Urteilstext
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 07. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Die Klägerin ist als örtlich zuständige Zahnärztekammer gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozeßführungsbefugt (vgl. BGH NJW 1999, 3416 - Ärztlicher Hotelservice).
Auch besteht eine Wiederholungsgefahr. Zwar hat der Beklagte die konkret angegriffenen Zeitungsanzeigen anläßlich der Eröffnung seiner Praxis geschaltet; diese Phase ist zwischenzeitlich abgeschlossen. Jedoch besteht die Gefahr, daß er in weiteren Anzeigen auf seine Tätigkeitsschwerpunkte hinweist (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1480 unter II.1.), zumal er in seiner Verteidigung diese Zusätze grundsätzlich - unabhängig von einer Praxiseröffnung - verteidigt.
3.
Der Beklagte hat gegen ihn treffende Werbebeschränkungen verstoßen und übt damit unlauteren Wettbewerb aus.
a)
Die Unzulässigkeit der Zusätze ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus dem HeilberufsG NW. Nach §§ 33, 51 des Gesetzes können kammerangehörige Zahnärzte "neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen führen, die auf besondere Kenntnisse in einem bestimmten Gebiet der Zahnheilkunde (Gebietsbezeichnung) hinweisen". Die Berechtigung dazu wird in einem förmlichen Verfahren nach Maßgabe der §§ 33 ff., 51 ff. HeilberufsG durch Ermächtigung der Kammer (§ 38) erworben.
"Geführt" werden können jedoch nur Titel und Bezeichnungen, nicht sonstige Zusätze (vgl. BVerfG NJW 2988 unter 2.). Durch §§ 33 ff. des Gesetzes werden lediglich die förmlich erworbenen Qualifikationen nach Weiterbildung (s. die Überschrift des III. Abschnitts) geregelt, nicht jedoch der Hinweis auf Tätigkeitsschwerpunkte (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1480 unter II.2.b), gleichlautend NJW 1994, 2284 unter II.2.c) zur Abgrenzung zwischen Fachanwaltsbezeichnungen nach § 42a BRAO a. F. - jetzt § 43c BRAO n. F. - und Tätigkeitsschwerpunkten).
Der Beklagte hat in seinen Anzeigen den Hinweis auf "Metallfreie Kronen-/Brückentechnik, Halitosis (Mundgeruch)" ausdrücklich als "Tätigkeitsschwerpunkte" gekennzeichnet, so daß - anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall NJW 1997, 1644 - kein Irrtum darüber aufkommen kann, es handele sich dabei um förmlich erworbene Qualifikationen (vgl. BverfG NJW 1994, 1591). Dies wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
b)
Der Unterlassungsanspruch kann jedoch auf einen Verstoß des Beklagten gegen § 17 der Berufsordnung vom 19. April 1997 (zukünftig BO) gestützt werden.
aa) Daß die Einschränkungen des § 17 Abs. 1 BO über die Unzulässigkeit nicht ausdrücklich zugelassener Angaben nicht eingehalten sind, wird auch vom Beklagten nicht bestritten.
bb)
DerAllerdings bestehen Bedenken gegen die Auffassung des Landgerichts, bereits damit stehe die Berufswidrigkeit der inkriminierten Werbung des Beklagten fest.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. NJW 1986, 1533; NJW 1986, 1536; NJW 1992, 2341; NJW 1993, 2988; NJW 1994, 1591), des Bundesgerichtshofs (NJW 1998, 3414 - Patientenwerbung; NJW 1999, 1784 - Implantatbehandlungen; NJW 1999, 3414 - Notfalldienst; NJW 1999, 3416 Ärztlicher Hotelservice) und des Bundesverwaltungsgerichts (NJW 1998, 2759) sind Werbebeschränkungen und -Verbote für (Zahn-)ärzte grundsätzlich wirksam und stellen eine zulässige Beschränkung der Freiheit der Berufsausübung dar. Diese sollen eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbilds verhindern, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind. Hinter diesem Zweck steht das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt damit einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des (Zahn-) Arztberufs vor.
