Werbung durch einen Stand auf einer Verbrauchermesse

 | Gericht:  Bundesverfassungsgericht (BVerfG)  | Aktenzeichen: 1 BvR 754/98/Vorinstanz: Rechtsanwaltskammer Köln - EV 289/97 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Berufliche Kommunikation

Beschlusstext


Tenor

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat am am 11. November 1999 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.


Gründe

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt beanstandet, daß ihm wegen berufswidriger Werbung eine Rüge erteilt wurde.

1.
Der Beschwerdeführer wandte sich mit Schreiben vom 18. September 1995 - im Zusammenhang mit der Allgemeinen Nahrungs- und Genußmittelausstellung "ANUGA Köln" - an den Bundesverband Obst- und Gemüseverarbeitende Industrie e. V., einen Mandanten. Darin hieß es unter anderem:

"..., daß meine Anwaltsfirma als Mitglied der LEGALLIANCE EWIV, einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung von Anwälten, einen Stand auf der LEGALLIANCE haben wird.

...

Insbesondere am 01.10.95 (Sonntag), 02.10.95 (Montag) und 03.10.95 (Dienstag) werden auch Anwaltskollegen von Mitgliedsfirmen der LEGALLIANCE in Holland, England, Frankreich und Italien präsent sein.

Wir werden uns erlauben, Sie auch auf Ihrem Stand auf der ANUGA während dieser Tage besuchen, um allfällige Fragen zu besprechen.

Neben anderen Anwälten von Mitgliedssozietäten der LEGALLIANCE EWIV war auch der Beschwerdeführer auf dem im Schreiben vom 18. September 1995 erwähnten Stand anwesend.

Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Köln rügte unter Ausspruch einer Mißbilligung das Verhalten; die Rüge wurde vom Anwaltsgericht durch Beschluß vom 12. Februar 1998 gebilligt: Das Betreiben eines für Anwaltsdienste werbenden Messestandes auf einer nichtjuristischen Fachmesse sowie die Teilnahme an einem solchen sei ein aufdringliches, reklamehaftes Herantreten an potentielle Mandanten, welches nicht durch § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - gedeckt sei. Es bestehe kein Anlaß, die Sache dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 des EWG-Vertrages vorzulegen, weil eindeutig weder die Verordnung Nr. 2137/85 des Rates der Europäischen Gemeinschaften noch das Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung den Interessenvereinigungen erlaubten, von den in den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils geltenden Bestimmungen abzuweichen.

2.
Mit seiner gegen den Beschluß des Anwaltsgerichts gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2, Art. 3, Art. 5, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14, Art. 19 Abs. 4, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, daß ein zurückhaltender Messestand von Rechtsanwälten auf einer Fachmesse eine zulässige Werbemethode sei. Sein Recht auf den gesetzlichen Richter sei verletzt, weil die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof nicht vorgelegt worden sei. Überdies rügt er eine Ungleichbehandlung gegenüber näher bezeichneten deutschen Anwaltssozietäten, die im Ausland auf internationalen Messen mit eigenen Messeständen standesrechtlich unbeanstandet geworben hätten.

II.
Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor.

1.
Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum anwaltlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden ( BVerfGE 57, 121 <133 f>; 76, 196 <205 ff.>; 82, 18 <28> m.w.N.). Ferner ist geklärt, daß nur eine willkürliche Außerachtlassung einer Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof den Grundsatz des gesetzlichen Richters verletzt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 f.>; 82, 159 <195 ff.>).

2.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

a)
Zwar führt die Auslegung des § 43 b BRAO durch das Anwaltsgericht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG; so im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 - NJW 1999, S. 2444 -). Die Grundrechtsverletzung deutet aber nicht auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hin.

b)
Dem Beschwerdeführer entsteht auch durch die Versagung einer Entscheidung zur Sache kein schwerer Nachteil. Eine erneute berufsgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der Teilnahme als Antragsteller auf einer Fachmesse ist nicht mehr zu besorgen, nachdem der Bundesgerichtshof entschieden hat, daß die Teilnahme von Freiberuflern als Aussteller auf Fachmessen nicht generell untersagt werden kann (a.a.O.). Der Kontakt auf Fachmessen sei vielmehr geeignet, den Mandantenstamm zu pflegen. Deshalb komme es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Gestaltung des Ausstellungsstandes, die Art und Weise der Präsentation der Dienstleistung und das Auftreten der den Stand betreuenden Personen. Maßgeblich sei für die Beurteilung des Werbeverhaltens der Standpunkt der angesprochenen Verkehrskreise, nicht die möglicherweise besonders strenge Auffassung des jeweiligen Berufsstandes. Damit wird deutlich, daß in der fachgerichtlichen Rechtsprechung inzwischen bei Auslegung und Anwendung der Werbeverbote der grundrechtlichen Freiheit Rechnung getragen wird.

Dass der Rügebescheid und die anwaltsgerichtliche Entscheidung den Beschwerdeführer besonders schwer treffen, hat er nicht dargelegt.

3.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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