Urteilstext
Tenor
I.
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Kinesio-Taping mit der Angabe zu werben:
1.
"Die spezielle Beschaffenheit des Tapes wirkt stimulierend auf Muskulatur und Lymphsystem und hat somit auch einen Einfluss auf die Gelenke und die Nervenbahnen.",
2.
"Durch Wirkungen auf verschiedene Rezeptoren werden die Gelenke wieder besser beweglich.",
3.
"Störungen in der Beweglichkeit führen zu Dysbalancen, Verspannungen führen zu Fehlspannungen und -belastungen, diese wiederum zu Schonhaltungen und erneuten Verspannungen und damit zu Schmerzen. Taping hilft diesen Kreislauf zu durchbrechen, da es Verspannungen löst, die Beweglichkeit weitgehend erhält und somit einer weiteren Schon- bzw. Fehlhaltung entgegenwirkt.",
4.
"Auch bei Schwellungen und Blutergüssen (Hämatome) ist der Einsatz des Tapes angebracht. Durch die tiefenwirksame Massage und Lymphdrainage erreichen wir einen schnelleren Abtransport der alten Blutpartikel. Hämatome verschwinden schneller.",
5.
"Wichtig ist, generell viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um auf die gesteigerte Stoffwechselaktivität zu reagieren und den Abtransport der angefallenen Stoffwechselprodukte zu verbessern.",
6.
"Es kommt zu einer Stimulation des Stoffwechsels, zu vermehrtem Abtransport eventuell schädigender Substanzen und auch zu einer Lymphdrainage und damit Druckregulation der geklebten
Areale.",
7.
"Die Wirkung der Tapes verstärken manchmal eine schon bestehende Symptomatik und macht Beschwerden zunächst einmal eventuell schlimmer, bis der behandelte Muskel auf die Therapie reagiert.",
8.
"Beispiel: Sportlerknie
Sportler und ihr Knie - ein immer wieder kehrendes Thema. Oft liegt das Problem in nicht ausreichender Dehnung und damit in störender Verkürzung eines Muskels oder in zu schwacher Muskulatur. Manche Schmerzen im Bereich des Meniskus lassen sich auf einen verkürzten Muskel und der daraus folgenden Fehlstellung im Kniegelenk zurückführen. Schwache Muskulatur kann man auftrainieren, verkürzte Muskulatur dehnen oder durch Meditaping einer andauernden Stimulation unterziehen.",
9.
"Achillessehnentape
Läufer kennen das Problem einer gereizten Achillessehne. Zumeist liegt der Reizung eine erhöhte Spannung der Sehne wegen einer verkürzten Wadenmuskulatur zugrunde. Gutes Schuhwerk und Dehnung sind hier wichtig. Das Tape hilft mittelfristig durch muskuläre Entspannung und vermindert damit den Zug der Muskulatur auf die Achillessehne.",
10.
"Über den gleichen Effekt hilft es auch bei dem Tibialisposterior-Syndrom. Die begleitende Entzündung kann über die gesteigerte Durchblutung und Lymphdrainage gelindert werden.",
"Auch beim Fersensporn gibt es positive Effekte, wobei hier das Tape lediglich eine Schmerzlinderung erreichen kann, die gewebliche Veränderung wird jedoch nicht rückgängig gemacht, also keine Heilung erreicht.",
11.
"Auch beim Fersensporn gibt es positive Effekte, wobei hier das Tape lediglich eine Schmerzlinderung erreichen kann, die gewebliche Veränderung wird jedoch nicht rückgängig gemacht, also keine Heilung erreicht.",
12.
"Einen vertretenen Knöchel kann man mit einem starren Tape stabilisieren. Die Beweglichkeit wird dadurch aber deutlich eingeschränkt. Ein Distorsionstape mit den elastischen Kinsesiotapes stabilisiert auch, ermöglicht aber weiterhin gute Beweglichkeit. Begleitende Blutergüsse und Schwellungen werden durch den Massageeffekt des Tapes zügiger abgebaut.",
13.
"Verspannungen können zu einer Schrägbelastung im Kniegelenk führen und somit zu Schmerzen, die sich oft ähnlich zu den Beschwerden eines eingerissenen Meniskus äußern. Das Tape nimmt durch den Massageeffekt die Spannung und stabilisiert gleichzeitig das Gelenk.",
14.
"Kniebeschwerden bei Läufern sind oft durch ein muskuläres Ungleichgewicht der seitlichen Oberschenkelmuskulatur bedingt (Abduktoren/Adduktoren). Hier helfen unterstützende bzw. schwächende Tapes an den Abduktoren bzw. Adduktoren.",
15.
"Beispiel: Tennis- und Golferarm
Bei diesen beiden technischen Sportarten kann es durch eine unsaubere Technik oder einfache Überlastung zu Verspannungen der Unterarmmuskulatur kommen. Die Beschwerden sind bekannt und können sich vom Ellbogen bis zum Handgelenk ausdehnen. Das Tape entspannt die Muskulatur und lindert die Beschwerden.",
16.
"Zur Verbesserung der Probleme beim sogenannten Carpaltunnelsyndrom",
17.
"Beim CTS liegt eine Einengung des Medianusnerven im Handgelenkbereich vor. Die Finger werden taub und schwächer. Die muskuläre Unterstützung durch ein Tape an Unterarm und über den Carpaltunnel verbessert das Beschwerdebild.",
18.
"Auch nach einer CTS-Operation lässt sich der Heilungsverlauf positiv beeinflussen.",
19.
