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Ungefragte Aushändigung des Werbeflyers eins Hörgeräteakustikers durch einen HNO-Arzt

 | Gericht:  Landgericht (LG) Karlsruhe  | Aktenzeichen: 14 O 108/10 KfH III | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Berufliche Kommunikation , Zusammenarbeit des Zahnarztes mit Dritten , Schadenersatzrecht

Urteilstext

 

Tenor

1.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Patienten nach Feststellung einer Hörbeeinträchtigung zur weiteren Versorgung mit Hörsystemen ohne hinreichenden Grund im Einzelfall ein bestimmtes Hörgerätakustikunternehmen zu empfehlen, ohne dass der Patient um eine solche Empfehlung gebeten hat.

 

2.

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

 

3.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2010 zu zahlen.

 

4.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 € vorläufig vollstreckbar.

 

6.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 25.000 €.

 

Tatbestand

Der klagende Verband begehrt von dem beklagten Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde die Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen.

 

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in Frankfurt. Sie nimmt den Beklagten, einen in Karlsruhe-Xx niedergelassenen HNO-Arzt, mit der Behauptung auf Unterlassung in Anspruch, dieser verweise Patienten ungefragt mit Verordnungen zur Hörgeräteversorgung an die ... Hör- und Tinnitus-Zentrums Xx GmbH & Co. KG.

 

Am 03.08.2010 suchte E. L. als Testperson die Praxis des Beklagten in Karlsruhe-Xx auf, um seine Schwerhörigkeit untersuchen zu lassen. Aufgrund technischer Probleme konnte an diesem Tag ein vorgesehener Hörtest nicht durchgeführt werden, weshalb E. L. die Praxis des Beklagten am 05.08.2010 vereinbarungsgemäß erneut aufsuchte. An diesem Tag wurde dann der Hörtest durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse dieses Tests erklärt der Beklagte E. L., dass er ein Hörgerät benötige. Im Verlauf dieses Gesprächs übergab der Beklagte E. L. einen Flyer des ... Hör- und Tinnitus-Zentrums Xx GmbH & Co. KG (Anlage K 4). Die weiteren Einzelheiten des Gesprächs sind streitig. Insbesondere streiten die Parteien darum, ob E. L. den Beklagten vor Übergabe des Flyers um Benennung eines örtlichen Hörgeräteakustikers in Karlsruhe-Xx bat. Jedenfalls verordnete der Beklagte E. L. eine Hörhilfe (Verordnung, Anlage K 5). Zudem wurde E. L. vor Verlassen der Praxis von einer Mitarbeiterin des Beklagten gebeten, eine „Wichtige Patienteninformation“ zu unterzeichnen, mit der er auf Folgendes hingewiesen wurde (unterschriebene Patienteninformation, Anlage B 1):

 

„Die Auswahl, die Anpassung und den Erwerb von Hörgeräten können Sie bei jedem Hörgeräteakustiker ihrer Wahl durchführen lassen bzw. vornehmen. Entsprechende Adressen von Hörgeräteakustikern können Sie auch allen Ihnen zugänglichen Informationsquellen (z. B. Branchenbuch „Gelbe Seiten“, Telefonbuch, Internet) entnehmen.“

 

Die Klägerin trägt vor,

 

E. L. habe den Beklagten nicht gebeten, ihm einen Hörgeräteakustiker zu empfehlen. Vielmehr sei es so gewesen, dass der Beklagte E. L. von sich aus den Flyer der Firma ... überreicht habe, nachdem dieser erklärt habe, dass er sich an einen Hörgeräteakustiker in Karlsruhe wenden möchte.

 

Die Klägerin beantragt,

 

1.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Patienten nach Feststellung einer Hörbeeinträchtigung zur weiteren Versorgung mit Hörsystemen ohne hinreichenden Grund im Einzelfall ein bestimmtes Hörgerätakustikunternehmen zu empfehlen, ohne dass der Patient um eine solche Empfehlung gebeten hat;

 

2.

dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht;

 

3.

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 208,65 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt Klagabweisung.

