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 | Gericht:  Bundesverfassungsgericht (BVerfG)  | Aktenzeichen: 1 BvR 881/00/Vorinstanz: Urteil des LBG für Zahnärzte in Stuttgart v. 26. 02.2000 - LNs 8/99 u.Urteil des BezBG für Zahnärzte in Freiburg v. 21.09.1999 - 1/99 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Berufliche Kommunikation

Beschlusstext


Tenor

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat einstimmig beschlossen:

1.   
Das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 26. Februar 2000 - LNs 8/99 - und das Urteil des Bezirksberufsgerichts für Zahnärzte in Freiburg vom 21. September 1999 - 1/99 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben.
Das Verfahren wird an das Landesberufsgericht für Zahnärzte in Stuttgart zurückverwiesen.
2.   
Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
3.   
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 30.000 DM (in Worten: dreißigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.


Gründe

I.
Der beschwerdeführende Zahnarzt wendet sich gegen das Verbot, einen Zahnarztsuchservice einzurichten.

1.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des baden-württembergischen Gesetzes über die öffentliche Berufsvertretung, die Berufspflichten, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Dentisten (Kammergesetz) in der hier maßgeblichen Fassung vom 16. März 1995 (GBl S. 314; im Folgenden: KaG) regelt die Berufsordnung das Nähere über die Berufspflichten. Die Berufsordnung kann nach § 31 Abs. 2 KaG insbesondere Vorschriften über die Werbung (Nr. 9) und das berufliche Verhalten gegenüber anderen Berufsangehörigen (Nr. 11) enthalten. Nach § 32 Abs. 1 KaG können die der Zahnärztekammer angehörenden Mitglieder ihre Berufsbezeichnung durch Bezeichnungen erweitern, die auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten zahnmedizinischen Gebiet (Gebietsbezeichnung) oder Teilgebiet (Teilgebietsbezeichnung) oder auf andere zusätzlich erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten (Zusatzbezeichnung) hinweisen. Zahnmedizinische Gebietsbezeichnungen gibt es auf den Gebieten der Kieferorthopädie, Oralchirurgie und auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens. Bei Verstößen haben sich die Kammermitglieder nach § 55 KaG in einem Berufsgerichtsverfahren zu verantworten.

§ 13 der Berufsordnung für Zahnärzte in der Fassung vom 11. Januar 1999 (ZBW 3/1999 S. 16; im Folgenden: BO 1999) gestattet dem Zahnarzt, eigenverantwortlich so genannte "Interessenschwerpunkte" auszuweisen. Näheres regeln die dazu ergangenen Richtlinien der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Danach werden Interessenschwerpunkte in den vorgegebenen Bereichen - Funktionsanalyse und Funktionstherapie, Implantologie, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde - in Form einer "Patienten-Informations-Liste" ausgewiesen. Die Bezirkszahnärztekammer führt diese Liste und erteilt aus ihr Auskünfte bei Anfragen aus der Bevölkerung mit dem Hinweis, dass die Angaben rechtlich und sachlich in die Verantwortung des Arztes fallen und lediglich weitergegeben werden. Der Zahnarzt darf nur solche "Interessenschwerpunkte" ausweisen, in denen er mehrjährige praktische Erfahrungen und Fertigkeiten besitzt und über mehrjährige Fortbildung verfügt.

Zum Zeitpunkt des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens galt die Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom 6. August 1996 (ZBW 10/1996 S. 536; im Folgenden: BO 1996). Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b BO 1996 ist der Zahnarzt verpflichtet, dem Vertrauen zu entsprechen, das ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebracht wird. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BO 1996 hat der Zahnarzt gegenüber allen Berufsangehörigen jederzeit ein kollegiales Verhalten zu zeigen. Er darf im freien Wettbewerb mit seinen Kollegen keine unlauteren Mittel anwenden (§ 11 Abs. 1 Satz 2 BO 1996). Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BO 1996 (= § 17 Abs. 1 Satz 1 BO 1999) ist dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung untersagt.