"Golfer- bzw. Tennisarmtape
Auch dieses Beschwerdebild wird durch muskuläre Verspannungen bedingt oder zumindest verschlechtert. Ein Tape wird über die typischen Triggerpunkte am Ellbogen und Handgelenk angebracht und wirkt über die sanfte massierende Stimulation entspannend auf die Muskulatur.",
20.
"zur unterstützenden Heilung eines M. Sudeck",
21.
"Leider tritt gerade nach Unterarmfrakturen im Sinne eines gestörten Heilungsverlaufes manchmal ein sogenannter Morbus Sudeck auf. Die Haut verändert sich, die Durchblutung ist gestört und damit oft auch die Empfindungsfähigkeit und die Funktionalität des betroffenen Areals. Durch die Massagewirkung und die zusätzliche Lymphdrainage eines Tapes lässt sich der Verlauf oft sehr positiv beeinflussen.",
22.
"Zur Verbesserung der Probleme beim sogenannten 'Schnappfinger' oder rheumatischen Beschwerden.",
23.
"Verdickungen der Beugesehnen der Finger führen manchmal zu unangenehmen Funktionseinschränkungen der Hand und unschönen Knoten in der Handfläche. Die Tapes können das nicht heilen, aber eine Beweglichkeit des Fingers länger erhalten.",
24.
"Bei rheumatischen Beschwerden der Finger hilft durch das Tape neben der massierenden Wirkung auch die Lymphdrainage.",
25.
"Beispiel: Lymphdrainage
Viele Frauen sind nach einer Brustoperation lange Zeit auf 'Stützstrümpfe' am Arm angewiesen, um den gestörten Lymphabfluss zu unterstützen. Auch hier kann ein Tape eingreifen und zumindest zeitweise die festen manschettenartigen Ärmel ersetzen.",
26.
"Nach Entfernung der Lymphknoten oder gestörtem Lymphabfluss kommt es zu schmerzhaft gespannter Haut. Diese ist oft verfärbt und aufgrund der Spannung glänzend und empfindlich. Das Tape wird ohne große Spannung auf den anatomischen Verlauf der Lymphgefäße aufgebracht und bis zu den gesunden Bereichen des Lymphsystems geführt. Die massierende Wirkung lindert das Spannungsgefühl, durch die muskuläre Stimulation wird der Lymphabfluss gefördert.",
27.
"Beispiel: Rückenbeschwerden
Oft klagen wir über Beschwerden im Bereich des Rückens. Häufig liegt dies an Dysbalancen wie z. B. einem blockierten Ileosakralgelenk (ISG), die weit ausstrahlend zu Problemen im gesamten Rücken und den Beinen führen. Fehlhaltungen bei langem Sitzen, Schonhaltungen bei schon bestehenden Beschwerden - chronische Rückenschmerzen sind ein wichtiges Thema ...",
28.
"Glutaeus Piriformis Tape
Beim Piriformis-Syndrom ist durch Verspannung des Muskels oft der Ischiasnerv in Mitleidenschaft gezogen. Dies äußert sich durch Schmerzen in der hinteren Oberschenkelmuskulatur, die sich bin in den Unterschenkeln ziehen können. Langfristig hilft hier Dehnung, bis dahin hilft ein Tape.",
29.
"Bei Sportlern sind oft die hinteren Oberschenkelmuskeln verkürzt. Sie helfen beim Aufrichten und Aufrechthalten unter der sportlichen Belastung, aber ohne konsequente Dehnung kommt es dann häufig zu Spannungen, die sich vor allem beim Abdruckbewegungen äußern. Die Tapes können hier lindern.",
30.
"Unsere Wirbelsäule ist durch die sogenannte autochthone Rückenmuskulatur gestützt. Bei einem Rückentape wird der Verlauf dieser Muskulatur bearbeitet. ... Nur wer gerade steht, kann gerade und schmerzfrei belasten. Manchmal kommt es durch die stimulierende Wirkung auf die Muskulatur aber auch leider zunächst zu einer Verstärkung der Beschwerden, bevor sich Linderung einstellt."
31.
"Rippenprellungen sind oft sehr unangenehm. Jede Drehbewegung, jeder tiefe Atemzug verursacht Schmerzen. Mit dem Tape kann sowohl der Abbau von Einblutungen in der Muskulatur unterstützt, als auch die muskuläre Verspannung behandelt werden.",
32.
"Bei einem eventuellen Rippenbruch kann das Tape auch durch seine Stützwirkung helfen.",
33.
"Beispiel: Migräne - verursacht durch Verspannungen
Migränepatienten leiden häufig unter massiven Verspannungen. Eine Therapie ist nicht einfach, manchmal kann kurzfristig über die muskuläre Stimulation ein Anfall ausgelöst werden, aber langfristig kommt es meist zur Besserung der Problematik.",
34.
"Kopfschmerzen resultieren häufig aus einer Verspannung der Nackenmuskulatur. Manchmal ist die Reaktion unseres Körpers darauf auch so stark, dass die gesamte Wirbelsäule bis zum Iliosacralgelenk betroffen ist. Hier hilft eine Behandlung der Triggerpunkte zum Lösen und "gerade richten". Das Tape stabilisiert das Ergebnis und wirkt über eine dauernde Massage positiv auf die Muskulatur des Halses.“,
35.
