Werbung mit "Haus der Anwälte"

 | Gericht:  Landgericht (LG) Osnabrück  | Aktenzeichen: 1 O 2937/10 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation

Urteilstext

 

Tenor

Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bis zur Entscheidung erster Instanz im Hauptsacheprozess vorläufig zu unterlassen, das Haus in … als "Das Haus der Anwälte" zu bezeichnen.

 

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu 50.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder die Verhängung einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren, angedroht.

 

Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt von dem Verfügungsbeklagten die Unterlassung einer von ihr für wettbewerbswidrig gehaltenen Werbung.

 

Die Parteien betreiben in N. jeweils eine Rechtsanwaltskanzlei.

 

Die Verfügungsklägerin betreibt eine Partnerschaftsgesellschaft mit acht Rechtsanwälten. Sie ist damit in N. die Rechtsanwaltskanzlei mit den meisten Rechtsanwälten. Daneben gibt es in N. mindestens zwei Kanzleien mit vier Rechtsanwälten sowie mehrere Kanzleien mit drei und weniger Rechtsanwälten.

 

In dem Partnerschaftsgesellschaftsvertrag der Verfügungsklägerin ist die Frage der Vertretung in § 4 geregelt. Dieser lautet:

 

„§ 4 Geschäftsführung, Vertretung

 

1. Grundsätzlich ist jeder Partner zur Führung der Geschäfte der Partnerschaft berechtigt.

 

2. Wird der beabsichtigten Geschäftsführungsmaßnahme eines Partners durch einen oder mehrere Partner widersprochen, so entscheiden die Partner durch Mehrheitsbeschluss darüber, ob und mit welchen Maßgaben das beabsichtigte Geschäft durchgeführt werden soll. Bestehen Zweifel, ob ein beabsichtigtes Geschäft die Billigung aller Partner findet, so ist die beabsichtigte Geschäftsführungsmaßnahme den anderen Partnern bekannt zu machen, bevor sie ausgeführt wird.

 

3. […]“

 

Der Verfügungsbeklagte betreibt eine Kanzlei, in der neben ihm noch ein weiterer Rechtsanwalt tätig ist. Sie befindet sich im Erdgeschoss eines zweistöckigen Gebäudes. Ab dem 01.01.2011 ist der Einzug der Kanzlei von Rechtsanwalt Dr. L. in das Obergeschoss geplant, der zum Jahresende als Partner aus der von der Verfügungsklägerin betriebenen Partnerschaftsgesellschaft ausscheidet.

 

Seit dem 30.11.2010 hat der Verfügungsbeklagte an der Vorderfront seines Kanzleigebäudes in grau-metallfarbenen Lettern die Inschrift „Das Haus der Anwälte“ angebracht. Die Inschrift befindet sich rechtseitig der Eingangstür direkt unterhalb der Fenster des 1. Obergeschosses. Unterhalb der Inschrift befindet sich ein rechteckiges Schild, das am rechtsseitigen Ende der Vorderfront in einen Quader mit einem Paragraphenzeichen mündet. Auf der linken Seite des Schildes befindet sich in folgender Aufmachung der Kanzleiname des Verfügungsbeklagten: Zunächst ist in einem rotfarbenen Quadrat in senkrechter Stellung und weißfarbenen Lettern das Wort „Kanzlei“ eingefasst. Auf grau-metallfarbenem Untergrund ist sodann der Name des Verfügungsbeklagten sowie darunter in wesentlich kleinerer Schrift „Rechtsanwälte ï Fachanwalt ï Notar“ zu lesen. Das Kanzleischild des Verfügungsbeklagten nimmt ungefähr die Hälfte des Schildes in Anspruch. Der rechte Teil des Schildes ist abgeklebt. Darunter befindet sich das Kanzleischild von Rechtsanwalt Dr. L., das erst nach dessen Kanzleieinzug in das Obergeschoss des Gebäudes am 01.01.2011 enthüllt werden soll. Die Inschrift „Das Haus der Anwälte“ sowie das Schild mit dem Kanzleinamen des Verfügungsbeklagten sind durch einen weißfarbenen Querbalken getrennt, der sich von dem Eingangsbereich des Gebäudes bis zum rechtsseitigen Ende der Vorderfront erstreckt. Bei Dunkelheit sind die Lettern der Inschrift hell erleuchtet, während das durch zwei Bodenstrahler beleuchtete Kanzleischild wesentlich dunkler erscheint. Wegen weiterer Einzelheiten zu der Gestaltung von Inschrift und Schild wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Lichtbilder verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Mit Schreiben vom 30.11.2010 forderte die Verfügungsklägerin den Verfügungsbeklagten unter Fristsetzung bis zum 06.12.2010, 12.00 Uhr, zur Unterlassung der Werbung mit der Inschrift „Das Haus der Anwälte“ auf. Der Verfügungsbeklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

