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Unlautere und irreführende Mitgliederwerbung auf der Internet-Seite einer Betriebskrankenkasse

 | Gericht:  Bundesgerichtshof (BGH) Karlsruhe  | Aktenzeichen: I ZR 170/10 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation , Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 9. September 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, nimmt die Beklagte, eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte gesetzliche Krankenkasse, auf Unterlassung der folgenden, im Dezember 2008 auf ihrer Internetseite erschienenen Aussagen in Anspruch:

 

Wer die BKK M. jetzt verlässt, bindet sich an die Neue für die nächsten 18 Monate. Somit entgehen Ihnen attraktive Angebote, die Ihnen die BKK M. im nächsten Jahr bietet und Sie müssen am Ende möglicherweise draufzahlen, wenn Ihre neue Kasse mit dem ihr zugeteilten Geld nicht auskommt und deswegen einen Zusatzbeitrag erhebt.

 

Die Klägerin ist der Auffassung, die beanstandeten Informationen seien irreführend und daher wettbewerbsrechtlich unzulässig. Die Beklagte verschweige, dass im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags für die Versicherungsnehmer ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht bestehe. Die Klägerin mahnte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten auf. Die Beklagte entfernte die beanstandeten Aussagen daraufhin von ihrer Internetseite. Mit Schreiben vom 6. Januar 2009 teilte sie der Klägerin mit, sie räume ein, auf ihre Internetseite eine fehlerhafte Information eingestellt zu haben, und sage zu, zukünftig nicht mehr mit den beanstandeten Aussagen zu werben. Zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Übernahme von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten war die Beklagte nicht bereit.

 

Die Beklagte ist der Ansicht, aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken seien die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb auf den Streitfall nicht anwendbar. Die Richtlinie erfordere nach ihrem Art. 2 Buchst. d die "Geschäftspraktik" eines "Gewerbetreibenden" im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie. Daran fehle es im vorliegenden Fall, weil sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht mit Gewinnerzielungsabsicht handele.

 

Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit den beanstandeten Aussagen zu werben und an die Klägerin 208,65 € nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben (OLG Celle, WRP 2010, 1548 = GRUR-RR 2011, 111). Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.

 

Mit Beschluss vom 18. Januar 2012 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, GRUR 2012, 288 = WRP 2012, 309 - Betriebskrankenkasse I):

 

Ist Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass eine - sich als Geschäftspraxis eines Unternehmens gegenüber Verbrauchern darstellende - Handlung eines Gewerbetreibenden auch darin liegen kann, dass eine gesetzliche Krankenkasse gegenüber ihren Mitgliedern (irreführende) Angaben darüber macht, welche Nachteile den Mitgliedern im Falle eines Wechsels zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse entstehen?

 

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage wie folgt beantwortet (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 - C59/12, GRUR 2013, 1159 = WRP 2013, 1454 - BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs):

 

Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken ist dahin auszulegen, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, in ihren persönlichen Anwendungsbereich fällt.

 

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG aF, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

 

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, da es um die zwischen den Parteien umstrittene Frage gehe, ob die Werbung der Beklagten nach den Maßstäben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) irreführend und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig sei.

 

Der Rechtsstreit unterfalle den Vorschriften des UWG. Das gelte auch unter Berücksichtigung der Neufassung des UWG zum 30. Dezember 2008 sowie der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die durch die UWG-Novelle 2008 umgesetzt worden sei. Bei der beanstandeten Veröffentlichung auf der Internetseite der Beklagten handele es sich um eine "geschäftliche Handlung" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die in Rede stehende Werbung der Beklagten ziele darauf ab, ihre Mitglieder von einem Wechsel zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse abzuhalten. Die Beklagte sei auch als "Unternehmer" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG anzusehen, weil sie mit der beanstandeten Werbeinformation nicht zu sozialen, sondern zu wirtschaftlichen und damit zu unternehmerischen Zwecken gehandelt habe.

