Urteilstext
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern künftig zu unterlassen, Verbrauchern Vergütungsvereinbarungen mit folgenden Formulierungen anzubieten:
„Ich nehme das Angebot der Vergütungsvereinbarung vom ... an und überweise einen einmaligen Vorschuss in Höhe von ... EUR bis zum ... auf untenstehendes Konto.
Mir ist bekannt, dass ich nach der Erbringung der jeweiligen Leistung, spätestens aber nach Abschluss der Behandlung einen Anspruch auf eine Rechnung gemäß § 10 GOZ habe."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch für den klagenden Verein nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000,00.
Tatbestand
Der Kläger macht als Verbraucherschutzorganisation einen Unterlassungsanspruch wegen behaupteten wettbewerbswidrigen Verhaltens geltend.
Der Beklagte ist Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in Steinfurt.
In der Vergangenheit hatte der Beklagte nicht streitgegenständliche Formulierungen zu Zahlungsvereinbarungen verwendet, wegen welcher der Kläger ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderte. Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 17.08.2015, die vorausgegangenen Formulierungen nicht mehr zu verwenden und kündigte die Verwendung der folgenden streitgegenständlichen Formulierungen an:
a)
„Ich nehme das Angebot der Vergütungsvereinbarung vom ... an und überweise einen einmaligen Vorschuss in Höhe von ... EUR bis zum ... auf untenstehendes Konto.
b)
Mir ist bekannt, dass ich nach der Erbringung der jeweiligen Leistung, spätestens aber nach Abschluss der Behandlung einen Anspruch auf eine Rechnung gemäß § 10 GOZ habe."
c)
„Ich nehme das Angebot der Vergütungsvereinbarung vom ... an und verpflichte mich, beginnend ab dem auf die Unterzeichnung folgenden Monat für die Dauer der Behandlung, höchstens jedoch über einen Zeitraum von 48 Monaten monatlich einen Betrag in Höhe von ... EUR auf untenstehendes Konto zu entrichten.
Mit einer Abbuchung von meinem Konto bin ich einverstanden. Mir ist bekannt, dass die vorstehenden Beträge Vorschüsse darstellen, soweit die Leistungen noch nicht erbracht und abgerechnet wurden, sowie Raten, wenn die Leistungen erbracht und abgerechnet wurden.
Mir ist bekannt, dass ich nach der Erbringung der jeweiligen Leistung, spätestens aber nach Abschluss der Behandlung einen Anspruch auf eine Rechnung gemäß § 10 GOZ habe."
Der Beklagte bietet seinen Patienten die vorgenannten Zahlungsvereinbarungen alternativ an.
Der Kläger behauptet, der Beklagte stelle seinen Patienten die Zahlungsvereinbarungen in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Kläger begehrt die Unterlassung darüber hinaus jedoch auch im Rahmen von individualvertraglichen Vereinbarungen.
Er ist der Ansicht, sowohl die Vereinbarung einer einmaligen Vorschusszahlung als auch die Vereinbarung einer monatlichen Zahlung von Vorschüssen bzw. Raten ohne vorherige vollständige Leistungserbringung durch den Beklagten und Erteilung einer Rechnung über die erbrachten Leistungen stelle eine unlautere Handlung im Sinne des § 3a UWG dar.
Die streitgegenständlichen Vergütungsvereinbarungen verstießen gegen § 10 GOZ. Die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ, nach welcher die Vergütung des Zahnarztes fällig wird, wenn dem Zahlungspflichtigen eine der Verordnung entsprechende Rechnung erteilt worden ist, sei eine nicht disponible verbraucherschützende Marktverhaltensregelung.
