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Vergütung von Überstunden

 | Gericht:  Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen  | Aktenzeichen: 14 Sa 29/11 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor 

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 27. Oktober 2010, Az. 2 Ca 91/10 teilweise abgeändert.

 

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.751,31 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2010 zu zahlen.

 

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 50 % und der Beklagte 50 % zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Arbeitsverhältnis.

 

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) war bei dem Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter) der eine Zahnarztpraxis betreibt, als Zahnarzthelferin bis zum 31. Januar 2010 beschäftigt. Auf den Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages (Anlage zur Klageschrift (Bl. 4 d. A.) wird Bezug genommen. Danach betrug die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 4 wöchentlich 40 Stunden, dies verteilt auf eine Fünf-Tage-Woche. Ferner heißt es im Arbeitsvertrag, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit den Erfordernissen der Praxis anzupassen sind.

 

Mit ihrer am 12. März 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem Beklagten am 23. März 2010 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von restlichen Überstunden in Höhe von insgesamt € 7.514,88 für den Zeitraum Januar 2008 bis Dezember 2009. Hierzu legt die Klägerin eine Aufstellung vor, in der jeweils Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit enthalten ist. Ferner wird angegeben, zu welchen Zeiten sie ihre Mittagspause gehalten hat. Auf die diesbezügliche Aufstellung der Klägerin (Anlage zum Schriftsatz vom 22. Juni 2011 / Bl. 234 f. d. a.) wird Bezug genommen.

 

Der Beklagte hat sowohl vorprozessual als auch im Rahmen des Rechtsstreits die Aufstellung der Klägerin bestritten. Seit August 2008 werden die Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter im Betrieb des Beklagten mit einem Zeiterfassungsgerät dokumentiert, wobei die jeweiligen „Kommt-“ und „Gehtzeiten“ werden hiermit erfasst werden. Diese Zeiterfassung registriert zum einen die durch das Zeiterfassungsgerät erfassten Zeiten, ferner sieht es auch eine Rubrik vor für eine manuelle Bearbeitung vor. In einer Spalte „Deutung“ werden aufgeführt: „Arbeit, Pause sowie Gesamtarbeitszeit.“ Ferner wird in einer weiteren Spalte die Gesamtsumme der Anwesenheitszeiten ausgewiesen. Auf den Inhalt der jeweiligen Zeiterfassungen für die Monate August 2008 bis Dezember 2009 wird Bezug genommen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 13. August 2010 / Bl. 82 – 115 d. A.).

 

Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere, ob und in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich Mehrarbeit erbracht hat, ferner, ob der Beklagte diese Überstunden angeordnet oder zumindest konkludent angeordnet oder geduldet hat und inwiefern die jeweils vom Zeiterfassungsgerät aufgeführten Anwesenheitszeiten auch Arbeitszeiten gewesen sind.

 

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 27. Oktober 2010 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt habe, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist, ferner auch, ob sie Arbeitsleistungen erbracht habe. Nachdem es an einem konkreten Sachvortrag der Klägerin fehle, reiche ein pauschales Bestreiten der Arbeitgeberseite aus. Insbesondere habe die Klägerin keine hohe Wahrscheinlichkeit für die von ihr behauptete angefallene Arbeitszeit dargelegt.

 

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 07. Dezember 2010 zugestellt worden ist, hat die Klägerin mit Schriftsatz, der am 06. Januar 2011 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 07. Februar 2011 im Einzelnen begründet.

 

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie behauptet, der Beklagte habe regelmäßig die Leistung von Überstunden geduldet. Aus der von ihr vorgelegten Tagesaufzeichnung ergebe sich die regelmäßige Leistung von Überstunden. Dem sei der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere habe die Klägerin bereits vor 8.00 Uhr morgens regelmäßig Vorbereitungsarbeiten durchführen müssen. Bereits im Hinblick auf die Personalausstattung sei die Ableistung von Überstunden notwendig gewesen. Dies lasse sich auch aus dem Praxiskalender des Beklagten nachvollziehen. Das von dem Beklagten eingesetzte Zeitnachweisgerät habe die Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst, zudem seien Urlaubszeiten und Fehlzeiten nicht aufgeführt.

