Werbung mit kostenlosen Arztgesprächen im Möbelhaus

 | Gericht:  Landgericht (LG) Arnsberg  | Aktenzeichen: 8 O 109/07 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation

Urteilstext


Tenor

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg hat

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2007

durch als Vorsitzenden

für Recht erkannt:

Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, im Wettbewerb handelnd kostenlose Arztgespräche, insbesondere in Möbelhäusern anzubieten und/oder Arztgespräche außerhalb des Krankenhauses im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen anzubieten, wenn dies geschieht wie mit der Werbung Anlage 1 zur Antragsschrift "Werler Gesundheits-Aktionstage 2007" wie folgt:

Für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1. wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Auf den Abdruck wird verzichtet.


Tatbestand

Das Möbelhaus U in X2 bewarb sein Sortiment für den 03.05. bis 05.05.2007 mit einem mehrseitigen Werbeflyer auf Seite 1 unter der Hauptüberschrift "X2-er Gesundheits-Aktionstage 2007 in Zusammenarbeit mit dem Y X2". Dabei wurde dem Publikum auf der ersten Seite unter "Gesundheits-Aktionsprogramm" u. a. die Möglichkeit, "Gespräch mit dem Chefarzt Dr. S, Innere Abteilung und Dr. N, Chirurgie am 05.05.2007 ab 15.00 bzw. 14.00 Uhr", mit der Aufforderung angekündigt, "informieren Sie sich aus erster Hand". Wegen des Inhalts und der optischen Darstellung der ersten Seite des Werbeflyers wird auf die Anlage A1 der Verfügungsklage vom 17.07.2007 (Anlageheft I 1) Bezug genommen.

Der Verfügungskläger (im Weiteren Kläger) beanstandet die Ankündigung als unlautere Werbung der Verfügungsbeklagten (im Weiteren Beklagte) gem. §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG i. V. m. §§ 12 und 17 der Berufsordnung der Ärztekammer NRW (im Folgenden Berufsordnung). Der Kläger hat die Beklagte unter dem 16.06.2007 mit dem Hinweis, er sei beschwerdehalber von der Werbung informiert worden, mit Frist bis zum 06.07.2007 vergeblich strafbewehrt abgemahnt.

Der Kläger macht geltend:

Der Adressatenkreis des Flyers verstehe die Ankündigung der Chefarztgespräche als Angebot zu kostenlosen Arztgesprächen im Möbelhaus U. Das verstoße gegen § 12 der Berufsordnung zu "Honorare, Vergütungsansprüche" und die Bindung der Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit an bestimmte Orte nach § 17 der Berufsordnung, zu denen Möbelhäuser nicht gehörten. Ob die genannten Chefärzte zu den genannten Terminen im Möbelhaus U tatsächlich Arztgespräche mit individuellen Interessenten geführt oder sich nur allgemein zu Fragen ihres jeweiligen Fachs geäußert hätten, berühre die beanstandete Unlautbarkeit des Gesprächsangebots der Beklagten in dem Werbeflyer nicht. In dem Fall, dass tatsächlich nur allgemeine Äußerungen der Chefärzte zu ihrem jeweiligen Thema beabsichtigt gewesen seien, müsse hilfsweise auch von einer Unlautbarkeit wegen Irreführung des Publikums nach § 5 UWG ausgegangen werden.

Der Kläger beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung wie folgt zu erkennen:

1.
Der Beklagten wird untersagt, im Wettbewerb handelnd kostenlose Arztgespräche, insbesondere in Möbelhäusern anzubieten und/oder Arztgespräche außerhalb des Krankenhauses im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen anzubieten, wenn dies geschieht, wie mit der Werbung Anlage 1 zur Antragsschrift "X-er Gesundheits-Aktionstage 2007".

Auf den Abdruck wird verzichtet.

2.
Für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Verfügungsklage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend:

Sie sei nicht passiv legitimiert. Es handele sich nicht um ihre, sondern um die Werbung der Firma ... Diese sei für den Inhalt des Werbeflyers laut dessen Impressum verantwortlich.

Die Werbung in dem Flyer habe keinen Bezug zu ihren, der Beklagten, Dienstleistungen. Der Flyer betreffe durchweg das Sortiment der Firma ...

Die in dem Flyer angekündigte Möglichkeit des Gesprächs mit den Chefärzten im Möbelhaus U verstoße nicht gegen die §§ 12 und 17 der Berufsordnung. Der Leser des Flyers verbindet mit der Gesprächsankündigung keine individuellen ihn betreffende ärztliche Beratung. Darüber hinaus sei sie, die Beklagte, auch gar nicht Normadressat der §§ 12 und 17 der Berufsordnung.

Der Verfügungsantrag des Klägers sei nicht richtig gefasst. Er gehe einerseits zu weit und sei andererseits zu unbestimmt. So ziele er auf ein vollständiges Verbot kostenloser Arztgespräche, obwohl nach § 12 Abs. 2 der Berufsordnung ausnahmsweise ärztliche Leistungen kostenlos erbracht werden dürften. Des weiteren lasse die im Klageantrag zu 1) enthaltene Verbotsformulierung "wenn dies geschieht wie mit der Werbung Anlage 1 zur Antragsschrift" X-er Gesundheits-Aktionstage 2007" schon im Hinblick auf die Werbeangebote der Firma … offen, welche Verhaltensweisen sie, die Beklagte, im Einzelnen unterlassen solle.

