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Wegfall des zahnärztlichen Vergütungsanspruchs bei völliger Unbrauchbarkeit

 | Gericht:  Landgericht (LG) Berlin  | Aktenzeichen: 6 O 159/07 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren , Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.757,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2006 zu zahlen.

 

2.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Zahnarzt. Er verlangt von der Beklagten die Zahlung von Zahnarzthonorar. Im Einzelnen liegt dem Streit der Parteien folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Anfang Januar 2005 fand in den Praxisräumen des Klägers die erste Beratung der Beklagten durch den Kläger über einen neuen Zahnersatz statt. In dieser Besprechung wurde die Möglichkeit eines festsitzenden und auch eines herausnehmbaren Zahnersatzes angesprochen. Man einigte man sich dahingehend, dass die Beklagte eine neue fest in den Oberkiefer eingefügte Prothetik erhalten sollte. Auf der Basis dieser Besprechung erstellte der Kläger unter dem 24. Februar 2005 für die Krankenversicherung und die Beihilfestelle einen Heil- und Kostenplan für die Interimsversorgung, die prothetische Versorgung und die zu erbringenden chirurgischen Leistungen. Die Kostenvoranschläge schlossen mit Beträgen in Höhe von 697,52 EUR, 5.526,73 EUR und 8.855,82 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen B 1 bis B 3 Bezug genommen.

 

Nach erneuter Besprechung begann die eigentliche Behandlung der Beklagten im Mai 2005.

 

Ende Mai 2005 traten Probleme hinsichtlich des einzusetzenden Provisoriums bei der Beklagten auf. Der Kläger nahm deshalb die zuvor herausgenommene alte Überkronung und arbeitete sie in das einzusetzende Provisiorium um. Für die bis zum 2. Juni 2005 erbrachten Leistungen rechnete der Kläger mit Rechnung vom 28. Juni 2005 insgesamt 2.035,47 EUR ab. Dieser Betrag wurde bezahlt.

 

In der Folgezeit erfolgte bei der Klägerin der Knochenaufbau im Oberkiefer, damit die Implantate in der Lage sein würden, die auf ihnen später zu montierende Prothetik aufzunehmen. Diese Arbeiten, die vom Kläger und dem Implantologen und Paradontalchirurgen Dr. H durchgeführt wurden, dauerten bis Mai 2006 an.

 

Nach Abschluss der notwendigen Vorarbeiten wurde vom Kläger im Juli 2006der Zahntechnikermeister H hinzugezogen, um die Zahnprothese herzustellen und einzupassen.

 

Am 11. September 2006wurde der Beklagten ein nicht fest verankerter, sondern ein herausnehmbarer Zahnersatz in den Oberkiefer eingesetzt. Um die Passgenauigkeit der Prothetik herzustellen, musste sich die Beklagte am 12. September 2006in die Praxis des Zahntechnikermeisters begeben, wo diverse Änderungen an der Prothetik vorgenommen wurden.

 

Am folgenden Tag bildete sich bei der Beklagten eine Entzündung, die einen Besuch in der Praxis des Klägers erforderlich machte.

 

Mit Schreiben vom 29. September 2006, auf das verwiesen wird ( Anlage B 5 ), teilte der Ehemann der Beklagten dem Kläger mit, dass die Beklagte mit der herausnehmbaren Prothetik nicht klar komme und bat um einen Gesprächstermin.

 

Der Kläger rechnete seine Leistungen gemäß Rechnung vom 5. Oktober 2006, auf die Bezug genommen wird ( Fotokopie Bl. 11 – 14 d. A. ), in Höhe von insgesamt 8.757,01 EUR ab. Diesen Betrag zahlte die Beklagte trotz Mahnung vom 31. Oktober 2006 nicht.

 

Die Beklagte beauftragt den Zahnarzt Dr. F mit der Begutachtung ihrer Prothetik. Der Sachverständige kam in seinem schriftlichen Gutachten vom 22. Januar 2007, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird ( Anlage B 7 ), zu dem Ergebnis, dass der Zahnersatz im Oberkiefer eine ästhetisch, funktionell und phonetisch ungünstige Zahnaufstellung aufweise.

 

Der Kläger trägt vor:

 

Im Verlaufe der Behandlung habe sich gezeigt, dass die zunächst geplante festsitzende Versorgung nicht den ästhetischen Ansprüchen der Beklagten genügt habe, weshalb sich die Parteien endgültig für eine herausnehmbare Konstruktion entschieden hätten. Dies sei unter anderem notwendig geworden, weil das Implantat regio 25 nicht knöchern verheilt sei und eine massive Knochenatrophie vorgelegen habe, weshalb ein festsitzender Zahnersatz für die Mundhygiene und die Ästhetik der Beklagten von erheblichem Nachteil gewesen wäre. Im Beisein und unter Mitwirkung der Zahnärztin Y, des Implantologen und Parodontalchirurgen Dr. H und des Zahntechnikermeisters H sei die Beklagte u. a. am 19.Juni, 19. Juli und 19. Oktober 2006dahingehend beraten und aufgeklärt worden, dass entgegen dem ersten Behandlungsziel ein herausnehmbarer Zahnersatz gefertigt werden würde. Damit sei die Beklagte einverstanden gewesen. Diese mögliche Behandlungsalternative sei der Beklagten aufgrund der ersten Beratung von Anfang an bekannt gewesen. Die eingesetzte Prothetik sei im übrigen mangelfrei gewesen. Jedenfalls habe ihn die Beklagte nicht zur Nacherfüllung aufgefordert oder irgendwelche sonstigen Gewährleistungsansprüche geltend gemacht.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.757,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. November 2006 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie trägt vor:

 

Sie habe gerade aus ästhetischen Gründen eine festsitzende Prothetik haben wollen.