 

Die Klägerin beantragt,

 

das Urteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 27.10.2010 AZ.: 2 Ca 190/10 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 7.514,88 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2010 zu zahlen.

 

Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung der Klägerin. Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages aus dem ersten Rechtszug. Er behauptet, die von der Klägerin vorgelegten Tagesaufzeichnungen seien nicht korrekt. Insoweit fehle es an einem substantiierten Vortrag bezüglich der behaupteten Überstunden. Dies folge auch aus dem Zeiterfassungsgerät, aus dem sich ergebe, dass die Klägerin keinesfalls – wie von ihr behauptet – jeweils um 7.30 Uhr die Praxis des Beklagten betreten habe. Gleiches gelte für das von ihr behauptete Arbeitsende. Aus dem Zeiterfassungsgerät ergebe sich auch nicht die tatsächliche Arbeitsleistung der Klägerin, da sie selbst bei Anwesenheit im Betrieb vor 8.00 Uhr keine Arbeitsleistung erbracht habe. Die Klägerin habe die Zeiten vor dem Arbeitsbeginn regelmäßig zum Umziehen und Ankleiden genutzt, nicht jedoch für die Erbringung von Arbeitsleistungen. Schließlich habe der Beklagte spätestens durch die jeweils erteilten Lohnabrechnungen deutlich gemacht, dass die von der Klägerin behaupteten Mehrarbeitszeiten nicht von dem Beklagten anerkannt würden. Ebenso wenig treffe es zu, dass die Praxis personell nicht ausreichend ausgestattet gewesen sei, da neben der Klägerin noch weitere Zahnarzthelferinnen tätig gewesen seien.

 

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin vom 07. Februar 2011 sowie ihren Schriftsatz vom 22. Juni 2011 sowie die Berufungserwiderung des Beklagten vom 03. März 2011 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO sowie nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist fristgerecht und ordnungsgemäß eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 und 520 ZPO).

 

Die Berufung hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Jedenfalls für den Zeitraum ab August 2008 stehen der Klägerin Ansprüche wegen geduldeter Überstunden zu. Insoweit kann auf die von dem Beklagten vorgelegte Zeiterfassung Bezug genommen werden. Die Berufung ist jedoch unbegründet, soweit Überstunden für den Zeitraum bis August 2008 geltend gemacht werden, gleiches gilt für die Höhe des Stundensatzes sowie den geltend gemachten Überstundenzuschlag. Im Einzelnen gilt folgendes:

 

1.

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer, der die Vergütung von Überstunden fordert, im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Dem Arbeitgeber obliegt es sodann, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten. Sofern ein konkreter Vortrag des Arbeitgebers erfolgt, ist es anschließend Sache des Arbeitnehmers, im Einzelnen Beweis für die geleisteten Stunden anzutreten (so BAG, ständige Rechtsprechung zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast – U. v. 29.05.2002 – 5 AZR 680/00 – juris; ferner U. v. 17.04.2002 – 5 AZR 644/00 – EzA TVG § 4 Nr. 148 Ausschlussfristen).

 

Diese Darlegungslast hat die Klägerin zunächst erfüllt, sie hat im Einzelnen angegeben, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Die Aufstellung der Klägerin (Anlage zum Schriftsatz vom 22. Juli 2011) erfüllt diese Voraussetzungen. Jeweils ist der Beginn und das Ende der Arbeitszeit angegeben, ferner auch die Mittagspause sowie die konkreten, von der Klägerin geleisteten Mehrarbeitsstunden.