Werbebeschränkungen und -verbote können auch in Satzungen der zuständigen Kammern enthalten sein, sofern sich diese - wie hier (§ 32. Nr. 5, 9 HeilberG) - auf gesetzliche Ermächtigungen stützen können.
(2) Gleichzeitig hat die zitierte Rechtsprechung jedoch stets darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung ein berufsrechtliches Werbeverbot nicht dahin ausgelegt werden darf, daß jede Werbung unzulässig ist. Ein solches Werbeverbot darf sich vielmehr nur gegen berufswidrige Werbung richten. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen und auch einen den Laien mehr verwirrenden als aufklärenden Umfang nicht erreichen, muß im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Notfalls sind Verbotsnormen trotz ihres oft umfassenden Wortlauts einschränkend auszulegen, ihre Anwendung darf nicht zu einer unzumutbaren Belastung führen; sie muß auch berechtigten Informationsinteressen Dritter Rechnung tragen (vgl. allgemein Papier/Petz NJW 1994, 1553).
Soweit die Klägerin die Entscheidung des BVerfG NJW 1993, 2988 einschränkend auslegen will, geht sie fehl. Das Gericht hat die Beanstandung eines bestimmten Zusatzes durch das Berufsgericht nicht allein deswegen aufgehoben, weil es für seine Unzulässigkeit an einer eindeutigen Regelung in der einschlägigen Berufsordnung gefehlt habe (unter 1.), sondern auch, weil ein derart weitreichendes Verbot ohne Rücksicht auf Sinn und Zweck des Werbeverbots und den Informationswert für Dritte unverhältnismäßig sei (unter 2.).
(3) Es ist fraglich, ob (Zahn-)Ärzten die Angaben von Tätigkeitsschwerpunkten generell untersagt werden kann.
Die Klägerin kann sich für ihre Auffassung, Tätigkeitsschwerpunkte seien von vorneherein unzulässig, nicht auf das BVerfG beziehen. Die Formulierung in der Entscheidung NJW 1995, 775 unter 2.a), daß Art. 12 Abs. 1 GG dem Rechtsanwalt "... [k]einen Anspruch ... auf die förmliche Gestattung einer auf bloßer Selbsteinschätzung beruhenden Bezeichnung seines Tätigkeitsschwerpunkts verschafft", rechtfertigt dies nicht. Das Gericht legt dabei den Schwerpunkt darauf, daß die Berufskammer nicht auf Grund des Art. 12 Abs. 1 GG gehalten sei, eine bloße Selbsteinschätzung des Kammermitglieds in förmlicher Weise zu gestatten, wie dies etwa bei der Fachanwaltsbezeichnung der Fall ist. Dies geht aus den folgenden Sätzen hervor, in denen ausdrücklich erklärt wird, daß ein Verbot einer Bezeichnung nicht allein deswegen zulässig sei, weil sie auf Selbsteinschätzungen beruhe, es komme vielmehr darauf an, ob es sich um eine interessengerechte und sachangemessene Information handele.
Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht (NJW 1994, 1591) die Untersagung des Zusatzes "Schmerztherapie" und "Schmerzsprechstunden" nicht deswegen gebilligt, weil es sich um eine Selbsteinschätzung handele, sondern wegen der Gefahr der Irreführung.
(4) Hingewiesen wird auch darauf, daß Patienten ein berechtigtes Interesse an einer Information über besondere Methoden oder eine Schwerpunktbildung haben können (vgl. Papier/Petz, NJW 1994, 1554; s. auch BVerwG NJW 1998, 2759).
