Verjährung von Schadensersatzansprüchen bei Behandlungsfehler - Kenntnis des Patienten

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig  | Aktenzeichen: 9 U 31/19 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Schadenersatzrecht , Sonstiges

Beschlusstext:

 

Tenor


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 3.4.2019 – 4 O 117/18 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
Das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Braunschweig ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe


I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht für weitere materielle und immaterielle Schäden wegen einer behauptet fehlerhaften Behandlung während ihrer Erstversorgung und anschließenden ambulanten Behandlung von Verbrühungen und Verbrennungen im Klinikum der Beklagten in der Zeit vom 30.5.2013 bis zum 4.7.2013 in W..


Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche abgewiesen. Wegen der Begründung sowie wegen des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (LGU Seite 2-8 = Bl. 47 - 53 d.A.) Bezug genommen.


Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.4.2019 zugestellte (Bl. 62 d.A.) Urteil hat die Klägerin mit dem am 8.5.2019 bei Gericht eingegangenen (Bl. 66, 68 d.A.) Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tage Berufung eingelegt. Innerhalb der zweimal beantragten (Bl. 76, 79 f. d.A.) und jeweils, zuletzt bis zum 23.8.2019 (Bl. 77, 85 d.A.) verlängerten Frist hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 23.8.2019 (Bl. 88 ff., 94 ff. d.A.) mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufungsbegründung eingereicht. Darin verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel in vollem Umfang weiter.


Das Landgericht habe die Verjährungsvorschriften §§ 195 ff. BGB rechtsfehlerhaft angewandt. Es sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB mit dem Zugang der Behandlungsunterlagen zu laufen begonnen habe.


Nach Auffassung der Klägerin setze der Beginn der Verjährung Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen voraus. Diese Kenntnis sei erst dann vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichten, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens als naheliegend erscheinen zu lassen. Insofern sei nicht die Kenntnis des Gesundheitsschadens, sondern vielmehr die Kenntnis des Behandlungsfehlers maßgeblich für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB. Für die Bejahung einer Kenntnis von einem ärztlichen Behandlungsfehler müssten nicht nur die Umstände des Behandlungsverlaufes bekannt sein, sondern auch die Tatsachen, aus denen sich für den medizinischen Laien ergebe, dass der Behandler von dem üblichen medizinischen Vorgehen abgewichen sei oder Maßnahmen nicht getroffen habe, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich seien. Dabei führe allein der negative Ausgang der Behandlung ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für ein behandlungsfehlerhaftes Geschehen nicht zu der erforderlichen Kenntnis. Wegen der Komplexität medizinischer Vorgänge sei für die Erlangung der erforderlichen Kenntnis gemäß § 199 Abs. 1 BGB zwingend das Vorliegen einer ärztlichen sachverständigen Meinung (MDK-, Privat-, Schlichtungsgutachten o.ä.) erforderlich. Die Abweichung von ärztlichen Standards könne weder von der Geschädigten noch von einem beauftragten Rechtsanwalt ohne fundierte ärztliche Kenntnisse erkannt werden. Grob fahrlässige Unkenntnis vom Behandlungsfehler setze die Verletzung der im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem nach den gesamten Umständen ungewöhnlich hohem bzw. groben Maß voraus. Dabei müssten aber wegen der Mehrdeutigkeit von Krankheitssymptomen und Befunden für jeden Behandlungsfehler abhängig von der Schwere und Offenkundigkeit des Fehlers eigene Maßstäbe gelten. Die Frage der Qualifizierung und des Managements der Brandverletzungen sowie des dafür geforderten Behandlungskonzeptes der Klägerin sei eine derart schwierige fachmedizinische Frage, dass keinesfalls von einer Offenkundigkeit ärztlichen Fehlverhaltens auszugehen sei. Eine Vermutung des Patienten auf Geratewohl ohne fachliche Grundlage könne keine grob fahrlässige Unkenntnis begründen. Auch ein Anspruchsschreiben eines Rechtsanwaltes ohne gutachterlichen Hintergrund sei abgesehen von Fällen offensichtlich grober Behandlungsfehler immer eine Behauptung ins Blaue hinein, die keine grob fahrlässige Unkenntnis begründe. Ohne den entsprechenden Facharztstandard könne ein Rechtsanwalt nicht wissen, ob ein Behandlungsfehler vorliege oder nicht. Daher könne man frühestens nach Einholung eines fachmedizinischen Gutachtens von verjährungsbeginnender Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässiger Unkenntnis ausgehen. Die Berufung bezieht sich insoweit auf einen Aufsatz von Ziegler/Oynar („Der Beginn der Verjährung im Arzthaftungsrecht“, NJW 2017, 2438 ff.).


Die Klägerin rügt ferner als Fehler bei der Tatsachenfeststellung, dass das Landgericht nicht schon zu der Frage des Verjährungsbeginns ein fachmedizinisches Gutachten zur Klärung des Vorliegens eines Behandlungsfehlers eingeholt habe.


