Urteilstext
Tenor
Das Landesberufsgericht für Heilberufe bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2012 für Recht erkannt:
Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2012 ergangene Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz wird abgeändert.
Gegen das Kammermitglied wird eine berufsrechtliche Warnung ausgesprochen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge einschließlich der notwendigen Auslagen der Berufsvertretung und seiner eigenen Auslagen hat das Kammermitglied zu tragen.
Gründe
A.
Der Antragsteller wirft dem Kammermitglied vor, seine Berufspflichten verletzt zu haben, indem er gegen arzneimittelpreisrechtliche Bestimmungen verstoßen habe.
Das Kammermitglied ist Kooperationspartner der überregional vertretenen E ... -Apotheke Aktiengesellschaft. Er führt seine unter dem Namen „E ...-Apotheke“ firmierende Apotheke in A ... wirtschaftlich und pharmazeutisch selbstständig.
Unter der Überschrift „E ... Rezept-Prämie bis zu EUR 3,00 geschenkt“ kündigte das Kammermitglied in der örtlich erscheinenden Zeitung „Blick Aktuell“ an, während des Zeitraumes vom 1. November bis 31. Dezember 2010 in seiner Apotheke sogenannte Einkaufsgutscheine auszugeben. Bei Einlösung eines Rezeptes erhält danach jeder Kunde pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel einen Einkaufsgutschein von EUR 1,00, maximal EUR 3,00. Die Einkaufsgutscheine können beim Kauf von nicht rezeptpflichtigen Artikeln eingelöst werden, eine Barauszahlung findet nicht statt.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 wies die Apothekerkammer das Kammer-mitglied darauf hin, dass er mit der Gewährung von Preisnachlässen in der ange-kündigten Weise sowohl gegen die gesetzliche Arzneimittelpreisbindung, die einen einheitlichen Apothekenabgabepreis für apothekenpflichtige Arzneimittel festlege, als auch gegen die Berufsordnung für Apotheker der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz (im Folgenden nur: Berufsordnung) verstoßen habe. Das Kammermitglied erhielt Gelegenheit zur Äußerung.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2011 widersprach das Kammermitglied dem Vorwurf. Nach seiner Auffassung ist die Werbeaktion rechtlich zulässig. Daraufhin teilte der Antragsteller dem Kammermitglied mit Schreiben vom 16. Februar 2011 das Ergebnis seiner Ermittlungen mit und gab ihm nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme.
Nachdem sich das Kammermitglied zum Ergebnis der Ermittlungen geäußert hatte, stellte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011 bei dem Berufsgericht für Heilberufe den Antrag auf die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens wegen eines Verstoßes gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen. Dazu führte er aus, das beschuldigte Kammermitglied habe seine Berufspflichten verletzt, indem es Einkaufsgutscheine gewähre. Damit verstoße der Apotheker gegen das Arzneimittelgesetz, die Arzneimittelpreisverordnung und die Berufsordnung, die den Zweck hätten, den Preiswettbewerb unter den Apotheken zu regeln. Zwar verlange er den nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis. Mit den Einkaufsgutscheinen gewähre er jedoch bei dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile, die den Kauf des Medikaments für den Kunden wirtschaftlich günstiger erscheinen ließen. Damit verstoße das Kammermitglied gegen standesrechtliche Pflichten gemäß der Berufsordnung.
Das Kammermitglied ist dem entgegengetreten. Es hat sich im Wesentlichen auf Urteile des Bundesgerichtshofs vom 9. September 2010 berufen. Danach könne wett-bewerbsrechtlich die Unterlassung von Rabatt- und Bonuswerbungen nur dann verlangt werden, wenn sie geeignet seien, den Wettbewerb zum Nachteil der Mit-bewerber bzw. sonstigen Markteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen und so deren Interessen spürbar zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung sei aber dann nicht gegeben, wenn es sich bei den gewährten Boni und Rabatten nur um geringwertige Kleinigkeiten handele. Eine Werbegabe im Wert von EUR 1,00 überschreite die Wertgrenze nicht und stelle insoweit eine vom Gesetz ausdrücklich zugelassene Ausnahme einer Zugabenwerbung dar.
Er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Werbung mit einer Zugabe berufsrechtlich nicht verfolgt werde, sofern er die Geringwertigkeitsgrenze beachte. Es gebe hierzu mehrere Veröffentlichungen in überregionalen Zeitungen und Nachrichtendiensten, nach denen die Gewährung von Bonustalern, Rabatten und Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel bis zu einer Grenze von EUR 1,00 auf jeden Fall erlaubt sei.
Eine berufsrechtliche Ahndung seiner Bonuswerbung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine grundrechtlich geschützte Berufsausübung dar, der auch durch berufsrechtliche Belange nicht zu rechtfertigen sei. Regelungen, die die Berufsfreiheit einschränkten, müssten der Verhinderung des Arzneimittelfehlgebrauchs oder der Erhaltung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker dienen. Nur dies umschreibe einen für jeden rechtmäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit vorausgesetzten legitimen Zweck. Es sei äußerst zweifelhaft, ob ein berufsrechtliches Verbot von Werbegaben oder Rabatten im Wert bis zu EUR 1,00 überhaupt den vorgenannten Zweck verfolgen könne. Jedenfalls seien aber die Geringwertigkeit der Vorteile und die kaum spürbaren Auswirkungen auf die berufliche Integrität zu berücksichtigen. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Spürbarkeitsschwelle finde insofern Eingang in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung. Den Nachweis einer solchen Spürbarkeit habe aber die Landesapothekerkammer bislang nicht erbracht. Auch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Vertrauens der Bevölkerung in die berufliche Integrität der Apotheker sei durch geringwertige Vorteile im Wert von lediglich EUR 1,00 nicht zu erwarten.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ein berufsrechtliches Verbot von Bonusmodellen unweigerlich zu einer Diskriminierung deutscher Apotheken führe, weil EU-ausländische Versandapotheken dem deutschen Berufsrecht nicht unterlägen und damit allenfalls die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Geringwertigkeitsgrenze zu beachten hätten.
