Urteilstext
Tenor
Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stade hat für Recht erkannt:
I.
Die  Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen  Verkehr zahnärztliche Leistungen kostenlos anzukündigen und/oder zu  erbringen, wenn dies wie nachstehend eingeblendet (siehe Anlage zum  Urteil), und gem. Anlage K 3 (vgl. Tatbestand) geschieht.
II.
Den  Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines  Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu  sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht.
III.
Die  Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin EUR  246,10 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins  seit dem 13.12.2014 zu zahlen.
IV.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
V.
Dieses  Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs zu vorstehender  Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10,000,00 und im  Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden  Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen  Aufgaben insbesondere die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs  gehört, und nimmt die Beklagten, die in gemeinschaftlich eine  zahnärztliche Praxis betreiben, auf Unterlassung der Bewerbung und  Durchführung kostenloser Service-Leistungen für „50+ Patienten" in  Anspruch.
Am 25,07.2014 wurde anlässlich eines gemeinsam mit dem  Labor durchgeführten „Tag der offen Tür" folgender Flyer verteilt (siehe  Anlage K 3.1):
Der Kläger hat unter dem 02.12.2014 die Beklagten  wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1  Heilmittelwerbegesetz abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten  Unterlassungserklärung aufgefordert Die Beklagten haben mit ihrem  Antwortschreiben vom 18.12.2014 die Abmahnung als nicht gerechtfertigt  zurückgewiesen und geltend gemacht, die Broschüre sei nicht von ihnen,  sondern von dem Labor … als Service für die Patienten ihrer Praxis  angefertigt worden. Die Broschüre sei immer nur den Patienten  ausgehändigt worden, die nach persönlicher Anfrage den Wunsch geäußert  hätten, diese in Anspruch nehmen zu wollen. Es sei keine einzige  Broschüre außerhalb der Praxis jemals verteilt worden
Am Tag der  offenen Tür habe ein Mitarbeiter des Labors einige restliche, allerdings  auch nicht mehr aktuellen Broschüren mitverteilt.
Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
Der  Kläger macht geltend, es liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG  i. V. m. §4 Nr. 11 UWG vor. Danach sei es unzulässig, Zuwendungen und  sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, sofern  keiner der gesetzlich normierten Ausnahmetatbestände eingreife, was  vorliegend ersichtlich nicht der Fall sei. Zudem hätten die Beklagten  berufswidrig unter Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 u. 4 BO-ZKN i. V. m.  § 4 Nr. 11 UWG geworben.
Die Verjährungseinrede greife nicht  durch, im Hause der Klägerin sei der streitgegenständliche Vorgang der  sachgebietszuständigen Mitarbeiterin tatsächlich erst Mitte November  2014 auf den Schreibtisch gelangt. Zudem werde die Unterlassungsklage  auch auf § 2 Abs. 1 UKIaG gestützt. Dieser Unterlassungsanspruch  unterliege der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB.
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die  Beklagten machen geltend, die Broschüre sei nicht von ihnen, sondern  von dem Labor    angefertigt worden. Ihnen sei nichts davon bekannt  gewesen, dass am Tag der offenen Tür seitens eines Mitarbeiters des  Labors einige Broschüren verteilt worden seien. Vielmehr seien sie davon  ausgegangen, dass die Broschüren bereits vollkommen aufgebraucht  gewesen seien und sich nicht mehr im Umlauf befunden hätten. 