(5) Bei der Beurteilung von Werbemaßnahmen von (Zahn-)Ärzten ist jedoch zu beachten, daß Kranke sich leicht beeinflussen und verunsichern lassen (BVerfG NJW 1986, 1533 unter I.2.b)) und damit nicht gegen unsachliche oder marktschreierische Werbung, sondern auch gegen Werbemaßnahmen übermäßigen Umfangs geschützt werden dürfen. Auch dürfen Werbemaßnahmen nicht "zu einer gesundheitspolitisch unerwünschten Irritation der Bevölkerung" führen. Das Bundesverwaltungsgericht (NJW 1998, 2759 unter 4.b)) hält dies bei Hinweisen auf die apparative Ausstattung oder auf besondere Behandlungsmethoden von Ärzten für möglich. Derartige Angaben vermittelten den Eindruck, die angegebene Behandlungsmethode oder Apparateausstattung unterscheide die betreffende Praxis von den Praxen der übrigen auf dem gleichen Gebiet mit gleicher Arztqualifikation tätigen Kollegen. Dies könne dazu führen, daß Ärzte, um nicht als rückständig angesehen zu werden, ihre gesamte Geräteausstattung und ihr Behandlungsspektrum ausbreiteten.
cc)
Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen von Werbeverboten von (Zahn-)Ärzten bedarf es für die vorliegend allein zur Entscheidung anstehenden Klageanträge auf Unterlassung der Zusätze "Tätigkeitsschwerpunkt Metallfreie Kronen-Brückentechnik, Halitosis (Mundgeruch)" nicht. Sie sind auch bei einer unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einschränkenden Anwendung der Berufsordnung unzulässig.
Einen Informationswert für potentielle Patienten haben zusätzliche Angaben nur dann, wenn sie auf bestimmte tatsächlich vorhandene Besonderheiten der Praxis hinweisen, die andere Praxen nicht oder nicht in diesem Umfange aufweisen. Da Kranke sich besonders leicht beeinflussen lassen (s. u.a. die Beschränkungen des Heilmittelwerbegesetzes), darf durch die Angaben nicht der Eindruck erweckt werden, andere (Zahn-) Ärzte, bei denen entsprechende Angaben fehlen, seien nicht willens oder in der Lage, in dieser Hinsicht fachgerecht tätig zu werden (vgl. BVerwG NJW 1998, 2759 unter 9.b)). Bei einem Hinweis auf Selbstverständlichkeiten wird der Laie eher verwirrt. Auch besteht die Gefahr, daß die (Zahn-)Ärzte sich im Hinblick auf Anzeigen von Konkurrenten gezwungen sehen, sämtliche oder einen Großteil ihrer angewandten Behandlungsmethoden oder genutzten Geräte anzugeben. Dies führt tendenziell zu einer für einen Laien nicht mehr überschaubaren "Aufblähung" von Angaben, wie sie teilweise bei Tätigkeitsschwerpunkten in der Rechtsanwaltschaft zu beobachten ist (vgl. zu den damit verbundenen Problemen AnwG München NJW 2000, 1097; AnwG Freiburg i. Br. NJW 2000,1655).
(1) Es ist nichts dafür vorgetragen, daß die Anwendung einer metallfreien Kronen-Brückentechnik eine Besonderheit des Beklagten darstellt. Es handelt sich nicht um eine Angabe über einen Tätigkeitsschwerpunkt, wie der Beklagte meint, weil sie sich nicht auf ein Gebiet oder Teilgebiet der Zahnheilkunde bezieht. Vielmehr weist er damit auf eine bestimmte Art der einzusetzenden Zähne hin. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß andere Zahnärzte sich weigerten, auf Wunsch des Patienten metallfreie Kronen/Brücken einzusetzen, auch wenn sie dies aus zahnärztlicher Sicht nicht für notwendig halten sollten. Der Patient erhält damit diese Dienstleistung zumindestens auch bei der Mehrzahl der anderen Praxen. Der Beklagte trägt auch nicht vor, daß der Einsatz metallfreier Kronen/Brücken im Verhältnis zu "normalen" Kronen/Brücken besonderer Fähigkeiten bedürfe, die durch ständige Übung erworben oder gesteigert werden könne. Der Zusatz stellt damit einen versteckten "Appell" an die in Teilen der Bevölkerung herrschende Unsicherheit über die Folgen von Amalgam u.ä. dar, der gegenüber sich der Zahnarzt als aufgeschlossen präsentiert, und kann vor diesem Hintergrund nicht als sachliche Information des Patienten angesehen werden.