Schließlich fehle der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund wegen Selbstverwirkung der an sich bei Wettbewerbssachen nach § 12 UWG ergebenen Eilbedürftigkeit. Der Kläger habe die Verfügungsklage deutlich später als einen Monat nach Erscheinen der beanstandeten Werbung erhoben.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst überreichten Anlagen und wegen der Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung am 06.08.2007 auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.


Gründe

Die Verfügungsklage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. §§ 12, 17 Berufsordnung, 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 12 Abs. 2, 13, 14 UWG, 890 ZPO die begehrte einstweilige Unterlassungsverfügung nebst Androhung für den Fall der Zuwiderhandlung verlangen. Die Voraussetzungen für den dafür notwendigen Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind gegeben. Im Einzelnen gilt folgendes:

Bei dem Chefarzt-Gesprächsangebot handelt es sich um Werbung, zumindest in Form von sogenannter Aufmerksamkeitswerbung für die Beklagte. Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Mit dem Gesprächsangebot wird das Publikum auf die Beklagte und ihr Leistungsangebot als Krankenhaus aufmerksam gemacht. Das dient der Förderung der Nachfrage nach den Leistungen der Beklagten.

Die Beklagte muss sich diese Werbung als eigene zurechnen lassen. Nach dem Impressum ist zwar die Firma U für die inhaltliche und optische Gestaltung und Herausgabe des Flyers verantwortlich. Der von einer Werbung Begünstigte hat für diese wettbewerbsrechtlich aber auch dann einzustehen, wenn er sie nicht oder nicht direkt veranlasst hat. Das kann darauf zurückgehen, dass der Dritte, der die beanstandete Werbeaussage zugunsten des in Anspruch genommenen geschaltet hat, als dessen Beauftragter nach § 8 Abs. 2 UWG anzusehen ist, wobei der Begriff "Beauftragter" nach dem Schutzzweck der Norm weit auszulegen ist (OLG Hamm, WRP 92, 580 f. und 98, 327 f.). Das kann aber auch auf folgende allgemeine Erwägung zurückgehen:

"... Störer ist - unabhängig von der Art und Umfang seines eigenen Tatbeitrages - jeder der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der in Anspruchgenommene die rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung dieser Handlung hatte...Dieser Verantwortlichkeit liegt die Überlegung zugrunde, dass es kein Unternehmen hinnehmen muss, dass für seine Produkte entgegen seinem Willen wettbewerbswidrig geworben wird. Erhält der Unternehmer Kenntnis davon, dass ein Dritter für ihn unzulässig wirbt, so ist es ihm grundsätzlich auch zuzumuten, den ihm zustehenden Unterlassungsanspruch geltend zu machen und das ihn begünstigende wettbewerbswidrige Verhalten zu unterbinden. Tut er dies nicht, so haftet er wie für eigenes Verschulden und setzt durch seine Untätigkeit Erstbegehungsgefahr für einen eigenen Verstoß...". Zumindest von diesem letzten Falle ist hier auszugehen. Die Firma U hat den Flyer, soweit er die gesundheitsbezogene beanstandete Anzeige betrifft "in Zusammenarbeit", mit der Beklagten herausgebracht. Dabei kann dahinstehen, wie weit das Chefarztgesprächsangebot inhaltlich genau mit der Beklagten abgestimmt worden ist. Diese hatte zumindest die Möglichkeit, sich insoweit vor Herausgabe des Flyers zu informieren und notfalls eine wettbewerbswidrige Fassung der Anzeige zu verhindern.

Die Werbung der Beklagten mit dem Chefarztgesprächsangebot ist unlautbar.

Sie verstößt gegen die §§ 12 und 17 der Berufsordnung und damit gegen Marktverhaltensregeln nach § 4 Ziff. 11 UWG.

Nach § 12 Abs. 1 Berufsordnung muss der Arzt für eine ärztliche Leistung ein Honorar nehmen. Nach Abs. 2 kann er darauf bei "Verwandten, Kolleginnen und Kollegen, deren Angehörigen und mittellosen Patientinnen und Patienten ... ganz oder teilweise" verzichten.

Nach § 17 Berufsordnung hat der Arzt ambulante ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus oder in seiner Praxis zu erbringen. Nach Absatz 3 " ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit im Umherziehen berufswidrig".