Die Vereinbarungen seien zudem gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie wichen von dem gesetzlichen Regelbild, nach welchem der Dienstverpflichtete vorleistungspflichtig ist, zu Lasten des Verbrauchers unangemessen benachteiligend ab. Der Verbraucher werde zur Vorleistung verpflichtet, ohne dass eine Kontrolle der Forderung durch eine Rechnung möglich sei. Er müsse hierdurch das Risiko einer Rückforderung wegen einer fehlerhaften Rechnung übernehmen sowie den Verlust der Möglichkeit zur Aufrechnung bei bestehenden Schadensersatzansprüchen hinnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder der Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, künftig zu unterlassen, Verbrauchern Vergütungsvereinbarungen mit folgenden Formulierungen anzubieten oder hiermit zu werben:
a)
„Ich nehme das Angebot der Vergütungsvereinbarung vom ... an und überweise einen einmaligen Vorschuss in Höhe von ... EUR bis zum ... auf untenstehendes Konto.
Mir ist bekannt, dass ich nach der Erbringung der jeweiligen Leistung, spätestens aber nach Abschluss der Behandlung einen Anspruch auf eine Rechnung gemäß § 10 GOZ habe."
b)
„Ich nehme das Angebot der Vergütungsvereinbarung vom ... an und verpflichte mich, beginnend ab dem auf die Unterzeichnung folgenden Monat für die Dauer der Behandlung, höchstens jedoch über einen Zeitraum von 48 Monaten monatlich einen Betrag in Höhe von ... EUR auf untenstehendes Konto zu entrichten.
Mit einer Abbuchung von meinem Konto bin ich einverstanden. Mir ist bekannt, dass die vorstehenden Beträge Vorschüsse darstellen, soweit die Leistungen noch nicht erbracht und abgerechnet wurden, sowie Raten, wenn die Leistungen erbracht und abgerechnet wurden.
Mir ist bekannt, dass ich nach der Erbringung der jeweiligen Leistung, spätestens aber nach Abschluss der Behandlung einen Anspruch auf eine Rechnung gemäß § 10 GOZ habe."
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, die Zahlungsvereinbarung werde nicht in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen gestellt, sondern individuell vereinbart. Er biete den Patienten alternativ zudem eine Abrechnung der jeweils erbrachten Leistungen gemäß § 10 GOZ an. Ferner würden der Umfang der Leistungen und der Steigerungssatz des Gebührenrahmens und abhängig davon die Höhe der Vorschüsse frei vereinbart. Die genannten vorbereiteten Formulieren stellten lediglich eine Dokumentation einer zuvor individuell getroffenen Vereinbarung dar.
Er ist der Ansicht, in dem Abschluss der Vergütungsvereinbarung liege kein erheblicher Eingriff in die Interessen der Verbraucher und keine ungemessene Benachteiligung der Vertragspartner. § 10 GOZ sei disponibel. Hierzu trägt er vor, die Vereinbarung von Ratenzahlungen sei für die Patienten vorteilhaft, da es nicht im Verlauf der Behandlung zu einer deutlich variierenden finanziellen Belastungen komme, wie sie bei quartalsweiser Abrechnung der jeweils erbrachten Leistungen eintrete. Die Vereinbarung von Vorauszahlungen ermögliche zudem auch solchen selbstzahlenden Patienten, bei welchen die Bonität fraglich ist, den Zugang zu kieferorthopädischen Leistungen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
l.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG befugt, die Ansprüche gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG geltend zu machen.
II.
Der Kläger kann einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung zu a), mit welcher die Zahlung des Honorars insgesamt als Vorschuss vereinbart wird, gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG mit Erfolg geltend machen. Die Vereinbarung stellt sowohl in allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch im Rahmen von Individualverträgen eine unlautere geschäftliche Handlung dar.
Gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann, wer eine nach § 3 UWG unzulässige Handlung vornimmt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht dabei bereits, wenn eine derartige Zuwiderhandlung droht, § 8 Abs. 1 S. 2 UWG. § 3 Abs. 1 UWG bestimmt, dass unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind.
1.