(2) Auch für einen Hinweis auf "Halitosis" sieht der Senat keinen sachlichen Anlaß. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergibt sich nicht, daß das Erkennen der Symptome, Erforschen der Ursache und deren Bekämpfung von den Zahnärzten oder einer Vielzahl von ihnen vernachlässigt oder nur "nebenbei" betrieben würde. Bei der Erörterung im Termin vom 27. Juni 2000 hat sich herausgestellt, daß sehr oft Mundgeruch auf schlecht sitzende Prothesen oder schadhafte Zähne, bei denen Essensreste von Zahnbürsten nicht erreicht werden, oder unzureichende Mundhygiene zurückzuführen sind. Das sind klassische Arbeitsfelder der Zahnärzte, wie bereits ausgeführt, dürfen Anzeigen nicht mit Selbstverständlichkeiten überfrachtet werden. Es ist nichts dafür vorgetragen, daß zur Erkennung und/oder Behandlung der Ursachen des Befundes "Halitosis" eine Spezialisierung förderlich ist, weil dies von einem "normalen" Zahnarzt nicht oder nicht so gut geleistet werden kann. Auf die Frage, ob nicht auch organische Ursachen in Betracht kommen (in diese Richtung deutet die Schilderung des Beklagten im Schriftsatz vom 18.10.1999 S. 2 hin), für die der Beklagte als Zahnarzt keine besonderen Kenntnisse aufweist, kommt es nicht mehr an. Der Beklagte schildert auch nicht, über welche besonderen, nicht allgemein bekannten oder angewandten Erkennungs- und/oder Behandlungsmethoden er verfügt. Daß in einem Einzelfall die Ursache der Halitosis zunächst nicht erkannt worden ist, reicht dazu nicht aus.
Ließe man unter diesen Umständen die Angabe "Mundgeruch" zu, könnte Zahnärzten auch die Werbung mit anderen "klassischen" Symptomen nicht verwehrt werden. Dies könnte jedoch zur Verwirrung der Patienten führen.
c)
wie aus der Antragsfassung hervorgeht, sind allein die Zusätze "Tätigkeitsschwerpunkt Metallfreie Kronen-/Brückentechnik, Halitosis (Mundgeruch)" Gegenstand der Klage. Zwar geht die Klagebegründung einer generellen Unzulässigkeit von nicht ausdrücklich durch die Berufsordnung gestatteter Zusätze aus, die Klägerin hat diese Auffassung jedoch nicht zum Anlaß für eine entsprechend "weite" Antragsfassung genommen. Dies ist auch im Termin vom 27. Juni 2000, in dem der Senat auf seine verfassungsrechtlichen Bedenken hinwies, nicht geschehen. Es braucht daher nicht erörtert werden, ob ein derartiger Antrag zulässig gewesen wäre.
4.
Vor allem wegen der Gefahr der Nachahmung durch Dritte ist der Wettbewerbsverstoß auch als wesentlich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzusehen. Im übrigen ist das durch das Werbeverbot letztlich geschützte Rechtsgut, die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung, als wichtig einzustufen.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 596 Abs. 1 ZPO. Wie bereits ausgeführt, kommt es auf die grundsätzliche Frage, inwieweit Zahnärzten über die Werbebeschränkungen der Berufsordnung hinaus überhaupt Zusätze in Anzeigen erlaubt sind, nicht an.