Mittlerweile lässt § 19 der Berufsordnung für Zahnärzte in der Fassung der Satzung vom 4. August 2000 (ZBW 8/2000 S. 30; im Folgenden: BO 2000) öffentlich abrufbare Praxisinformationen in Computerkommunikationsnetzen ausdrücklich zu.

2.
Der Beschwerdeführer erhielt am 1. September 1993 seine Bestallung als Zahnarzt. Vom 20. Mai 1994 bis 31. Mai 1995 war er als Assistent in einer Zahnarztpraxis tätig. Nach einem schweren Verkehrsunfall musste er diese Tätigkeit aufgeben. Am 4. April 1997 gründete der Beschwerdeführer mit sechs anderen Personen den Verein "Initiative optimale Zahnheilkunde" (IOZ). Nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung ist der Zweck des Vereins die Förderung qualitativ hochwertiger zahnmedizinischer Behandlung, insbesondere durch Information und Beratung von Patienten über mögliche Behandlungsalternativen mit ihren Vor- und Nachteilen, die Möglichkeit der Kostenerstattung durch gesetzliche und private Kostenträger und die Beratung zu allen Fragen der Zahnmedizin. Zu den Zielen des Vereins gehört ferner die Weitergabe von Informationen über Zahnärzte mit besonderer fachlicher Qualifikation oder Orientierung. Nach § 2 Abs. 2 ist der Verein selbstlos tätig. Er verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. Nach § 2 Abs. 3 dürfen Mittel des Vereins nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus den Mitteln des Vereins.

Im Frühjahr 1998 übersandte der Beschwerdeführer zahlreichen Zahnärzten ein Schreiben, mit dem die IOZ dargestellt wurde. Diesem lag ein Fragebogen bei, in den Aussagen zur zahnärztlichen Tätigkeit und zur fachlichen Qualifikation des Zahnarztes nach eigener Einschätzung zu vermerken waren. Der monatliche Beitrag für die Aufnahme und Bereitstellung der Angaben soll 7,50 DM kosten. Ob aus der Datei tatsächlich Auskünfte an mögliche Patienten erteilt oder ob interessierte Personen jemals beraten wurden, ist nicht festgestellt worden. In der Badischen Zeitung vom 17. März 1998 und in der Lahrer Zeitung vom 11. März 1998 erschienen aber Berichte über die IOZ und ihre Ziele, in denen unter anderem ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer sei bis zu seinem schweren Unfall lange Jahre praktizierender Zahnarzt gewesen und vermittele ein nach medizinischen Kriterien und Patientenvorstellungen optimales Therapieangebot, das sich nicht nur an den Richtlinien der gesetzlichen Krankenkassen oder an den Erstattungskriterien privater Versicherer orientiere.

3.
Durch Urteil vom 21. September 1999 verurteilte das Bezirksberufsgericht für Zahnärzte den Beschwerdeführer wegen berufsunwürdigen Verhaltens nach § 55 Abs. 2 KaG in Verbindung mit § 1 Abs. 2, § 11 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 BO 1999 zu einer Geldbuße von 3.000 DM. Die hiergegen eingelegte Berufung des Beschwerdeführers verwarf das Landesberufsgericht für Zahnärzte als unbegründet mit der Maßgabe, dass die Geldbuße auf 1.500 DM ermäßigt wurde. Der Verpflichtung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b BO 1999 widerspreche es, möglichen Patienten Auskünfte aus einer Datei anzubieten, die nur einen Teil der Zahnärzte erfasse und deren Inhalt auf der nicht überprüften Selbsteinschätzung der Zahnärzte beruhe. Die Art der Datenerhebung mache in hohem Maße wahrscheinlich, dass wegen der Unvollständigkeit des Datensatzes und der Unterschiedlichkeit der Bewertungsmaßstäbe der meldenden Zahnärzte unrichtige und irreführende Angaben in die Datei aufgenommen würden. Gegen § 11 BO 1999 werde verstoßen, da der Beschwerdeführer mit Auskünften aus seiner Datei die Grundlage dafür biete, dass durch irreführende Angaben die Patienten getäuscht und dadurch die Konkurrenz unter den Berufskollegen mit unangemessenen Mitteln verfälscht werde. Die Datei sei insbesondere nicht allen Zahnärzten ohne weiteres zugänglich und nicht kostenfrei. Auch das allgemeine Wettbewerbsrecht schließe solche Werbemaßnahmen aus, die unwahre und irreführende Angaben verbreiteten.

