Werbung mit Kultur-, Sport- und Sozialsponsoring

 | Gericht:  Bundesverfassungsgericht (BVerfG)  | Aktenzeichen: 1 BvR 721/99/Vorinstanz: Urteil des OLG Rostock vom 17. März 1999 - 2 U 81/98 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Berufliche Kommunikation

Beschlusstext


Tenor

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat einstimmig beschlossen

1.   
Das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 17. März 1999 - 2 U 81/98 - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Rostock zurückverwiesen.
 
2.   

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat den Beschwerdeführern die ihnen entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

 


Gründe

I.
Die beschwerdeführenden Rechtsanwälte wenden sich gegen eine wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung durch Sponsoring.

1.
Die Beschwerdeführer - Rechtsanwälte in der Sozietät "GM Grieger Mallison" - sponserten verschiedene kulturelle Veranstaltungen - wie etwa ein Konzert der NDR-Big Band mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock, den 7. Landespresseball Mecklenburg-Vorpommern und eine Kunstbörse mit anschließender Auktion. In der Unterzeile des Werbeplakats für das Konzert und in den Anzeigen für den Landespresseball waren unter anderen "GM Grieger Mallison" als Sponsor aufgeführt. In der Einladung zu der Kunstbörse fanden sich unter den Sponsoren "GM Grieger Mallison - Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte". Dies nahm ein Rechtsanwalt in Rostock zum Anlass, gegen sie wettbewerbsrechtlich vorzugehen. Nach Erscheinen der Anzeige zum Landespresseball beantragte der Kläger des Ausgangsverfahrens, den Beschwerdeführern im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben und/oder werben zu lassen wie in der Anzeige zum Landespresseball abgedruckt.

Das Landgericht hielt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Dringlichkeit für unzulässig. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Urteil vom 17. März 1999 das Urteil des Landgerichts abgeändert und die einstweilige Verfügung auf Unterlassen des Sponsorings erlassen. Das angegriffene, den Beschwerdeführern zuzurechnende Auftreten stelle einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG - in Verbindung mit § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - und § 6 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte vom 29. November 1996 (BRAK-Mitt. 1996, S. 241 - im Folgenden: BORA) dar und sei daher zu unterlassen. Die Anwaltswerbung durch Sponsoring verstoße gegen § 43 b BRAO, da mit ihr nicht inhaltlich über anwaltliche Tätigkeit informiert werde. Neben dem im vorliegenden Falle verwendeten Logo enthalte nur der Hinweis auf "Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte" im Kern die Information, dass entsprechende Dienstleistungen angeboten würden, nicht aber, welcher Art diese im Einzelnen seien. Bei Sponsoring werde mit Hilfe der Imagewerbung auf die Sozietät aufmerksam gemacht, also ein sachfremdes Kriterium für die Auswahl unter Mitbewerbern bemüht.

2.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts und rügen die Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Das Urteil des Oberlandesgerichts stelle einen verfassungswidrigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, da es ohne gesetzliche Grundlage und in unverhältnismäßiger Weise ihre Berufsausübungsfreiheit beschränke. Bei der "Diskreditierung" des Sponsorings werde nicht auf die Form oder den Inhalt der Werbung, sondern den Anlass, das Motiv bzw. einen Nebenzweck - wie hier soziales Engagement durch finanzielle Unterstützung - abgestellt. Diese Gesichtspunkte seien jedoch werberechtlich irrelevant. Das Gericht übersehe, dass letztlich jede Werbung - auch das Sponsoring - irgendwelche berufsbezogenen "Informationen" - zumindest über die Existenz der Kanzlei bzw. Sozietät - vermittele.

3.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat der Kläger des Ausgangsverfahrens Stellung genommen, der sie für unzulässig und unbegründet hält. Die berufsrechtlichen Werbeverbote dienten auch der Abgrenzung der von § 2 Abs. 2 BRAO geforderten nichtgewerblichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts zur gewerblichen Tätigkeit. Die Werbeverbote könnten so einer rein geschäftsmäßigen Einstellung entgegenwirken und das Vertrauen der Rechtsuchenden darin stärken, dass Anwälte ihre Sachbehandlung nicht in erster Linie nach Gewinn ausrichteten. Im Übrigen seien die Beschwerdeführer nicht daran gehindert, weiter Sponsoring zu betreiben, soweit sie sich der GRIEGER MALLISON Consult GmbH bedienten.

II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführer in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

1.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. Der Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde führt dann zu keiner anderen Beurteilung, wenn es einer weiteren Klärung des Sachverhalts nicht bedarf, wenn die im vorläufigen und im Hauptsacheverfahren zu entscheidenden Rechtsfragen identisch sind und wenn deshalb nicht damit gerechnet werden kann, dass ein Hauptsacheverfahren die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts entbehrlich machen könnte (vgl. BVerfGE 75, 318 <325>; 86, 15 <22 f.>; jeweils m. w. N.).

Vorliegend bedarf es keiner weiteren Klärung des Sachverhalts. Auch geht es im Hauptsacheverfahren um die bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren entscheidende Frage, ob Sponsoring eine unzulässige Werbung des Rechtsanwalts darstellt. Die Beschwerdeführer haben auch bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf ihre verfassungsrechtlichen Bedenken hingewiesen.