Außerdem sei ein sich aus nationalem Recht ergebendes Verbot, das geringwertige Werbegaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel untersage, mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren. Geringwertige Werbegaben fielen nicht unter den Begriff der Werbung für Arzneimittel oder würden jedenfalls als geringwertige Werbegaben angesehen.
Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das Berufsgericht für Heilberufe das berufsgerichtliche Verfahren gegen das Kammermitglied eröffnet. In dem Eröffnungsbeschluss werden die möglichen Verstöße gegen die gesetzlichen Preisbindungsvorgaben sowie die Berufsordnung aufgezeigt, die dem Kammermitglied aufgrund seiner Werbegaben vorzuwerfen seien.
Das Berufsgericht für Heilberufe hat das Kammermitglied mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Februar 2012 freigesprochen. Die Vorinstanz sieht die Voraussetzungen für die Verhängung einer berufsrechtlichen Sanktion als nicht gegeben an. Dabei sei schon zweifelhaft, ob der Antragsteller das ihm zustehende Ermessen bei der Frage, ob gegen das Kammermitglied ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden soll, rechtsfehlerfrei ausgeübt habe. Jedenfalls sei der Wertungswiderspruch zwischen den öffentlich-rechtlichen Preisbindungsvorschriften und den Vorgaben des Wettbewerbsrechts vom Antragsteller nicht hinreichend beachtet worden. Insofern spreche die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Spürbarkeits¬schwelle gegen einen solchen Verstoß. Da das Kammermitglied deshalb allenfalls geringfügig gegen seine Berufspflichten verstoßen habe, sei eine berufsgerichtliche Sanktionierung, auch unter Einbeziehung des Grundrechts der Berufsfreiheit, unverhältnismäßig. Schließlich sei wegen der komplexen Rechtslage und der unterschiedlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema zweifelhaft, ob das Kammermitglied schuldhaft gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil hat der Antragsteller Berufung eingelegt. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest, nach der das Kammermitglied sowohl gegen die gesetzliche Arzneimittelpreisbindung als auch gegen berufsrechtliche Vorschriften verstoßen habe. Durch die Einräumung der Boni auf rezeptpflichtige Heilmittel habe er den einheitlichen Apothekenabgabepreis unterlaufen. Eine berufsrechtliche Sanktion dieses Verhaltens sei auch grundrechtlich zulässig, weil es vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls diene. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bestehe kein Wertungswiderspruch zwischen den Vorgaben des Wettbewerbsrechts und den öffentlich-rechtlichen Preisbindungsvorschriften. Letztere enthielten weder eine Spürbarkeitsschwelle noch einen Bagatellvorbehalt. Dies habe letztlich auch der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen festgestellt. Mit der Werbeaktion verschaffe sich der Antragsteller ersichtlich einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Dies sei im Interesse einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu vermeiden. Es müsse gewährleistet werden, dass alle Apotheken in der Lage seien, ein wirtschaftliches Auskommen zu haben. Durch ein Absehen von einer berufsrechtlichen Ahndung würden diejenigen Apotheker unzumutbar und unverhältnismäßig schlechter gestellt, die sich trotz schwierigster gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen gesetzeskonform verhielten.
Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Mainz vom 1. Februar 2012 aufzuheben und das Kammermitglied zu verurteilen.
Das Kammermitglied beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt die angefochtene Entscheidung des Heilberufsgerichts und tritt der Berufung im Einzelnen unter Ergänzung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens entgegen.
Im Übrigen sei bereits zweifelhaft, ob die Berufungsbegründung den hierfür gel¬tenden formellen Anforderungen genüge. Der Antragsteller wiederhole nämlich im Wesentlichen lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag, ohne auf die vom Heilberufsgericht im Einzelnen aufgezeigten Ermessensausfälle und -fehler einzugehen.
Ein schuldhafter Verstoß gegen zwingende gesetzliche oder berufsrechtliche Vor-gaben sei nicht gegeben. Es sei nicht zu erschließen, weshalb er sich mit nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht spürbaren Werbegaben Wettbewerbsvorteile gegenüber seinen Mitbewerbern verschafft haben soll. Keinesfalls werde die flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung durch seine Werbegaben gefährdet. Dies gelte umso mehr, als es in seinem Geschäftsort eine sehr gute Apothekenversorgung gebe. Im Umkreis seiner Apotheke befänden sich innerhalb von 10 km insgesamt 49 weitere Apotheken.