"Auch zur Migränebehandlung eignet sich dieses Tape. Allerdings ist es hier auch oft nötig, Verspannungen der Schultern und Arme und eventuell sogar der Lendenwirbelsäule zu behandeln. Manchmal kommt es durch die stimulierende Wirkung auf die Muskulatur aber auch zunächst zu einer Verstärkung der Beschwerden, selten sogar zur Auslösung eines Migräneanfalls, bevor sich im weiteren Verlauf Entspannung und Linderung einstellt.",
36.
"Die Schulter ist eines unserer größten Gelenke. Wir brauchen es ständig. Umgeben ist es von einer Vielzahl an Muskeln, die zusammen die sogenannte Rotatorenmanschette bilden. Durch das Gelenk laufen Sehnen zum Oberarm. Deshalb wirken sich muskuläre Verspannungen manchmal nicht nur auf das Gelenk, sondern auch auf Hals und Arm aus. Das Tape wird über verschie-dene Triggerpunkte geklebt, um über diese eine positive Stimulation der Muskulatur zu erzielen.", jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 wiedergegeben.
II.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Streitwert: EUR 27.000,00
Tatbestand
Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Aussagen in Bezug auf Kinesio-Taping.
Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Einhaltung des lauteren Wettbewerbs.
Die Verfügungsbeklagte ist Ärztin. Sie bietet als Therapiemöglichkeit die Behandlung mit Kinesio-Tapes an. Sie bietet auch Kurse zur Selbstbehandlung an. Sie bewarb die Behandlung unter der Domain "www.t(...).de" wie aus Anlage A 3 (Bl. 48-57 d. A.) ersichtlich.
Der Verfügungskläger hat die Verfügungsbeklagte unter dem 12. April 2013 wegen behaupteter irreführender Werbeaussagen abgemahnt und vergeblich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung eingefordert (vgl. Anlage A 4, Bl. 59-70 d. A.).
Der Verfügungskläger trägt vor:
1.
Er sei prozessführungs- und antragsbefugt. Ihm gehörten eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben.
Er sei nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung auch in der Lage, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen.
2.
Die von der Verfügungsbeklagten beworbene Anwendung von "Kinesio-Tapes" zur Behandlung verschiedenster Störungen des Bewegungsapparates knüpfe an ein älteres Diagnose- und Behandlungsverfahren an, welches in den 60er Jahren von dem US-amerikanischen Chiropraktiker George Goodheart entwickelt worden sei. Seinem Verfahren habe die Idee zugrunde gelegen, dass die Muskelstärke im Zusammenhang mit bestimmten Organen des Körpers stehe, mit der Psyche und dem emotionalen Bereich. Seine Behandlung habe das Ziel, Energieblockaden zu lösen und die Balance zwischen der psychischen Ebene, der Struktur- und Stoffwechselebene, wieder herzustellen.
Das Verfahren habe in der Wissenschaft keine Bestätigung gefunden.
Bei den beworbenen Produkten handle es sich um elastische Klebebänder auf Baumwollbasis. Die Befestigung des Tapes erfolge mittels eines Acrylklebers, der sich auf der unteren Seite des Tapes befindet. Je nach Behandlungsmethode könne das Kinesio-Tape über eine Woche lang auf der Haut getragen werden.
Von den Befürwortern werde vertreten, dass durch das Anbringen der Bänder die Haut der getapten Stellen etwas angehoben werde. Die dabei entstehende Druckentlastung rege die Blut- und Lymphzirkulation an. Weiter würden in Anspruch genommene Wirkungen damit begründet, dass durch das Verschieben der Haut oder Faszie ein Reiz an den darunterliegenden Muskel geleitet werde. Dadurch könne die Muskelspannung (Tonus) erhöht oder gesenkt werden. Die Reizstimulation spiele sich auf der Ebene biochemischer Prozesse ab, wodurch Einfluss auf das Gesamtsystem genommen werde. Schließlich würden die Tapes auch als eine Art Bindegewebestärkung verstanden. Sie sollen dazu genutzt werden können, die Muskelfunktion und die Gelenke zu unterstützen, indem sie beispielsweise ein verletztes Gelenk stabilisieren oder die strukturelle Ausrichtung der Muskulatur unterstützen. Kinesio-Tapes sollen so effizient und nachhaltig Verletzungen vorbeugen.
All diesen Wirkprinzipien, welche sich in der einen oder anderen Form mehr oder weniger vermengt wiederfinden, fehle es an wissenschaftlicher Substanz.
Verengte Blutbahnen könne man mit Sicherheit nicht durch das Aufkleben eines Pflasters weiten. Verengte Blutbahnen seien Teil verschiedenster Gefäßerkrankungen. Vor allem Verengungen oder Verschluss wichtiger Arterien seien häufige Todesursache in den Industrieländern. Der nicht tödliche Verlauf sei geprägt durch schwerste Krankheiten wie beispielsweise intermittierenden Hinkens (wenn die Beinschlagader betroffen sei) oder dem Absterben von Gliedmaßen (sog. Greisenbrand) bis zu Herzinfarkt oder Gehirnschlag. In diesen Fällen ersetzten Chirurgen die betroffenen Gefäßabschnitte durch Dakronschläuche oder sie schüfen Umgehungsbahnen (Bypass) zu den unterversorgten Gewebsbereichen. Seit Ende der 1970er Jahre komme auch der Katheter zum Einsatz und etwa seit dem Jahr 2000 werden sog. Stents gesetzt. Dies alles sei nach den Auslobungen der Verfügungsbeklagten nicht notwendig. Nach ihren Angaben genüge, sich spezielle Pflaster auf die Haut zu kleben und schon wären die Blutbahnen wieder frei.