Die Klägerin kündigt an zu beantragen,
unter Abänderung des am 3.4.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Braunschweig – 4 O 117/18 –


1. 
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 18.000,00 EUR betragen sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 4.8.2015 zu zahlen,


2. 
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Behandlung im Klinikum W. am 30.5.2013 entstanden sind sowie zukünftig noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind oder übergehen,

3. 
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsklägerin 852,04 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.


Die Beklagte kündigt an zu beantragen,


die Berufung zurückzuweisen.


Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Es sei schon nicht erkennbar, ob und ggf. welche weiterführenden Erkenntnisse die Klägerin in der Zeit vom Zurverfügungstellung der Behandlungsdokumentation im Februar 2014 bis zum Absetzen des Anspruchsschreibens vom 24.3.2015 erlangt habe. Hierfür trage die Klägerin die sekundäre Darlegungslast. Mangels dargelegter weitergehender Erkenntnisse sei der Kenntnisstand der Klägerin im Februar 2014 mit dem im März 2015 gleichzusetzen, so dass bereits im Jahr 2014 die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis vorgelegen habe.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung vom 23.8.2019 (Bl. 94 - 99 d.A.) und die Berufungserwiderung vom 2.12.2019 (Bl. 110 - 113 d.A.) verwiesen.


Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 15.1.2020 (Bl. 115ff. d.A.) seine Absicht angekündigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. In der dazu der Klägerin bis zum 24.2.2020 gesetzten Frist zur etwaigen Stellungnahme oder Berufungsrücknahme und auch bis zur Fassung dieses Beschlusses ist keine Stellungnahme oder Rücknahmeerklärung eingegangen.


II.
Die Berufung der Klägerin war durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).


Das angefochtene Urteil (Bl. 46 ff. d.A.) erweist sich auch gemessen an den Ausführungen in der Berufungsbegründung (Bl. 94 ff. d.A.) als zutreffend.


Die Rügen der Berufung greifen nicht durch:


Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Ansprüche der Klägerin im Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 5.6.2018 (Bl. 12R d.A.) bereits gemäß §§ 214 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verjährt waren und damit nicht mehr durchsetzbar sind.


Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die geltend gemachten Ansprüche aus Pflichtverletzungen des mit der Beklagten zustande gekommenen Behandlungsvertrags gem. §§ 280 Abs. 1, 630a BGB oder aus § 823 Abs. 1 BGB innerhalb von drei Jahren gem. § 195 BGB verjähren. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben (Klagerwiderung vom 31.7.2018, Bl. 28 d.A.).
Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die dreijährige Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2014 begonnen hat. Bei der Klägerin ist unter Beachtung der von der Rechtsprechung zur Kenntnis gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB entwickelten Grundsätze (dazu unter 1.) von einer zurechenbaren grob fahrlässigen Unkenntnis sowohl von den behaupteten Behandlungsfehlern unmittelbar als auch von einem kausal darauf beruhenden Gesundheitsschaden nach Abschluss der Behandlung (dazu unter 2.) sowie von den behaupteten Aufklärungsmängeln (dazu unter 3.) auszugehen. Der Ablauf der Verjährung ist nicht in ausreichendem Umfang gehemmt worden (dazu unter 4.). Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war und ist weder erforderlich noch geboten (dazu unter 5.).


1.
Um Kenntnis gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Bezug auf einen Behandlungsfehler annehmen zu können, müssen dem Patienten diejenigen Behandlungstatsachen positiv bekannt geworden sein, die – mit Blick auf den Behandlungsfehler – ein ärztliches Fehlverhalten und – mit Blick auf die Schadenskausalität – eine ursächliche Verknüpfung der Schadensfolge mit dem Behandlungsfehler bei objektiver Betrachtung nahelegen. Seine Kenntnis muss sich auf die Grundzüge erstrecken, nicht auf medizinische Details. Dies setzt ein Grundwissen über den konkreten Behandlungsverlauf voraus, zu dem neben der Kenntnis der gewählten Therapiemethode gehört, dass der Patient die wesentlichen Umstände des konkreten Behandlungsverlaufs positiv kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, z. B. Tatbestand und Art des Eintretens von Komplikationen, die zu ihrer Beherrschung getroffenen ärztlichen Maßnahmen etc. (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99 = BGHZ 145, 358-366, Rn. 11; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 5. Juni 2012 – 4 U 159/11, Rn. 37, jeweils juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, Kap. D, Rn. 4 S. 349).


