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Werbung als Spezialist

 | Gericht:  Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Karlsruhe  | Aktenzeichen: 1 BvR 1147/01 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie:  Berufliche Kommunikation

Beschlusstext

 

Tenor

1.

Das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 30. Juni 2000 - 29 U 6146/99 - und das Urteil des Landgerichts München I vom 11. November 1999 - 17 HKO 11298/99 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben, soweit die Beschwerdeführer verurteilt worden sind, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs "den Arzt Dr. T. als Kniespezialisten und den Arzt Dr. H. als Wirbelsäulenspezialisten zu bezeichnen und/oder dies zu dulden".

...

 

2. ...

 

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 30.000 EUR (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine wettbewerbsrechtliche Verurteilung wegen unzulässiger Werbung in einem Faltblatt der von der Beschwerdeführerin zu 1) betriebenen Klinik, in welchem die Beschwerdeführer zu 2) und 3) als Knie- bzw. Wirbelsäulenspezialisten bezeichnet worden sind.

 

1.

§ 27 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns vom 12. Oktober 1997 (im Folgenden: BO) bestimmt unter der Überschrift "Unerlaubte Werbung, erlaubte sachliche Information über die berufliche Tätigkeit" Folgendes:

 

(1) Der Arzt darf für seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit anderer Ärzte nicht werben. Sachliche Informationen sind in Form, Inhalt und Umfang gemäß den Grundsätzen des Kapitels D Nrn. 1-6 zulässig.

 

(2) Der Arzt darf eine ihm verbotene Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Dies gilt auch für die anpreisende Herausstellung von Ärzten in Ankündigungen von Sanatorien, Kliniken, Institutionen und anderen Unternehmen. Der Arzt darf nicht dulden, dass Berichte oder Bildberichte mit werbender Herausstellung seiner ärztlichen Tätigkeit unter Verwendung seines Namens, Bildes oder seiner Anschrift veröffentlicht werden.

 

Die Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in der Fassung vom 11. Oktober 1998 sieht in § 2 für Orthopäden lediglich den Schwerpunkt Rheumatologie vor. Außerdem kann ein Arzt die Zusatzbezeichnung Handchirurgie erwerben.

 

2.

Die Beschwerdeführerin zu 1) betreibt eine Klinik für Knie- und Wirbelsäulenchirurgie. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3), die zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zu 1) sind, sind Fachärzte für Orthopädie; sie erbringen in den Klinikräumen der Beschwerdeführerin zu 1) chirurgische Leistungen im Bereich des Knies und der Wirbelsäule. Der Beschwerdeführer zu 2) ist seit 1989 ausschließlich auf dem Gebiet der Wirbelsäulenchirurgie tätig. Seitdem hat er insgesamt über 7.000 Operationen an der Wirbelsäule durchgeführt. Der Beschwerdeführer zu 3) erbringt seit 1980 ausschließlich chirurgische Leistungen im Bereich des Knies. Allein in der Einrichtung der Beschwerdeführerin zu 1) hat er seit 1985 mehr als 13.000 Operationen im Bereich des Knies durchgeführt. Für die Klinik wird mit einem Faltblatt geworben, das ein Foto des Beschwerdeführers zu 3) enthält und unter anderem folgenden Text hat:

 

Alpha Klinik

Sektion Kniechirurgie

Vorsprung durch Spezialisierung

Alpha-Klinik für Knie- und Wirbelsäulenchirurgie

...

Alpha-Klinik

Die Alpha-Klinik ist eine Fachklinik, die sich ausschließlich auf die Knie- und Wirbelsäulenchirurgie spezialisiert hat. Unsere Einrichtung wurde 1985 durch den Kniespezialisten Dr. J. T. als Ambulatorium für arthroskopische Chirurgie gegründet. Die Wirbelsäulenchirurgie wurde 1989 durch den holländischen Wirbelsäulenspezialisten, Dr. Th. H., aufgebaut. In beiden Abteilungen wurden bisher ca. 20.000 Patienten operiert.

 

Die Bayerische Landesärztekammer hielt diese Faltblattwerbung, insbesondere die Verwendung des Begriffs Spezialist, für berufswidrig. Auf ihren Antrag verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführer zur Unterlassung wegen Verstoßes gegen § 27 BO in Verbindung mit § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (im Folgenden: UWG). Die Bezeichnung des Beschwerdeführers zu 2) als "Wirbelsäulenspezialist" und des Beschwerdeführers zu 3) als "Kniespezialist" dürften nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte nicht geführt werden und seien unzulässig.