Eine solche Wirkung komme den Pflastern tatsächlich nicht zu. Dass solcherlei Wirkungen von Pflastern dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspreche, belegten im Übrigen die bereits skizzierten umfassenden Maßnahmen, welche ärztlicherweise getroffen würden, um verengte Blutbahnen zu öffnen und damit einhergehenden Krankheiten zu therapieren.
Kein Wunder sei deshalb, dass trotz zahlreicher Studien bislang handfeste wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit des "Kinesio-Tapings" ausstünden. So habe eine aktuelle Metaanalyse, welche in der Zeitschrift "Sports Medicine" veröffentlicht worden sei, ergeben, dass Kinesio-Tapes zwar in einigen Bereichen einzelne positive Effekte zeigten, nach Ansicht der Autoren bislang jedoch keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz hätten, was eine therapeutische Empfehlung der Kinesio-Tapes nicht rechtfertigen würde. Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass der Großteil der zu Kinesio-Tapes publizierten Studien wissenschaftlichen Kriterien von vornherein nicht standhielten. So entsprächen nur 10 von 97 publizierten Studien überhaupt den Einschlusskriterien der Autoren (vgl. Anlage A 7 und 8, Bl. 78-80 d. A.).
Dass die Aussagen wissenschaftlich nicht belegt seien, belege auch die Einlassung der Verfügungsbeklagten, dass nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin eine Einstufung der vorliegenden Studien nur nach Evidenzklasse IV gegeben sei.
Der Verfügungskläger beantragt,
der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten
zu untersagen
im geschäftlichen Verkehr für Kinesio-Taping mit der Angabe zu werben:
1.
"Die spezielle Beschaffenheit des Tapes wirkt stimulierend auf Muskulatur und Lymphsystem und hat somit auch einen Einfluss auf die Gelenke und die Nervenbahnen.",
2.
"Durch Wirkungen auf verschiedene Rezeptoren werden die Gelenke wieder besser beweglich.",
3.
"Störungen in der Beweglichkeit führen zu Dysbalancen, Verspannungen führen zu Fehlspannungen und -belastungen, diese wiederum zu Schonhaltungen und erneuten Verspan-nungen und damit zu Schmerzen. Taping hilft diesen Kreislauf zu durchbrechen, da es Verspannungen löst, die Beweglichkeit weitgehend erhält und somit einer weiteren Schon- bzw Fehlhaltung entgegenwirkt.",
4.
"Auch bei Schwellungen und Blutergüssen (Hämatome) ist der Einsatz des Tapes angebracht. Durch die tiefenwirksame Massage und Lymphdrainage erreichen wir einen schnelleren Abtransport der alten Blutpartikel. Hämatome verschwinden schneller.",
5.
"Wichtig ist, generell viel Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um auf die gesteigerte Stoffwechselaktivität zu reagieren und den Abtransport der angefallenen Stoffwechselprodukte zu verbessern.",
6.
"Es kommt zu einer Stimulation des Stoffwechsels, zu vermehrtem Abtransport eventuell schädigender Substanzen und auch zu einer Lymphdrainage und damit Druckregulation der geklebten Areale.",
7.
"Die Wirkung der Tapes verstärken manchmal eine schon bestehende Symptomatik und macht Beschwerden zunächst einmal eventuell schlimmer, bis der behandelte Muskel auf die Therapie reagiert.",
8.
"Beispiel: Sportlerknie
Sportler und ihr Knie - ein immer wieder kehrendes Thema. Oft liegt das Problem in nicht ausreichender Dehnung und damit in störender Verkürzung eines Muskels oder in zu schwacher Muskulatur. Manche Schmerzen im Bereich des Meniskus lassen sich auf einen verkürzten Muskel und der daraus folgenden Fehlstellung im Kniegelenk zurückführen. Schwache Muskulatur kann man auftrainieren, verkürzte Muskulatur dehnen oder durch Meditaping einer andauernden Stimulation unterziehen.",
9.
„Achillessehnentape
Läufer kennen das Problem einer gereizten Achillessehne. Zumeist liegt der Reizung eine erhöhte Spannung der Sehne wegen einer verkürzten Wadenmuskulatur zugrunde. Gutes Schuhwerk und Dehnung sind hier wichtig. Das Tape hilft mittelfristig durch muskuläre Entspannung und vermindert damit den Zug der Muskulatur auf die Achillessehne.",
10.
"Über den gleichen Effekt hilft es auch bei dem Tibialisposterior-Syndrom. Die begleitende Entzündung kann über die gesteigerte Durchblutung und Lymphdrainage gelindert werden.",
11.
"Auch beim Fersensporn gibt es positive Effekte, wobei hier das Tape lediglich eine Schmerzlinderung erreichen kann, die gewebliche Veränderung wird jedoch nicht rückgängig gemacht, also keine Heilung erreicht.",
12.
"Einen vertretenen Knöchel kann man mit einem starren Tape stabilisieren. Die Beweglichkeit wird dadurch aber deutlich eingeschränkt. Ein Distorsionstape mit den elastischen Kinsesiotapes stabilisiert auch, ermöglicht aber weiterhin gute Beweglichkeit. Begleitende Blutergüsse und Schwellungen werden durch den Massageeffekt des Tapes zügiger abgebaut.",
13.