Es handelt sich bei der Vereinbarung von Vertragsbedingungen um eine geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Dies ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Das Treffen einer Zahlungsvereinbarung hängt mit der Durchführung des Behandlungsvertrages objektiv zusammen. Es ist objektiv darauf gerichtet, die Entscheidung des Marktpartners „ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will" zu beeinflussen. Ob der Beklagte zudem das Ziel verfolgt, den eigenen Absatz am Markt zu fördern und ob die Maßnahme hierzu geeignet ist, ist unerheblich (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. 2016, § 2 Rn. 50).
2.
Die Verwendung der Klausel zu a) als allgemeine Geschäftsbedingung ist unlauter im Sinne des § 3a UWG.
a)
Der Beklagte stellt die streitgegenständlichen Formulierungen seinen Patienten als allgemeine Geschäftsbedingungen.
Er trägt hierzu vor, die Formulierungen dienten der Dokumentation von vertraglichen Vereinbarungen in einer Vielzahl von Fällen. Dies setzt voraus, dass der Beklagte die Vereinbarungen entsprechend der im Voraus erstellten Formulierungen in einer Vielzahl von Fällen inhaltsgleich - bis auf die auszufüllenden Lücken - trifft. Dass der Text Lücken enthält, lässt dessen Charakter einer vorformulierten Vertragsbedingung nicht insgesamt entfallen.
Bei einer Kombination von mehreren vorformulierten Regelungsalternativen mit einem Leerraum, der individuell ausgefüllt werden kann, handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn die vorformulierten Alternativen im Vordergrund stehen und die individuelle Wahlmöglichkeit überlagern. Klauseln mit ausfüllungsbedürftigen Leerräumen sind AGB, wenn es um unselbständige Ergänzungen, wie etwa die Einfügung von Namen oder des Vertragsobjektes geht (Grüneberg in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 305 Rn. 8). Eine unselbständige Ergänzung liegt vor, wenn die betreffende Klausel erst durch die Ausfüllung der Leerstelle einen Sinn erhält und wenn sich eine Unangemessenheit der Regelung im Sinne des § 307 ff. - unabhängig vom Inhalt der Ergänzung - nur aus dem vorformulierten Teil der Klausel ergeben kann (Basedow in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2016, § 305 Rn. 15).
Vorliegend stehen die vorformulierten Bedingungen im Vordergrund. Allein aus der Vereinbarung, das Honorar vollständig im Voraus zu zahlen, kann sich auch bereits - unabhängig von den noch hinzuzufügenden Zahlen - eine unangemessene Benachteiligung ergeben.
Den Nachweis, dass der Beklagte die Vertragsbedingungen individuell mit den Patienten aushandelt, hat dieser nicht erbracht. Die Beweislast hierfür obliegt ihm (vgl. Basedow a. a. O. § 305 Rn. 45). Ob es auch Fälle gibt, in welchen der Beklagte die streitgegenständlichen Vereinbarungen nicht verwendet - wofür er Beweis angeboten hat - kann dahinstehen, denn daraus ergibt sich nicht, dass der Beklagte die Formulierungen in den Fällen, in welchen er sie vereinbart, mit den Patienten frei aushandelt.
b)
Die Verwendung der Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unlauter. Sie verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.
Es handelt sich bei den §§ 307 ff. BGB ihrem Schutzzweck nach um Marktverhaltensregeln im Interesse der Marktteilnehmer (vgl. BGH NJW 2013, 219). § 307 BGB ist als Marktverhaltensregel heranzuziehen. Dem steht die europäische Richtline 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nicht entgegen. Unionsrechtskonforme nationale Regelungen, die von dem Anwendungsbereich der Richtlinie unberührt bleiben, sind als Marktverhaltensregeln heranzuziehen (vgl. BGH Urteil vom 12.02.2015, Az.: I ZR 213/13, recherchiert unter: BeckRS 2015, 12160 zu § 1 HWG).