II.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG durch die gerichtlichen Entscheidungen. An dem von ihm eingerichteten Zahnarztsuchservice bestehe ein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die von den Berufsgerichten angenommene Irreführung der anfragenden Patienten trete nicht ein, wenn - wie vorliegend - stets mitgeteilt werde, dass die Angaben über die fachliche Qualifikation der Zahnärzte auf deren Selbsteinschätzung beruhe. In den angegriffenen Urteilen werde ihm zu Unrecht eine andere Handhabung unterstellt.

III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen der Bundesgerichtshof, die Bundeszahnärztekammer, die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg sowie der Freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V.

Der Bundesgerichtshof verweist auf seine bisherige Rechtsprechung zum Werberecht der freien Berufe. Nach Auffassung der Bundeszahnärztekammer dient die Bekanntgabe der beruflichen Selbsteinschätzung von Zahnärzten nicht den Interessen der Patienten; deshalb sei sie nach der Berufsordnung unzulässig. Auch die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Frage nach bestimmten Bereichen der Zahnheilkunde, in denen sich der Zahnarzt selbst als "Spezialist" bezeichnen dürfe, könne zur Bildung von Fantasiebezeichnungen führen oder fachliche Qualifikationen herausstellen, die der Zahnarzt nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren erworben habe; daher seien diese Angaben irreführend. Ein Hinweis in der Datenbank, dass die Angaben ausschließlich auf der Selbsteinschätzung der Zahnärzte beruhten, sei nicht ausreichend, dieser Gefahr zu begegnen, weil es sein könne, dass der Hinweis nicht zur Kenntnis genommen werde. Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V. lehnt Informationsdatenbanken und Telefonberatungsstellen, die Patienten Zahnärzte werbend empfehlen, ab.

IV.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

1.
Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf.

Das Bundesverfassungsgericht hat geklärt, dass die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit jede Tätigkeit umfasst, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl. BVerfGE 7, 377 <397>; 54, 301 <313>; 97, 228 <252 f.>). Auch die maßgeblichen Fragen zum ärztlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 33, 125 <169 ff.>; 71, 162 <172 ff.>; 71, 183 <194 ff.>; 85, 248 <256 ff.>). Danach soll das Werbeverbot für Ärzte dem Schutz der Bevölkerung dienen und das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Werberechtliche Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen hat das Bundesverfassungsgericht mit der Maßgabe als verfassungsmäßig angesehen, dass nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten ist. Als berufswidrig in diesem Sinne gilt unter anderem das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Kranken führen können, was das Vertrauen in den Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte (vgl. BVerfGE 85, 248 <257 ff.>; vgl. auch BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 2988 <2989>; NJW 1994, S. 1591; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2788). Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr jedoch Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>). Auf dieser Rechtsgrundlage hat sich im Bereich der Bundesrechtsanwaltsordnung inzwischen der Anwaltssuchservice eingebürgert. Die Angabe von speziellen Tätigkeitsbereichen und ihre Verbreitung entsprechen einem Informationsbedürfnis des Publikums, weil sich die Berufsangehörigen in unterschiedlichen Gebieten spezialisieren (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 1992, S. 1613).