"Verspannungen können zu einer Schrägbelastung im Kniegelenk führen und somit zu Schmerzen, die sich oft ähnlich zu den Beschwerden eines eingerissenen Meniskus äußern. Das Tape nimmt durch den Massageeffekt die Spannung und stabilisiert gleichzeitig das Gelenk.",
14. "Kniebeschwerden bei Läufern sind oft durch ein muskuläres Ungleichgewicht der seitlichen Oberschenkelmuskulatur bedingt (Abduktoren/Adduktoren). Hier helfen unterstützende bzw. schwächende Tapes an den Abduktoren bzw. Adduktoren.",
15.
"Beispiel: Tennis- und Golferarm
Bei diesen beiden technischen Sportarten kann es durch eine unsaubere Technik oder einfache Überlastung zu Verspannungen der Unterarmmuskulatur kommen. Die Beschwerden sind bekannt und können sich vom Ellbogen bis zum Handgelenk ausdehnen. Das Tape entspannt die Muskulatur und lindert die Beschwerden.",
16.
"Zur Verbesserung der Probleme beim sogenannten Carpaltunnelsyndrom",
17.
"Beim CTS liegt eine Einengung des Medianusnerven im Handgelenkbereich vor. Die Finger werden taub und schwächer. Die muskuläre Unterstützung durch ein Tape an Unterarm und über den Carpaltunnel verbessert das Beschwerdebild.",
18.
"Auch nach einer CTS-Operation lässt sich der Heilungsverlauf positiv beeinflussen.",
19.
"Golfer- bzw. Tennisarmtape
Auch dieses Beschwerdebild wird durch muskuläre Verspannungen bedingt oder zumindest verschlechtert. Ein Tape wird über die typischen Triggerpunkte am Ellbogen und Handgelenk angebracht und wirkt über die sanfte massierende Stimulation entspannend auf die Muskulatur.",
20.
"zur unterstützenden Heilung eines M. Sudeck",
21.
"Leider tritt gerade nach Unterarmfrakturen im Sinne eines gestörten Heilungsverlaufes manchmal ein sogenannter Morbus Sudeck auf. Die Haut verändert sich, die Durchblutung ist gestört und damit oft auch die Empfindungsfähigkeit und die Funktionalität des betroffenen Areals. Durch die Massagewirkung und die zusätzliche Lymphdrainage eines Tapes lässt sich der Verlauf oft sehr positiv beeinflussen.",
22.
"Zur Verbesserung der Probleme beim sogenannten 'Schnappfinger' oder rheumatischen Beschwerden.",
23. "Verdickungen der Beugesehnen der Finger führen manchmal zu unangenehmen Funkti-onseinschränkungen der Hand und unschönen Knoten in der Handfläche. Die Tapes können das nicht heilen, aber eine Beweglichkeit des Fingers länger erhalten.",
24.
"Bei rheumatischen Beschwerden der Finger hilft durch das Tape neben der massierenden Wirkung auch die Lymphdrainage.",
25.
"Beispiel: Lymphdrainage
Viele Frauen sind nach einer Brustoperation lange Zeit auf 'Stützstrümpfe' am Arm angewiesen, um den gestörten Lymphabfluss zu unterstützen. Auch hier kann ein Tape eingreifen und zumindest zeitweise die festen manschettenartigen Ärmel ersetzen.",
26.
"Nach Entfernung der Lymphknoten oder gestörtem Lymphabfluss kommt es zu schmerzhaft gespannter Haut. Diese ist oft verfärbt und aufgrund der Spannung glänzend und empfindlich. Das Tape wird ohne große Spannung auf den anatomischen Verlauf der Lymphgefäße aufgebracht und bis zu den gesunden Bereichen des Lymphsystems geführt Die massierende Wirkung lindert das Spannungsgefühl, durch die muskuläre Stimulation wird der Lymphabfluss gefördert.",
27.
"Beispiel: Rückenbeschwerden
Oft klagen wir über Beschwerden im Bereich des Rückens. Häufig liegt dies an Dysbalancen wie z. B. einem blockierten Ileosakralgelenk (ISG), die weit ausstrahlend zu Problemen im gesamten Rücken und den Beinen führen. Fehlhaltungen bei langem Sitzen, Schonhaltungen bei schon bestehenden Beschwerden - chronische Rückenschmerzen sind ein wichtiges Thema ...",
28.
"Glutaeus Piriformis Tape
Beim Piriformis-Syndrom ist durch Verspannung des Muskels oft der Ischiasnerv in Mitleidenschaft gezogen. Dies äußert sich durch Schmerzen in der hinteren Oberschenkelmuskulatur, die sich bin in den Unterschenkeln ziehen können. Langfristig hilft hier Dehnung, bis dahin hilft ein Tape.",
29.
"Bei Sportlern sind oft die hinteren Oberschenkelmuskeln verkürzt. Sie helfen beim Aufrichten und Aufrechthalten unter der sportlichen Belastung, aber ohne konsequente Dehnung kommt es dann häufig zu Spannungen, die sich vor allem beim Abdruckbewegungen äußern. Die Tapes können hier lindern.",
30.
"Unsere Wirbelsäule ist durch die sogenannte autochthone Rückenmuskulatur gestützt. Bei einem Rückentape wird der Verlauf dieser Muskulatur bearbeitet. ... Nur wer gerade steht, kann gerade und schmerzfrei belasten. Manchmal kommt es durch die stimulierende Wirkung auf die Muskulatur aber auch leider zunächst zu einer Verstärkung der Beschwerden, bevor sich Linderung einstellt."