§ 307 BGB ist eine unionrechtskonforme nationale Vorschrift, die dem Anwendungsbereich der Richtlinie nicht unterfällt. Das von § 307 BGB geregelte Vertragsrecht ist gemäß Art. 3 Abs. 2 UGP- Richtlinie von dieser nicht umfasst (vgl. BGH NJW 2013, 219).
c)
Die streitgegenständliche Klausel zu a) verstößt gegen § 307 BGB. Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Die Klausel weicht von dem gesetzlichen Leitbild ab. Im Rahmen des Dienstleistungsvertrages ist gemäß § 614 BGB und im Rahmen des Zahnarztvertrages speziell gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ die Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten geregelt. Hierbei handelt es sich um ein gesetzliches Leitbild des Dienstvertrages (vgl. OLG Dresden, Schlussurteil vom 19.08.2014, Az.: 14 U 603/14, recherchiert unter: BeckRS 2014, 18215 - zu § 614 BGB; LG Hamburg Urteil vom 17.07.2009, Az.: 3240 1041/08, recherchiert unter: BeckRS 2009,21897 - zu § 614 BGB). In Abweichung hiervon wird durch die Klausel die vollständige Vorleistungspflicht des Patienten geregelt.
Soweit eine gesetzliche Regelung nicht lediglich eine reine Zweckmäßigkeitsregelung, sondern ein Gerechtigkeitsgebot darstellt, kann von ihr dann durch AGB abgewichen werden, wenn dafür besondere Gründe vorliegen. Bei dieser Prüfung dient der „Gerechtigkeitsgehalt der gesetzlichen Regelung als Richtschnur". Daher ist umso strenger zu verfahren, je stärker der Gerechtigkeitsgehalt der verdrängten dispositiven Norm ist (vgl. Wurmnest in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2016, § 307 Rn. 66).
Bei der Prüfung der Klausel ist von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages auszugehen. Ihr Inhalt ist vor dem Hintergrund der übrigen vertraglichen Regelungen auszulegen und zu bewerten. Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Ermittlung und einer - an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten - Abwägung der beiderseitigen typischen Interessen der Parteien unter Einbeziehung der Art des konkreten Vertrages, der Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und der sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien (BGH NJW 2010). Unangemessen ist eine sich im Vergleich zum dispositiven Gesetzesrecht ergebende Benachteiligung dann, wenn der AGB-Verwender durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich seine eigenen Interessen auf Kosten seiner Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne dabei auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich vorzusehen (BGH NJW 2010,57).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist die von dem Beklagten verwendete Klausel, nach welcher der Patient das gesamte Honorar als Vorschuss zahlt, unwirksam. Die Klausel stellt eine Verkehrung des gesetzlichen Leitbildes in sein Gegenteil dar. Die Position des Patienten verschlechtert sich durch die Vereinbarung in. tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht erheblich. Durch die einmalige Vorauszahlung wird dem Patienten über die gesamte Behandlungsdauer das Insolvenzrisiko des Beklagten übertragen. Zudem ist der Patient im Falle von Leistungsstörungen gehalten, seine Rechte aktiv geltend zu machen, da eine Aufrechnung gegen Zahlungsansprüche des Beklagten beziehungsweise die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts aufgrund der bereits erfolgten vollständigen Zahlung ausscheiden. Auch ein von einem Patienten gewünschter Behandlungsabbruch wird in tatsächlicher Hinsicht durch die Hemmnis erschwert, bereits geleistete Zahlungen von dem Beklagten zurück fordern zu müssen. Diesen Belangen des Patienten steht kein schützenswertes Interesse des Beklagten entgegen. Zwar hat der Beklagte Interesse daran, das Insolvenzrisiko seiner Patienten nicht über die Dauer der Behandlung tragen zu müssen. Diesem kann jedoch auch durch die Vereinbarung von Ratenzahlungen Rechnung getragen werden.