 

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass die Inschrift „Das Haus der Anwälte“ eine wettbewerbswidrige Werbung darstelle. Insbesondere durch die Verwendung des bestimmten Artikels werde eine Allein- oder Spitzenstellung behauptet, die der Verfügungsbeklagte auf dem N.er Rechtsanwaltsmarkt nicht einnehme. Darüber hinaus werde durch das Wort „Haus“ die Vorstellung eines gewissen Umfangs des beworbenen Rechtsberatungsangebotes hervorgerufen. So werde beispielsweise unter einem „Ärztehaus“ ein Gebäude verstanden, in dem sich mehrere Arztpraxen befänden. Daneben sei die Inschrift auch irreführend, weil durch sie die Vorstellung hervorgerufen werden könne, in dem Gebäude befinde sich die Standes- oder Interessensvertretung von Rechtsanwälten. Diesbezüglich verweist die Verfügungsklägerin auf das in N. vorhandene „Haus des Handwerks“, in dem sich die Interessensvertretung der Handwerker befinde. Der Gefahr der Irreführung werde auch nicht durch das unterhalb der Inschrift angebrachte Kanzleischild des Verfügungsbeklagten vorgebeugt, weil Inschrift und Kanzleischild wegen der unterschiedlichen Aufmachung von dem durchschnittlichen Betrachter nicht als Einheit aufgefasst würden. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich die Verfügungsklägerin auf die von ihr zur Akte gereichten Lichtbilder sowie auf die eidesstattliche Versicherung ihres Partners Rechtsanwalt E..

 

Die Verfügungsklägerin beantragt,

 

es dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für seine in…, betriebene Rechtsanwaltskanzlei wie folgt zu werben: „Das Haus der Anwälte“.

 

Der Verfügungsbeklagte beantragt, 

 

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Der Verfügungsbeklagte hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung für unzulässig. Diesbezüglich rügt er, dass im Innenverhältnis der Gesellschafter der Verfügungsklägerin kein wirksamer Beschluss über die Einreichung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gefasst worden sei, da ein solcher Beschluss nach dem Partnerschaftsgesellschaftsvertrag der Verfügungsklägerin nur einstimmig gefasst werden könne, der Partner Dr. L. der Einreichung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung jedoch widersprochen habe. Er verweist diesbezüglich auf den von beiden Parteien zur Akte gereichten Partnerschaftsgesellschaftsvertrag der Verfügungsklägerin sowie auf die von ihm zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherungen von Dr. L. vom 21.12.2010. Darüber hinaus rügt der Verfügungsbeklagte, dass die Verfügungsklägerin in dem Verfahren nicht von sämtlichen Partnern vertreten werde, obwohl nach dem Partnerschaftsgesellschaftsvertrag der Verfügungsklägerin sämtliche Partner zur Außenvertretung berechtigt seien.

 

Darüber hinaus hält der Verfügungsbeklagte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch für unbegründet. Die Zulässigkeit der Inschrift „Das Haus der Anwälte“ ergebe sich schon daraus, dass in anderen Städten vergleichbare Inschriften wie „Anwaltshaus“ oder „Anwältehaus“ verbreitet seien. Diesbezüglich verweist er auf die von ihm zur Akte gereichten Internetausdrucke. Daneben vertritt er die Auffassung, dass es sich bei der Inschrift nicht um Werbung, sondern um eine berufsbezogene Information handele. Die Inschrift könne auch nicht als Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung missverstanden werden, da der Öffentlichkeit die Beschaffenheit des N.er Anwaltsmarktes bekannt sei. Ebenso wenig werde durch die Inschrift jemand irregeführt. Die Gefahr, die Inschrift als Hinweis auf eine Standes- oder Interessensvertretung von Rechtsanwälten misszuverstehen, bestehe nicht, da die Inschrift im Zusammenhang mit dem darunter befindlichen Kanzleischild zu lesen sei. Die Inschrift beinhalte nichts weiter als eine wahre, nachprüfbare Tatsachenbehauptung, dass nämlich in dem Haus mehrere Rechtsanwälte tätig seien. Dabei werde bei der Verwendung des Wortes „Haus“ - anders als vielleicht noch in der Vergangenheit - von dem Verkehr auch kein Geschäft von einer bestimmten Größe mehr erwartet. Abgesehen davon sei das von der Verfügungsklägerin für die Verwendung des Wortes „Haus“ geforderte Vorhandensein mehrerer Rechtsanwaltspraxen mit dem Einzug der Rechtsanwaltskanzlei von Dr. L. erfüllt. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das in § 43b BRAO normierte Sachlichkeitsgebot vor, weil die Inschrift nicht in marktschreierischer Weise herausgestellt werde, so dass der berufsbezogene Inhalt hinter dem Erscheinungsbild der Inschrift nicht zurücktrete.