Eine derartige Kenntnis liegt – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – nicht schon vor, wenn dem Patienten lediglich der negative Ausgang der ärztlichen Behandlung bekannt ist. Er muss vielmehr auch auf einen ärztlichen Behandlungsfehler als Ursache dieses Misserfolges schließen können. Dazu muss der Patient nicht nur die wesentlichen Umstände des Behandlungsverlaufs kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn als medizinischen Laien ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen medizinischen Vorgehen, dem ärztlichen Standard, abgewichen ist bzw. Maßnahmen nicht getroffen hat, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären (BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15 – Rn.13; vom 10. November 2009 – VI ZR 247/08, Rn. 6; vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99 = BGHZ 145, 358-366, Rn. 11; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 5. Juni 2012 – 4 U 159/11 –, Rn. 37, jeweils juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Kap. D, Rn. 4 S. 349). Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn die dem Anspruchsteller bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15, Rn.13; vom 10. November 2009 – VI ZR 247/08, Rn. 6, jeweils juris).
Nicht zum für die Kenntniserlangung erforderlichen Grundwissen des Patienten gehört indes die wertende Kenntnis der Abweichung vom ärztlichen Standard. Ausreichend ist vielmehr die positive Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) der Tatsachen, aus denen der Patient mit einer Parallelwertung in der Sphäre des medizinischen Laien erkennen kann, dass eine Abweichung vom medizinischen Standard vorlag, die zum Schaden geführt hat (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 12 U 30/10, Rn. 17, juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, Kap. D, Rn. 6 und 8, S. 350 ff.). Für den Verjährungsbeginn ist nicht erforderlich, dass der Patient aus den ihm bekannten anspruchsbegründenden Tatsachen in seiner subjektiv-persönlichen Wertungsebene zutreffende medizinische und rechtliche Schlussfolgerungen zieht. Deshalb ist es unerheblich, ob der Patient über das tatsächliche Behandlungsgrundwissen hinaus subjektiv die Gewissheit oder den Verdacht eines Behandlungsfehlers oder einer ursächlichen Schadensverknüpfung gewinnt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, Kap. D, Rn. 5 S. 350; OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.5.2016 – 1 U 121/15, Rn. 29f., juris). Insoweit ist es auch nicht erforderlich, dass der Patient alle Einzelumstände und die Entwicklung des Schadensverlaufs überblickt. Es ist vielmehr ausreichend, wenn sich die Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis auf das haftungsbegründende Geschehen (sog. Primärschaden) bezieht (Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht 6. Auflage, Rn. 239). Wenn etwaige Folgeschäden in medizinischen Fachkreisen schon anfänglich voraussehbar waren, bezieht sich die Verjährung auch auf diese unabhängig von der Kenntnis des Patienten von diesen Folgeschäden. Es muss dem Patienten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm oder seinen Vertretern hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Feststellungsklage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko (BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15, Rn. 11; vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, Rn. 6; vom 20. September 1983 – VI ZR 35/82, Rn. 10; vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, Rn. 11; vom 10. November 2009 – VI ZR 247/08, Rn. 14, jeweils juris; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 6. Auflage, Rn. 242).


Der positiven Kenntnis des Geschädigten ist die grob fahrlässige Unkenntnis gleichgestellt (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Kap. D, Rn. 8, S. 352). Grob fahrlässig handelt der Gläubiger, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem bzw. groben Maß verletzt und unbeachtet lässt, was jedem Angehörigen der jeweiligen Verkehrskreise in der jeweiligen Situation hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 17.4.2012 – VI ZR 108/11 Rn. 18; vom 10. Februar 2009 – VI ZR 28/08, Rn. 34; vom 17. Februar 2009 – VI ZR 86/08, Rn. 10; vom 10. November 2009 – VI ZR 247/08, Rn. 13, jeweils juris). Insoweit muss der Geschädigte keine Informationen suchen, aber seine vorhandenen Informationen auswerten. Kennt der Geschädigte Tatsachen, die ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Schädigers und die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden als naheliegend erscheinen zu lassen und fehlen ihm lediglich die Fachkenntnisse für deren zutreffende rechtliche Würdigung, entschuldigt ihn das nicht (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Kap. D, Rn. 8 S. 353; vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.5.2016 – 1 U 121/15, Rn. 30).


Die von der Berufung zitierte Literaturmeinung (Ziegler/Oynar, NJW 2017, 2438) hat zu Recht in der Rechtsprechung keine Stütze gefunden. Hat ein Kläger bzw. sein Bevollmächtigter bereits die naheliegende Erkenntnismöglichkeit aus ihm vorliegenden Informationen oder sogar schon die gebildete Überzeugung, ein bestimmter Behandlungs- oder Risikoaufklärungsfehler liege schadenskausal vor, kommt es auf besonderes Fachwissen nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2019 – III ZR 227/18, Rn. 16, juris).