In der mündlichen Verhandlung hat das Landesberufsgericht das Kammermitglied angehört. Hierbei hat es angegeben, dass er seine Apotheke im Juli 2008 eröffnet habe. Für Apotheken in Form der E ...-Apotheke mit einem hohen Anteil an Nichtmedikamenten sei es schwer, von den Kunden als Apotheke wahrgenommen zu werden. Von Oktober 2010 bis November 2010 sei durch die Werbeaktion die Zahl der Rezepte um etwa 10 pro Tag gestiegen. Zwar mindere sich durch die „E ...Rezept-Prämie“ sein Rohertrag, der bei einem verschreibungspflichtigen Medikament EUR 6,05 zzgl. 3 % vom Einkaufspreis betrage. Dieser Verlust werde jedoch ausgeglichen, wenn der Kunde mit dem Gutschein Artikel aus dem übrigen Sortiment der Apotheke erwerbe. In seiner Apotheke, in der es keine Zugaben wie Papiertaschen¬tücher oder Kosmetikartikel gebe, würden pro Tag etwa 100 Rezepte eingereicht und ca. 50 bis 60 % der verschenkten Einkaufsgutscheine eingetauscht. Sein Ziel sei es unter anderem, dass der Kunde, der einen Einkaufsgutschein erhalte, wiederkomme und so sein übriges Sortiment kennenlerne. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Apotheke sei die Freifläche in seiner Apotheke sehr groß. Hier verkaufe er auch Hygieneartikel, Kosmetik, Körperpflege- und Zahnpflegeartikel, Sportlernahrung und vieles mehr. Da in der näheren Umgebung seiner Apotheke keine Arztpraxen vorhanden seien, sei er auf Laufkundschaft angewiesen. Den örtlichen Vorteil, den Apotheken mit Nähe zur Arztpraxen hätten, gleiche er mit seinen Anreizen beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente aus. Da er diese Medikamente vorhalten müsse, benötige er auch eine gewisse Anzahl von Rezepten. Mit seinem Flyer versuche er zudem, seine Apotheke in A ... und dem näheren Umland bekannt zu machen.
Im Übrigen beruhen die Feststellungen dieses Sachverhalts auf den vom Vorstand der Landesapothekerkammer vorgelegten Dokumenten, dem Inhalt der vorgelegten Akten (1 Heft) sowie den schriftlichen Einlassungen des Kammermitglieds.
B.
Die Berufung hat Erfolg. Sie ist sowohl zulässig (I.) als auch begründet (II.).
I.
Entgegen der Auffassung des Kammermitglieds ist die vom Antragsteller form- und fristgerecht eingelegte Berufung auch sonst zulässig, insbesondere in formeller Hinsicht ausreichend begründet. Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 des Heilberufs¬gesetzes - HeilBG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 1978 (GVBl. I S. 649 – mit späteren Änderungen) muss die Berufungsschrift das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Zudem sollen die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden (§ 85 Abs. 4 Satz 2 HeilBG). Diesen formellen
Erfordernissen entspricht die Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 3. April 2012, Bl. 217 GA). Die vom Kammermitglied unter Hinweis auf verschiedene Entscheidungen von Zivil- und Verwaltungsgerichten vertretene Auffassung, eine Berufungs¬begründung müsse darüber hinaus den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Zivilprozessordnung genügen, ist wegen der in Heilberufsverfahren geltenden Sonderregelung des § 85 Abs. 4 HeilBG nicht zutreffend. Unabhängig hiervon entspricht die Berufungsschrift des Antragstellers auch den über § 100 HeilBG ergänzend heranziehbaren formellen Vorgaben des § 320 Strafpro¬zessordnung (StPO).
II. Die danach zulässige Berufung ist auch begründet. Das Berufsgericht für Heilberufe hätte das beschuldigte Kammermitglied nicht freisprechen dürfen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz war die Einleitung eines be¬rufs¬gerichtlichen Verfahrens zulässig (1.) Das Kammermitglied hat sich gesetzwidrig verhalten (2.). Sowohl unter Beachtung der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit (3.) als auch des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (4.) bedarf es einer berufsrechtlichen Warnung, um das Kammermitglied zur künftigen Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben anzuhalten (5.).
1.
Dem Antrag des Vorstandes der Landesapothekerkammer stand kein Verfahrenshindernis entgegen. Der Antragsteller hat vielmehr zu Recht gemäß §§ 43 Abs. 1, 64 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG die Voraussetzungen für die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens als erfüllt angesehen. Nach diesen Vorschriften kann der Vorstand der Landesapothekerkammer ge¬gen ein Kammermitglied, das seine Berufspflichten schuldhaft verletzt hat, einen Antrag auf Einleitung eines berufsge-richtlichen Verfahrens stellen. Nach dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 1 HeilBG besteht insofern ein Ermessen des Vorstandes der Landesapotheker¬kammer, das dieser pflichtgemäß auszuüben hat. Entgegen der Auffassung des Kammermitglieds und der Vorinstanz wurde dieser Antrag ohne Ermessensfehler gestellt.
Der Antragsteller war zunächst nicht gehalten, von einer berufsrechtlichen Sanktion abzusehen. Denn er hat aus seiner Sicht schlüssig einen Verstoß gegen die Berufsordnung für Apotheker angenommen. Sein Ermessen hat er hierbei in rechtlich zulässiger Weise dahingehend ausgeübt, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 HeilBG bei dem Berufsgericht für Heilberufe einen Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens zu stellen.
Er war auch nicht dazu verpflichtet, die ihm nach § 11 HeilBG zukommende Ord-nungsbefugnis auszuüben. Danach besteht für den Vorstand der Landeskammer die Möglichkeit, auch ohne Einschaltung der Berufsgerichtsbarkeit eine disziplinare Sanktion in Form einer Rüge oder eines Ordnungsgeldes zu verhängen (vgl. § 11 Abs. 1 und 2 HeilBG). Allerdings kann jede dieser Maßnahmen vom Berufsgericht für Heilberufe überprüft werden, wenn das Kammermitglied nach Durchführung des Einspruchsverfahrens einen entsprechenden Antrag gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 HeilBG stellt. Eine Maßnahme nach § 11 Abs. 1 oder 2 HeilBG kommt deshalb für den Vorstand einer Landeskammer regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der Verstoß nicht besonders schwer wiegt und er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eindeutig ist. Hingegen ist dem Vorstand der Landeskammer nicht zuzumuten, eine Maßnahme nach § 11 HeilBG zu verhängen, wenn – etwa (wie hier) bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen – ohnehin mit einer gerichtlichen Klärung zu rechnen ist. Darüber hinaus ist die Entscheidung des Antragstellers, beim Berufsge¬richt für Heilberufe die Durchführung eines berufsgerichtlichen Verfahrens zu beantragen, auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit und ihrer weit reichenden Konsequenzen für die freiberuflich tätigen Apotheker nicht ermessensfehlerhaft gewesen.