 

Diesem Vortrag ist der Beklagte jedenfalls für den Zeitraum ab August 2008 substantiiert entgegengetreten. Ausweislich der von ihm vorgelegten Zeiterfassung ab dem 15.August 2008 ergibt sich jeweils, wann die Klägerin, als sie die Praxis aufsuchte, das Zeiterfassungsgerät bedient hat, wann sie die Praxisräume zur Unterbrechung bei der Mittagspause verlassen hat, wann sie anschließend nach der Mittagspause die Praxisräume wieder betreten hat und wann sie diese verlassen hat. Ersichtlich diente das Zeiterfassungsgerät der Feststellung der Anwesenheitszeiten der Klägerin im Betrieb. Dies hat der Beklagte im Termin vom 30. Juni 2011 auch so eingeräumt. Das Zeiterfassungsgerät diente zur Erfassung der Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter, gleiches auch für die Abwesenheitszeiten. Jedenfalls für diese Zeiträume liegt ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten vor.

 

2.

Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit sich aus den von der Beklagtenseite vorgelegten Zeiterfassungen jeweils Mehrarbeitszeiten der Klägerin ergeben. Ab dem 15. August 2008 lassen sich aus der Zeiterfassung folgende Mehrarbeitsstunden ableiten:

 

Anwesenheitszeit ab dem 15. August 2008 bis 27. August 2008:

77 Stunden und 25 Industrieminuten.

Sollarbeitszeit bei acht Arbeitstagen (ohne Urlaubstage am 28. und 29. August: 8 Arbeitstage x 8 Stunden = 64 Stunden.

Differenz zur Anwesenheitszeit somit 25 Stunden.

 

September 2008

Anwesenheitszeit 164,25 Stunden.

Arbeitstage im September ohne Urlaub 18 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit mithin 144 Stunden.

Differenz somit 20,25 Stunden.

 

Nachdem jedoch die Klägerin in ihrer Aufstellung lediglich 19 Mehrarbeitsstunden für den September geltend macht, war die von der Klägerin geltend gemachte Zeit zugrunde zu legen (§ 308 ZPO)

 

Zu berechnen daher im September 19 Stunden 

 

Oktober 2008:

Ausgewiesene Anwesenheitszeit: 186,5.

Angefallene Arbeitstage: 20.

Sollarbeitszeit: Mithin 160 Stunden.

Differenz: 27,25 Stunden.

Von der Klägerin geltend gemacht: 24,5 Stunden.

Zu berechnen daher 24 Stunden

 

November 2008:

Anwesenheitszeit: 186,5 Stunden.

Angefallene Arbeitstage: 20.

Sollarbeitszeit: Mithin 160 Stunden.

Differenz: 26,5.

Von der Klägerin geltend gemacht: 24 Stunden.

zu berechnen 24 Stunden

 

Dezember 2008:

Anwesenheitszeit: 139,25 Stunden.

Arbeitstage: 15.

Sollarbeitszeit mithin 120 Stunden.

Differenz: 19,25 Stunden.

Von der Klägerin geltend gemacht: 19 Stunden.

zu berechnen 19 Stunden

Mithin ergibt sich für den Zeitraum ab dem 15. August 2008 bis zum 31.12.2008 eine Differenz von 99,75 Stunden.

 

Januar 2009

Anwesenheitszeit: 150 Stunden.

Angefallene Arbeitstage: 15.

Sollarbeitszeit: 120 Stunden.

Differenz: 30 Stunden.

Zu berechnen 30 Stunden

 

Februar 2009

Anwesenheitszeit: 184,25 Stunden.

Arbeitstage: 20.

Sollarbeitszeit: Mithin 160 Stunden.

Differenz 24,25 Stunden.

Zu berechnen 24,5 Stunden

 

März 2008:

Anwesenheitszeit: 194,75 Stunden.

22 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: Mithin 176 Stunden.

Differenz: 18,75 Stunden.

Zu berechnen 18,75 Stunden

 

April 2009:

Anwesenheitszeit: 172 Stunden.

Arbeitstage 19.

Sollarbeitszeit 152 Stunden.

Differenz: 20 Stunden.

Von der Klägerin geltend gemacht: 18,5 Stunden.

zu berechnen: 18,5 Stunden

 

Mai 2009:

Anwesenheitszeit 19,75 Stunden.

10 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 80 Stunden.

Differenz: 10,75 Stunden.