Die von Ziegler/Oynar (a.a.O., S. 2442.) vertretene Auffassung, dass „ohne positives, einen Behandlungsfehler bejahendes Gutachten nichts läuft, regelmäßig auch nicht die Verjährung“, ist nicht überzeugend. Sie ist ohnehin auch nach der Darstellung der Autoren (a.a.O.) nicht geltendes Recht, sondern nur ein Postulat. Dessen vermeintliche Berechtigung leiten die Verfasser daraus ab, dass statistisch die Gewinnquote aller Zivilprozesse in Deutschland von 52% in Arzthaftungsprozesse nicht erreicht werde (38%). Die von den Autoren dafür herangezogenen Prozentzahlen beruhen einerseits (52%) auf einer Auskunft des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1997 (a.a.O., Fn. 44), andererseits auf einer Erhebung eines einzigen Landgerichts aus dem Jahr 2010 (a.a.O. Fn. 1) und können schon deshalb nicht ohne Weiteres in Bezug gesetzt werden. Entscheidender aber ist, dass bereits kein verfahrensrechtlicher Anspruch besteht, dass alle Klagen, egal welchem Lebensbereich sie im Einzelfall entstammen, dem durchschnittlichen Prozessrisiko anzugleichen sind. Auch unter dem für den Patienten im Arzthaftungsprozess gelockerten Beibringungsgrundsatz ist es mithin nicht gerechtfertigt, den Kläger im Falle einer ihm bzw. seinem Bevollmächtigten bereits naheliegend möglichen Erkenntnis oder sogar schon gebildeten Überzeugung, ein bestimmter Behandlungs- oder Risikoaufklärungsfehler liege schadenskausal vor, insbesondere verjährungsrechtlich gegenüber Klägern in anderen Verfahren zu privilegieren. Spricht der Rechtsanwalt des Patienten in einem Forderungsschreiben bereits hinreichend deutlich an, dass ein Behandlungsfehler vorliege, ist regelmäßig die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, Rn. 12f., juris). Dafür ist zusätzlich ein Gutachten nicht erforderlich (vgl. BGH a.a.O., Rn. 14), weil der Verjährungsbeginn keineswegs voraussetzt, dass der Geschädigte bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand hat, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos zu führen (BGH a.a.O.).


2.
Nach diesen Grundsätzen ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Verjährung für die geltend gemachten Ansprüche mit Ablauf des 31.12.2014 begonnen hat.


a)
Spätestens mit Übersendung der Behandlungsunterlagen an den Klägervertreter mit Schreiben vom 4.2.2014 (Anlage K10 Anlagenband Klägerin) durch die Beklagte lagen sämtliche Unterlagen, um etwaige Behandlungsversäumnisse der Beklagten erkennen zu können, im Verantwortungsbereich der Klägerin vor. Dadurch, dass die ihr möglichen Erkenntnisse nicht bzw. nicht frühzeitiger aus den ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen gezogen wurden, handelte die Klägerin beziehungsweise ihr Rechtsanwalt grob fahrlässig. Etwaig überschießende Erkenntnismöglichkeiten ihres Rechtsanwaltes muss sich die Klägerin zurechnen lassen (dazu unter b) ).


Spätestens aus den übersandten Behandlungsunterlagen (u. a. Anlage K2 bis K5 Anlagenband Klägerin) ergaben sich für die Klägerin neben den wesentlichen Umständen des Behandlungsverlaufs auch solche Tatsachen, aus denen sich für sie als medizinischen Laien ergibt, ob die behandelnden Ärzte – so wie von der Klägerin behauptet – von dem üblichen medizinischen Vorgehen, dem ärztlichen Standard, abgewichen sind bzw. Maßnahmen nicht getroffen haben, die nach dem ärztlichen Standard zur Vermeidung oder Beherrschung von Komplikationen erforderlich gewesen wären. Der mit der Klagschrift erhobene Vorwurf der Klägerin gegenüber den Behandelnden, dass sie entgegen dem angezeigten ärztlichen Standard für die bei der Klägerin zu behandelnden Verletzungen nicht sofort bei der ersten Vorstellung im Klinikum der Beklagten stationär aufgenommen wurde und in die Verbrennungsintensivstation zur fachgerechten Wundversorgung verlegt wurde, war ohne weiteres aus den übersandten Behandlungsunterlagen erkennbar. Zudem hat die Klägerin die fehlende stationäre Aufnahme und fehlende Überweisung in die Verbrennungsintensivstation in der Zeit vom 30.5.2013 bis zum 4.7.2013 auch unmittelbar miterlebt.


Im Zusammenhang mit den vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten (vgl. S. 5 der Klageschrift = Bl. 6 d.A.) Empfehlungen der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (Anlage K6 Anlagenband Klägerin) war es der Klägerin anhand der ihr bekannten Tatsachen möglich, mit einer Parallelwertung in der Sphäre des medizinischen Laien zu erkennen, dass ggf. die von ihr gerügte Abweichung vom medizinischen Standard vorlag, die zum Schaden geführt hat. Damit erschien der Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners und auf die Ursache dieses Verhaltens für den Schaden bereits als naheliegend. So ergibt sich aus den Behandlungsberichten der ZNA des Klinikums der Beklagten vom 30.5.2013, 1.6.2013 und 2.6.2013 (Anlagen K2, K3 und K4 Anlagenband Klägerin), dass die Klägerin jeweils in die hausärztliche Weiterbehandlung entlassen wurde und ihr nur ein täglicher Verbandswechsel empfohlen wurde. Erst im Behandlungsbericht der ZNA des Klinikums der Beklagten vom 4.7.2013 (Anlage K5 Anlagenband Klägerin) wurde ihr eine Vorstellung im Verbrennungszentrum Hannover für den nächsten Tag empfohlen. In den von der Klägerin herangezogenen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (Anlage K6 Anlagenband Klägerin) findet sich auf Seite 2 unter Ziffer 6 die Empfehlung Patienten mit Verbrennungen unter anderem an Gesicht/Hals, Händen und Füßen in ein Brandverletztenzentrum zu verlegen. Zwar erfordert die Beantwortung der Frage, ob die Lokalisation der Verbrühungen bei der Klägerin im ersten Behandlungsbericht vom 30.5.2013 unter Diagnose mit „Kopf, linkes Ohr, Nacken, beide Daumen sowie Zeige- und Mittelfinger links“ (Anlage K2 Anlagenband Klägerin) für den anzuwendenden Behandlungsstandard ohne weiteres gleichzusetzen ist mit der – zumindest sprachlich anders bezeichneten – Lokalisation in den vorbezeichneten Leitlinien mit „an Gesicht/Hals und Händen“ (Anlage K6 S. 2 6. Anlagenband Klägerin), eine gewisse Wertung. Gleichwohl drängt sich auch für den medizinischen Laien die Erkenntnis auf, dass eine Verbrennung am Nacken gleichzusetzen sein müsste mit einer Verbrennung am Hals und unter einer Verbrennung an den Händen naheliegend – weil schon sprachlich und denknotwendig – auch Verbrennungen an mehreren Fingern beider Hände fallen.