2.
Der vom Antragsteller danach in zulässiger Weise bei dem Berufsge¬richt für Heilberufe gestellte Antrag auf Einleitung eines Verfahrens gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG führt in der Sache zur Verurteilung des Kammermitglieds. Denn es hat vorsätzlich gegen geltende Gesetze und damit zugleich gegen seine Berufspflichten verstoßen (a). Dieser Pflichtverletzung stehen weder wettbewerbsrechtliche Vorgaben (b) noch das europäische Gemeinschaftsrecht (c) oder der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (d) entgegen.
a)
Das Kammermitglied hat sich eines Verstoßes gegen seine Berufspflichten schuldig gemacht. Gemäß § 20 Abs. 1 HeilBG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Berufsordnung ist der Apotheker verpflichtet, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem Vertrauen zu entsprechen, das den Angehörigen seines Berufs entgegengebracht wird. Er hat das Ansehen des Berufsstandes und Betriebs zu wahren, in dem er tätig ist. Neben diesem allgemeinen Pflichtenkreis sind von ihm aber auch die für seine Berufsausübung geltenden Gesetze, die auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen, das Satzungsrecht der Landesapothekerkammer sowie die darauf gegründeten Anordnungen und Richtlinien zu beachten (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG i. V. m. § 1 Abs. 2 Berufsordnung).
Diese berufsrechtlichen Pflichten hat das Kammermitglied missachtet, indem es seit dem 1. November 2010 in seiner Apotheke jedem Kunden beim Kauf eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Einkaufsgutschein in Höhe von 1 Euro (maximal EUR 3,00 je Rezept) ausgestellt hat, der sodann bei einem folgenden Kauf von nicht rezeptpflichtigen Artikeln in der Apotheke verrechnet wird. Diese Werbemaßnahme stellt einen Verstoß gegen die für alle Apotheker geltenden arzneimittelrechtlichen Vorgaben dar.
Durch die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten unter gleichzeitiger Über-reichung eines Einkaufsgutscheins im Wert von EUR 1,00 je Medikament (höchstens EUR 3,00 je Rezept) hat das Kammermitglied gegen § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394 - mit späteren Änderungen) verstoßen. Nach dieser Vorschrift ist für alle verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel und die zwar nicht verschreibungs-, jedoch apothekenpflichtigen Fertigarzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten. Die Einzelheiten regelt die auf der Grundlage von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittel-preisverordnung - AMPreisV - vom 14. November 1980 (BGBl. I S. 2147). Diese gesetzlichen Vorgaben legen für verschreibungspflichtige Arzneimittel in § 2 die Preisspannen des Großhandels bei der Abgabe im Wiederverkauf an Apotheken und in § 3 die Preisspannen der Apotheken bei der Abgabe im Wiederverkauf jeweils zwingend fest (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 4 AMPreisV). Die Regelung des § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG stellt die Rechtslage insoweit zusammenfassend klar, als danach ein einheitlicher Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für alle Arzneimittel zu gewährleisten ist, soweit für diese verbindliche Preise und Preisspannen durch die Arzneimittelpreisverordnung bestimmt sind. Erst hierdurch ergibt sich in Verbindung mit den Handelszuschlägen, die die Arzneimittelpreisverordnung festlegt, ein einheitlicher, bei der Abgabe an den End¬verbraucher verbindlicher Apothekenabgabepreis. Diese Regelungen, die im Ergebnis zu einem „centgenauen“ Abgabepreis von rezeptpflichtigen Medikamenten führen, sollen insbesondere gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit solchen Arzneimitteln dadurch sichergestellt wird, dass zwi¬chen den einzelnen Apotheken kein ruinöser Wettbewerb stattfindet (vgl. die Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf eines 4. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucksache 11/5373 S. 27; so auch OVG Nds, Beschluss vom 8. Juli 2011, Az. 13 ME 95/11, NVwZ 2011, 1394).
Dass sich bei der Werbeaktion des Kammermitglieds der Preisvorteil für den Kunden erst beim Kauf eines weiteren (nicht rezeptpflichtigen) Artikels realisiert, ist ohne rechtliche Bedeutung. Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowie der Verwaltungs- und Berufsgerichte nämlich nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimit-telpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arznei-mittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisge-bundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 9. September 2010, Az. I ZR 193/07 [„Unser Dankeschön für Sie”], I ZR 37/08 [„Unser Extra zur Begrüßung”], I ZR 98/08 [„Bonuspunkte“], I ZR 125/08 [„Bonussystem”] und I ZR 26/09 [„Bonus-Taler“], sämtlich zitiert nach juris; OVG Nds, Beschlüsse vom 8. Juli 2011, a.a.O. Az. 13 ME 95/11, a. a. O., und 13 ME 111/11; OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2011, Az. 13 B 1136/11, juris; Berufsgericht beim LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 8. Februar 2012, Az. BG-Ap 8/11, Berufsgericht beim LG München, Urteil vom 29. März 2012, Az. BG-Ap 6/11). Dieser gefestigten Rechtsprechung der Zivil-, Berufs- und Verwaltungsgerichte tritt der Senat bei.