 

Entscheidungsgründe

I.

Der Antrag ist zulässig.

 

Insbesondere fehlt es nicht an einer gemäß § 51 Abs. 1 ZPO wirksamen Vertretung der Verfügungsklägerin. Gemäß § 7 Abs. 3 PartGG i. V. m. § 125 Absatz 1 und 2 HGB kann der Partnerschaftsgesellschaftsvertrag Einzelvertretung durch alle oder mehrere Partner, Gesamtvertretung durch alle oder mehrere Partner sowie Kombinationen aus den vorgenannten Möglichkeiten vorsehen. In § 4 des Partnerschaftsgesellschaftsvertrages der Verfügungsklägerin ist die Einzelvertretung durch jeden Partner vorgesehen. Nach § 7 Abs. 3 PartGG i. V. m. § 126 Abs. 2 HGB kann der Umfang der Vertretungsmacht weder durch den Gesellschaftsvertrag noch durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss mit Wirkung gegenüber Dritten beschränkt werden. Zweck dieser Regelung ist es, dass sich Geschäftspartner der Partnerschaftsgesellschaft um das Innenverhältnis der Partner nicht zu kümmern brauchen. Das gilt insbesondere auch für das in § 4 Ziffer 2. des Partnerschaftsgesellschaftsvertrages vorgesehene Widerspruchsrecht im Sinne von § 115 Abs. 1 HS 2 HGB (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. (2010), § 126 Rn. 5). Daher kommt dem Widerspruch eines Partners grundsätzlich keine Außenwirkung zu, so dass die Einzelvertretungsmacht eines Partners dadurch nicht eingeschränkt wird (Staub/Schäfer, HGB, 5. Aufl. (2009), § 115 Rn. 22; Staub/Habersack, a.a.O., § 126 Rn. 20; Baumbach/Hopt, a.a.O., § 115 Rn. 4). Der Widerspruch des Partners Dr. L. ändert somit nichts daran, dass die Verfügungsklägerin bei der Einreichung des Antrages auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 7.12.2010 durch den einzelvertretungsberechtigten Partner E. wirksam vertreten wurde.

 

II.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

 

1.

Der Verfügungsklägerin steht gegen den Verfügungsbeklagten gemäß § 8 UWG ein Anspruch auf Unterlassung der im Urteilstenor angegebenen Handlung zu, da diese gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstößt. 

 

a)

Die Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch folgt aus ihrer Stellung als unmittelbar Verletzte. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits, die beide in N. eine Rechtsanwaltskanzlei betreiben, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Mithin ist die Verfügungsklägerin als Mitbewerberin im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.

 

b)

Die Bezeichnung des Hauses L. Straße XX in N. als „Das Haus der Anwälte“ beinhaltet eine irreführende Angabe über die geschäftlichen Verhältnisse der dort ansässigen Rechtsanwälte und stellt somit gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG eine irreführende geschäftliche Handlung dar. Eine Angabe ist dann irreführend, wenn sie den angesprochenen Verkehrskreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt (Pieper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. (2010), § 5 Rn. 107). Das bemisst sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Angabe aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht. Dabei ist auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen, der der Inschrift die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH NJW 2005, 2229). Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die Angabe von allen angesprochenen Verkehrskreisen in einem irreführenden Sinn verstanden wird. Vielmehr reicht es aus, wenn das bei nicht unerheblichen Teilen der Verkehrskreise eintritt. Das aber ist der Fall.