 

Der Beklagte trägt vor,

 

der Beklagte sei davon ausgegangen, dass E. L. nicht ortskundig gewesen sei. Der Beklagte habe E. L. empfohlen, sich durch einen Hörgeräteakustiker vor Ort in Leonberg versorgen zu lassen, ohne eine bestimmten Hörgeräteakustiker zu benennen. E. L. habe dem Beklagten erklärt, er arbeite vor Ort in Karlsruhe-Xx, wolle daher gerne in Karlsruhe-Xx versorgt werden und habe um Benennung eines örtlichen Hörgeräteakustikers in Karlsruhe-Xx gebeten. Erst hierauf habe der Beklagte E. L. den Flyer der ... Hör- und Tinnitus-Zentrum Xx GmbH & Co. KG gegeben. Der Beklagte habe auch mehrere Gründe gehabt, E. L. diese Firma zu empfehlen. Zum einen betrage die Entfernung von der Praxis des Beklagten lediglich 290 m. In Karlsruhe-Xx gebe es auch lediglich zwei weitere Hörgeräteakustiker, die beide weiter entfernt gelegen seien. Weiterer wesentlicher Grund für die Empfehlung der Firma sei die dortige Qualität der Hörversorgung gewesen. Diese Firma sei als einziger Hörgeräteakustiker in ganz Karlsruhe in der Lage, eine Hörgeräteversorgung mit aus Sicht des Beklagten modernsten Mitteln durchzuführen, u.a. auch mit Hilfe von teil- und vollimplantierbaren Hörsystemen sowie eines an bestimmte Alltagssituationen besonders anpassbaren Systems „AtmoX“. Nach den Erfahrungen des Beklagten sei diese Firma vorbildlich und in ganz Karlsruhe qualitativ unerreicht, was die Zuverlässigkeit bei der Hörgeräteversorgung, die Freundlichkeit der Mitarbeiter, die Schnelligkeit und den Service betrifft. Der Beklagte habe insoweit ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Auch seien dort nach Kenntnis des Beklagten ständig ein bis zwei Hörgeräteakustikmeister sowie ein Pädakustiker für die Kundenbetreuung präsent, was bei den weiteren in Karlsruhe-Xx geschäftsansässigen Hörgeräteakustikern nicht der Fall sei. Schließlich sei die Ausforschung durch E. L. als Testpatienten rechtsmissbräuchlich gewesen. 

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E. L., der Beklagte wurde angehört. Im Übrigen wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 13.04. und 01.06.2011.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

 

A. Zulässigkeit

 

Die Klage ist zulässig.

 

1.

Als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen ist die Klägerin prozessführungsbefugt, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

 

2.

Darüber hinaus ist der Klagantrag auch hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Insbesondere bestehen entgegen der Ansicht des Beklagten keine Bedenken gegen das Unterlassungsbegehren, wonach dem Beklagten zu untersagen sei, „ein bestimmtes Hörgeräteakustikunternehmen“ zu empfehlen.

 

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; hierzu und zum Folgenden: BGH WRP 2011, 451, Rn. 16 ff. - Hörgeräteversorgung II; BGH GRUR 2009, 977 = WRP 2009, 1076 - Brillenversorgung I; BGHZ 156, 1, 8 f. - Paperboy; BGH WRP 2005, 739 - Fördermittelberatung; BGH GRUR 2007, 607 Rn. 16 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für "Individualverträge"). Aus diesem Grund sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2000, 438, 440 = WRP 2000, 389 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH, GRUR 2002, 77, 78 = WRP 2002, 85 - Rechenzentrum; BGH, GRUR 2007, 607 Rn. 16 - Telefonwerbung für "Individualverträge").

 

Vorliegend wiederholt die Klägerin schon nicht den bloßen Regelungstext. Vielmehr konkretisiert sie die Tatbestandsvoraussetzung „Anbieter von gesundheitlichen Leistungen“, indem sie die Unterlassung der Verweisung an „ein bestimmtes Hörgerätakustikunternehmen“ begehrt. Das ist nicht zu beanstanden. Mit dieser Formulierung stellt die Klägerin den Gegenstand und den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar heraus. Der Beklagte konnte sich erschöpfend verteidigen. Die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, geht schon aus dem beantragten Entscheidungstenor hervor.

 

B. Begründetheit

 

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Unterlassung und kann den Ausspruch der Ordnungsmittelandrohung sowie auf die Zahlung der geltend gemachten außergerichtlichen Kosten verlangen.