 

Die beanstandeten Angaben seien nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführend. Die Beklagte erwecke bei einem nicht unerheblichen Teil ihrer Mitglieder, bei denen es sich um Verbraucher handele, den unzutreffenden Eindruck, durch einen Wechsel zu einer anderen Krankenkasse könnten ihnen aufgrund der Bindung im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags finanzielle Nachteile entstehen. Die für einen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr sei gegeben.

 

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Aufwendungen sei gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet.

 

II.

Die gegen das Berufungsurteil gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

 

1.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 3, 5 Abs. 1 UWG aF, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG zusteht. Entgegen der Ansicht der Revision ist die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der beanstandeten Aussagen der Beklagten auf ihrer Internetseite nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu beurteilen.

 

a)

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine "geschäftliche Handlung" ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren und Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. "Unternehmer" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ist jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Die genannten Vorschriften dienen der Umsetzung der Art. 5 und 6 Abs. 1 Buchst. g, Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Sie sind daher im Lichte des Wortlauts und der Ziele dieser Richtlinie auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C397/01 bis C403/01, Slg. 2004, I8835 Rn. 113 f. = EuZW 2004, 691 - Pfeiffer u.A./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06, BGHZ 187, 231 Rn. 13 - Millionen-Chance II; Urteil vom 28. November 2013 - I ZR 7/13, GRUR 2014, 398 Rn. 21 = WRP 2014, 431 - Online-Versicherungsvermittlung).

 

b)

Eine Auslegung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UWG, nach der die beanstandete Werbemaßnahme als Geschäftspraktik im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern anzusehen ist und die Beklagte, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt, bei Vornahme der beanstandeten Maßnahme als Gewerbetreibende gehandelt hat, steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG.

 

aa)

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG findet die Richtlinie Anwendung auf unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Als "Geschäftspraktik zwischen Unternehmen und Verbrauchern" wird in Art. 2 Buchst. d der Richtlinie jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden bezeichnet, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt. Gemäß Art. 2 Buchst. b der Richtlinie ist "Gewerbetreibender" jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

 

Die von der Richtlinie verwendeten Rechtsbegriffe "Geschäftspraktik von Unternehmen gegenüber Verbrauchern" und "Gewerbetreibender" sind als Begriffe des Unionsrechts autonom auszulegen (EuGH, Urteil vom 22. März 2012 - C190/10, GRUR 2012, 613 Rn. 40 = EuZW 2012, 253 - Génesis/Boys Toys, mwN) und setzen eine marktbezogene wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens voraus (BGH, GRUR 2012, 288 Rn. 10 - Betriebskrankenkasse I).

 

bb)

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf den Vorlagebeschluss des Senats vom 18. Januar 2012 (GRUR 2012, 288 - Betriebskrankenkasse I) entschieden, dass auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe wie der Verwaltung eines gesetzlichen Krankenversicherungssystems betraut ist, in den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG fällt.

 

Der Gerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass es für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht darauf ankomme, wie die Einordnung, die Rechtsstellung und die spezifischen Merkmale der fraglichen Einrichtung (hier: der Beklagten) nach nationalem Recht ausgestaltet seien. Aus dem autonom auszulegenden Wortlaut von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff "Gewerbetreibender", der in seiner Bedeutung und rechtlichen Tragweite mit dem Begriff "Unternehmen" in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie übereinstimme, besonders weit konzipiert habe als "jede natürliche oder juristische Person", die eine entgeltliche Tätigkeit ausübe, und davon weder Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllten, noch öffentlich-rechtliche Einrichtungen ausnehme. Darüber hinaus komme dem mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken verfolgten Ziel, das darin bestehe, die Verbraucher umfassend vor derartigen Praktiken zu schützen, bei der Auslegung von Art. 2 Buchst. b und d sowie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie entscheidende Bedeutung zu. Es sei zu berücksichtigen, dass sich ein Verbraucher im Vergleich zu einem Gewerbetreibenden in einer unterlegenen Position befinde, da er als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren als sein Vertragspartner angesehen werden müsse. Dementsprechend seien die Bestimmungen der Richtlinie im Wesentlichen aus der Sicht des Verbrauchers als des Adressaten und des Opfers unlauterer Geschäftspraktiken konzipiert (EuGH, GRUR 2013, 1159 Rn. 31 bis 36 - BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs).