 

aa)

Entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten sind die Inschrift „Das Haus der Anwälte“ und sein Kanzleischild nicht zwingend als Einheit aufzufassen. Die Anordnung und die unterschiedliche Gestaltung von Inschrift und Kanzleischild sind vielmehr geeignet, bei nicht unerheblichen Teilen der Verkehrskreise den Eindruck hervorzurufen, dass Inschrift und Kanzleischild in keinem unmittelbaren Zusammenhang, sondern jeweils für sich stehen und isoliert zu betrachten sind. Dieser Eindruck folgt zunächst aus der unterschiedlichen Gestaltung: Während das Kanzleischild durch die Verwendung mehrerer Farben sowie unterschiedlicher Schrifttypen und -größen auf den ersten Blick etwas unübersichtlich wirkt, sticht die Inschrift durch ihre einheitlich-schlichte Gestaltung hervor. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Inschrift nicht auf einem Schild steht, sondern sich aus einzelnen ausgestanzten Lettern zusammensetzt. Dabei erreicht die Größe der Inschrift nahezu die Größe des Kanzleischildes, so dass die Lettern der Inschrift die auf dem Kanzleischild befindlichen Buchstaben an Größe bei Weitem übertreffen. Diese unterschiedliche Gestaltung führt dazu, dass das Augenmerk des Betrachters in erster Linie auf die Inschrift gelenkt wird. Das gilt insbesondere für den weiter von dem Gebäude entfernt stehenden Betrachter, für den die Schrift auf dem Kanzleischild kaum noch zu lesen ist. Die isolierte, in erster Linie auf die Inschrift gerichtete Wahrnehmung wird bei Dunkelheit noch dadurch verstärkt, dass die Lettern der Inschrift durch die unmittelbar dahinter befindliche Beleuchtung hell erleuchtet sind, während die Aufschrift des Kanzleischildes durch die Bodenstrahler wesentlich schlechter beleuchtet wird. Der Eindruck, dass Inschrift und Kanzleischild jeweils für sich zu betrachten sind, wird schließlich auch durch den weißen Querbalken hervorgerufen, der vom Betrachter gleichsam als Trennungslinie aufgefasst werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass Inschrift und Kanzleischild von nicht unerheblichen Teilen der Verkehrskreise nicht als Einheit verstanden, sondern isoliert betrachtet werden. Mithin ist die Inschrift „Das Haus der Anwälte“ im Folgenden einer isolierten Betrachtung zu unterziehen.

 

bb)

Soweit für die Kammer ersichtlich, ist die Bezeichnung eines Kanzleigebäudes als „Das Haus der Anwälte“ bislang einmalig. Gibt man die Wortfolge im Internet bei google ein, so erhält man keinen einzigen Hinweis auf eine Kanzlei oder ein Kanzleigebäude. Dasselbe gilt für die Bezeichnung „Das Haus der Rechtsanwälte“. Auch in den von dem Verfügungsbeklagten zur Akte gereichten Internetausdrucken kommt die Bezeichnung nicht vor. Diese umfassen vielmehr die Bezeichnungen „Anwaltshaus“ und „Anwälte Haus“. Von diesen Bezeichnungen unterscheidet sich die vorliegend zu beurteilende Bezeichnung durch die zweifache Verwendung des bestimmten Artikels ganz wesentlich. Das Argument des Verfügungsbeklagten, die verwendete Inschrift „Das Haus der Anwälte“ sei zulässig, da in anderen Städten Kanzleien oder Kanzleigebäude als „Anwaltshaus“ oder „Anwältehaus“ bezeichnet würden, verfängt daher nicht. Die von dem Verfügungsbeklagten angeführten Bezeichnungen sind mit der von ihm selbst verwendeten nicht vergleichbar, so dass sich aus deren Verbreitung in anderen Städten für die Zulässigkeit der vorliegend zu beurteilenden Bezeichnung nichts herleiten lässt.

 

Aus der Einzigartigkeit der Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ folgt, dass sie in der Vorstellungswelt der angesprochenen Verkehrskreise nicht bereits auf einen festen Aussagegehalt festgelegt ist. Es handelt sich vielmehr - jedenfalls bei der Verwendung in dem hier umstrittenen Sinn - um eine neue Bezeichnung. Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass die Verkehrskreise, die der umstrittenen Gebäudebezeichnung begegnen, diese ohne ein eindeutiges Begriffsbild aufnehmen und darauf verwiesen sind, deren Bedeutung allein anhand des Wortlautes der Bezeichnung und der eigenen Vorstellungen zu ermitteln.

