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Weitergabe von Patientendaten an Abrechnungsgesellschaft ohne Einwilligung eines Erziehungsberechtigten

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Pforzheim  | Aktenzeichen: 2 C 381/21 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Schadenersatzrecht , Berufliche Kommunikation

Urteilstext

 

Tenor


1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.504,- € zu zahlen.
 
2.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
 
3. Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger einerseits und die Beklagte andererseits jeweils zu 50 %.
 
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil gleichfalls vorläufig vollstreckbar. Insoweit wird dem Kläger nachgelassen, die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
 
5. Der Streitwert wird auf 3.004,- € festgesetzt.
 
Tatbestand
 
Der Kläger macht sowohl einen Schadensersatz- als auch einen Auskunftsanspruch geltend.
 
Eine der Töchter des Klägers befand sich bei der Beklagten, die eine logopädische Praxis betreibt, in Behandlung. Die geschiedene Ehefrau des Klägers gab gegenüber der Beklagten an, dass ihre Tochter privat krankenversichert und Versicherungsnehmer der Kläger ist. Dementsprechend sollten die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen gegenüber dem Kläger abgerechnet werden, zu diesem Zwecke teilte die geschiedene Ehefrau des Klägers der Beklagten dessen Namen sowie Adresse mit. Die Beklagte übermittelte diese Daten an die O. Abrechnungszentrum Dr. G. GmbH, welche wiederum den Kläger auf Zahlung des von der Beklagten in Rechnung gestellten Betrages für die Behandlung seiner Tochter in Anspruch nahm. Im weiteren Verlauf erteilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Verlangen mit Schreiben vom 21.04.2020 Auskunft über seine bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten. Eine weitere Auskunftserteilung lehnte sie mit Schreiben vom 21.10.2020 ab. Am 17.09.2020 teilte die Beklagte der geschiedenen Ehefrau des Klägers schriftlich mit, dass dieser sie telefonisch kontaktiert hat und unter Androhung einer Klage Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.000,- € verlangt.
 
Der Kläger ist im Wesentlichen der Ansicht, die Beklagte hätte sich wegen Verstoßes gegen die Artikel 6, 14 und 15 DS-GVO schadensersatzpflichtig gemacht. Sie hätte nicht nur unerlaubt seinen Namen und seine Adresse an das Abrechnungszentrum Dr. G. übermittelt, sondern darüber hinaus auch mit ihrem Schreiben vom 17.09.2020 an seine geschiedene Ehefrau weitere Daten unerlaubt mitgeteilt sowie auch seine geschützten personenbezogenen Daten an ihren Prozessbevollmächtigten bzw. seine geschiedene Ehefrau im Zusammenhang mit einer familiengerichtlichen Auseinandersetzung weiterleiten. Aufgrund dessen sei die Beklagte zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von insgesamt 2.000,- € verpflichtet nebst weiterer 4,- € für vorgerichtlich angefallene Mahnkosten. Des weiteren hätte die Beklage ihm pflichtwidrig keine vollständige Auskunft über seine von ihr erhobenen bzw. verarbeiteten personenbezogenen Daten erteilt bzw. keine vollständige Kopie dieser Daten übermittelt.
 
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
 
- an ihn 2.004,- € zu zahlen sowie
 
- ihm schriftlich vollständig Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilen sowie eine vollständige Kopie (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) der bei ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten von ihm schriftlich zu übermitteln.
 
Die Beklagte beantragt,
 
die Klage abzuweisen.
 
Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, sie hätte lediglich den Namen und die Adresse des Klägers an die zur Verschwiegenheit verpflichtete Abrechnungsstelle übermittelt, wodurch es zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der anerkennenswerten Interessen des Klägers gekommen sei. Vielmehr handele es sich um einen Bagatellverstoß. Auskunft sei dem Kläger vollständig erteilt worden.
 
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
 


Entscheidungsgründe


Die zulässige Klage erwies sich als zum Teil begründet.
 
Durch die Weitergabe des Namens und der Adresse des Klägers ohne dessen Einwilligung an das Abrechnungszentrum Dr. G. hat die Beklagte gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verstoßen und des weiteren pflichtwidrig den Kläger hierüber nicht nach Art. 14 Abs. 1 DS-GVO informiert. Aufgrund dessen steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu, wobei das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € (zuzüglich 4,- € für Mahnkosten) für angemessen, aber auch ausreichend hält. Hierbei wurde zum einen berücksichtigt, dass sich der von der Beklagten begangene Verstoß nicht als besonders schwerwiegend darstellt, insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für ein systematisches Vorgehen oder gar eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erkennen lassen. Andererseits sieht das Gesetz einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden nicht vor (s. hierzu sowie zum folgenden Kühling-Buchner, DS-GVO, Art. 82, Rd.-Nr. 18 a ff.). Vielmehr ist der Schadensbegriff der DS-GVO weit auszulegen und, da es sich um einen europarechtlichen Anspruch handelt, nicht mit den bisher in Deutschland üblichen Beträgen für einen immateriellen Schadensersatz zu vergleichen. Um die geforderte Abschreckung zu erreichen, muss der zuzusprechende Schadensersatz über einen rein symbolischen Betrag hinaus gehen. Unter Berücksichtigung all dessen erachtet das Gericht einen Betrag in Höhe von 1.500,- € für insgesamt angemessen.
 
Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, die Beklagte hätte auch im Folgenden unerlaubt seine geschützten personenbezogenen Daten weitergegeben bzw. verarbeitet, so dass ihm auch aufgrund dessen ein (höherer) Schadensersatzanspruch zustünde bzw. ein weiterer, über das Schreiben der Beklagten vom 21.04.2020 hinausgehender, Auskunftsanspruch. Denn die DS-GVO gilt gem. Art. 2 Abs. 1 nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Die Voraussetzungen für diesen sachlichen Anwendungsbereich der DS-GVO sind im Übrigen jedoch weder ersichtlich noch hinreichend vorgetragen. Die Beklagte mag weitere Daten des Klägers an dessen geschiedene Ehefrau mitgeteilt haben; dies alleine - nämlich ohne automatisierte Verarbeitung oder Speicherung in einem Dateisystem - fällt jedoch eben nicht in den Anwendungsbereich der DS-GVO. Eine Weitergabe von Daten an ihren Prozessbevollmächtigten läge darüber hinaus in ihrem anerkennungswerten berechtigten Interesse, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 f DS-GVO.
 
Damit war der Klage mit der Kostenfolge des § 92 Abs. 1 ZPO in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben.
 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
 
 


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