 

Das Oberlandesgericht teilte diese Auffassung und wies die Berufung der Beschwerdeführer zurück. Die Beschwerdeführer zu 2) und 3) dürften gemäß § 27 Abs. 2 BO die ihnen verbotene Werbung durch andere weder veranlassen noch dulden. Dies gelte auch für die anpreisende Herausstellung von Ärzten in Ankündigungen einer Klinik. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Beschwerdeführerin zu 1) als Klinik müsse in gleicher Weise wie andere gewerblich betriebene medizinische Einrichtungen unumschränkt werben und deshalb auch auf die speziellen ärztlichen Leistungen hinweisen können. Es gehe im Streitfall nicht um die Leistung der Klinik, sondern allein um die Leistungen der Beschwerdeführer zu 2) und 3), die sie in der Klinik erbrächten, und um deren werbliche Anpreisung. Der Verstoß gegen das berufsrechtliche Werbeverbot stelle gleichzeitig einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG dar.

 

Die Revision der Beschwerdeführer nahm der Bundesgerichtshof nicht an, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Revision im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg habe.

 

3.

Mit ihrer fristgemäß erhobenen Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 sowie der Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG durch die gerichtlichen Entscheidungen. Sie greifen das Urteil des Landgerichts nur insoweit an, als die Beschwerdeführer verurteilt wurden, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs "den Arzt Dr. T. als Kniespezialisten und den Arzt Dr. H. als Wirbelsäulenspezialisten zu bezeichnen und/oder dies zu dulden". Bei den streitgegenständlichen Bezeichnungen handele es sich um interessengerechte und sachangemessene Informationen, die wahrheitsgemäß seien. Die Gefahr einer Verwechselung mit Facharztbezeichnungen bestehe nicht. Beide Bezeichnungen wiesen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt auf. Für Kliniken gälten nicht dieselben Werbebeschränkungen wie für die ärztliche Tätigkeit des niedergelassenen Arztes. Bei der Beschwerdeführerin zu 1) handele es sich um eine mit aufwendigen Einrichtungen und technischen Apparaturen ausgestattete Privatklinik, welche überwiegend stationäre Behandlungen durchführe. Sie sei angesichts ihres hohen Betriebskosten- und Investitionsvolumens darauf angewiesen, auf ihr Leistungsangebot hinzuweisen.

 

4.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesärztekammer und die Bayerische Landesärztekammer Stellung genommen. Das Bundesministerium für Gesundheit schließt sich der Stellungnahme der Bundesärztekammer an. Nach diesen Stellungnahmen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Berufswidrig sei Werbung, wenn - über die Angabe des Behandlungsschwerpunktes hinaus - in einer Darstellung des Leistungsangebots der jeweilige Leistungsanbieter in unmittelbarem Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit als "Wirbelsäulenspezialist" oder "Kniespezialist" bezeichnet werde. Dabei handele es sich nicht mehr um eine zulässige Sachinformation, sondern um ein reines Marketing-Instrument. Es könne der Eindruck vermittelt werden, dass diese Qualifikation einer Facharztbezeichnung gleichwertig sei, so dass zumindest die Gefahr der Verwechselung nicht ausgeschlossen sei.

 

Nach Auskunft der Bayerischen Landesärztekammer ist das Faltblatt der Beschwerdeführer in Fitness-Studios und ähnlichen Einrichtungen verbreitet worden.

 

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Die angegriffenen Entscheidungen des Land- und des Oberlandesgerichts verletzen die Beschwerdeführer in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

 

1.

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum ärztlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. BVerfGE 33, 125 <169 ff.>; 71, 162; 71, 183; 85, 248). Berufswidrig ist Werbung, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 2734). Als berufswidrig gilt unter anderem das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern führen können und auf diese Weise einen Werbeeffekt hervorrufen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 2988 <2989>; NJW 1994, S. 1591 <1592>). Aus dem Werbeträger allein kann nicht auf eine Gefährdung eines Gemeinwohlbelangs wie der Gesundheit der Bevölkerung oder mittelbar auf einen Schwund des Vertrauens der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität der Ärzte geschlossen werden, solange sich die Werbemittel im Rahmen des Üblichen bewegen (vgl. BVerfGE 94, 372 <393>).

 

2.

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

 

a)

Grundlage der angegriffenen Entscheidungen sind § 27 BO in Verbindung mit § 1 UWG sowie §§ 2 und 5 der Weiterbildungsordnung. Das angegriffene Werbeverbot ist allerdings nur dann verfassungskonform, wenn es dahingehend ausgelegt wird, dass nur berufswidrige Werbung unzulässig ist; dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits 1985 entschieden (vgl. BVerfGE 71, 162 <174>) und 1992 wiederholt (vgl. BVerfGE 85, 248 <257>). Nicht berufswidrig sind interessengerechte und sachangemessene Informationen (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>).