 

Der Gerichtshof hat zudem hervorgehoben, dass bei einer Fallgestaltung, wie sie hier zu beurteilen ist, die Gefahr bestehe, dass die Mitglieder der Beklagten, die offensichtlich als Verbraucher im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG anzusehen seien, durch die von der Beklagten verbreiteten irreführenden Aussagen getäuscht und damit davon abgehalten würden, eine informierte Wahl zu treffen, und im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zu einer Entscheidung veranlasst würden, die sie ohne die beanstandeten Angaben nicht getroffen hätten. Unter diesen Umständen seien der öffentliche oder private Charakter der Beklagten sowie deren spezielle, von ihr wahrgenommene Aufgabe unerheblich. Eine Einrichtung wie die Beklagte sei unter den gegebenen Umständen als "Gewerbetreibender" im Sinne der Richtlinie einzustufen, weil nur eine solche Auslegung geeignet sei, die volle Wirkung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu gewährleisten, indem sie dafür sorge, dass unlautere Geschäftspraktiken im Einklang mit dem Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzniveaus wirksam bekämpft würden (EuGH, GRUR 2013, 1159 Rn. 37 bis 39 - BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs).

 

Danach ist die beanstandete Werbemaßnahme der Beklagten nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unter Berücksichtigung der in der Richtlinie 2005/29/EG enthaltenen Vorgaben zu beurteilen.

 

c)

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 UWG zusteht.

 

aa)

Nach den genannten Vorschriften ist eine geschäftliche Handlung wettbewerbsrechtlich unzulässig, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeigneten Angaben über Rechte des Verbrauchers enthält.

 

bb)

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der beanstandeten Maßnahme um eine geschäftliche Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG gehandelt hat. Die in Rede stehenden Aussagen der Beklagten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen ihrer Mitglieder hinsichtlich der von der Beklagten angebotenen Versicherungsleistungen. Sie zielen darauf ab, die Versicherungsnehmer von einem Wechsel zu einer anderen Krankenkasse abzuhalten.

 

Der Gesetzgeber hat durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen (vgl. Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenkasse [Gesundheitsstrukturgesetz] vom 21. Dezember 1992, BGBl. I S. 2266; Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz], BGBl. I S. 378) zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen gezielt Handlungsspielräume eröffnet, um damit einen - wenn auch eingeschränkten - Preis und Qualitätswettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen zu ermöglichen (vgl. dazu Monopolkommission, 18. Hauptgutachten 2008/2009, BTDrucks. 17/2600, S. 387 ff.). Gemäß den §§ 173, 175 SGB V haben Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte das Recht, unter verschiedenen Anbietern den von ihnen bevorzugten Träger einer Krankenkasse zu wählen. Zwar können die Träger der gesetzlichen Krankenkassen die Beitragssätze nicht frei bestimmen; diese werden seit dem Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes nach § 241 SGB V für alle Kassen einheitlich festgesetzt. Sie haben jedoch die Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben (§ 242 SGB V), Beitragsrückerstattungen zu gewähren (§ 231 SGB V) und besondere Wahltarife anzubieten (§ 53 SGB V). Das gemeinsame gesetzgeberische Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, die Wirtschaftlichkeit des Systems der gesetzlichen Krankenkassen zu verbessern (vgl. die Regierungsbegründung zum Entwurf des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes, BTDrucks. 16/3100, S. 85).

 

Machen die gesetzlichen Krankenkassen von diesen Handlungsmöglichkeiten Gebrauch und treten sie mit anderen Krankenkassen in einen Wettbewerb um Mitglieder, handeln sie nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit jedenfalls unternehmerisch. Ziel dieser Wettbewerbshandlungen ist es, die Beiträge der Mitglieder zu vereinnahmen, um auf diese Weise ihre eigene Einnahmesituation zu verbessern. Aus der Sicht eines Verbrauchers handelt es sich bei der Wahl der von ihm bevorzugten Krankenkasse aus dem Kreis mehrerer, konkurrierender Anbieter ebenfalls um eine geschäftliche Entscheidung, bei der die Irreführung durch eine gesetzliche Krankenkasse eine Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen zur Folge haben kann. Für den Verbraucher stellt es keinen Unterschied dar, ob sich der Marktbezug der beanstandeten Handlung aus einem Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlich organisierten Trägern sozialer Sicherungssysteme oder zwischen privaten Anbietern ergibt (BGH, GRUR 2012, 288 Rn. 15 f. - Betriebskrankenkasse I).