2.
Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass in den Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste fällt (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 94, 372 <389>). Bei der Außendarstellung ist zwischen werbewirksamem Verhalten und gezielter Werbung im engeren Sinne zu unterscheiden ( BVerfGE 85, 248 <257>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 1997, S. 2510). Das für Rechtsanwälte geltende Werbeverbot soll das Vertrauen der Rechtsuchenden stärken, der Anwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten (vgl. nur BVerfGE 76, 196 <207 f.>). Verboten sind neben irreführender Werbung insbesondere aufdringliche Werbemethoden, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich an Gewinn orientierten Verhaltens sind.

Welche Werbeformen als üblich, angemessen oder als übertrieben bewertet werden, unterliegt zeitbedingten Veränderungen; dem Wandel - auch außerhalb der freien Berufe - ist Rechnung zu tragen, weil sich hierdurch Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft der Öffentlichkeit ändern ( BVerfGE 94, 372 <398 f. - Werbeaufdruck auf Trainingsanzügen>). Allein aus dem Umstand, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, kann nicht gefolgert werden, dass dies unzulässige Werbung ist (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 1997, S. 2510 <2511>). Sponsoring ist nicht von vornherein unangemessen und übertrieben (vgl. BVerfGE 94, 372 <395>).

3.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt.

Auslegung und Anwendung von § 1 UWG, § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>).

So liegt es hier. Die angegriffene Entscheidung wird dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. Die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegende Annahme, den Beschwerdeführern sei als Anwälten Sponsoring regelmäßig verboten, beruht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit.

a)
Die angegriffene Entscheidung stützt sich auf § 1 UWG in Verbindung mit § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA. Nach § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA dürfen Rechtsanwälte über ihre berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts verstößt die Anwaltswerbung durch Sponsoring gegen § 43 b BRAO und § 6 BORA, da ihr jeder Informationswert fehle. Diese Auslegung ist mit Wortlaut und Sinn der Vorschrift kaum vereinbar.

Durch die beanstandeten Publikationen haben die Beschwerdeführer in doppelter Weise auf sich aufmerksam gemacht - auf die Existenz der Kanzlei und darauf, dass sie kulturelle Ereignisse finanziell unterstützt haben. Der Informationsgehalt (Name der Sozietät, das jeweilige kulturelle Ereignis, Angabe der finanziellen Förderung) ist klar erkennbar; die äußere Form von großer Zurückhaltung, also nicht unsachlich. § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA legen zu Recht nicht abschließend fest, welche Informationen zulässig sind. Der einzelne Berufsangehörige hat es im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts in der Hand, in welcher Weise er sich für die interessierte Öffentlichkeit darstellt, solange er sich in dem durch schützenswerte Gemeinwohlbelange gezogenen Rahmen hält.

b)
Es ist nicht ersichtlich und in dem angegriffenen Urteil auch nicht ausgeführt, inwieweit das Sponsoring geeignet ist, das Vertrauen der Rechtsuchenden zu beeinträchtigten, der Anwalt werde nicht aus Gewinnstreben zu Prozessen raten oder die Sachbehandlung an Gebühreninteressen ausrichten.

Zutreffend wird in der angegriffenen Entscheidung erkannt, dass es sich um Imagewerbung handelt, die geeignet ist, das Bild des Förderers in der angesprochenen Öffentlichkeit zu heben, weil darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich der Werbende gemeinnützig engagiert. Sponsoring unterstützt die traditionellen Kommunikationsinstrumente der Werbung. Bekanntheitsgrad oder positives Image sind die wichtigsten Ziele, die damit verfolgt werden. Die Imagebeeinflussung wird zum einen durch die Förderung als solche und zum anderen durch einen Imagetransfer vom Sponsoringfeld auf den Sponsor zurück erzielt. Der Sponsor wirbt um Sympathie, Vertrauen und Akzeptanz. Selbstdarstellungen dieser Art enthalten Informationen, die für sich genommen weder irreführend sind noch ein sensationelles und reklamehaftes Sich-Herausstellen zum Gegenstand haben.

Auch beim Sponsoring kann es allerdings Übertreibungen oder Verknüpfungen geben, die geeignet sind, die genannten Gemeinwohlbelange zu gefährden. Ob Letzteres im Einzelfall angenommen werden kann, erfordert eine wertende Betrachtung unter Berücksichtigung des Anlasses, des Mittels, des Zwecks und der Begleitumstände des Sponsorings. Maßgeblich für die Beurteilung des Werbeverhaltens ist der Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise, nicht die möglicherweise besonders strenge Auffassung des jeweiligen Berufsstandes (vgl. BGH, NJW 1999, S. 2444 f.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 1999 - 1 BvR 754/98 -).

Im vorliegenden Fall stellen sich die Beschwerdeführer durch den Sponsoringvermerk nicht reklamehaft gegenüber konkurrierenden Rechtsanwälten heraus. Die Förderung der kulturellen Veranstaltungen - wie etwa des Konzerts der NDR-Big Band mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock, des Landespresseballs oder der Kunstbörse mit anschließender Auktion - stellt nach Anlass und Form keine marktschreierische Werbemaßnahme dar. Die Anlässe sind seriös; auch die Art und Weise der Bekanntgabe des Sponsorings, so etwa der Hinweis auf dem Werbeplakat für das Konzert, dass Sponsor unter anderem "GM Grieger Mallison" sind, kann nicht als unangemessene, übertriebene Werbung qualifiziert werden.

c)
Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG, da nicht auszuschließen ist, dass das Gericht im Ausgangsverfahren anders entschieden hätte, wenn es § 43 b BRAO und § 6 Abs. 1 BORA verfassungskonform ausgelegt hätte. Die angegriffene Entscheidung ist daher aufzuheben, damit dies nachgeholt werden kann.

4.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34 a Abs. 2 BVerfGG.


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