31.
"Rippenprellungen sind oft sehr unangenehm. Jede Drehbewegung, jeder tiefe Atemzug verursacht Schmerzen. Mit dem Tape kann sowohl der Abbau von Einblutungen in der Mus-kulatur unterstützt, als auch die muskuläre Verspannung behandelt werden.",
32.
"Bei einem eventuellen Rippenbruch kann das Tape auch durch seine Stützwirkung helfen.",
33.
"Beispiel: Migräne - verursacht durch Verspannungen
Migränepatienten leiden häufig unter massiven Verspannungen. Eine Therapie ist nicht einfach, manchmal kann kurzfristig über die muskuläre Stimulation ein Anfall ausgelöst werden, aber langfristig kommt es meist zur Besserung der Problematik.",
34.
"Kopfschmerzen resultieren häufig aus einer Verspannung der Nackenmuskulatur.
Manchmal ist die Reaktion unseres Körpers darauf auch so stark, dass die gesamte Wirbelsäule bis zum Iliosacralgelenk betroffen ist. Hier hilft eine Behandlung der Triggerpunkte zum Lösen und "gerade richten". Das Tape stabilisiert das Ergebnis und wirkt über eine dauernde Massage positiv auf die Muskulatur des Halses.",
35.
"Auch zur Migränebehandlung eignet sich dieses Tape. Allerdings ist es hier auch oft nötig, Verspannungen der Schultern und Arme und eventuell sogar der Lendenwirbelsäule zu behandeln. Manchmal kommt es durch die stimulierende Wirkung auf die Muskulatur aber auch zunächst zu einer Verstärkung der Beschwerden, selten sogar zur Auslösung eines Migräneanfalls, bevor sich im weiteren Verlauf Entspannung und Linderung einstellt.",
36.
"Die Schulter ist eines unserer größten Gelenke. Wir brauchen es ständig. Umgeben ist
es von einer Vielzahl an Muskeln, die zusammen die sogenannte Rotatorenmanschette bilden. Durch das Gelenk laufen Sehnen zum Oberarm. Deshalb wirken sich muskuläre Verspannungen manchmal nicht nur auf das Gelenk, sondern auch auf Hals und Arm aus. Das Tape wird über verschiedene Triggerpunkte geklebt, um über diese eine positive Stimulation der Muskulatur zu erzielen.",
jeweils sofern dies geschieht, wie in Anlage A 3 wiedergegeben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
1.
Die Klagebefugnis des Verfügungsklägers werde bestritten. Beim Verfügungskläger handle es sich um einen Abmahnverein. Dem Verfügungskläger gehörten auch nicht eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben.
Der Verband könne nicht durch einfache Vorlage seiner Mitgliederliste seine Prozessführungsbefugnis nachweisen. Dazu gehöre mehr.
Ein Verband könne Abwehransprüche auch nur dann geltend machen, wenn neben den Interessen der Mitbewerber auch die Interessen anderer Personen wie insbesondere der Verbraucher, beeinträchtigt seien. Dies behaupte der Verfügungskläger zwar, führe dazu aber nichts aus.
2.
Sie selbst vertreibe keine Kinesio-Tapes. Sie beschäftige sich lediglich mit der Therapiemöglichkeit von Kinesio-Taping, vor allem im Sportbereich.
a)
Der Verfügungskläger verwechsle die Begriffe "Kinesiologie" und "Kinesio-Tapes". Diese hätten außer dem Begriff "Kinesio" nichts miteinander zu tun. Es handle sich hierbei um zwei völlig unterschiedliche Therapieformen.
Entgegen dem Vorbringen des Verfügungsklägers seien die Kinesio-Tapes nicht in den USA, sondern von Dr. Kenzo Kase aus Japan in den 70er-Jahren entwickelt worden.
Die den Tapes zugeschriebene Wirkung sei rein mechanischer Natur.
Es sei unrichtig, dass es keinerlei wissenschaftliche Forschungen und Untersuchungen zu dem Thema der Kinesio-Tapes gebe. Richtig sei, dass die gegenwärtige Studienlage zur Wirksamkeit der Tapes in der deutschsprachigen Literatur noch ziemlich dürftig sei. Dennoch existierten etliche Studien, die einen therapeutischen Effekt der Tapes - wenn auch mit geringer Signifikanz - beschrieben.
b)
Die diesbezügliche Forschung zu den Kinesio-Tapes sei mindestens in die Evidenzklasse IV einzustufen.
Inzwischen seien die Kinesio-Tapes weiterentwickelt worden und würden als "Chiro-Tape" in der Schmerztherapie eingesetzt.
c)
Die Therapiemethode mit Kinesio-Tapes werde auch von renommierten Kliniken angeboten, wie z. B.
- der Gesundheitsklinik Stadt ... in ...
- DRK-Krankenhaus in ...-...
- Therapiezentrum ... in ...
d)
Obwohl positive Ergebnisse von Untersuchungen bestätigt würden, habe sie auf ihrer Internetseite ausdrücklich vermerkt:
"Die wissenschaftliche Grundlage über die Wirkung der Kinesio-Tapes ist nicht gesichert. Es existieren einige wenige Studien über die Wirksamkeit der elastischen Tapes, aber ein eindeutiger Beweis konnte bisher nicht erzielt werden.
Auch unsere Erfahrungen beruhen nicht auf Forschungsergebnissen, sondern auf langjähriger Praxis, können aber natürlich den Anspruch einer "evidence-based medicine" nicht erfüllen."