Eine Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitgeschäft, wie vom Kammermitglied gesehen, würde demgegenüber das einheitlich zu wertende Geschäft des Einkaufs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels gegen Gewährung des Einkaufsgutscheins künstlich aufspalten (vgl. BGH, Urteile vom 9. September 2010, a. a. O.; OVG Nds, Beschlüsse vom 8. Juli 2011, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 28. November 2011, a. a. O.; Berufsgericht beim LG München, Urteil vom 29. März 2012; a. a. O.) und zudem die Preisbindung bewusst unterlaufen (so auch Berufsgericht beim LG München, Urteil vom 29. März 2012; a. a. O.). Bei realistischer, lebensnaher Betrachtung stellt ein solcher Einkaufsgutschein für den Kunden vielmehr einen erkennbaren wirtschaftlichen Vorteil dar, da er über dessen Umsetzung sofort (gegebenenfalls unmittelbar nach dem Erhalt) frei verfügen kann. Angesichts des bekannten breiten Angebots von in Apotheken frei verkäuflichen Produkten befinden sich darunter nicht wenige, die jeder Verbraucher im Alltag gebrauchen kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2010, Az. I ZR 193/07 [„Unser Dankeschön für Sie”], a. a. O.). Diese Situation besteht in besonderem Maße in der Apotheke des Kammermitgliedes, die nach seinen Angaben über ein besonders breit gefächertes Sortiment von nicht apothekenpflichtigen Waren verfügt.
Insofern unterscheidet sich der hier zu bewertende Sachverhalt von der Überrei¬chung eines Päckchens Papiertaschentücher oder von Hustenbonbons an den Kunden, einer Gabe von Süßigkeiten für Kinder oder der kostenfreien Überlassung einer Kundenzeitschrift. Denn bei derartigen Kleinpräsenten bestimmt nicht der Kunde, sondern der Apotheker die Art der Vorteilsgewährung. Sie sind als bloßer Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit ohne weiteres als „geringwertige Kleinigkeiten“ anzusehen. Ein auf einen bestimmten Geldbetrag ausgestellter Einkaufsgutschein, der einen Wert von bis zu EUR 3,00 pro Rezept aufweist, kommt demgegenüber in seiner Wirkung einem Barrabatt nahezu gleich (so auch Berufs¬gericht beim LG München, Urteil vom 29. März 2012; a. a. O. Urteilsabdruck S. 9: „versteckter Barrabatt“).
Abweichendes könnte allenfalls dann anzunehmen sein, wenn einer Einlösung des Gutscheins wesentliche Hindernisse entgegenstünden oder die Vorteile nicht allein für den Erwerb des preisgebunden Arzneimittels, sondern auch aus anderem Anlass gewährt würden, etwa weil der Kunde beim Erwerb Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss (vgl. BGH, Urteile vom 9. September 2010, a.a.O.). Derartiges ist hier aber nicht gegeben. Der Einlösung des Einkaufsgutscheins in der Apotheke des Kammermitglieds stehen keine wesentlichen Hindernisse entgegen. Die vom Kammermitglied in der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2012 gegenüber dem Gericht angegebene Lage seiner Apotheke in einem Gewerbepark, in dem sich überwiegend Einkaufszentren und keine Arztpraxen befinden, kann nicht als „Unannehmlichkeit“ in diesem Sinne gewertet werden. Die Lage einer Apotheke bestimmt im Übrigen der gewerblich tätige Apotheker aufgrund seiner freien unternehmerischen Entscheidung selbst. Mit seiner Entscheidung, seine Apotheke in einem Gewerbepark zu betreiben, hat er hierdurch möglicherweise bestehende Lagenachteile in Kauf zu nehmen; sie sind nicht durch eine arzneimittelrechtlich weitergehende Zulässigkeit von Werbemaßnahmen auszugleichen.
b)
Dass die Werbeaktion des Kammermitglieds möglicherweise in wettbewerbs¬rechtlicher Hinsicht erlaubt wäre, ist vorliegend nicht erheblich. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei Werbegaben bis zu einem Betrag von bis zu EUR 1,00 eine Unterlassung dieses Wettbewerbs aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010, BGBl. I S. 254) i. V. m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz - HWG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. April 2006 (BGBl. I S. 984) nicht verlangt werden kann, weil es sich bei diesen Werbegaben um sog. geringwertige Kleinigkeiten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG handele und sie deshalb wettbewerbsrechtlich nicht spürbar im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG seien (Urteile vom 9. September 2010, Az. I ZR 98/08 [„Bonuspunkte“], I ZR 125/08 [„Bonussystem”] und I ZR 26/09 [„Bonus-Taler“], a. a. O.). Auf diese Rechtsprechung kann sich das Kammermitglied jedoch nicht erfolgreich berufen, weil die Preisbindungsvorschriften des Arzneimittelgesetzes bzw. der Arzneimittelpreisverordnung neben den Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes anwendbar sind.
Dies ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen Zielsetzungen, die diese Gesetze aufweisen. Während der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelung vor allem darin besteht, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen, sind die hier maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes nach ihrem Zweck dazu bestimmt, den (Preis)Wettbewerb unter den Apotheken zu regeln (vgl. BGH, Urteil vom 9. Sep¬tember 2010, Az. I ZR 193/07 [„Unser Dankeschön für Sie”], a. a. O.). Selbst wenn danach geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des Wettbewerbsrecht nicht spürbar sind, bleibt es – wie dargestellt – bei dem gegebenen Verstoß gegen das Arzneimittelrecht, der vorliegend ausschließlich berufsrechtlich zu bewerten ist.