2.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt.

a)
Die Berufsgerichte haben in den angegriffenen Entscheidungen darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer bei seinen Tätigkeiten für den und in dem Verein IOZ den zahnärztlichen Beruf ausübt, und in den festgestellten Tätigkeiten Berufspflichtverletzungen gesehen. Insoweit schränkt das Verbot, einen Zahnarztsuchservice einzurichten, ihn in seiner Berufsfreiheit ein. Auch wenn die konkrete zur Last gelegte Teiltätigkeit nicht der Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage des Beschwerdeführers dient, erstreckt sich der grundrechtliche Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auf den Zahnarztberuf in all seinen Aspekten (vgl. zum Schutzbereich BVerfGE 97, 228 <253>).

Grundlage der angegriffenen Entscheidungen der Berufsgerichte sind § 31 Abs. 2 und § 55 Abs. 2 KaG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b, § 11 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 BO 1999. Die genannten Normen lassen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zu, dass interessengerechte und sachangemessene Informationen über Zahnärzte - auch im Internet - gestattet sind. Eine Regelung über öffentlich abrufbare Praxisinformationen in Computerkommunikationsnetzen war in den bis 1999 geltenden Berufsordnungen für Zahnärzte nicht enthalten. Mittlerweile stellt § 19 BO 2000 ausdrücklich klar, dass der einzelne Zahnarzt das Internet zur Selbstdarstellung nutzen darf. Es handelt sich dabei vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich verbürgten Berufsfreiheit nicht um eine Neuregelung. Denn schon der Berufsordnung von 1996 lässt sich entnehmen, dass es im zahnärztlichen Bereich ein allgemein anerkanntes Bedürfnis nach Information über das Leistungsangebot einzelner Zahnärzte gibt. Zahnärzte dürfen sich danach mit eigenen Leistungsbeschreibungen an ihre Kollegen sowie an die Landeszahnärztekammer wenden (§ 17 Abs. 1 BO 1996 = § 18 Abs. 1 BO 1999), damit sich Patienten auf diesem Weg über Praxisbesonderheiten und Interessenschwerpunkte unterrichten können oder der behandelnde Zahnarzt eine Empfehlung zur Weiterbehandlung aussprechen kann.

Auslegung und Anwendung der maßgeblichen berufsrechtlichen Bestimmungen können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>).

b)
So liegt es hier. Die angegriffenen Entscheidungen werden dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.

Nach Auffassung des Bezirksberufsgerichts und des Landesberufsgerichts ist das Verhalten des Beschwerdeführers in dreifacher Hinsicht zu beanstanden. Würden möglichen Patienten Auskünfte aus einer Datei angeboten, die nur einen Teil der Zahnärzte erfasst und die Daten aufgrund der Selbsteinschätzung der Zahnärzte aufnimmt, ohne dass sie der Beschwerdeführer überprüfe, widerspreche das der Kollegialität unter Kollegen sowie dem Verbot berufswidriger Werbung; zugleich gefährde der Beschwerdeführer das ihm entgegengebrachte Vertrauen der Patienten. Diese Argumentation beruht auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Berufsfreiheit. Die Gerichte sind dem Sachverhalt nicht in der Weise gerecht geworden, die angesichts seiner grundrechtsbeschränkenden Würdigung angezeigt gewesen wäre. Zudem haben sie die Normen der Berufsordnung nicht verfassungskonform ausgelegt und angewendet.

aa)
Es sind keine Gemeinwohlbelange ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, einem Zahnarzt zu verbieten, einen Zahnarztsuchservice einzurichten. Das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung, das insofern als Belang allein in Betracht kommt, und der hierdurch veranlasste Schutz des Vertrauens der Patienten in die Zahnärzte werden nicht berührt. Von den Zahnärzten eigenverantwortlich mitgeteilte Angaben über ihre Tätigkeit und fachliche Qualifikation können auch im Internet nicht generell verboten werden, sofern diese Angaben in sachlicher Form erfolgen und nicht irreführend sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2788; vgl. auch OLG München, MedR 1999, S. 76; LG Kiel, MedR 1999, S. 279).