 

b)

Die Auslegung und Anwendung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287 <323>).

 

So liegt es hier. Die angegriffenen Entscheidungen werden dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.

 

Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben einerseits die verfassungsrechtlich gebotenen Einschränkungen des Werbeverbots nicht beachtet und andererseits auch dem Umstand, dass hier für eine Klinik geworben wird, zu wenig Rechnung getragen. Sie haben die Bezeichnungen "Wirbelsäulenspezialist" für den Beschwerdeführer zu 2) und "Kniespezialist" für den Beschwerdeführer zu 3) schon deshalb für unzulässig gehalten, weil derartige Bezeichnungen nach der Weiterbildungsordnung der Ärzte nicht geführt werden dürften. Erkennbar solle nicht jedwede Spezialisierung in einem Bereich die Berechtigung zum Führen einer Zusatzbezeichnung zur Folge haben.

 

Damit sind die Gerichte dem Sachverhalt nicht in der Weise gerecht geworden, die angesichts seiner grundrechtsbeschränkenden Würdigung angezeigt gewesen wäre. Zudem haben sie die Normen der Berufsordnung und der Weiterbildungsordnung nicht verfassungskonform ausgelegt und angewendet. Das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung und das hierdurch veranlasste Werbeverbot zur Vermeidung einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs rechtfertigen es nicht, Angaben über Besonderheiten der Berufsausübung ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck oder ihren Informationswert für Dritte generell zu verbieten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 1993, S. 2988 <2989>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2788 <2789>). Sofern die Hinweise in sachlicher Form erfolgen und nicht irreführend sind, sind sie erlaubt (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2001, S. 2788 <2789>; ebenso BVerwG, NJW 2001, S. 3425). Das folgt aus Art. 12 Abs. 1 GG.

 

aa)

Die Bezeichnung eines bestimmten Arztes als Wirbelsäulen- oder Kniespezialist stellt grundsätzlich eine interessengerechte und sachangemessene Information dar. Es handelt sich um die Angabe, dass ein Arzt auf einem Gebiet, das enger ist als seine Gebietsbezeichnung - hier: der Wirbelsäulen- und der Kniechirurgie -, Fachmann ist (so Duden, Das große Fremdwörterbuch, 1994, Stichwort: Spezialist). Ein solcher Arzt bietet ein bestimmtes Behandlungsspektrum an, das möglicherweise alle Orthopäden oder Chirurgen beherrschen, in dem er sich aber einer ihn auszeichnenden besonderen Praxis berühmen kann, weil er sich diesem Teilbereich besonders intensiv gewidmet hat. Ein Arzt, der besondere Erfahrungen auf einem Teilgebiet hat, hat ein berechtigtes Interesse, das Publikum darüber zu informieren. Auch die Patienten haben ein legitimes Interesse daran zu erfahren, welche Ärzte über solche vertieften Erfahrungen auf dem Gebiet der Wirbelsäulen- und der Kniechirurgie verfügen (vgl. auch OLG München, MedR 1999, S. 76 <78>). Die Gefahr einer Verwechselung mit Facharztbezeichnungen besteht nicht, da beide Bezeichnungen einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt aufweisen: Unter der Bezeichnung "Spezialist" wird ein Fachmann verstanden, der über besondere Erfahrungen in einem engeren (medizinischen) Bereich verfügt, während die Facharztbezeichnung eine förmlich erworbene Qualifikation darstellt.

 

Zwar ist der Bayerischen Landesärztekammer darin zuzustimmen, dass bereits die Angabe des Behandlungsschwerpunktes "Sektion Kniechirurgie" oder "Sektion Wirbelsäulenchirurgie" dem Anliegen der Allgemeinheit Rechnung trägt, über ein bestimmtes Leistungsangebot der Klinik informiert zu werden. Die Bildung einer besonderen Abteilung innerhalb einer Klinik besagt aber nichts darüber, ob hierfür spezialisiertes Personal zur Verfügung steht. Jeder Facharzt dürfte eine solche Sektion leiten, ohne dass die Angabe beanstandet werden könnte. Deshalb erkundigen sich Patienten vielfach nicht nur nach einer Klinik mit Fachabteilungen, sondern dort auch nach einem Spezialisten für das gewünschte medizinische Teilgebiet. Insofern ist es gerechtfertigt, in der Werbung diesem Informationsinteresse Rechnung zu tragen und es der Klinik zu gestatten, die handelnden Ärzte als Spezialisten zu bezeichnen, sofern die hierfür nötigen Kriterien erfüllt sind.

