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Vergütungsanspruch bei Verschlucken des provisorischen Zahnersatzes

 | Gericht:  Landgericht (LG) Dortmund  | Aktenzeichen: 4 S 192/08 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21.10.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

 

Das Versäumnisurteil vom 02.09.2008 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 1.683,48 € (in Worten: eintausendsechshundertdreiundachtzig 48/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.11.2007 zu zahlen.

 

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über eine zahnärztliche Behandlung durch den Kläger ab dem 12. Dezember 2006 bis Anfang Januar 2008, in deren Rahmen der Beklagte durch den Kläger prothetische Maßnahmen durchführen ließ.

 

Der Beklagte stellte sich Ende des Jahres 2006 in der Praxis des Klägers vor. Am 21.02.2007 erstellte der Kläger einen Heil- und Kostenplan hinsichtlich einer prothetischen Behandlung, deren voraussichtlicher Eigenanteil für den Beklagten 1.782,50 € betragen sollte. Am 05.04.2007 unterschrieb der Beklagte den erstellten Heil- und Kostenplan. Daraufhin fertigte der Kläger eine Krone für den Unterkiefer links und eine Brücke für den Unterkiefer rechts. Am 01.08.2008 wurde die Krone ohne Probleme eingegliedert. Die Brücke wurde zunächst provisorisch eingegliedert, wobei streitig ist, ob es sich bei dieser Brücke um ein Provisorium oder um das endgültige Werk handelte. Am 02.08. und 07.08.2007 wurde die provisorisch befestigte Brücke nach einer Lockerung in der Praxis des Klägers wieder eingesetzt. Anschließend übersandte der Kläger am 22.08.2007 eine Rechnung über einen Betrag in Höhe von 1.683,48 €. Die Krone im linken Unterkiefer wurde am 03.09.2007 definitiv eingesetzt. Am selben Tag wurde auch die Brücke im rechten Unterkiefer im Bereich Zahn 45 bis 48 eingesetzt, wobei streitig ist, ob es sich um eine provisorische oder eine definitive Einsetzung handelte.

 

Am 23.11.2007 teilte der Beklagte in der Praxis des Klägers mit, dass er beim Essen die Brücke verschluckt habe und diese nicht mehr vorhanden sei.

 

Der Beklagte nahm daraufhin einen Termin in der Praxis am 26.11.2007 wahr, die er aber nach einiger Zeit ohne Behandlung verließ. Anschließend verweigerte der Patient die Bezahlung mit der Begründung, dass die Arbeit noch nicht fertiggestellt sei.

 

Im Dezember 2007 und Januar 2008 nahm der Beklagte mehrere Behandlungstermine in der Praxis des Klägers wahr, die sich auf die Behandlung anderer Zähne bezogen.

 

Am 03.12.2007 setzte der Rechtsanwalt des Beklagten dem Kläger eine Frist zur Beseitigung der Mängel. Am 14.01.2008 machte der Kläger die Erbringung weiterer zahnärztlicher Leistungen davon abhängig, dass die dem Beklagten ausgestellte Rechnung beglichen würde.

 

Das Amtsgericht Dortmund hat durch Urteil vom 21.10.2008 das Versäumnisurteil vom 02.09.2008 aufrechterhalten, indem der Beklagte zur Zahlung der Behandlungskosten in Höhe von 1.683,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.09.2007 verurteilt worden ist.

 

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Vortrages beantragt er,

 

das angefochtene Urteil abzuändern, das Versäumnisurteil vom 02.09.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen

 

I.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.11.2009.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.

 

II.

Die zulässige Berufung ist lediglich im tenorierten Umfang begründet.

 

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung seines zahnärztlichen Honorars in Höhe von 1.683,48 € aus §§ 611, 628 BGB hat. Die Parteien haben einen wirksamen Dienstvertrag gemäß § 611 BGB geschlossen. Der Vergütungsanspruch des Klägers entfällt nicht und darüber hinaus stehen dem Beklagten auch keine Gegenansprüche zur Aufrechnung zu.