 

cc)

Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte in Bezug auf die konkret beanstandete Tätigkeit als "Gewerbetreibende" im Sinne des Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG ("Unternehmer" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG) anzusehen ist. Die Beklagte hat ungeachtet ihres Status als juristische Person des öffentlichen Rechts mit der beanstandeten Werbeinformation auf ihrer Internetseite nicht zu sozialen, sondern zu wirtschaftlichen und damit zu unternehmerischen Zwecken gehandelt (vgl. EuGH, GRUR 2013, 1159 Rn. 32, 37 - BKK Mobil Oil/Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs).

 

dd)

Die Aussagen in der beanstandeten Werbemaßnahme der Beklagten sind auch im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG aF, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführend. Die Beklagte "warnt" ihre Versicherungsnehmer - und damit Verbraucher - vor der mit einem Wechsel verbundenen 18monatigen Bindungsfrist, weil ihnen dadurch mögliche attraktive Angebote der Beklagten entgehen könnten und sie im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags durch eine andere Krankenkasse finanzielle Nachteile erleiden könnten. Die Information der Beklagten widerspricht der tatsächlichen Gesetzeslage. Nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V steht einem Versicherungsnehmer im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags ein Sonderkündigungsrecht zu. Durch die beanstandeten Aussagen wird den Mitgliedern der Beklagten die unzutreffende Vorstellung vermittelt, sie seien auch im Falle der Erhebung eines Zusatzbeitrags seitens der Krankenkasse für die Dauer von 18 Monaten an den neuen Versicherer gebunden. Die dadurch gegebene Irreführung ist auch geeignet, Mitglieder von einem Wechsel zu einer anderen Krankenkasse abzuhalten. Die Beklagte hat den irreführenden Inhalt der beanstandeten Werbemaßnahme im Übrigen selbst nicht in Abrede gestellt.

 

2.

Das Berufungsgericht hat auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr zutreffend bejaht, obwohl die Beklagte die beanstandeten Angaben nach der Abmahnung der Klägerin vom 17. Dezember 2008 von ihrer Internetseite entfernt und zudem erklärt hat, sie werde künftig nicht mehr mit den in Rede stehenden Aussagen werben. Ist es - wie im Streitfall - zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 16. November 1995 - I ZR 229/93, GRUR 1997, 379 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453, 455 = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; Urteil vom 25. Oktober 2001 - I ZR 29/99, GRUR 2002, 717, 719 = WRP 2002, 679 - Vertretung der Anwalts-GmbH).

 

Die durch einen bereits begangenen Wettbewerbsverstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Sie entfällt insbesondere nicht schon mit der Aufgabe der Tätigkeit, in deren Rahmen die Verletzungshandlung erfolgt ist, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher Tätigkeiten durch den Verletzer beseitigt ist (vgl. nur BGH, GRUR 2001, 453, 455 - TCM-Zentrum, mwN). Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn sich der Unterlassungsanspruch gegen eine am privaten Geschäftsverkehr teilnehmende Körperschaft des öffentlichen Rechts richtet (BGH, Urteil vom 2. Mai 1991 - I ZR 227/89, GRUR 1991, 769, 771 - Honoraranfrage; Urteil vom 24. Februar 1994 - I ZR 59/92, GRUR 1994, 516, 517 = WRP 1994, 506 - Auskunft über Notdienste).

 

Im Streitfall ist die für eine Wiederholungsgefahr sprechende tatsächliche Vermutung nicht ausgeräumt, weil die Beklagte sich bislang geweigert hat, die von der Klägerin verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

 

3.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

 

III.

Danach ist die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.


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