(1) § 1 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b BO 1999 bezweckt, das Vertrauen der Patienten zu schützen, dass der Zahnarzt seinen Beruf auf der Grundlage seiner besonderen beruflichen Qualifikation gewissenhaft nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und nach den Geboten der Menschlichkeit ausübt (vgl. § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a BO). Es ist nicht erkennbar, wie das Vertrauen in den Beschwerdeführer durch die Errichtung des streitgegenständlichen Patienteninformationsdienstes beeinträchtigt werden könnte. Die Datenbank soll nach dem Fragebogen neben besonderen Qualifikationen Tätigkeitsgebiete der Zahnärzte (z. B. Implantologie, Oralchirurgie, Parodontologie, Angebot einer professionellen systematischen Intensivprophylaxe etc.), besondere Behandlungsmethoden (z. B. naturkundlich/ganzheitlich ausgerichtete Therapie) und/oder besondere Praxisausstattung (z.B. behindertengerecht) umfassen. Die aufgrund des Fragebogens erhobenen Angaben besagen, dass sich die Zahnärzte spezialisiert haben, gegebenenfalls unabhängig von dem Erwerb einer Gebietsbezeichnung, was durch die Wortwahl deutlich gemacht werden soll. Diese Angaben in dem Fragebogen entsprechen einem berechtigten Informationsbedürfnis der Patienten, weil nicht jeder Zahnarzt das gleiche Betätigungsfeld hat, sondern es unterschiedliche Schwerpunkte und Spezialisierungen gibt (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 1992, S. 1613 <1614>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, ZBW 2001, S. 10 mit Anm. von Maag; vgl. auch OLG München, MedR 1999, S. 76 <77 f.>; LG Kiel, MedR 1999, S. 279 <281 ff.>). Es besteht ein sachlich begründetes Bedürfnis der Allgemeinheit, über solche Spezialisierungen und auch weitere Tätigkeitsgebiete sowie Praxisausstattung (z.B. behindertengerechte Praxiseinrichtung) informiert zu werden. Dies kann auch durch eine Datenbank geschehen. Die neue Berufsordnung aus dem Jahr 2000 berücksichtigt insofern die neuere technische Entwicklung, indem sie in § 19 auch die öffentlich abrufbare Praxisinformation in Computerkommunikationsnetzen regelt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist die Rechtslage zuvor nicht anders zu beurteilen. Ein Verbot war nach den Maßstäben des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen.

(2) Die angegriffenen Entscheidungen tragen der verfassungsrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit im Übrigen schon deshalb nicht genügend Rechnung, weil sie dem Vorhaben des Beschwerdeführers irreführende und vertrauensschädigende Folgen zuschreiben, obwohl die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg im Rahmen ihrer Richtlinien zu den "Interessenschwerpunkten" in derselben Weise verfährt. Das hätte die unterstellten Gefährdungen von Gemeinwohlinteressen, die eintreten sollen, wenn der Informationsdienst von einem gemeinnützigen Verein unter Leitung eines Zahnarztes betrieben wird, in besonderem Maße begründungsbedürftig gemacht. Hieran fehlt es in den angegriffenen Entscheidungen. Mit den Interessenschwerpunkten hat die Landeszahnärztekammer selbst das Informationsbedürfnis von Patienten im Hinblick auf weitere Spezialisierungen als berechtigt anerkannt. Dabei wird der durch die Gebietsbezeichnungen gezogene Rahmen im Interesse der Nachfrager deutlich überschritten. Dennoch übernimmt die Bezirkszahnärztekammer keine Gewähr für die Richtigkeit der bei ihr gesammelten und gespeicherten Angaben; auch sie verlässt sich auf die Zuverlässigkeit und das Berufsethos der Kammerangehörigen. Nicht zuletzt deshalb geht die Kammer selbst bei ihrem Service - ebenso wie der IOZ - davon aus, dass der Hinweis, alle Angaben lägen rechtlich und sachlich in der Verantwortung der genannten Zahnärzte, ausreicht, um eine Irreführung der Patienten zu vermeiden.