Es ist zudem zu berücksichtigen, dass zwischen dem Beklagten und seinem Patienten keine gleichberechtigte Verhandlungssituation besteht. Typischerweise ist ein Patient aufgrund einer Überweisung durch einen Zahnarzt zu dem Kieferorthopäden gekommen. Nachdem der Beklagte festgestellt hat, welche Maßnahmen erforderlich sind und ein Heil- und Kostenplan erstellt worden ist, soll sodann eine Vereinbarung über die Zahlung des Honorars getroffen werden. Hierbei handelt es sich nicht um eine typische Verhandlungssituation. Es besteht die Gefahr, dass ein Patient der Klausel nur aufgrund des Über-Unterordnungsverhältnisses zwischen Patient und Arzt zustimmt und hiermit Folgen in Kauf nimmt, deren Auswirkungen er nicht vollständig überblickt, um das Vertrauensverhältnis zu dem ihn behandelnden Beklagten nicht zu belasten.
3.
Nichts anderes ergibt sich für die Vereinbarung der vollständigen Vorauszahlung im Rahmen von Individualverträgen. Diese stellt einen Verstoß gegen § 10 GOZ i. V. m. §§ 242, 138 BGB dar.
a)
Bei § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, welche im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regelt.
§ 10 Abs. 1 S. 1 GOZ regelt, dass die Vergütung des Zahnarztes erst fällig wird, wenn eine den Voraussetzungen entsprechende Rechnung erteilt worden ist. Die Regelung dessen, wann der Zahnarzt seinen Honoraranspruch geltend machen kann, stellt eine Regelung der Durchführung des Vertrages dar, die eine Außenwirkung auf dem Markt hat.
Die Vorschrift dient dem Patientenschutz. Zweck der Regelung ist es, das Informationsinteresse der Verbraucher vor der Honorarzahlung zu schützen.
Die Regelung des aktuellen § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ entspricht der Regelung, welche nach der Novellierung der GOZ 1988 Gültigkeit hatte. Ein wesentliches Ziel dieser Novellierung war es, die Nachprüfbarkeit der Zahnarztrechnung für den Patienten zu verbessern. Die Gebührenordnung für Zahnärzte 1965 enthielt keine Vorschriften über die inhaltlichen Anforderungen an die Rechnung. Die Rechtsprechung verlangte jedoch auch bei Zahnarztrechnungen für den Patienten nachprüfbare Angaben (vgl. amtliche Begründung der Bundesregierung zum Verordnungsentwurf aus der Bundestagsdrucksache 276/87). Dementsprechend hat der Verordnungsgeber die inhaltlichen Anforderungen an die zahnärztliche Rechnung geregelt, die weitgehend den Vorschriften für Ärzte nachgebildet worden sind (vgl. Lieber in NJW 1988, 742). In der GOÄ war erstmals 1982 die Fälligkeit und Abrechnung ärztlicher Honoraransprüche geregelt worden. Der Verordnungsgeber wollte mit der Neuregelung auch dort eine größere Transparenz der ärztlichen Rechnungen für den Zahlungspflichtigen erreichen und damit einen Beitrag zum Verbraucherschutz leisten (vgl. BGH NJW- RR 2007,494 m. w. N).
§ 10 GOZ ist als Marktverhaltensregel auch heranzuziehen. § 10 GOZ ist eine unionrechtskonforme Regelung des nationalen Rechts, welche nicht in den Anwendungsbereich der UPG-Richtlinie fällt. Wie bereits erörtert bleibt das Vertragsrecht von der Richtlinie unberührt. Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG, die sich auf den Abschluss und den Inhalt von Verträgen beziehen, stehen daher grundsätzlich im Einklang mit der UGP-RL. (vgl. Köhler a. a. O. § 3a Rn. 1.22). Zudem können gemäß Art. 3 VIII UGP-RL die Mitgliedstaaten für reglementierte Berufe i. S. v. Art. 2 lit. I UGP-RL Vorschriften beibehalten oder schaffen, um strengere Integritätsstandards zu gewährleisten, die die Mitgliedstaaten den in solchen Berufen tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können. Der Beruf des Zahnarztes ist ein solcher reglementierter Beruf, dessen Aufnahme und Ausübung an gesetzlich geregelte Berufsqualifikationen gebunden ist.
b)
Die streitgegenständliche Formulierung zu a) verstößt gegen § 10 GOZ i. V. m. §§ 242, 138 BGB.