Das Gericht ist wie der Kläger der Auffassung, dass mit den Chefarztgesprächen in dem Flyer dem Publikum individuelle kostenlose Arztgespräche im Möbelhaus … angeboten werden. Welchen Inhalt eine Werbung hat, richtet sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Adressatenkreis die Werbung versteht. Der Flyer richtet sich an das allgemeine Publikum, das über keine besonderen Kenntnisse im Medizinrecht verfügt. In diesem Kreis gibt es viele, die konkrete Fragen zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand und/oder konkreten Gesundheitsbeschwerden haben. Dazu kommt, dass bei dem inzwischen gestiegenen Kostenbewusstsein eine offensichtlich kostenlose ärztliche Leistung (Gespräch, Information, Beratung) für das Publikum interessant ist und von daher an ein Gespräch mit einem Chefarzt, der generell als besonders kompetent gilt, konkrete und individuelle Erwartungen gestellt werden und nicht nur allgemeine Äußerungen wie etwa ein Vortrag über das Fachgebiet des Chefarztes erwartet wird. Die Darstellung auf Seite 1 des Flyers unterstreicht die Begründetheit dieser Erwartung dadurch, dass dort konkret das "Vortragsprogramm" für den 05.05.2007 und daneben optisch deutlich abgesetzt das Chefarztgespräch angeboten werden. Dazu kommt, dass dieses Angebot von den Angeboten, "Gesundheits-Check" und "Schlafberatung" eingerahmt wird, die konkrete individuelle medizinische Leistung für den einzelnen Interessenten anbieten. Es ist auch zu sehen, dass die Chefärzte dem Publikum nach der Anzeige nach 14.00 bzw. 15.00 Uhr ohne zeitliche Begrenzung und damit praktisch wie in ihren Sprechstunden Patient nach Patient zur Verfügung stehen. Das Publikum muss unter den gegebenen Umständen mangels gegenteiligen Hinweises in dem Flyer auch davon ausgehen, dass es für die Gespräche mit den Chefärzten nichts zu bezahlen braucht. Das verstößt gegen § 12 Abs. 1 Berufsordnung. Dass berufliche ambulante Leistungen nicht in einem Möbelhaus erbracht werden dürfen, ist nach § 17 Berufsordnung offenkundig. Bei den §§ 12 und 17 Berufsordnung handelt es sich auch um Marktverhaltensregeln i. S. d. § 4 Ziff. 11 UWG. Die Bestimmungen der Berufsordnung dienen zumindest auch dem Interesse der übrigen Marktteilnehmer, anderer Ärzte und der Patienten. Die Verpflichtung, sich ärztliche Leistungen honorieren zu lassen und sie an geeigneten Orten zu erbringen (Krankenhaus, Arztpraxis) dient dem Schutz vor ruinösem Wettbewerb der Ärzte und insgesamt einer ordnungsgemäßen medizinischen Versorgung der Bevölkerung.

Die Beklagte kann gegen den danach gegebenen Wettbewerbsverstoß nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei als Nichtarzt gar nicht Normadressat der §§ 12 und 17 Berufsordnung. Die Grundsätze der Berufsordnung sind auch von demjenigen zu beachten, der ärztliche Dienste als Teil des eigenen Leistungsspektrums anbietet. Nur so ist der mit den §§ 12 und 17 Berufsordnung als Marktverhaltensregeln bezweckte Schutz der anderen Ärzte und der Patienten gewährleistet.

Der Verfügungsgrund, d. h. die Dringlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung, wird bei Wettbewerbsverstößen nach § 12 UWG vermutet. Die Vermutung gilt als widerlegt, wenn der Anspruchsteller sein Begehren erst einen Monat, nachdem er von dem beanstandeten Wettbewerbsverstoß erfahren hat, geltend und damit gleichzeitig deutlich macht, dass ihm die Sache nicht so eilt (sogenannte Selbstverwirkung). Diese Selbstverwirkung geltend zu machen ist Sache des in Anspruchgenommenen, hier der Beklagten. Der Kläger hat vorgetragen, er habe erst am 20.06.2007 Beschwerde halber von der beanstandeten Werbung erfahren. Die Beklagte hat das Datum bestritten, ihrerseits aber nichts Konkretes für ein früheres Kenntnisdatum vorgetragen. Das Gericht sieht, dass es der in Anspruchgenommene in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig schwer hat, Konkretes zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Anspruchstellers vorzutragen und das im Streitfall zu beweisen. Das rechtfertigt im vorliegenden Fall aber noch keine Umkehr nur der Darlegung - oder auch der Beweislast. Die Zeitspanne zwischen der beanstandeten Werbung am 05.05.2007 und dem Eingang der zugrunde liegenden Unterlassungsklage am 18.07.2007 bei Gericht ist unter Berücksichtigung der Monatsfrist noch nicht so erheblich, dass die Zeitangabe 20.06.2007 der Klägerin nicht mehr nachvollziehbar ist.

Der Klageantrag ist weder zu weit noch zu unbestimmt gefasst. Die Nichtberücksichtigung der Ausnahme von der Honorarpflicht nach § 12 Abs. 2 Berufsordnung ist angesichts der praktischen Unerheblichkeit dieser Ausnahme unschädlich. Eine besondere Unterscheidung zwischen den Angeboten der Beklagten und denen der Firma … im Antrag erübrigt sich, weil sie aus dem Anzeigetext und der Seite 1 des Flyers ersichtlich ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 ff. ZPO.


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