 

Bei einer Besprechung von dem eigentlichen Behandlungsbeginn sei ihr Ehemann mit anwesend gewesen. Er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass alle Abweichungen von dem zuvor eingereichten und genehmigten Heil- und Kostenplan zuvor von der Beihilfestelle und der Krankenkasse genehmigt werden müssten. Im Verlaufe der weiteren Behandlung habe ihr Ehemann bei jedem Besuch regelmäßig den Kläger über den Verlauf der weiteren Behandlung befragt. Zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger von Behandlungskomplikationen und einer medizinisch notwendigen Abweichung vom ursprünglichen Behandlungsplan gesprochen. Erstmals nach dem Einsetzen des neuen Zahnersatzes am 11. September 2006sei ihr gesagt worden, dass ein herausnehmbarer Zahnersatz eingesetzt worden sei. Hätte der Kläger sie über die Änderung der Behandlung informiert, hätte sie zumindest einen zweiten Zahnarzt befragt, ob ein herausnehmbarer Zahnersatz tatsächlich medizinisch notwendig sei. Das Einsetzen von 6 Implantaten sei nur für eine festsitzende Oberkieferprothetik notwendig. Der Zahnersatz habe im übrigen nicht gepasst und erhebliche Farbabweichungen aufgewiesen. Einen Zahlungsanspruch habe der Kläger nicht, da er etwas geliefert habe, was sie nicht bei ihm bestellt habe. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. F sei die Arbeit des Klägers auch mit so gravierenden Mängeln behaftet, dass ein Ausgleich der Rechnung nicht in Betracht komme. Die Mängel der Prothetik habe sie dem Kläger form- und fristgerecht angezeigt. Der Kläger habe aber die Beseitigung der Mängel unter Hinweis auf die Ordnungsgemäßheit der von ihm abgelieferten Arbeit abgelehnt und damit den Behandlungsvertrag gekündigt. Das von ihrer Krankenkasse erhaltene Geld benötige sie für die mögliche Versorgung mit der gewünschten festsitzenden Prothetik.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Dr. H H und Y. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28. April 2008 Bezug genommen.

 

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für die zahnärztliche Behandlung in Höhe von 8.757,01 EUR aus § 611 Abs. 1 BGB.

 

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag über die zahnärztliche Behandlung ist ein Dienstvertrag, weil sich die Arbeit des Klägers trotz des in ihr liegenden technischen Elements im wesentlichen als medizinische Heilbehandlung darstellt ( vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1994, 52 mit weiteren Nachw. ). Bei einem solchen Vertrag wird die Zahlungspflicht des Patienten schon durch die Arbeitsleistung des Zahnarztes ausgelöst.

 

Der Kläger hat die von ihm geforderte Dienstleistung erbracht, denn er hat am 11. September 2006 die neue Oberkieferprothetik eingegliedert. Auch wenn die Parteien zunächst die Eingliederung einer festen Oberkieferprothetik vereinbart hatten, entsprach die eingegliederte herausnehmbare Oberkieferprothetik der geschuldeten Dienstleistung.

 

Ein Arzt hat zwar grundsätzlich die Wahl zwischen mehreren gleichartigen Behandlungsmethoden. Haben diese aber unterschiedliche Belastungen für den Patienten, dann hat der Patient nach entsprechender Aufklärung die Wahl zwischen den verschiedenen Methoden. Diese Wahl kann auch im Rahmen des Behandlungsfortschritts verändert oder rückgängig gemacht werden. So liegt der Fall hier. Die Beklagte wünschte zwar die Eingliederung einer festen, nicht herausnehmbaren Prothetik im Oberkiefer. Sie hat sich aber im Verlaufe der Behandlung für eine herausnehmbare Prothetik entschieden. Davon ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt.