Wenn der Beklagte die Klauseln - wie von ihm vorgetragen - in Individualverträgen vereinbart, so ändert dies gegenüber der Verwendung in allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts an der besonderen Schutzwürdigkeit des Patienten. Diese besteht aufgrund der ungleichen Verhandlungspositionen bei dem Vertragsschluss. Wie bereits dargestellt, befindet sich der Patient in einer gegenüber dem Zahnarzt untergeordneten Position. Zwischen dem behandelnden Zahnarzt und dem Patienten besteht eine massiv ungleiche Verhandlungsstärke. Es besteht daher das Risiko, dass der Patient vertraglichen Vereinbarungen zustimmt, deren Tragweite er gegebenenfalls nicht, überschaut, um das Vertrauensverhältnis zu dem Arzt nicht zu gefährden. Aufgrund dieses Über¬Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Arzt und dem Patienten besteht ein Schutzbedürfnis zu Gunsten des Patienten. Dem trägt § 10 Abs. 1 GOZ Rechnung. Über die im Dienstleistungsvertrag ohnehin bestehende Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten hinaus verschafft die Rechnungslegung vor der Fälligkeit des Zahnarzthonorars für 'den Patienten zusätzlich Transparenz. Von diesem durch § 10 Abs. 1 GOZ sichergestellten Schutz kann nicht in dem von dem Beklagten vorgenommenen Maße abgewichen werden. Die Vereinbarung der vollständigen Vorauszahlung stellt eine unbillige Benachteiligung des Patienten dar. Sie ist für ihn - wie bereits im einzelnen dargestellt - grob nachteilig. Ein schutzwürdiges Interesse des Beklagten steht dem nicht entgegen. Das ihm obliegende Insolvenzrisiko des Patienten kann durch eine Ratenzahlungsvereinbarung mit weniger erheblichen Nachteilen für den Patienten ausgeglichen werden.
4.
Das Verhalten des Klägers ist auch geeignet, eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher hervorzurufen. Diese ist durch den Verstoß gegen die Marktverhaltensregel indiziert (vgl. Köhler a. a. O § 3a Rn. 1.112).
5.
Eine Wiederholungsgefahr ist ebenfalls gegeben, Der Beklagte beabsichtigt, die streitgegenständliche Formulierung weiterhin zu verwenden.
III.
Ein Anspruch, die Verwendung der Formulierung zu b), mit welcher ratenweise Vorauszahlungen vereinbart werden, zu unterlassen, besteht demgegenüber nicht.
Die Vereinbarung von monatlichen Voraus- und Ratenzahlungen verstößt nicht gegen § 10 Abs. 1 GOZ oder § 307 BGB.
Eine Abweichung von § 10 Abs. 1 GOZ ist sowohl im Rahmen von individuellen Vertragsvereinbarungen als auch im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig.
Die Vorschrift ist nicht ausnahmslos indisponibel.
Eine ausdrückliche Regelung dazu, ob es sich bei § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ um eine zwingende oder eine disponible Vorschrift handelt, liegt nicht vor. Aus den weiteren Bestimmungen der GOZ ergibt sich nicht, dass es sich um eine Vorschrift handelt, von welcher bei der sachgerechten Verfolgung berechtigter Interessen nicht abgewichen werden kann.
§ 10 Abs. 1 S. 1 GOZ ist lex specialis zu § 614 BGB, welcher die Fälligkeit der Vergütung im Dienstleistungsvertrag regelt. Bei diesem handelt es sich um eine disponible Vorschrift (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 614 Rn. 3). Zwar bestehen für andere freie Berufe ausdrückliche Regelungen. welche die Vereinbarung von Vorschüssen erlauben, so zum Beispiel § 9 RVG. Aus der Tatsache, dass eine entsprechende Regelung in die GOZ nicht aufgenommen wurde, lässt sich jedoch nicht zwingend schließen, dass ein indisponibler Charakter der Vorschrift durch den Verordnungsgeber gewollt war. In der amtlichen Begründung der GOZ 1988 ist die Frage, ob § 10 GOZ abdingbar sein sollte, nicht angesprochen worden (vgl. amtliche Begründung der Bundesregierung. zum Verordnungsentwurf aus der Bundestagsdrucksache 276/87).