 

cc)

Die Verwendung des Begriffs „Haus“ in Verbindung mit dem bestimmten Artikel wird von nicht unerheblichen Teilen der Verkehrskreise als Hinweis auf eine bestimmte Vielfalt und Qualität der in diesem Gebäude angebotenen Rechtsberatung verstanden. Dem Verfügungsbeklagten ist zwar zuzugeben, dass die Bezeichnung „Haus“ im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren hat und heute nicht mehr ausnahmslos und unabhängig von dem konkreten Verwendungszusammenhang als Bezeichnung für ein Unternehmen verstanden wird, das durch die Breite und Vielgestaltigkeit seines Sortiments, durch sachkundiges Personal und durch die aufgrund des Umsatzes bestehende Größe den Durchschnitt der örtlichen Konkurrenz überragt (vgl. dazu auch Köhler/Bornkamp, UWG, 27. Aufl. (2009), § 5 UWG, Rn. 5, 24). Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass in einigen Zusammensetzungen wie „Möbelhaus“, „Kaufhaus“ oder „Warenhaus“ die traditionelle Bedeutung noch weiter durchscheint (Köhler/Bornkamp, a.a.O.). In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff des Ärztehauses zu nennen, der von nicht unwesentlichen Teilen des Verkehrs als Kennzeichnung für ein Haus verstanden wird, in dem sich mehrere Arztpraxen befinden. Bei der vorliegend zu beurteilenden Bezeichnung kommt hinzu, dass die Verwendung des bestimmten Artikels von nicht unwesentlichen Verkehrsteilen als Hinweis auf eine gewisse Herausgehobenheit der angebotenen Rechtsberatung verstanden werden kann. Wenngleich der bestimmte Artikel in der Inschrift nicht mit einem Superlativ wie „das beste“, „das erste“ oder „das einzige“ oder mit einem anderen Eigenschaftswort empfehlenden Charakters verbunden ist, so schwingt in der Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ doch die Bedeutung von „schlechthin“ mit. Zur Überzeugung der Kammer steht daher fest, dass die Verwendung des Begriffes „Haus“ in Verbindung mit dem bestimmten Artikel bei nicht unwesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung hervorruft, dass in dem so bezeichneten Gebäude mehrere Rechtsanwaltskanzleien mit einer Vielzahl von Rechtsanwälten ansässig sind. Darüber hinaus ist die Bezeichnung "Das Haus der Anwälte" auch geeignet, bei nicht unwesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung zu wecken, dass die in dem so bezeichneten Gebäude ansässigen Rechtsanwaltskanzleien in bestimmter Weise miteinander kooperieren, etwa dergestalt, dass bei komplexen, mehrere Rechtsgebiete umfassenden Rechtsfragen mehrere spezialisierte Rechtsanwälte aus den unterschiedlichen, in dem Gebäude ansässigen Kanzleien zusammenarbeiten. Dieser durch die verwendete Bezeichnung bei nicht unwesentlichen Teilen der Verkehrskreise geweckten Erwartung wird die Kanzlei des Verfügungsbeklagten, die im Entscheidungszeitpunkt lediglich zwei Rechtsanwälte umfasst, nicht gerecht. Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, dass sich insoweit durch den Einzug der Einzelkanzlei von Rechtsanwalt Dr. L. in das Gebäude etwas Wesentliches ändert.

 

Die bei nicht unwesentlichen Verkehrsteilen durch die Bezeichnung "Das Haus der Anwälte" hervorgerufene Fehlvorstellung über den Umfang des beworbenen Rechtsberatungsangebotes ist auch geeignet, die Marktentscheidung der betreffenden Verbraucher in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Der Umfang der angebotenen Rechtsberatung ist für die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise, die angebotene Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, wichtig, da mit einer Vielzahl von Rechtsanwälten in der Regel auch eine größere Bandbreite der Spezialisierung einhergeht, die bei der Bearbeitung von komplexen, mehrere Rechtsgebiete umfassenden Rechtsfragen hilfreich sein kann. Dabei ist es für die wettbewerbliche Relevanz unerheblich, ob der Verbraucher nach dem Bemerken seines Irrtums die zunächst getroffene Entscheidung revidiert. Es reicht aus, dass sein Irrtum dazu führt, dass er sich mit dem Angebot des Werbenden näher auseinandersetzt. Auch die Irreführung, die nur zu einem Anlockeffekt führt, wird von dem Verbot des § 5 UWG erfasst (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 2.192 f.).

