Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern für ästhetische und kosmetische Behandlungen

 | Gericht:  Kammergericht (KG) Berlin  | Aktenzeichen: 5 U 240/02 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation

Urteilstext


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Juni 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Anmerkung der Dokumentationsstelle: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.


Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,
es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für chirurgische Operationen außerhalb der Fachkreise mit der bildlichen Darstellung der Wirkung einer Behandlung durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach der Anwendung wie (im angefochtenen Urteil) folgt zu werben.

Im Urteilstenor folgen dann 25 "Vorher-Nachher"-Gegenüberstellungen unterschiedlicher Personen aus der Internetwerbung der Beklagten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG gar nicht anwendbar sei, da es bei den beworbenen chirurgischen Eingriffen nicht um die Beseitigung krankhafter Phänomene gehe. Vielmehr zeigten auch die "Vorher"-Darstellungen gesunde Menschen, die sich kosmetischen Korrekturen unterzogen hätten.

Sie beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung erweist sich als erfolgreich. Die angegriffene Werbung verstößt nicht gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG.

An der Prozessführungsbefugnis (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) des Klägers bestehen indes keine Zweifel (vgl. BGH WRP 2002, 1141/1144 - "Muskelaufbaupräparate"). Er ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen "zertifiziert", so dass davon auszugehen ist, dass er den an einen solchen Verband zu stellenden Anforderungen genügt (§ 13 Abs. 7 UWG in Verbindung mit § 13 Abs. 5 S. 2 UKlaG und § 1 Nr. 4 UKlaV). Wie die Beklagte auch gar nicht in Abrede stellt, gehören zu seinen Mitgliedern zahlreiche Unternehmen und Verbände, die als Konkurrenten der Beklagten in Betracht kommen.

Die Werbung der Beklagten verstößt nicht gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG.
Nach dieser Vorschrift darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden mit der bildlichen Darstellung der Wirkung eines Arzneimittels, eines Verfahrens, einer Behandlung, eines Gegenstandes oder eines anderen Mittels durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach der Anwendung.

Es wird nicht verkannt, dass die beanstandete "Vorher-Nachher"-Werbung der Beklagten vom Wortlaut der Vorschrift erfasst wird (so zutreffend LG Konstanz ES-HWG § 11 Nr. 5 b)/Nr. 12). Es wird daher die Auffassung vertreten, dass die Publikumswerbung eines Instituts für chirurgische Kosmetik mit der bildlichen Darstellung der Wirkung der operativen Behandlung durch eine vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach deren Durchführung gegen die Vorschrift verstößt, gleichgültig, ob es sich bei den chirurgischen Eingriffen um die Beseitigung krankhafter oder nicht-krankhafter Phänomene handelt (so LG Konstanz a. a. O.; Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) Rdnr. 3; Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) Rdnr. 2). Dieser Ansicht, die in den angegebenen Fundstellen nicht näher begründet wird, vermag der Einzelrichter nicht zu folgen. Es kommt mithin nicht darauf an, dass ein chirurgischer Eingriff erforderlich ist. Dieser Punkt ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Krankheit oder ein Körperschaden vorliegt, ohne Bedeutung (BGH WRP 2003, 389/390 "Anlagebedingter Haarausfall"). Die Vorschrift ist nur verletzt, wenn krankhafte Zustände oder Körperschäden gezeigt werden. Es reicht insoweit nicht, dass im Rahmen der Behandlung ein krankhafter Zustand durch den Eingriff selbst kurzfristig auftritt. Denn dieser krankhafte Zustand wird gerade nicht "illustriert".