 

Die uneidlich vernommenen Zeugen Dr. H, H und Y haben im wesentlichen übereinstimmend bekundet, dass sie und der Kläger im Verlaufe der Behandlung mehrfach mit der Beklagten die ungünstige Knochensituation in ihrem Oberkiefer besprochen und die Beklagte darauf hingewiesen hätten, dass mit einer herausnehmbaren Oberkieferprothese ein ästhetisch besseres Ergebnis erzielt werden könnte. Damit sei die Beklagte letztlich einverstanden gewesen, weil es ihr in erster Linie um ein ästhetisch vernünftiges Ergebnis gegangen sei. Der Zeuge Dr. H hat hierzu erläutert, dass die Beklagte im Oberkiefer ein reduziertes Knochenangebot hatte und in einem solchen Falle eine Kombination zwischen einem festsitzenden und einem herausnehmbaren Zahnersatz die beste Lösung ist, weil durch einen solchen Zahnersatz die Weichgewebesituation im Mund der Beklagten besser unterstützt werden könnte. Der Zeuge H, der bei der Beratung und Behandlung der Beklagten mit anwesende Zahntechniker, hat hierzu ausgeführt, bei einem festsitzenden Zahnersatz die Hebelwirkung auf die Implantate größer ist als bei einem herausnehmbaren Zahnersatz, weil bei diesem die Prothetik auf ein Kunststoffschild gesetzt wird und durch das Kunststoffschild die direkte Hebelwirkung auf die Implantate vermindert wird. Beide Zeugen haben ausgesagt, dass der Beklagten ihre schwierige Knochensituation im Oberkiefer mehrfach erläutert worden sei und die Beklagte letztlich mit einem herausnehmbaren Zahnersatz einverstanden war. Die Beklagte sei zunächst etwas verunsichert gewesen, es sei ihr aber darum gegangen, dass der herausnehmbare Zahnersatz im Mund fest sitze und gut aussehe. Auch die Zeugin Y hat ausgesagt, dass die Beklagte an einem Tag im Juli 2006 mit einem Bild einer stark lächelnden Frau gekommen sei und erklärt habe, dass sie einen so aussehenden Zahnersatz haben wolle. Bei diesem Gespräch wurde in Gegenwart der Zeugin die Beklagte über Vorteile des herausnehmbaren Zahnersatzes aufgeklärt. Auch an diesem Tage sei die Beklagte mit einem herausnehmbaren Zahnersatz einverstanden gewesen und habe erklärt, dass ihr in erster Linie wichtig sei, dass die Ästhetik stimme und alles gut aussehe.

 

Das Gericht glaubt den Zeugen, denn es waren weder in der Person der Zeugen noch in ihren Aussagen Umstände ersichtlich, die gegen ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen sprachen. Alle Zeugen haben zurückhaltend ausgesagt und deutlich zum Ausdruck gebracht, wenn sie sich an etwas nicht mehr sicher erinnern konnten. Ihre Aussagen waren plausibel und in sich widerspruchsfrei. Die Zeugen arbeiten zwar mit dem Kläger zusammen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass sie deshalb die Unwahrheit gesagt haben könnten.

 

Nach diesen Aussagen steht für das Gericht fest, dass die Beklagte mit einem herausnehmbaren Oberkieferzahnersatz einverstanden war.

 

Es kann dahinstehen, ob der bei der Beklagten eingegliederte Zahnersatz mangelhaft war oder nicht, denn dass stünde dem Vergütungsanspruch nur unter den – hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen des § 628 Abs. 1 BGB entgegen. Es ist schon nicht dargelegt, dass die Beklagte den Behandlungsvertrag mit dem Kläger vorzeitig gekündigt hat, denn die Behandlung der Klägerin war nach der Eingliederung der Prothetik beendet. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe Mängel der Prothetik dem Kläger “form- und fristgerecht” angezeigt, der Kläger habe aber eine Beseitigung der Mängel abgelehnt, ist ihr – vom Kläger bestrittenes – Vorbringen unsubstanziiert. Aus dem Schreiben des Ehemannes der Beklagten vom 29. September 2006 ergibt sich lediglich, dass die Beklagte mit dem herausnehmbaren Zahnersatz “nicht klar” kam. Ein herausnehmbarer Zahnersatz war aber vereinbart, weshalb der Kläger die Anfertigung einer neuen festsitzenden Prothetik ablehnen durfte. Sonstige Mängel des Zahnersatzes sind dem v. g. Schreiben des Ehemannes der Klägerin nicht zu entnehmen. Im übrigen wäre der Vergütungsanspruch des Klägers gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB ausnahmsweise nur dann entfallen, wenn der Zahnersatz für die Beklagte völlig wertlos und unbrauchbar gewesen wäre. Davon kann hier keine Rede sein, denn die Beklagte trägt den Zahnersatz seit dem 11. September 2006 bis heute, also seit mehr als 1 ½ Jahren.

 

Es ist unerheblich, dass die Änderung der Prothetikplanung vom Kläger nicht gegenüber der Beihilfestelle und der Krankenkasse angezeigt und von diesen nicht genehmigt worden ist, denn abgesehen davon, dass diese Anzeige Sache der Beklagten war, ist der Beklagten dadurch auch kein Nachteil entstanden, denn die Krankenkasse hat der Beklagten die Behandlungskosten erstattet.

 

Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klageforderung oder infolge von Mängeln der Prothetik ein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zusteht, denn die Beklagte hat weder ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht noch mit einem Schadensersatzanspruch die Aufrechnung erklärt. 

 

Die Höhe der vom Kläger geltend gemachten Forderung aus seiner Rechnung vom 5. Oktober 2006 wird von der Beklagten nicht beanstandet.

 

Die Zinsentscheidung ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.


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