 

Der Arztvertrag ist ein Dienstvertrag. Dem Arzt steht sein Honorar für die geleisteten Dienste zu. Ein Erfolg, insbesondere ein Heilerfolg, ist nicht geschuldet. Sogar bei fehlerhafter Behandlung entfällt der Honoraranspruch grundsätzlich nicht. Für den Zahnarztvertrag gilt nichts anderes (BGH Urteil 9.12.1974, NJW 1975, 305). Auch der Zahnarzt erbringt eine Dienstleistung und bekommt sein Honorar für die erbrachten Dienste, ohne einen Erfolg zu schulden. Nur wenn der Streitgegenstand der technische Zustand der Prothetik oder Fehler an dieser Prothetik selbst ist, dann gilt Werkvertragsrecht (z. B. bei Materialfehlern). Das Eingliedern der Prothetik - und darum geht es vorliegend - unterfällt dem Dienstvertragsrecht.

 

Dem Kläger steht das Honorar aus der Rechnung vom 22.08.2007 vollumfänglich zu. Voraussetzungen, unter denen ein Wegfall des Vergütungsanspruchs ausnahmsweise in Betracht kommt, sind nicht ersichtlich. Behandlungskosten entfallen ausnahmsweise nur dann, wenn die Prothetik für den Patienten vollkommen unbrauchbar war. Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben, da der Beklagte die Prothetik bis zum Verlust für einige Zeit genutzt hat.

 

Der Vergütungsanspruch entfällt auch nicht aufgrund der Weigerung des Klägers, die Brücke endgültig einzugliedern bzw. eine neue Brücke anzufertigen und diese definitiv einzusetzen. Zwar beinhaltete der Vertrag zwischen den Parteien auch die endgültige Einbringung der Prothese und dazu ist es nicht gekommen. Aber der Kläger kann gemäß § 628 BGB eine Teilvergütung nach fristloser Kündigung des Dienstvertrages verlangen. Die Weigerung des Klägers, den Beklagten vor Rechnungszahlung weiter zu behandeln, stellt eine Kündigung dar, auch wenn diese nicht ausdrücklich so bezeichnet worden ist. Der Kläger kann als Dienstverpflichteter einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Denn der Beklagte trägt als Dienstberechtigter die Beweislast dafür, dass er die Kündigung nicht durch eigenes vertragswidriges Verhalten veranlasst hat (BGH 17.10.1996, NJW 1997, 188). Nach der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass der Beklagte schuldhaft dazu beigetragen hat, dass die Brücke nicht mehr definitiv eingesetzt werden konnte. Aus den Behandlungsunterlagen des Klägers ergibt sich, dass eine provisorische Brücke, die aus der alten Brücke des Klägers zu einem Provisorium umgearbeitet worden ist, am 01.08., 02.08 und 07.08.2007 durch den Kläger provisorisch eingesetzt worden ist. Der Sachverständige I hat dazu ausgeführt, dass sich diese Angaben aus den Krankenunterlagen ergeben und weiterhin auch aus entsprechenden Röntgenbildern, die vor der Behandlung durch den Kläger gefertigt worden sind. Weiterhin ergibt sich aus der Dokumentation des Klägers, dass am 03.09.2007 die endgültige Brücke provisorisch bei dem Beklagten eingesetzt worden ist. Der Beklagte hat schuldhaft dazu beigetragen, dass diese provisorisch eingesetzte Brücke nicht mehr definitiv eingesetzt werden konnte, da er bis zum 23.11.2007, dem Tag an dem er mitteilte, dass er die Brücke verschluckt habe, übermäßig lange auf diese definitive Einsetzung gewartet hat. Dabei ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger gewusst haben muss, dass am 03.09.2007 lediglich eine provisorische Einsetzung erfolgte. Zwar hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon gehabt habe, dass es sich um eine provisorische Einsetzung gehandelt habe, aber die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung auch den Eindruck gewonnen, dass der Kläger keine genauen Erinnerungen an die exakten Daten des Behandlungsverlaufs mehr hatte, da er im Rahmen der mündlichen Verhandlung mehrere falsche Angaben hinsichtlich der Daten gemacht hat. Weiterhin spricht auch der Vermerk in der Karteikarte des Klägers vom 03.07.2007, dass der Patient sich über die Zahlungserinnerung beschwert habe, da die Brücke noch nicht definitiv eingegliedert worden sei und er aufgefordert worden sei, sobald als möglich in die Praxis zu kommen, dafür, dass der Beklagte von einer lediglich provisorischen Einsetzung wusste. Im Übrigen trägt auch der Beklagte die Beweislast dafür, dass ihm nicht gesagt worden sei, dass die Brücke nur provisorisch eingesetzt worden ist und er nicht mehr zu weiteren Behandlungsterminen kommen brauche, wobei er diesen Beweis nicht erbringen konnte.