Hiervon ausgehend ist es für die Beantwortung der Frage nach einem Pflichten¬verstoß des Kammermitglieds entscheidend, dass es im Heilberufsrecht des Landes Rheinland-Pfalz, das aufgrund der gesetzlichen Verordnungsermächtigung in § 23 Abs. 1 HeilBG im Wesentlichen durch die Berufsordnung für Apotheker kon¬kretisiert wird, keine Spürbarkeitsschwelle wie in § 3 Abs. 1 UWG gibt. So macht zwar § 15 Abs. 3 Nr. 7 BO die Zulässigkeit der Gewährung von Zugaben, Zuwendungen oder Warenproben davon abhängig, dass diese auch „das Wettbewerbsrecht nicht gestattet“. Insofern käme dann in der Tat die Spürbarkeitsschwelle des Bundesgerichtshofs zum Tragen. Demgegenüber sieht die hier anwendbare Maßgabe des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BO, die als speziellere Vorschrift der allgemeineren Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 7 BO vorgeht, eine solche Einschränkung nicht vor. Nach dieser berufsrechtlichen Vorschrift sind, vorbehaltlich der besonderen Um¬stände des Einzelfalles, ein Abgehen von den sich aus der Arzneimittelpreisver¬ordnung ergebenden einheitlichen Apothekenabgabepreisen, insbe¬sondere das Gewähren von „Rabatten und sonstigen Preisnachlässen“ bei verschreibungs¬pflichtigen Fertigarzneimitteln und Rezepturen sowie die Werbung hierfür nicht erlaubt. Da es sich bei den vom Kammermitglied verschenkten Einkaufsgutscheinen um einen einheitlich zu bewertenden Vorgang (BGH, Urteil vom 9. September 2010, a. a. O.) und nicht um zwei getrennte Geschäftsvorgänge handelt, sind sie zumindest „sonstigen Preisnachlässen“ im Sinne von § 15 Abs. 3 Nr. 5 BO vergleichbar. Eine andere Sichtweise würde auch insofern den einheitlichen Vorgang künstlich und unnatürlich in Erst- und Folgegeschäft aufspalten. Eine solche Aufspaltung nimmt nicht nur der Kunde nicht wahr (für diesen verbilligt sich sein Medikament subjektiv um EUR 1,00 und sein Rezept um bis zu EUR 3,00). Sie wäre auch aus Sicht eines unbefangenen Dritten und damit objektiv als „Umgehung“ der Preisbindung von Arzneimitteln zu bewerten. Eine Nichtbeachtung der Preisbindung durch den Apotheker durch eine Gewährung von Vorteilen, die an die Abgabe von Arzneimittel gekoppelt wird, reicht für einen Verstoß mithin aus.
c)
Europarechtliche Vorgaben ergeben keine andere Wertung. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor. Deshalb kommt eine Vorlage an den EuGH, wie vom Kammermitglied in seiner Berufungserwiderung angeregt, nicht in Betracht.
Zwar gelten nach Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Par¬laments und des Rates vom 6. November 2001 - HumanarzneimittelkodexRL - Anreize zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln durch das Gewähren, Anbieten oder Versprechen von finanziellen oder materiellen Vorteilen dann nicht als Werbung im Sinne dieser Richtlinie, wenn diese von „geringem Wert“ sind. Das sagt aber nichts über einen – hier aus den vorstehenden Gründen vorliegenden – Verstoß gegen nationale Preisbindungsregelungen aus. Zudem berühren nach Art. 4 Abs. 1 HumanarzneimittelkodexRL die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen. Soweit nach Art. 94 Abs. 1 HumanarzneimittelkodexRL im Rahmen der Verkaufsförderung für Arzneimittel gleichfalls eine Geringwertigkeitsgrenze besteht, lässt dies nach Absatz 4 dieser Regelung die in den Mitgliedstaaten bestehenden Maßnahmen oder Handelspraktiken hinsichtlich der Preise, Gewinnspannen und Rabatte gleichfalls unberührt.
Soweit das Kammermitglied auf die Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung hinweist, ist entsprechend den Erwägungsgründen 10 und 11 dieser Richtlinie hier bereits der Anwendungsbereich nicht berührt. Diese Richtlinie zielt nämlich darauf ab, Regeln zu schaffen, die den – hier erkennbar nicht tangierten – Zugang zu einer sicheren und hochwertigen grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung in der Union erleichtern und die Patientenmobilität im Einklang mit den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen gewährleisten und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Gesundheitsversorgung fördern soll. Dabei sollen die Zuständigkeiten der Mit-gliedstaaten für die Festlegung der gesundheitsbezogenen Sozialversicherungs-leistungen und für die Organisation und Bereitstellung von Gesundheitsdienstleis-tungen und medizinischer Versorgung sowie der Sozial¬versicherungsleistungen, insbesondere im Krankheitsfall, uneingeschränkt gechtet werden (Satz 2 des Erwägungsgrundes Nr. 10). Ungeachtet dessen lässt diese Richtlinie nach Art. 2 Buchstabe h die vorerwähnte Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemein-schaftskodexes für Humanarzneimittel ausdrücklich unberührt.
d)
Entgegen der Auffassung des Kammermitglieds steht der Gleichbehandlungs¬grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Annahme einer Pflichtverletzung gleichfalls nicht entgegen. Bei einer Werbeaktion wie derjenigen des Kammermitglieds würden auch EU-Versandapotheken die ihnen als Apotheker obliegenden Berufspflichten verletzen. Wie der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zwischenzeitlich entschieden hat, gelten für EU-Versandapotheken die gleichen Bindungen des Arzneimittelpreisrechts wie für inländische Apotheken. Auch EU-Versandapotheken müssen demnach die Bestimmungen des Arzneimittelpreisrechts beachten, wenn sie verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland zum Kauf anbieten. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat insofern klargestellt, dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 78 Abs. 1 und 2 AMG. Diesem Ergebnis stehe weder primäres noch sekundäres Unionsrecht entgegen (vgl. GmS-OBG, Kurzmitteilung vom 22. August 2012, juris).