Von der Klägerin geltend gemacht 10,5 Stunden.

zu berechnen 10,5 Stunden

 

Juni 2009:

Anwesenheitszeit: 175,50 Stunden.

19 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: Mithin 152 Stunden.

Differenz 24,5 Stunden.

Zu berechnen 24,5 Stunden

 

Juli 2009: 

Anwesenheitszeit 170,25 Stunden.

19 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 152 Stunden.

Differenz: 18,25 Stunden.

Zu berechnen 18,5 Stunden

 

August 2009:

Anwesenheitszeit 174,5 Stunden.

18 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit 144 Stunden.

Differenz: 31,5 Stunden.

Geltend gemacht: 20 Stunden.

zu berechnen 20 Stunden

 

September 2009:

Anwesenheitszeit: 149,25 Stunden.

16 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 128 Stunden.

Differenz: 21,25 Stunden

zu berechnen. 21,5 Stunden

 

Oktober 2009:

Anwesenheitszeit: 208,5 Stunden.

22 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 176 Stunden.

Differenz: 32,5 Stunden.

zu berechnen 32,5 Stunden

 

November 2009:

Anwesenheitszeit: 190,18 Stunden.

21 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 168 Stunden.

Differenz: 22,18 Stunden.

Geltend gemacht: 21 Stunden.

zu berechnen 21 Stunden

 

Dezember 2009: 

Anwesenheitszeit: 138,58 Stunden.

14 Arbeitstage.

Sollarbeitszeit: 112 Stunden.

Differenz: 26,58 Stunden.

Geltend gemacht: 17 Stunden.

Zu berechnen17 Stunden

 

Insgesamt ergibt sich hieraus für das Jahr 2008 ein Betrag in Höhe von 99,75 Stunden, für das Jahr 2009 ein Betrag in Höhe von 256,50 Stunden, insgesamt somit 356,25 Stunden.

 

3.

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Bezahlung von Überstunden setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder dass sie zur Erlangung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (ständige Rechtsprechung, so BAG, U. v. 04.05.1994 – 4 AZR 445/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge Arbeiterwohlfahrt Nr. 1).

 

Die Klägerin hat jedenfalls in dem streitigen Umfang von 356,25 Stunden die Duldung von Überstunden durch den Beklagten vorgetragen. Dies gilt jedenfalls für Zeiträume, in denen der Beklagte anwesend war, jedenfalls für Zeiträume ab der Praxisöffnung um 8.00 Uhr. Gleiches gilt jedoch auch für die Anwesenheitszeiten zwischen 7.30 Uhr oder später bis zur Praxisöffnung um 8.00 Uhr. Dem Beklagten war bekannt, dass die Klägerin bereits vor der Praxisöffnung im Betrieb anwesend war. Sie hatte zudem einen Schlüssel für die Praxis. Spätestens auch anhand des von dem Beklagten selbst eingeführten Zeiterfassungsgeräts war ihm auch bekannt, ab wann die Klägerin anwesend war. Ebenso ist für das Gericht ersichtlich, dass – wenn der Praxisbetrieb um 8.00 Uhr aufgenommen wird – Vorbereitungsarbeiten erledigt werden müssen, die u. a. auch der Klägerin übertragen worden sind. Zwar hat der Beklagte jedenfalls in dem Zeitraum, in dem die Klägerin alleine im Betrieb bis 8.00 Uhr anwesend war, Arbeitsleistungen der Klägerin nicht kontrollieren können. Andererseits hat er die Anwesenheitszeiten der Klägerin vor Praxisöffnung und während der im Zeiterfassungsgerät erfassten Zeiträume zur Kenntnis genommen und über lange Zeiträume geduldet.

 

Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass die Klägerin ihre Anwesenheitszeiten im Wesentlichen mit Ankleiden verbracht hätte. Zwar ist einzuräumen, dass es sich bei diesen Zeiten nicht um vergütungspflichtige Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers handelt (so BAG, U. v. 11.10.2000 – 5 AZR 122/99 – juris). Ebenso wenig kann die Klägerin erwarten, dass diese Dienstleistungen gemäß § 612 Abs. 1 BGB vergütungspflichtig sind. Allerdings beschränkt sich diese Zeit auf das schlichte Anlegen eines Kittels, der jedenfalls zeitmäßig allenfalls in Sekunden zu messen wäre.

