig davon, ob auch insoweit ungeachtet der fehlenden letzten Sicherheit hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts die Anordnung der sofortigen Vollziehung möglich gewesen wäre, einen Sofortvollzug hinsichtlich der - nun auf gesicherter Tatsachengrundlage verfügten - Entziehung der Approbation nicht rechtswidrig. Ein entsprechendes Vorgehen ist, entgegen dem Vortrag des Antragstellers, gerade wegen dieses wesentlichen Unterschieds, auch nicht inkonsequent.
Der Umstand, dass das Landgericht in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil kein Berufsverbot nach § 70 StGB ausgesprochen hat, steht weder der Entziehung der Approbation (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, a.a.O.) noch der Anordnung des Sofortvollzugs entgegen. Grund hierfür war ausdrücklich, dass das Landgericht keine Gefahr sah, „dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird“. Auf eine entsprechende Prognose kommt es, wie ausgeführt, bei einem Widerruf einer Approbation wegen Unwürdigkeit anders als bei einer Maßregel nach § 70 StGB nicht an. Insoweit kann nachträgliches rechtmäßiges Handeln den Widerruf einer Approbation nicht verhindern. Hier kommt allein die Wiedererteilung der Approbation bzw. die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs nach §§ 8, 10 BÄO in Betracht (vgl. dazu schon Senatsbeschluss vom 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, a.a.O.). Entsprechend hat auch das Landgericht strafmildernd berücksichtigt, „dass der Angeklagte wegen der Taten mit dem Verlust seiner Approbation zu rechnen hat“.
Auf das Alter des Antragstellers und die damit verbundene Frage, wie lange ihm ein Praktizieren unter regulären Umständen noch möglich wäre bzw. ob die Entziehung der Approbation einem endgültigen Berufsverbot gleichkomme könnte (vgl. Senatsbeschluss vom 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, a.a.O.), kommt es gleichfalls nicht an. Zur Wahrung und Erhaltung des für die ärztliche Versorgung unabdingbaren Vertrauens der Bevölkerung darin, dass sich ein Arzt stets und unabhängig von finanziellen Überlegungen lege artis verhält, ist es im Gegenteil von besonderer Bedeutung, dass es einem unwürdigen Arzt nicht aus individuellen Gründen etwa auch des Alters möglich ist, seine Praxis so weiter zu führen und zu beenden, als ob nichts geschehen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG mit Nr. 16.1. sowie Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2004 der Verwaltungsgerichtsbarkeit.