Ohne Belege wird in den angegriffenen Entscheidungen unterstellt, dass die vom Beschwerdeführer angestrebte Datenbank demgegenüber besondere Gefahren aufweise, weil sie auf der Selbsteinschätzung der Zahnärzte beruht und weil die Patienten die von den Zahnärzten angegebenen Informationen überschätzen und als überprüft ansehen könnten. Dafür fehlte es im Zeitpunkt der Errichtung der Datenbank an jeglichen Feststellungen. Auch die angegriffenen Entscheidungen belegen nicht, worauf das höhere Gefährdungspotential der vom Beschwerdeführer angestrebten Datenbank beruhen könnte. Die Gefahr einer Überschätzung liegt bei einer von einer Bezirkszahnärztekammer geführten Liste eher näher als bei einer privaten Datenbank. Die Hinweise auf die Selbsteinschätzung könnten zusätzlich durch das Angebot individueller Beratung durch den Beschwerdeführer, der als approbierter Zahnarzt die ihm erteilten Auskünfte auch bewerten kann, sinnvoll ergänzt werden. Verbote können daher nicht die gesamte Datenbank betreffen, sondern nur einzelne Angaben, die unwahr und irreführend sind. Hiergegen kann, soweit erforderlich, im Einzelfall vorgegangen werden.

Im Übrigen gäbe es mildere Mittel, um einer Irreführung der Patienten, die durch die Unvollständigkeit der erfassten Daten hervorgerufen werden könnte, entgegenzuwirken. Den Anfragenden könnte bei der Auskunft auch die Anzahl der erfassten Zahnärzte mitgeteilt und auf die Unvollständigkeit der Datenbank hingewiesen werden.

bb)
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Errichtung eines Patienteninformationsdienstes das Gebot zum kollegialen Verhalten in § 11 BO verletzt. Insbesondere kann aus dem monatlichen Beitrag von 7,50 DM, den der Verein für die Teilnahme an dem Informationsdienst erhebt, keine Unkollegialität in der Person des Beschwerdeführers abgeleitet werden. Denn er stellt nur seine Arbeitskraft einem gemeinnützigen Verein zur Verfügung, der mit diesem Beitrag seine Kosten deckt. Der Betrag ist nach seiner Höhe weder prohibitiv noch kommt er dem Beschwerdeführer persönlich zugute.

cc)
Schließlich ist auch ein Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Verbot berufswidriger Werbung nach § 17 Abs. 1 BO 1999 nicht nachvollziehbar begründet. Das Angebot des Patienteninformationsdienstes in der hier beabsichtigten Form stellt keine gezielte Werbemaßnahme von Seiten des Beschwerdeführers dar, der keine zahnärztliche Tätigkeit im engeren Sinne mehr ausübt.

Soweit der Verein auf Anfrage des Kunden Zahnärzte mit der Angabe ihrer Spezialisierung oder Ausstattung benennt, setzt der Verein im freien Wettbewerb der Zahnärzte untereinander keine unlauteren Mittel ein, was nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BO verboten wäre. Weder der Verein noch der Beschwerdeführer wirken insofern an gezielten Werbemaßnahmen mit; sie informieren über die vorhandene Ärzteschaft, soweit ihnen die Angaben zugänglich sind. Ein solches Verhalten ist erlaubt, sofern die Information sachlich zutreffend und frei von Irreführung ist.

3.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG, da nicht auszuschließen ist, dass die Gerichte in den Ausgangsverfahren anders entschieden hätten, wenn sie die von ihnen angewandten Normen verfassungskonform ausgelegt und angewendet hätten. Die angegriffenen Entscheidungen sind daher aufzuheben, damit dies nachgeholt werden kann.

4.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO.


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