 

Das Verhalten des Beklagten ist widersprüchlich, wenn er einerseits die Ableistung von Mehrarbeit bestreitet, andererseits eine Zeiterfassung einführt, aus der sich jedoch die regelmäßige Ableistung von Mehrarbeit ableiten lässt. Das vom Beklagten eingesetzte Zeiterfassungsgerät dient dazu, An- und Abwesenheitszeiten genau zu erfassen. Ebenso hat er es eingeführt, um diese zu kontrollieren. Damit hat er Kenntnis von den geleisteten Mehrarbeitszeiten, sodass jedenfalls von einer Duldung der Ableistung von Mehrarbeit ausgegangen werden kann.

 

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin zwar möglicherweise anwesend gewesen ist, jedoch während dieser Zeiten keine Arbeitsleistung erbracht hat. Es ist Sache des Beklagten, der Klägerin während ihrer Anwesenheitszeit Arbeiten zuzuweisen. Soweit sie Arbeitsleistungen nicht erbringt, steht ihm die Möglichkeit der Abmahnung zur Verfügung. Ebenso ist ihm unbenommen, konkrete Nichtleistungszeiten während der Anwesenheitszeit vorzutragen und diese in Abzug zu bringen. Hieran fehlt es jedoch.

 

Angesichts des schlüssigen Vortrags der Klägerin unter Berücksichtigung der durch das Zeiterfassungsgerät dokumentierten Zeiten, die von dem Beklagten nicht substantiiert bestritten werden, ist von 356,25 vergütungspflichtigen Überstunden auszugehen. Der vergütungspflichtige Stundensatz ist aus der Monatsvergütung von € 1.824,29 zu berechnen, bei einer 40-Stunden-Woche ergibt sich eine monatliche Sollarbeitszeit von 40 x 4,33 Stunden = 173,2 Stunden. Hieraus folgt ein Stundensatz von €10,53, mithin ein Vergütungsanspruch von € 3.751,31.

 

4.

Die Berufung ist zurückzuweisen, soweit die Klägerin einen Betrag geltend macht, der den oben errechneten Stundensatz überschreitet. Die Klägerin geht bei ihrer Berechnung – für das Gericht nicht nachvollziehbar – von einem Stundensatz von € 11,40 aus. Ebenso wenig hat sie dargelegt, woraus sich ein möglicher Überstundenzuschlag in Höhe von 25 % ergeben soll. Insoweit ist daher die Berufung zurückzuweisen.

 

5.

Gleiches gilt für die im Zeitraum von Januar 2008 bis 15. August 2008 geltend gemachten Überstunden. Aus den wechselseitigen Aufstellungen sowohl der Klägerin einerseits als auch des Beklagten andererseits für den Zeitraum von August 2008 bis Dezember 2009 ergeben sich erhebliche Differenzen – mal zu Gunsten der Klägerin, mal zu Gunsten des Beklagten. Hieraus ist jedenfalls zu folgern, dass die Klägerin ihre Aufstellung nicht minutengenau durchgeführt hat. Insoweit liegen teilweise erhebliche Differenzen in einer Größenordnung von einer bis 10 Minuten am Vormittag vor, gleiches gilt für die Einhaltung der Pausen sowie die Aufstellung zum Arbeitsende. Damit fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, aus dem sich folgern ließe, dass sie zeitnah eine entsprechende Aufstellung geführt hat, die jedenfalls eine Schätzungsgrundlage gemäß § 278 Abs. 2 ZPO darstellen könnte.

 

5.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 ZPO, die Kosten des Rechtsstreits waren im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu teilen.

 

6.

Es besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, nachdem sich die Frage der Höhe der Überstunden als auch deren Duldung bereits aus dem Vortrag des Beklagten ergab.


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