Bereits  am 07.08.2014 seien sie von der Zahnärztekammer Niedersachsen wegen des  Flyers angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Es  sei davon auszugehen, dass der Kläger bereits im August von dem  vermeintlichen Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt habe. Die Broschüre  sei definitiv nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt als Anfang August  in Umlauf gebracht worden. Mehr als naheliegend sei es daher, dass die  Beschwerden von denjenigen, die ihr Verhalten moniert hätten, Anfang  August sowohl zur Zahnärztekammer als auch zum Kläger gelangt seien. Mit  Nachdruck werde bestritten, dass der Kläger erst Mitte November 2014  auf den Vorgang hingewiesen worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Denn dem Kläger steht gegen die  Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung und Erbringung der  kostenlosen Service-Leistungen für „50+ Patienten" jedenfalls nach dem  Unterlassungsklagegesetz zu. Ob der konkurrierende wettbewerbsrechtliche  Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 4  Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 HWG verjährt ist, kann dahinstehen. Die  sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 UWG beginnt, wenn der Gläubiger  von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des  Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen  musste. Hinsichtlich der Kenntniserlangung kommt es auf die Kenntnis des  Klägers und nicht auf die der Zahnärztekammer Niedersachsen an. Denn  der Kläger ist Gläubiger des Unterlassungsanspruchs und er macht nicht  Ansprüche seiner Mitglieder, sondern einen eigenen Anspruch geltend,  wobei ihm die Kenntnis des jeweiligen Mitglieds nicht zuzurechnen ist,  vgl. etwa Köhler/Bomkamm, UWG, 29. Auflage, § 11 Rz 1.27 m. w. N.. Nach  dem Rechtsgedanken des § 166 BGB kommt es auf die Kenntnis des nach der  innerbetrieblichen Organisation zuständigen Bediensteten an, siehe nur  BGH NJW 1997, 1584. Es ist vorliegend nicht zu klären, wann der  zuständige Mitarbeiter bei dem Kläger erstmals von dem hier in Rede  stehenden Vorgang erfahren hatte. Denn es besteht jedenfalls ein  Anspruch auf Unterlassung bei verbraucherschutzwürdigen Praktiken gem. §  2 Abs. 1 UKIaG. Für die Verjährung dieses Unterlassungsanspruches  gelten die allgemeinen Verjährungsregeln gem. §§ 195, 199 BGB. Ein  allgemeiner Vorrang des UWG vor dem UKIaG besteht insofern nicht, vgl.  Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 2 UKIaG, Rz 24. Der Anspruch auf  Unterlassung von Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherschutzgesetze gem. §  2 Abs. 1 UKIaG ist jedenfalls nicht verjährt. Als  Verbraucherschutzgesetze gelten gem. Ziffer 5 aus dem Beispielskatalog  des § 2 Abs. 2 UKIaG auch die §§ 3 bis 13 Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Nach  § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder Werbegaben (Waren  oder Leistungen) anzubieten, wenn nicht eine der vom Gesetz sodann  aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Der Anwendungsbereich des HWG ist  eröffnet. Das Angebot bezieht sich auf Informationen, wie der sogenannte  50+ Patient seine optimale Zahngesundheit, Vitalität und Ästhetik im  Bereich seiner Zähne zurückerhalten kann. Bei den angebotenen Leistungen  handelt es sich um Teile ärztlicher Leistungen, die in der Regel nur  gegen Geld zu erhalten sind. Der interessierte Verbraucher soll über  individuelle Lösungsmögiichkeiten für bestmögliche Vitaiität und  Ästhetik informiert werden. Dabei soll anhand der abgeformten Zähne und  des aufgearbeiteten persönlichen Modells das „Vitalitätsoptimum"  vorgestellt werden. In einem vertrauensvollen Gespräch soll zusammen die  Zielsetzung des Patienten entwickelt werden. Angesichts dieser Werbung  erwartet der interessierte Verbraucher eine individuelle  Zahnbefunderhebung und je nach Befund auch eine weiterführende Beratung.  Die Kostenlosigkeit dieser Service-Leistungen stellt sich aus Sicht des  Verbrauchers als Zuwendung und sonstige Werbegabe i. S. d. § 7 HWG dar.  Sie ist geeignet seine Entscheidung, zu wem und in welchem Umfang er  sich in zahnärztliche Behandlung begibt, unsachlich zu beeinflussen. Der  hier nur in Betracht kommende Ausnahmetatbestand gem. § 7 Abs. 1 Satz 1  Nr. 4 HWG greift nicht ein, weil die ausgelobten Service-Leistungen  sich nicht auf die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen  beschränken. Vielmehr wird eine „völlig schmerzfreie" individuelle  Befunderhebung ausgelobt, mag diese auch nur kurz ausfallen. Der  interessierte Verbraucher erwartet neben einer individuellen Befundung  seiner Zähne auch einen ersten Behandlungsvorschlag, der ggf. sich auch  auf Laborleistungen bezieht.
Die Beklagten sind für den Verstoß  gegen das Verbraucherschutzgesetz verantwortlich, auch wenn der Flyer  nicht selbst von ihnen, sondern von dem Labor erstellt wurde. Denn der  Flyer ist mit Wissen und Wollen der Beklagten gefertigt worden. Zwar  mögen die Beklagten auf die Gestaltung des Flyers keinen Einfluss  genommen haben. Sie sind jedoch damit einverstanden gewesen, dass der  Flyer auf ihren Namen personalisiert wird und sie haben den Flyer auch  an ihre Patienten verteilt. Es kann auch dahinstehen, wer im Einzelnen  die Flyer anlässlich des Tages der offenen Tür verteilt hatte. Im  Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Unterlassungsanspruch kein  Verschulden voraussetzt.
Gem. § 12 Abs. 1 Satz: 2 UWG kann der  Kläger von dem Beklagten die Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom  02.12.2014 verlangen. Die Höhe der Abmahnkosten ist nicht zu  beanstanden.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwert wird auf EUR 25.000,00 festgesetzt.