Ein sich Sich-Verschließen gegenüber diesen sich auch dem medizinischen Laien aufdrängenden Erkenntnissen lässt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem bzw. groben Maß unbeachtet. Auch unter Berücksichtigung der von der Berufung generell eingewandten Komplexität des menschlichen Körpers und der Erwägung, dass ein Ausbleiben des Erfolgs ärztlicher Maßnahmen grundsätzlich auch in der Eigenart der Erkrankung seinen Grund haben kann, hätten die vorstehend ausgeführten Erkenntnisse jedem Angehörigen des Verkehrskreises der Klägerin in derselben Situation einleuchten müssen. Dies gilt insbesondere für die auch schon zu diesem Zeitpunkt durch einen Fachanwalt für Medizinrecht beratene Klägerin.
Die gegenläufige Auffassung der Berufung, dass das für die Brandverletzungen der Klägerin zu fordernde Behandlungskonzept eine schwierige fachmedizinische Frage eröffne und infolgedessen mangels Offenkundigkeit der Behandlungsfehler noch nicht von einer fahrlässigen Unkenntnis auszugehen sei, ist verfehlt. Die wertende Kenntnis der Abweichung vom ärztlichen Standard gehört – ebenso wie das vollständige medizinische Verstehen des vorliegend angezeigten Behandlungskonzeptes – gerade nicht zum zur Kenntniserlangung erforderlichen Grundwissen des Patienten. Ausreichend ist vielmehr die positive Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) der Tatsachen, aus denen der Patient mit einer Parallelwertung in der Sphäre des medizinischen Laien erkennen kann, dass eine Abweichung vom medizinischen Standard vorlag, die zum Schaden geführt hat (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 12 U 30/10, Rn. 17, juris; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Kap. D, Rn. 6 und 8 S. 350ff.). Spätestens nach Übersendung der Behandlungsunterlagen im Jahr 2014 war es der Klägerin zumutbar, Feststellungsklage zu erheben, wenn auch mit verbleibendem Prozessrisiko. Dabei hätte es sich entgegen der Einschätzung der Klägerin auch nicht um eine bloße Behauptung ins Blaue hinein gehandelt. Die Klägerin hätte spätestens im Februar 2014 anhand der ihr vorliegenden Unterlagen alle anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person des Schuldners darlegen können. Inwieweit sich die behaupteten Behandlungsfehler dann in einem Gerichtsprozess am Ende bestätigt hätten, ist nur ein Umstand des zulässigerweise und verjährungsrechtlich unerheblich verbliebenen Prozessrisikos.
Für das Vorliegen einer grob fahrlässigen Unkenntnis bereits im Jahr 2014 spricht auch der Umstand, dass die Klägerin trotz der landgerichtlichen Hinweise (Vfg. v. 25.1.2019, Bl. 38, 39f. d.A.;

Sitzungsprotokoll v. 13.3.2019, Bl. 44 d.A.) in keiner Weise dargelegt hat, ob und ggf. wann sie welche weiteren Erkenntnisse sie im Zeitraum zwischen der Übersendung der Behandlungsunterlagen im Februar 2014 und dem Abfassen des ersten Anspruchsschreibens an die Beklagte am 24.3.2015 (Anlage K11 Anlagenband Klägerin) – welches in weiten Teilen mit der Klagschrift identisch ist – erlangt haben will. Auch im Rahmen der für Verjährungsumstände grundsätzlich bei der beklagten Partei liegenden Darlegungs- und Beweislast traf insoweit die Klägerin die sekundäre Darlegungslast, weil es sich ggf. um in ihrer Sphäre liegende Umstände handelte (vgl. BGH, Beschl. v. 15.12.2016 – IX ZR 224/15, Rn. 8; Urteil v. 17.4.2012 – VI ZR 108/11, Rn. 23). Die Empfehlungen der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin wären für die Klägerin bzw. ihrem Rechtsanwalt ab Februar 2014 ebenso mit den vorliegenden Behandlungsunterlagen abzugleichen und auszuwerten gewesen, wie sie dies im März 2015 waren. Die Auswertung erst 2015 vorzunehmen, ist als grob fahrlässig zu werten. Wenn ein Rechtsanwalt, insbesondere ein Fachanwalt für Medizinrecht, bereits Krankenunterlagen von einer Klinik aktiv angefordert hat, wie sich aus dem Übersendungsschreiben der Beklagten Anlage K10 ergibt, so würde dieser – jedem einleuchtend – bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die erhaltenen Krankenunterlagen auch auswerten und damit nicht Monate geschweige denn über ein Jahr zuwarten (vgl. OLG München, Urt. v. 20.4.2010 – 28 U 5125/09, Rn. 32, juris).