3.
Anders als die Vorinstanz sieht der Senat keine Einschränkung der berufsrechtlichen Vorgaben durch die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit. Zwar handelt es sich bei der berufsgerichtlichen Ahndung um einen Eingriff in die Berufsausübung des Kammermitglieds. Dieser ist aber gemäß Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt.
Nach der „Stufentheorie“ des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958, a. a. O., S. 404 ff.) sind Eingriffe in die Berufsausübung zulässig, wenn sie durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert und im Übrigen verhältnismäßig sind (BVerfG, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 1 BvR 233/10 -, juris). Derartige Gründe des Gemeinwohls sind sowohl die Gewährleistung einer zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln als auch die Integrität der freiberuflich tätigen Apotheker, die vor einem im Endeffekt möglicherweise ruinösen Wettbewerb, auch vor dem Hintergrund der aus anderen Ländern agieren¬den Versandapotheken, geschützt werden müssen.
Dem lässt sich nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in A ... aufgrund der dort wohl bestehenden hohen Apothekendichte nicht gefährdet sei. Zum einen kann die wirksame Durchsetzung der Arzneimittelpreisbindung nicht von regionalen Unterschieden in der konkreten Apothekendichte abhängig gemacht werden. Zum anderen ist es gerade diese hohe Anzahl von Apotheken, die nach allgemeiner Erfahrung einen erhöhten Wettbewerb zu Folge hat. Durch die arzneimittelrechtliche Preisbindung soll insofern der einzelne Apotheker davor geschützt werden, aufgrund eines faktischen Zwanges Rabatte und/oder Zugaben auch im Bereich rezeptpflichtiger Arzneimittel zu gewähren, um auch hier im Wettbewerb bestehen zu können. Die Arzneimittel¬preisbindung soll im Interesse einer flächendeckenden Versorgung der Bevölke¬rung mit Arzneimitteln vielmehr gewährleisten, dass alle Apotheken ein wirtschaftli¬ches Auskommen haben und nicht durch ruinösen Preiswettbewerb vom Markt verdrängt werden (vgl. OVG Nds, Beschluss vom 22. März 2011 - 13 LA 157/09 -; OVG LSA, Beschluss vom 13. Juni 2011, 1 M 95/11, beide juris).
4.
Der aus diesen Gründen vorliegende Verstoß des Kammermitglieds gegen seine Berufspflichten wiegt so schwer, dass auch unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in (grundgesetzlich) geschützte Rechtspositionen eine berufsgerichtliche Sanktionierung erforderlich wird.
Der Schutz der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften ist auch dann gefährdet, wenn jeder Kunde pro verschreibungspflichtigem Medikament einen Gutschein von nur EUR1,00 erhält. Dies mag sich für den Kunden als geringwertige Kleinigkeit darstellen. Allerdings ist auch zu sehen, dass diese Art der Zuwendung einem unzulässigen Barrabatt ähnlich ist. Der Kunde kann über die Verwendung des Einkaufsgutscheins frei entscheiden und ihn bei einem Kauf eines Artikels aus dem überaus reichhaltigen und vielfältigen Sortiment der Apotheke des Kammermitglieds einsetzen. Der Gutschein ist aus Sicht des Kunden fast wie Bargeld und dient – so auch das Kammermitglied selbst – einer langfristigen Kundenbindung. Wegen der Vorteile ist diese Zuwendung besonders werbewirksam. Verbreitet sich diese Werbemethode und werden die Vorschriften zur Preisbindung vielfach unterlaufen, so ist bei einer Gesamtbetrachtung ihr Zweck gefährdet. Ruinöser Wettbewerb und die Verdrängung von Apotheken können die Folge sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob durch das Verhalten des Kammermitglieds die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten in A ... gefährdet ist. Aus diesem Grund ist es auch nicht erforderlich, dem darauf bezogenen Beweisantrag des Kammermitglieds zu entsprechen und ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ob berufsrechtliche Sanktionen gegenüber Apothekern getroffen werden, kann nicht von regionalen Unterschieden und der jeweiligen Apothekendichte abhängig sein. Mit der berufsrechtlichen Ahndung geht es vielmehr darum, die Einhaltung der Preisbindung flächendeckend zu gewährleisten und einen Nachahmungseffekt mit weitreichenden Folgen auszuschließen.