(vgl. Anlage A 9, Bl. 117/118 d. A.)
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 30. April 2013 (Bl. 120-123 d. A.) verwiesen. Im Termin vom 30. April 2013 hat die Verfügungsbeklagte klargestellt, dass sie ihren Internetauftritt nach der Abmahnung geändert und nach der Rubrik "Entwicklung" aufgenommen habe "Wissenschaft und Studien ..." (vgl. A 9, Bl. 117 d. A.).
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden gemäß § 349 Abs. 3 ZPO einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
I. 1.
Der Verfügungskläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Verband zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder prozessführungs- und antragsbefugt.
Dem Verfügungskläger gehört eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern an, die mit dem Dienstleistungsangebot der Verfügungsbeklagten in einem Konkurrenzverhältnis stehen.
Der Begriff der Waren oder gewerblichen Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art ist weit auszulegen. Dies ergibt sich aus seiner wettbewerbsrechtlichen Funktion: Es sollen solche Werbemaßnahmen auf ihre rechtliche Zulässigkeit überprüft werden, welche die Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren Beeinträchtigung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder des Angebots von Dienstleistungen nach sich ziehen. Bei der Beurteilung der Prozessführungs- und Antragsbefugnis eines Verbandes zur Förderung und Wahrung gewerblicher Interessen ist daher nicht allein auf Mitgliedsunternehmen abzustellen, die mit dem mit der angegriffenen Werbung Treibenden auf der gleichen Wirtschaftsstufe stehen und identische Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ein Wettbewerbsverhältnis ist auch möglich, wenn die Ware oder Dienstleistung ein Angebot des Mitbewerbers auch nur zeitweilig oder möglicherweise ersetzen kann. Auch abstrakte Wettbewerbsverhältnisse sind danach ausreichend (BGH GRUR 1996, 804 ff). Maßgeblich ist, dass die Produkte des Mitbewerbers denen des Anspruchsberechtigten oder seiner Mitglieder so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch - irgendein - wettbewerbswidriges Handeln des anderen Unternehmens beeinträchtigt werden kann (BGH GRUR 1998, 489 f). Dazu kann eine nicht gänzlich unbedeutende potenzielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit ausreichen (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, § 8 Rn. 3.38).
Der Mitgliederbestand des Verfügungsklägers ergibt sich aus der von ihm als Anlage A 1 (Bl. 24 - 46 d. A.) vorgelegten Mitgliederliste. Die Richtigkeit der dortigen Angaben hat die Geschäftsführerin des Verfügungsklägers an Eides statt versichert (vgl. Anlage A 2, Bl. 47 d. A.). Zu den durch die streitgegenständliche Werbung der Verfügungsbeklagten betroffenen Mitgliedern des Verfügungsklägers gehören ein Hamburger Apothekerverein, der BVDVA (Bundesverband deutscher Versandapotheken), 114 Unternehmen der Heilmittelbranche, 29 Unternehmen der Branche Heilweisen/Dienstleistungen, darunter fünf Ärzte. Diese Mitglieder stehen in einem hinreichenden Wettbewerbsverhältnis mit der Verfügungsbeklagten.
Angesichts der Vielzahl der vorgenannten Unternehmen, die mit ihrem Angebot potenziell ähnliche Ziele verfolgen wie die Verfügungsbeklagte (z. B. orthopädische Behandlung), ist es auch ausgeschlossen, dass der Verfügungskläger missbräuchlich gegen die Verfügungsbeklagte vorgeht. Darauf, ob die fraglichen Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht an (BGH GRUR 2007, 809 f).
Die Mitglieder des Verfügungsklägers konkurrieren auch auf dem räumlich relevanten Markt mit der Verfügungsbeklagten. Der Internetauftritt der Verfügungsbeklagten ist zumindest bundesweit wirksam.
Der Verfügungskläger ist auch nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der Verfügungskläger seit vielen Jahren für seine Mitglieder vor den deutschen Gerichten die Durchsetzung der Lauterkeitsregeln betreibt. Auch vor der Kammer hat es bereits eine Vielzahl von Verfahren gegeben, an denen der Verfügungskläger beteiligt war. Es ist gerichtsbekannt, dass die Einforderung von gerichtlichen Kostenvorschüssen vom Verfügungskläger nie mit Schwierigkeiten verbunden ist. Bei dem Verfügungskläger handelt es sich um einen bekannten und aktiven Verein mit zahlreichen, zum Teil bundesweit bekannten Mitgliedern.
Vor diesem Hintergrund hat das Bestreiten der Antrags- und Prozessführungsbefugnis durch die Verfügungsbeklagte keinen Erfolg. Die Prozessführungsbefugnis kann - wie hier - im Freibeweis festgestellt werden (OLG München, Urteil vom 14.05.2009, 6 U 2187/06 Tz 89).
Dem Verfügungskläger stehen gegen die Verfügungsbeklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG zu. Die vom Verfügungskläger gerügte Werbung ist irreführend und verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 3 S. 2 Nr. 1 HWG sowie gegen §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 UWG.
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) findet Anwendung. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG ist das Gesetz auf Werbung für Behandlungen anwendbar, wenn sich die Werbeaussage auf die Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bezieht. Wegen des sensiblen gesundheitlichen Bereichs ist diese Regelung weit auszulegen (OLG Hamm, Magazindienst 2011, 35; LG Berlin, Magazindienst 2012, 444 ff).