Diese Erwägungen gelten entsprechend für den weiteren behaupteten Behandlungsfehler einer fehlenden Schmerzmedikation. Die Klägerin wusste sogar bereits am 30.5.2013 und 1.6.2013 positiv, dass sie aufgrund der Verbrühungen ggf. große Schmerzen hatte und ihr – den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt – gleichwohl keine Schmerzmittel verordnet beziehungsweise verabreicht wurden. Die Wertung, dass dies einen Behandlungsfehler darstellen könnte, hätte die Klägerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bereits im Jahr 2013 vornehmen können und müssen. Insoweit liegt ebenfalls allerspätestens bei Bestätigung ihrer eigenen Wahrnehmungen anhand der übersandten Behandlungsunterlagen im Februar 2014 eine grob fahrlässige Unkenntnis von dem etwaigen Behandlungsfehler samt Kausalität für die Verletzung ihrer körperlichen Integrität vor. Die Schlussfolgerung, dass eine fehlende Schmerzmedikation bei verletzungsbedingt vorhandenen großen Schmerzen eine Abweichung von den üblichen ärztlichen Standards darstellt, ist jedem medizinischen Laien ohne Weiteres möglich.


b)
Die oben unter Ziffer 1 aufgeführten Grundsätze der vorwerfbaren fahrlässigen Unkenntnis sind auch auf Unkenntnisse des beauftragten Rechtsanwaltes anzuwenden. Nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zum so genannten Wissensvertreter entwickelt hat, muss sich derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Aufklärung eines Sachverhalts beauftragt hat (BGH Urteil vom 10. Oktober 2006 - VI ZR 74/05, Rn. 21; vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88, Rn. 12, jeweils juris). Wenn dem vom Patienten beauftragten Rechtsanwalt die Behandlungsunterlagen, aus denen alle erforderlichen Einzelheiten ersichtlich sind, zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt worden sind, beginnt die Verjährungsfrist unabhängig von dem Umstand zu laufen, ob der Rechtsanwalt die Akten auch tatsächlich einsieht (Martis/Winkhart, Fallgruppenkommentar zum Arzthaftungsrecht, 5. Auflage 2018, S. 1489 Rn. V44i). Der Rechtsanwalt, der die ihm übersandten Behandlungsunterlagen nicht innerhalb eines gewissen Zeitraumes einsieht, handelt schon allein deswegen grob fahrlässig, weil er sich ohne weiteres zu machenden Erkenntnissen verschließt. Als sorgfältig handelnder Rechtsvertreter müsste er Unterlagen, aus denen sich ein Anspruch seines Mandanten ergeben könnte, zeitnah durchsehen, um für seinen Mandanten die bestmöglichen Prozesschancen zu sichern. In Bezug auf die Übersendung von Behandlungsunterlagen gilt dies insbesondere für einen Fachanwalt für Medizinrecht. Zwar schuldet der Gläubiger beziehungsweise sein Rechtsanwalt nicht generell im Interesse des Schädigers eine frühzeitige Initiative zur Klärung vom Schadenshergang (BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08, Rn. 15, juris). Aber eine Prüfung und Hinterfragung ist dann geboten, wenn – wie vorliegend – konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sind und sich der Verdacht einer möglichen Schädigung aus den vorhandenen Unterlagen aufdrängt (BGH VersR 2012, 1005, Rn. 20, juris; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht 6. Auflage, Rn. 243). Daraus ergibt sich eine der Klägerin zurechenbare und zu vertretende (§ 85 Abs. 2 ZPO) grob fahrlässige Unkenntnis des Klägervertreters spätestens nach Übersenden der Behandlungsunterlagen durch die Beklagte im Februar 2014.