 

dd)

Die Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ ist noch aus einem weiteren Grund irreführend. Ohne jede Einschränkung wie einen Namenszusatz oder Ähnliches wirkt die Bezeichnung sehr allgemein und absolut. Vor diesem Hintergrund kann sie bei nicht unwesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise die Vorstellung hervorrufen, dass das so bezeichnete Gebäude der Sitz einer lokalen oder regionalen Stände- oder Interessenvertretung von Rechtsanwälten ist. Zutreffend verweist der Verfügungskläger in diesem Zusammenhang auf das in N. ansässige „Haus des Handwerks“, bei dem es sich um eine Einrichtung der Kreishandwerkerschaft handelt, die die Interessenvertretung der Handwerker beherbergt. Auch der Begriff „Ärztehaus“ ist in diesem Zusammenhang zu nennen, der verschiedentlich der Kennzeichnung der regionalen Niederlassungen der ärztlichen Körperschaften und Verbände dient (vgl. dazu Hanseatisches OLG, WRP 1982, 278 [279]; OLG Hamm, Beschluss vom 28.10.1972 - Az.: 15 W 79/72 -, abgedruckt in Rechtsprechung und Richtlinien zum Heilmittelwerberecht = Schriftenreihe zur Heilmittelwerbung, Heft 10, herausgegeben vom Bundesfachverband der Heilmittelindustrie und dem Verein für lautere Heilmittelwerbung, Köln 1973, S. 89). Die von dem Verfügungsbeklagten verwendete Inschrift ist den Bezeichnungen "Haus des Handwerks" und "Ärztehaus" sehr ähnlich, wobei die Vorstellung, sie diene der Bezeichnung für etwas in N. Einzigartiges wie dem Sitz der anwaltlichen Stände- oder Interessenvertretung, durch die zweifache Verwendung des bestimmten Artikels noch wesentlich gefördert wird.

 

Auch die vorgenannte Fehlvorstellung ist geeignet, die Marktentscheidung der Verbraucher in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Denn durch sie kann bei nicht unwesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Kanzlei des Verfügungsbeklagten um eine besonders ausgewählte Kanzlei handelt, weil sie in demselben Gebäude wie die Stände- oder Interessensvertretung der Anwälte ansässig ist. Diese Vorstellung ist geeignet, den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher dazu zu bewegen, das Rechtsberatungsangebot des Verfügungsbeklagten in Anspruch zu nehmen.

 

ee)

Soweit die Kammer Feststellungen über die Verkehrsauffassung getroffen hat, vermag sie das aus eigener Sachkunde zu tun. Die Mitglieder der Kammer gehören zwar nicht zu den unmittelbar von der Bezeichnung an dem Haus des Verfügungsbeklagten angesprochenen Verkehrskreisen. Wie die obigen Ausführungen zeigen, geht es jedoch nicht um örtliche Besonderheiten in N., sondern allgemein um das Verständnis einer an das rechtsuchende Publikum gerichteten bestimmten Bezeichnung durch den Verkehr. Die Feststellungen zur Verkehrsauffassung kann die Kammer, deren Mitglieder grundsätzlich selbst zu dem rechtsuchenden Publikum und damit zu dem durch die Bezeichnung angesprochenen Verkehrskreis gehören, aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung treffen.

 

c)

Darüber hinaus verstößt die Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ auch gegen § 43 b BRAO i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG. Denn das in § 43 b BRAO normierte Sachlichkeitsgebot ist bei irreführenden Tatsachenbehauptungen stets verletzt (vgl. Hefermehl/Köhle/Bornkamp, UWG, 27. Aufl. (2009), § 4 UWG, Rn. 11.92).

 

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten handelt es sich bei der Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ auch um Werbung und nicht bloß um berufsbezogene Informationen. Der mit der Bezeichnung „Das Haus der Anwälte“ verbundene Informationsgehalt erschöpft sich in der Mitteilung, dass in dem so bezeichneten Haus mehrere Rechtsanwälte tätig sind. Dieser Informationsgehalt ist derart unspezifisch, dass die Inschrift gegenüber dem Kanzleischild keine eigene Bedeutung hat und ohne jeden Informationsverlust weggelassen werden könnte. Dass der Verfügungsbeklagte auf die Bezeichnung gleichwohl nicht verzichtet hat, zeigt, dass es ihm bei der Anbringung der Inschrift nicht um berufsbezogene Informationen, sondern um die Erzielung eines Werbeeffektes ging, der in der unter II. 1. b) beschriebenen Weise mit der Bezeichnung "Das Haus der Anwälte" einhergeht.

 

2.

Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.


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