 

Der Beklagte konnte auch nicht beweisen, dass ihn an dem Verschlucken kein Verschulden trifft. Der Sachverständige I hat ausgeführt, dass sich Prothetikteile lösen und verschluckt werden können. Bei Einzelkronen komme dies recht häufig vor. Bei einer Brücke mit der vorliegenden Größe von über 4 Zähnen habe er selbst dies aber noch nie erlebt. Ein Patient müsse in der Regel auch merken, dass sich die Brücke löse und mit der Zeit lockere. Oft mache sich dies zunächst an einem schlechten Geschmack im Mund bemerkbar. Zwar gäbe es auch Patienten, die manchmal das Lösen nicht bemerkten, aber in diesem Fall säßen die Brücken noch im Mund. Der Kläger konnte daher vorliegend nicht beweisen, dass er das Verschlucken vor dem Lösen der Brücke nicht bemerken konnte.

 

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht durch Aufrechnung mit Gegenansprüchen des Beklagten untergegangen. Der Beklagte hat keinen Schmerzensgeldanspruch gegen den Kläger aus den §§ 611, 249 ff., 253 BGB, da er das Vorliegen eines Behandlungsfehlers nicht nachweisen konnte. Der Sachverständige I hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, dass das provisorische Einsetzen einer Brücke dem fachärztlichen Standard entspricht, da zunächst geschaut werden muss, ob die Brücke ordnungsgemäß eingepasst ist und gerade bei einer provisorischen Einsetzung noch wesentlich leichter Veränderungen an der Brücke durchgeführt werden können. Auch das vorherige Tragen eines Provisoriums entspricht dem fachärztlichen Standard, da das Anfertigen einer Brücke in einem Zahnlabor eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Ein weiterer Ansatzpunkt für einen Behandlungsfehler durch den Kläger ist laut Sachverständigem I nicht ersichtlich.

 

Der Beklagte hat auch gegen den Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für eine spätere Nachbehandlung, da er den Ersatz nur für die Behebung von Mängeln verlangen kann, die aber, wie bereits gezeigt, nicht vorlagen. Darüber hinaus kann der Patient grundsätzlich nur Kosten einer notwendigen Nachbehandlung verlangen, wenn er diese hat bereits durchführen lassen.

 

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

Ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB ist nicht gegeben, da es sich im Rahmen der Behandlung bei dem Beklagten um einen Verbraucher im Sinne des § 13 BGB handelt. Der Zinsanspruch des Klägers ergab sich jedoch nicht ab dem 23.09.2007, sondern erst ab dem 26.11.2007, da vor dem 26.11.2007 dem Beklagten noch ein Zurückbehaltungsrecht zustand, weil die Dienstverpflichtung durch den Kläger noch nicht vollständig erfüllt war. Erst ab dem 26.11.2007 kann man eine Kündigung annehmen, so dass sich ab diesem Zeitpunkt ein Verzug gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB annehmen lässt.

 

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 ZPO.

 

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.


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