c)
Nach der Parallelwertung in der Laiensphäre ist zudem davon auszugehen, dass nach dem Vorliegen und Auswertung der Behandlungsunterlagen in der Sphäre der Klägerin die Schlussfolgerung nahegelegen hat, dass die geltend gemachten Schadensfolge im Sinne eines primären gesundheitlichen Integritätsschadens (Entzündungen und Nekrosen auf dem Kopf) auf den angeblichen Behandlungsfehlern während der streitgegenständlichen Behandlung in der Klinik der Beklagten beruht. Daher ist anzunehmen, dass die Klägerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eines Patienten in vergleichbarer Situation mit dem endgültigen Ausbleiben einer Besserung ihres Gesundheitszustands nach Abschluss ihrer Behandlung auf der Verbrennungsintensivstation der medizinischen Hochschule Hannover zusätzlich zur Kenntnis von den behaupteten einzelnen Behandlungsfehlern auch Kenntnis vom Eintritt eines kausal darauf beruhenden Schadens erlangen hätte können. Die darüber hinaus zu treffende Schlussfolgerung, dass die Entzündungen und Nekrosen sowie der spätere endgültige Verlust des Haarwachstums nicht allein auf der Ausgangsverletzung (Unfallrisiko) beruhte, sondern eine durch eine ggf. früher vorgenommene intensivmedizinische Behandlung zumindest teilweise vermeidbare Folge (Behandlungsrisiko) darstellte, erscheint unter Hinzuziehung der Erkenntnisse aus den von der Klägerin vorgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (Anlage K6 Anlagenband Klägerin) auch für einen, insbesondere fachanwaltlich beratenen medizinischen Laien so naheliegend, dass von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin von der Ursächlichkeit des Unterlassens für den Schaden auszugehen ist. Das spiegelt sich hier auch im vorgerichtlichen Forderungsschreiben (Anlage K11) wieder. Darin wird bereits ausführlich zur Behandlungsfehlerhaftigkeit und u. a. zu den Leitlinien vorgetragen. Der Ablauf eines „weiteren Jahres“ (tatsächlich eines Zeitraumes von sogar mehr als einem Jahr) wird nur in den Zusammenhang mit der Darstellung gebracht, es sei keine Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten. Das hat aber auch nach eigener Darstellung der Klägerin mit der für die Anspruchsgeltendmachung – zumindest als Feststellungsklage – erforderlichen Kenntniserlangung offensichtlich nichts zu tun. Die Frage eines Dauerschadens war hier für eine Differenzierung „Primärschaden/kein Primärschaden“ und „Behandlungsfehler/kein Behandlungsfehler“ sowie für die Identifizierung des ggf. verantwortlichen Schädigers auch aus Sicht der Klägerin erkennbar jeweils nicht erforderlich.


3.
Auch die Verjährung der schon erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen behaupteter „Aufklärungsmängel“ in Bezug auf „die Risiko- und Verlaufsaufklärung sowie die Aufklärung über bestehende Behandlungsalternativen in Gestalt operativer Interventionen“ (vgl. Klageschrift S. 6 = Bl. 6 d.A.) begann mit Ablauf des 31.12.2014. Das folgt bereits daraus, dass die Klägerin insoweit keinen, vom Behandlungsfehlervorwurf unabhängigen Fehler bei einer Aufklärung geltend macht.
Grundsätzlich können zwar Ansprüche aus Behandlungsfehlern zu anderer Zeit verjähren als solche aus Aufklärungsversäumnissen (BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15, Rn.10; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 1 W 37/13, Rn. 20; OLG Hamm, Urteil vom 7. Dezember 2009 – 3 U 75/09, Rn. 38; OLG München, Urteil vom 30. September 2004 – 1 U 3940/03, Rn. 97, jeweils juris). Das gilt insbesondere für die Ansprüche aus Versäumnissen bei der Aufklärung über mit der Behandlung eingriffspezifisch verbundenen Risiken (Einwilligungsaufklärung), die sich ggf. als Schaden verwirklicht haben. Einen solchen Vorwurf hat die Klägerin indes nicht erhoben. Vielmehr macht sie geltend, das Personal der Beklagten habe sie mangelhaft versorgt und – wie nach ihrer Ansicht zur Vermeidung eines Behandlungsfehlers geboten – nicht sofort stationär für operative Wundbehandlungen aufgenommen bzw. nicht sofort in ein sog. Verbrennungszentrum verlegt. Eine mangelfreie, gebotene Versorgung ist aber die einzig standardgemäße im Vergleich zu einer mangelhaften, nicht gebotenen Versorgung. Ist eine Maßnahme nach ärztlichem Standard geboten und unterlässt sie der Arzt gleichwohl, so begeht er einen Behandlungsfehler. Bereits dieser Behandlungsfehler löst seine volle Haftung aus. Die Bejahung eines zusätzlichen Aufklärungsfehlers dahingehend, dass der Arzt es versäumt habe, über seine geplante – fehlerhafte – Behandlung aufzuklären, kann mithin nicht zu einem „Mehr“ an Haftung führen und damit auch nicht zu anderen Verjährungsabläufen. Der Arzt schuldet im Rahmen der Einwilligungsaufklärung eine Information über die Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung. Diese Aufklärungspflicht erstreckt sich damit nicht auf etwaige Behandlungsfehler (BGH NJW 1985, 2193; 1992, 1558, 1559; OLG Düsseldorf ArztR 1989, 37; NJW 1991, 2968, 2969). Gesonderte, von den Behandlungsfehlervorwürfen zu trennende Fehler bei der therapeutischen Aufklärung hat die Klägerin ebenfalls nicht geltend gemacht. Unter der therapeutischen (Sicherungs-) Aufklärung sind die zur Sicherstellung des Behandlungserfolges notwendige Erteilung von Schutz- und Warnhinweisen zur Mitwirkung an der Heilung zu verstehen (z. B. der Hinweis, nach einer Operation für geraume Zeit bestimmte Bewegungen oder Tätigkeiten nicht oder in nur in bestimmter Art auszuführen); dieser Bereich der Aufklärung gehört selbst zur geschuldeten fachgerechten ärztlichen Behandlung (BGH NJW 2009, 2820; OLG Braunschweig, Beschl. v. 30.8.2007 – 1 U 18/07; Beschl. v. 23.12.2019 – 9 U 52/19; Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., Rn. 117). Aufklärungsfehler dieser Art hat die Klägerin ebenfalls nicht gerügt. Dass es den Behandlungserfolg eher fördert, wenn der Arzt behandlungsfehlerfrei vorgeht, muss dieser dem Patienten nicht eigens erklären; er schuldet die dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung ohnehin. Ein vom erhobenen Behandlungsfehlervorwurf gesonderter therapeutischer Aufklärungsfehler liegt mithin nicht vor.