Nach § 3 S. 1 Nr. 1 HWG sind irreführende Werbungen in diesem Bereich unzulässig. Ein Verstoß führt auch zu einem Verbot gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 1 UWG, weil § 3 HWG eine Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG darstellt. Denn Ziel des § 3 HWG ist auch der Schutz der Gesundheit der Verbraucher. Eine Irreführung liegt gemäß § 3 S. 2 Nr. 1 HWG insbesondere dann vor, wenn Verfahren oder Behandlungen eine therapeutische Wirksamkeit beigelegt wird, die sie nicht haben oder gemäß § 3 S. 2 Nr. 2a HWG fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann.
Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale einer Dienstleistung enthält, wozu auch die Zwecktauglichkeit und die zu erwartenden Ergebnisse gehören. Die Unzulässigkeit einer solchen Irreführung ergibt sich aus § 3 Abs. 1 UWG.
Die streitgegenständliche Werbung ist irreführend, weil sie unzutreffende und unvollständige Angaben über die Zwecktauglichkeit der angepriesenen Dienstleistung enthält. Die gerügten Werbeaussagen sind im Gesamtkontext zu sehen. Bei den Darstellungen der Verfügungsbeklagten auf der Internetseite handelt es sich nicht nur um eine Darstellung aufklärenden Charakters. Vielmehr handelt es sich um Werbung für das durch sie im Rahmen ihrer Arztpraxis angewendete Verfahren des Kinesio-Tapings, für das die Verfügungsbeklagte Wirkungsbehauptungen aufstellt. Solche Wirkungsangaben sind nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153, 155 - Tampax). Der in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein (OLG Hamm, Urteil vom 13.12.2012, 4 U 141/12 Tz. 21, zitiert nach juris).
Der Verfügungskläger hat das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage substanziiert vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen. Es tritt jedoch eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ein, wenn der Verfügungskläger substanziiert vorgetragen und ggf. glaubhaft gemacht hat, dass die angegriffene werbliche Handlung wissenschaftlich umstritten ist. Das ergibt sich daraus, dass der Werbende, indem er die Angabe als objektiv richtig darstellt, ohne auf vorhandene Gegenstimmen hinzuweisen, die Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt und diese daher auch belegen muss (vgl. OLG Hamburg, a. a. O.).
Die streitgegenständlichen Werbeaussagen der Verfügungsbeklagten erwecken bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass das Kinesio-Taping erfolgreich bei bestimmten Erkrankungen angewendet werden kann. Die angesprochenen Adressaten gehen davon aus, dass diese Aussagen und die Wirksamkeit der beworbenen Handlung hinreichend wissenschaftlich belegt sind.
Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Annahmen falsch, die Werbung mithin irreführend ist.
Der Verfügungskläger hat durch Vorlage der Anlagen A 7 und A 8 hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Wirksamkeit des Kinesio-Tapings in der medizinischen Wissenschaft umstritten ist. Die Verfügungsbeklagte räumt auch selbst ein, dass die vorhandenen Studien nur eine Einordnung in die Evidenzklasse IV ergeben (vgl. hierzu Hahn, GRUR 2013, 120 - 127 und Feddersen, GRUR 2013, 127-135). Für die wissenschaftliche Absicherung bei Werbung mit gesundheitsfördernden Wirkungen verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung als wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweis Studien unter Heranziehung einer ausreichenden Anzahl von Probanden und die Durchführung von randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudien mit einer adäquaten statistischen Auswertung (vgl. OLG Hamburg, a. a. O.; BGH, Urteil vom 06.02.2013, 1 ZR 62/11 - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH, Beschluss vom 01. Juni 2011, 1 ZR 199/09; OLG Celle, Urteil vom 04.10.2012, 13 U 36/12 Tz. 22, zitiert nach juris). Eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung kann sich zwar schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010, 1 ZR 23/07, juris Rn. 18). Eine allgemeine Anerkennung in der Fachwelt ist dann nicht erforderlich, solange die Studie nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist. Eine solche Studie hat die Verfügungsbeklagte zur Glaubhaftmachung der Richtigkeit ihrer Angaben nicht vorgelegt. Die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen entsprechen dem nicht. Auch wird die von der Verfügungsbeklagten behauptete Einordnung der vorhandenen Studien in Evidenzklasse IV durch die von ihr vorgelegten Studien nicht belegt. Die Einordnung in Evidenzklasse IV bestätigt, dass ggf. Erfahrungsberichte vorliegen. Das stellt aber keine hinreichende wissenschaftliche Absicherung im vorstehend dargelegten Sinne dar.
Die vom Verfügungskläger angegriffene Werbung - Anlage A 3 - (angegriffen ist die konkrete Verletzungsform) ist damit unlauter. Die Verfügungsbeklagte behauptet jeweils bestimmte Wirkungen des Kinesio-Tapings, die wissenschaftlich nicht hinreichend belegt sind.
Dem auf die Unterlassung der konkreten Verletzungsform gerichteten Antrag war daher insgesamt stattzugeben.
Dass die Verfügungsbeklagte mittlerweile ihren Internetauftritt geändert hat, ändert an der Wiederholungsgefahr nichts. Die Wiederholungsgefahr bleibt trotz dessen bestehen, da die Verfügungsbeklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Das Urteil ist auch ohne Ausspruch vorläufig vollstreckbar.
Den Streitwert hat die Kammer nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung auf EUR 27.000,00 festgesetzt.