Auch aus den übrigen Regelungen der GOZ lässt sich ein Rückschluss auf die Indisponibilität der Vorschrift nicht ziehen.
Aus § 10 Abs. 5 GOZ, der eine ausdrückliche Erlaubnis dafür enthält, mit öffentlich-rechtlichen Kostenträgern eine von § 10 Absätzen 1-4 GOZ abweichende Vereinbarung zu treffen, kann nicht gefolgert werden. dass abweichende Vereinbarungen im Übrigen unzulässig sein sollen (so: Lieber, Die neue Gebührenordnung, NJW 1988, 742). Denn aus der amtlichen Begründung ergibt sich, dass die Regelung des § 10 Abs. 5 GOZ den Zweck hatte, das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen (vgl. amtliche Begründung a. a. O.). Die Absicht, eine generelle Unzulässigkeit von Vereinbarungen über Vorschusszahlungen im Übrigen zu begründen, kann der Regelung nicht entnommen werden.
Ebenso kann der Rückschluss nicht aus § 2 Abs. 1 GOZ erfolgen. Dieser enthält eine ausdrückliche Erlaubnis dahingehend, von der GOZ abweichende Vereinbarungen über die Gebührenhöhe zu treffen. Auch aus der insoweit ausdrücklich erklärten Erlaubnis lässt sich jedoch ein Verbot von Abweichungen von den Regelungen der GOZ im Übrigen nicht herleiten. Es war, wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt, wichtigstes Ziel der Reform der GOZ 1988, das Gebührenrecht zu reformieren. Insoweit ist erklärlich, dass diesbezüglich konkrete ausdrückliche Regelungen über die Möglichkeit von vertraglichen Vereinbarungen getroffen wurden, dies in anderen Bereichen jedoch nicht der Fall war, ohne dass mit deren Fehlen die Nichtzulässigkeit von Vorschusszahlungen bezweckt war.
Zudem spricht die hohe Regelungsdichte der GOZ im Übrigen gegen die Annahme zwingenden Rechts. Denn die hohe Regelungsgenauigkeit im Übrigen spricht dafür, dass auch ein Verbot von § 10 Abs. 1. S. 1 GOZ abzuweichen normiert worden wäre (vgl. Kern, Arzt und Vorschuss?, GesundheitsRecht, 2007, 241 zu der GOÄ).
Anders als die Vereinbarung der vollständigen Zahlung im Voraus stellen die Ratenzahlungen keine unangemessene Benachteiligung des Patienten dar. Für die Klausel spricht der sachliche Grund, den Patienten nicht mit variierenden in Teilabschnitten der Behandlung hohen Kosten zu belasten, sondern ihm eine gleichmäßige Bezahlung der Leistungen des Beklagten zu ermöglichen. Dies macht die finanzielle Belastung für den Patienten besser planbar. Dem Patienten wird durch die Regelung nicht über den gesamten Behandlungsverlauf das vollständige Insolvenzrisiko des Zahnarztes aufgebürdet. Zwar ist auch bei dieser Formulierung die Transparenz dadurch eingeschränkt, dass der Patient vor der Zahlung keine überprüfbare Rechnung erhält, es handelt sich insgesamt jedoch um eine noch sachgerechte Zwischenlösung, die die Interessen des Beklagten und der Patienten ausreichend berücksichtigt.
IV.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte es zu unterlassen hat, mit den streitgegenständlichen Formulierungen zu werben. Eine Begehungs- bzw. Wiederholungsgefahr ist nicht gegeben. Es ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass der Beklagte dies getan hat oder beabsichtigt.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1,709 ZPO.