Das Geschäftskonzept des Kammermitglieds so wie er es in der mündlichen Ver-handlung dargestellt hat, ist sicher nachvollziehbar. Die Apotheke liegt im Bereich eines Einkaufszentrums und ist auf Laufkundschaft angewiesen. Anders als bei vielen herkömmlichen Apotheken fehlt eine räumliche Nähe zu Ärzten. Da das Kammermitglied wirtschaftlich auf Rezepte angewiesen ist, muss es entsprechende Anreize bieten. Das Kammermitglied hat nach seinen Angaben auch ein Problem, den potenziellen Kunden seine Apotheke als solche wahrnehmbar zu machen. Da es jedoch als Apotheker verpflichtet sei, die entsprechenden Arzneimittel vorrätig zu halten, benötige es die „Rezeptprämie“, um die sog. Laufkundschaft an seine Apotheke zu binden. Seine Werbeaktion habe dementsprechend bereits im ersten Monat zu einer Umsatzsteigerung geführt. Nicht zuletzt gewährt es die „Rezeptprämie“ auch mit der Zielsetzung, hierdurch Kunden zu gewinnen, die regelmäßig Medikamente benötigen.
Die Werbemethode hat sich auch als erfolgreich erwiesen. Bereits im ersten Monat der "Rezept-Prämien"-Aktion gab es täglich 10 Rezepte mehr. Ein Grund, der es bei dieser Sondersituation rechtfertigt, von berufsrechtlichen Sanktionen abzusehen, besteht damit jedoch nicht. Die Art der Führung einer Apotheke beruht auf der unternehmerischen Entscheidung des einzelnen Apothekers. Dabei hat er die gesetzlichen Vorgaben, u. a. die Preisbindung, zu beachten. Verstöße können nicht schon dann ohne Sanktionen bleiben, wenn sie dem jeweiligen Unternehmenskonzept und der jeweiligen Berufsausübung dienen.
Aus Sicht des Senats versteht es sich auch von selbst, dass diejenigen Kunden, die infolge der Werbeaktion ihre Rezepte in der Apotheke des Kammermitglieds einlösen, als Kunden für die anderen Apotheken in A ... und seines Einzugsbereichs fehlen. Es erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, weshalb – zumindest bei einer solchen Sachlage – die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen im Wert von zu EUR 3,00 pro Rezept im Wettbewerb der Apotheken untereinander, wie das Kammermitglied meint, unerheblich sein soll. Hinzu kommt, dass das Kammermitglied nach seinen Angaben seine Werbeaktion nicht auf das Stadtgebiet beschränkt hat, sondern seine Flyer auch im ländlich geprägten Einzugsbereich von A … verteilt. Dass gerade kleinere Apotheken im ländlichen Raum ohne Unterstützung einer Filialkette – wie hier die Gruppe der „E … -Apotheke“ mit ca. 70 selbstständigen Filialen – bei einem Rohertrag vom EUR 6,05 bzw. EUR 8,10 pro Medikament (zzgl. 3 %, vgl. § 3 Abs. 1 AMPreisV) einen derartigen Preisnachlass nicht anbieten können, liegt auf der Hand. Der vom Kammermitglied gewährte Rezeptbonus stellt sich danach als arzneimittelrechtlich und berufsrechtlich unzulässiger wirtschaftlicher Vorteil dar, der möglicherweise für den Kunden nicht, jedoch für das Kammermitglied und seine Konkurrenten am örtlichen Apothekenmarkt dagegen sehr wohl bemerkbar ist.
5.
Als berufsrechtliche Maßnahme kommen eine Warnung, ein Verweis oder eine Geldbuße bis zu einhunderttausend Euro in Betracht (vgl. § 44 Abs. 1 HeilBG). Unter Einbeziehung des individuellen Verschuldensgrades sowie nach umfassender Abwägung aller in Betracht kommender Erschwerungs- und Milderungsgründe erscheint eine Warnung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG ausreichend, aber auch erforderlich, um das Kammermitglied zur künftigen Beachtung der berufsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben anzuhalten.
Das Kammermitglied handelte vorsätzlich. Spätestens nach Erhalt des Schreibens der Landesapothekerkammer vom 23. Dezember 2010 war ihm bekannt, dass es die gesetzlichen Preisbindungsvorgaben einzuhalten hatte. Gleichwohl verzichtete das Kammermitglied nicht auf die weitere Werbung für seine Apotheke. Dabei war es war sich der Tragweite seines Handelns bewusst. Erschwerend kommt hinzu, dass es seine Werbeaktion trotz eindeutiger Hinweise des Antragstellers bis zum heutigen Tag fortgesetzt hat.
Andererseits sprechen erhebliche Milderungsgründe zugunsten des Kammermitglieds. So ist die Rechtslage unübersichtlich und im Ergebnis nicht eindeutig, da die Gewährung von Boni von Gerichten nicht einheitlich bewertet wird. Auch hat das erstinstanzliche Heilberufsgericht einen Rechtsverstoß verneint.
Darüber hinaus erfolgte der in Rede stehende Verstoß gegen die Berufspflichten erstmals. Das Kammermitglied ist berufsrechtlich nicht vorbelastet. Unter entsprechender Anwendung des im Disziplinarrecht allgemein anerkannten Grundsatzes der Steigerung disziplinarrechtlicher Maßnahmen kommt hier als mildeste berufsgerichtliche Sanktion deshalb eine Warnung nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG in Betracht. Dabei ist davon auszugehen, dass das Kammermitglied eine berufsrechtliche Warnung zum Anlass nehmen wird, künftig die arzneimittel- und berufsrechtlichen Einschränkungen bei der Werbung für seine Apotheke zu beachten.
Auch unter generalpräventiven Gesichtspunkten ist eine schärfere Maßnahme nicht erforderlich. Die Apotheker in Rheinland-Pfalz können sich allerdings nach Ergehen dieser Entscheidung nicht mehr auf den Milderungsgrund der unklaren bzw. unübersichtlichen Rechtslage berufen, so dass künftig bei Verstößen auch andere Maßnahmen denkbar sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 94 Abs. 4 Satz 1 HeilBG.