Der Einzelrichter des Senats folgt der Auffassung des OLG München (Urteil vom 28. Juni 2001 - 29 U 2210/01), das ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG nur dann anzunehmen ist, wenn - im Regelfall in den "Vorher"-Abbildungen - krankhafte Phänomene gezeigt werden (so ersichtlich auch Gröning/Gröning, Heilmittelwerberecht, HWG § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) Rdnr. 1 am Ende). Dies folgt letztlich daraus, dass sich das HWG mit Werbung im Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Krankheiten befasst. Nicht jede körperliche Unzulänglichkeit ist als Krankheit im Sinne des § 1 Nr. 2 HWG anzusehen. Eine Krankheit liegt vor, wenn eine auch nur unerhebliche oder vorübergehende Stärkung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers besteht, die geheilt werden kann (BGH GRUR 1998, 961/962 - "Lebertran I"; a. a. O. - "Anlagebedingter Haarausfall" mit weiteren Nachweisen). Rein ästhetisch wahrnehmbare Abweichungen des äußeren Erscheinungsbildes von dem vorgestellten Erscheinungsbild haben noch keinen Krankheitswert. Dies ändert sich erst, wenn diese Abweichungen von dem Betroffenen - im Regelfall psychisch - als krankhafte Abweichungen empfunden werden. Derartige Abweichungen werden jedoch von der Beklagten nicht zum Gegenstand ihrer "Vorher"-Bilder gemacht. Soweit ersichtlich und im Hinblick darauf, dass Gegenteiliges trotz eingehender Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht vorgetragen ist, muss davon ausgegangen werden, dass den "ästhetischen" Problemen, welche sich aus den "Vorher"-Bildern ergeben, ein Krankheitswert nicht beizumessen ist. Anderes folgt auch nicht aus der Bewerbung als solcher, die auf den ästhetischen Aspekt abstellt. In der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2003 sind die Bilder im Einzelnen erörtert worden, ohne dass der Kläger für einen einzigen Fall eine psychische Krankheitsdarstellung hat darlegen können. Es wird insoweit nicht verkannt, dass auch "ästhetische" Verunstaltungen als solche (Brandverletzungen, Hasenscharte o. ä.) oder in ihrer psychischen Erfasstheit Krankheitswert haben können. Doch legt der Kläger, dem insoweit die Darlegungslast obliegt, einen solchen Krankheitswert in keinem der aus der Internetwerbung ersichtlichen Fälle dar. Eben so wenig sind Körperschäden im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ersichtlich (vgl. dazu BGH a. a. O. - "Anlagebedingter Haarausfall"). Wie hinsichtlich der Bewerbung von Schlankheitsmitteln auch allgemein Anerkannt ist (vgl. BGH GRUR 1981, 435 - "56 Pfund abgenommen"), ist es im Hinblick auf die Zweckbestimmung des HWG und auf § 1 Abs. 2 HWG, der diese zum Ausdruck bringt, erforderlich, dass die beanstandete Werbung auf eine Krankheitssituation Bezug nimmt. Hinsichtlich des Problems "Übergewicht" ist allgemein anerkannt, dass § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG nur einschlägig ist, wenn das Übergewicht krankhafte - gegebenenfalls auch lediglich im psychischen Bereich - Ausmaße annimmt. Dasselbe gilt für "anlagebedingten Haarausfall" (vgl. BGH a. a. O.). Nichts anderes kann bezüglich der hier in Frage stehenden kosmetisch-chirurgischen Eingriffen gelten. Denn das HWG beabsichtigt lediglich, krankhaft geschädigte Personen, die sich eigentlich zum Arzt begeben sollten, davon abzuhalten, aufgrund von Werbeaktionen eine unzureichende Selbstmedikation vorzunehmen (vgl. dazu BGH a. a. O. - "56 Pfund abgenommen"). Ferner soll marktschreierischer Werbung vorgebeugt werden (BGH a. a. O. - "Anlagebedingter Haarausfall"). Diese Zielstellungen sind im vorliegenden Fall nicht gefährdet. Denn auch in der Klinik der Beklagten dürfen chirurgische Operationen nur durch entsprechend vorgebildete Ärzte vorgenommen werden und auch dies nur nach (hoffentlich) ordnungsgemäßer Aufklärung und Beratung der Patienten über Risiko und Erfolgsmöglichkeiten der Operation. Die Werbung betrifft somit nicht den Bereich, den das HWG zum Zweck des Schutzes von Kranken abschirmen will. Denn die erforderliche ärztliche Beratung sollte gewährleistet sein und eine Operation im Wege der Selbstmedikation erscheint unvorstellbar. Aus der Sicht des Einzelrichters erscheint es nicht angebracht, diese Fallgestaltung anders zu behandeln, als Fallgestaltungen, die Übergewicht oder Haarausfall betreffen. Schon im Hinblick auf Artikel 14 GG kann eine Diskriminierung der kosmetischen Chirurgie insgesamt hinsichtlich ihres Werbeverhaltens kaum angebracht sein. Es ist darauf zu verweisen, dass eine Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr. 5 b) HWG auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art die Werbung für kosmetisch-chirurgische Leistungen in einer Weise einschränken, die eine solche Werbung kaum noch möglich macht. Dies ist angesichts der auch vom Bundesgerichthof herausgestellten Zielrichtung des HWG, Patienten vor unzureichender Selbstmedikation zu schützen, kaum vertretbar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1 und 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind. Auch die Wahrung der Rechtseinheit erfordert eine Zulassung der Revision nicht, da der Einzelrichter der Rechtsprechung des BGH folgt.


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