4.
Die Erhebung der Einrede der Verjährung hinsichtlich der am 31.12.2017 endenden Verjährungsfrist war aufgrund des Verzichts der Beklagten bis zum 31.3.2018 ausgeschlossen. Einen weiteren Hemmungstatbestand als die Zustellung der Klage am 5.6.2018 (Bl. 12R d.A.) gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO trägt die Klägerin nicht vor.


Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegend auch nicht gemäß § 167 ZPO bereits mit Eingang der Klagschrift anzunehmen. Zwar ist die Klage bereits am 10.1.2018 beim Landgericht Braunschweig eingegangen (Bl. 1 d.A.). Der mit Zahlungsaufforderung vom 11.1.2018 (Vorblatt KR I d.A.) angeforderte Gerichtskostenvorschuss ist allerdings erst am 24.5.2018 (Vorblatt II d.A.) bei der Gerichtskasse eingezahlt worden. Die Zustellung der Klage am 5.6.2018 (Bl. 12R d.A.) war nicht mehr „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO. Eine Rückwirkung der Hemmung der Verjährung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klagschrift setzt gemäß § 167 ZPO eine Zustellung der Klage „demnächst“ voraus. Die Zustellung einer Klage ist dann noch als „demnächst“ zu werten, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 185/07, Rn. 8; vom 20. April 2000 - VII ZR 116/99, Rn. 8, jeweils juris). Auch unter Abzug der üblichen Geldüberweisungs- und Postlaufzeiten hat sich die Zustellung der Klage allein als Folge der Nachlässigkeit der Klägerin durch Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses erst am 24.5.2018 um deutlich mehr als 14 Tage verzögert. Der Umstand, dass sich die Klägerin zur Einzahlung des Kostenvorschusses einer Rechtsschutzversicherung bediente, befreite sie und ihren Prozessbevollmächtigten nicht davon, von sich aus dafür Vorsorge zu treffen, dass der Prozesskostenvorschuss alsbald nach Eingehen der Zahlungsaufforderung eingezahlt werden wird und damit die Klagezustellung baldmöglichst veranlasst werden konnte (BGH, Urteil vom 4.7.1968 – III ZR 17/68 = VersR 1968, 1062; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.2.2017 – 7 U 204/16, Rn. 26; KG Berlin, Urteil vom 21.6. 2012 – 8 U 183/11, Rn. 8, jew. juris).


Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 11.9.2018 (S.2 = Bl. 36 d.A.) ausgeführt hat, der Bundesgerichtshof habe eine am 11.3. erfolgte Zustellung einer am 30.12. des Vorjahres eingegangenen Klage noch als „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO bewertet, beruht das auf einer verkürzten Darstellung und rechtfertigt vorliegend keine andere Beurteilung. Tragendes Begründungselement war auch in jenem Fall für den Bundesgerichtshof allein, dass die von der dortigen Klagepartei zu vertretende Verzögerung den Zeitraum von 14 Tagen – anders als hier, s. o. – nicht überschritt (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2011 – VII ZR 185/07, Leitsatz und Rn. 8f., juris).


5.
Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht den Sachvortrag der Klägerin zu den behaupteten Behandlungsfehlern keiner Beweisaufnahme zugeführt. Aufgrund der Verjährung der geltend gemachten etwaigen Ansprüche war die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Landgericht nicht erforderlich.


Die Berufung war nach alldem zurückzuweisen.


III.
Eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).


Die Zurückweisung beruht auf den Umständen des Einzelfalls in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtslage.


Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass trotz Aussichtslosigkeit der Berufung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung geboten ist (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).


IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der für das Berufungsverfahren festgesetzte Streitwert beruht auf §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1 GKG und entspricht dem geltend gemachten Interesse an der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
 


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