 

Davon ist hier auszugehen. Wie die Beschwerdeführer darlegen, hat der Beschwerdeführer zu 2) bereits über 7.000 Operationen an der Wirbelsäule und der Beschwerdeführer zu 3) mehr als 13.000 Operationen im Bereich des Knies durchgeführt. Insofern ist es legitim, sie als Spezialisten zu bezeichnen. Das wird auch durch die Einwände der Bundesärztekammer und der Bayerischen Landesärztekammer nicht entkräftet. Sie bezweifeln nicht, dass die zahlenmäßige Häufigkeit geeignet ist, objektiv einen hohen oder höchsten Spezialisierungsgrad für eine bestimmte medizinische Tätigkeit zu belegen. Ihr Hinweis darauf, dass es daneben auch andere Formen der Spezialisierung geben mag, ist hier nicht entscheidend. Es mag Bereiche geben, in denen eine Spezialisierung nach anderen Kriterien festzulegen ist. Jedenfalls ist aber die ungewöhnlich große Zahl gleichartiger Operationen ein ausreichender Indikator für die Spezialisierung in Wirbelsäulen- oder in Kniechirurgie.

 

bb)

Die streitgegenständliche sachliche Information wird auch nicht allein durch den Werbeträger zu einer berufswidrigen Werbung (vgl. BVerfGE 94, 372 <393>; vgl. dazu Rieger, MedR 2000, S. 525 f.). Das Faltblatt wurde nach Angaben der Beschwerdeführer der Sommer- und Winterbroschüre des Veranstalters "Sch.-Tennis GmbH & Co." beigelegt. Nach Auskunft der Bayerischen Landesärztekammer wurde die Broschüre auch in Fitness- Studios und ähnlichen Einrichtungen verbreitet. Diese Art der Verbreitung des Faltblattes ist weder ungewöhnlich noch aufdringlich; sie rechtfertigt es nicht, die Werbung als anpreisende, vorwiegend kommerzielle und damit verbotene Werbung zu qualifizieren.

 

cc)

Überdies haben die Gerichte nicht berücksichtigt, dass § 27 BO die Werbung für die ärztliche Tätigkeit des niedergelassenen Arztes betrifft und dass für Kliniken nicht dieselben Werbebeschränkungen gelten (vgl. BVerfGE 71, 183 <194 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 2734 <2735>; vgl. auch BGH, GRUR 1988, S. 841). Die Beschwerdeführerin zu 1) betreibt eine mit aufwendigen Einrichtungen und technischen Apparaturen ausgestattete Privatklinik mit 9 Zimmern, in welcher überwiegend stationäre Behandlungen durchgeführt werden. Insofern ist es angemessen, dass sie wahrheitsgemäß und in sachlicher Form auf ihre Hauptindikationsgebiete sowie ihre spezifische Behandlungsmethode - hier die Knie- und die Wirbelsäulenchirurgie - hinweist (vgl. BVerfGE 71, 183 <194>; BGH, GRUR 1988, S. 841 <843>). Dazu kann auch ein Hinweis auf besonders erfahrene Klinikärzte gehören.

 

 

 

Nennt eine Klinik die Namen ihrer Knie- und Wirbelsäulenspezialisten und benennt sie nicht nur ihre Fachabteilung, hält sie sich nicht mehr im Rahmen der bloßen Klinikwerbung, wenn damit zugleich den Benannten als niedergelassenen Ärzten Patienten zugeführt werden sollen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 2734 <2735>). Ob das der Fall ist, dürfen die Gerichte aber nicht aus der bloßen Namensnennung der behandelnden Ärzte schließen. Es muss vielmehr abgegrenzt werden, ob die Werbung dem niedergelassenen Arzt oder aber der Klinik zugute kommen soll. Dafür kommt es darauf an, ob die Leistungen auch ambulant, d.h. ohne die apparative Ausstattung der Klinik, erbracht werden könnten. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Nach den Feststellungen in den angegriffenen Entscheidungen betrifft das Faltblatt nur Operationen in der beworbenen Klinik. Ob die benannten Spezialisten auch als niedergelassene Ärzte tätig sind, so dass für sie das Werbeverbot unmittelbar gelten könnte, wird nicht erwähnt. Das Oberlandesgericht stellt ausschließlich auf die "in der Klinik" erbrachten Leistungen ab.

 

3.

Die angegriffenen Entscheidungen des Land- und des Oberlandesgerichts beruhen auf dem dargelegten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Da den Beschwerdeführern keine wahrheitswidrige Aussage, sondern ein Verstoß gegen § 27 BO und § 1 UWG vorgeworfen worden ist, bleibt bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschriften kein Raum für eine wettbewerbsrechtliche Verurteilung. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs wird mit der Aufhebung der genannten Entscheidungen im angegriffenen Umfang gegenstandslos.

 

4.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO (vgl. dazu BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).


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