 

I. Unterlassungsanspruch

 

Die Klägerin kann vom Beklagten die Unterlassung verlangen, im geschäftlichen Verkehr Patienten nach Feststellung einer Hörbeeinträchtigung zur weiteren Versorgung mit Hörsystemen ohne hinreichenden Grund im Einzelfall ein bestimmtes Hörgeräteakustikunternehmen zu empfehlen, ohne dass der Patient um eine solche Empfehlung gebeten hat. Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich aus den §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 4 Nr. 11 und 3 UWG i. V. m. § 34 Abs. 5 Berufsordnung der Ärzte in Baden-Württemberg (BOÄ).

 

1.

Der Beklagte nahm am 05.08.2010 eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vor, § 8 Abs. 1 UWG, indem er dem Zeugen L. ungefragt einen Flyer des ... Hör- und Tinnitus-Zentrums Xx GmbH & Co. KG aushändigte.

 

Die Unzulässigkeit dieser Handlung folgt aus §§ 3 Abs. 1 und 4 Nr. 11 UWG. Denn der Beklagte verstieß gegen die Vorschrift des § 34 Abs. 5 BOÄ. Danach ist es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, ihre Patientinnen und Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen.

 

a)

Der Beklagte hat den Zeugen L. an einen bestimmten Anbieter von gesundheitlichen Leistungen verwiesen.

 

aa)

Bei der ... Hör- und Tinnitus-Zentrums Xx GmbH & Co. KG handelt es sich um einen Anbieter von gesundheitlichen Leistungen.

 

bb)

An einen solchen Anbieter hat der Beklagte den Zeugen verwiesen.

 

Unter einer „Verweisung“ im Sinne der Vorschrift sind nicht nur den Patienten bindende Überweisungen zu verstehen, sondern nach Wortlaut und Überschrift erfasst die Norm grundsätzlich auch Empfehlungen, da nach dem Zweck der Regelung die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten in Bezug auf Apotheken, Geschäfte und Anbieter gesundheitlicher Leistungen gewährleistet werden soll und diese Wahlfreiheit schon dann beeinträchtigt ist, wenn der Arzt dem Patienten von sich aus einen bestimmten Erbringer gesundheitlicher Leistungen nahelegt oder auch nur empfiehlt (BGH WRP 2011, 451 Rn. 24 - Hörgeräteversorgung II). Ausgenommen hiervon sind lediglich solche Empfehlungen, um die der Patient bittet (BGH a.a.O.). Vom Begriff der Verweisung in § 34 Abs. 5 BOÄ sind daher alle Empfehlungen für bestimmte Leistungserbringer erfasst, die der Arzt seinen Patienten von sich aus erteilt. Dazu zählt auch die Empfehlung nur eines Anbieters durch Plakate, Flyer, Visitenkarten und Gutscheine (BGH a.a.O.).

 

Eine solche Verweisung liegt hier in der Übergabe des Flyers der ... Hör- und Tinnitus-Zentrums Xx GmbH & Co. KG durch den Beklagten vor. Entgegen der Einlassung des Beklagten hatte E. L. ihn nicht zuvor um eine solche Empfehlung gebeten. Dies ergab zur Überzeugung des Gerichts die durchgeführte Beweisaufnahme. Diese Überzeugung beruht auf den glaubhaften Angaben des Zeugen E. L., die durch die Angaben des Beklagten in seiner informatorischen Parteianhörung nicht entscheidend erschüttert wurden.

 

Bei seiner Vernehmung bestätigte der Zeuge L. die Behauptung der Klägerin, wonach der Beklagte dem Zeugen von sich aus den Flyer überreichte, nachdem der Zeuge erklärt hatte, sich an einen Hörgeräteakustiker in Karlsruhe wenden zu wollen. Insbesondere konnte sich der Zeuge daran erinnern, dass der Beklagte ihm den Flyer des Tinnitus-Zentrums gab, unmittelbar nachdem der Zeuge auf Frage des Beklagten sagte, dass er sich das Hörgerät in Karlsruhe anpassen lassen wolle. Seine Ausführungen waren in diesem Zusammenhang flüssig, spontan und widerspruchsfrei. Sie passten auch zu der weiteren Aussage des Zeugen, wonach der Beklagte sogleich hinzugefügt habe, dass er das Gerät auch woanders beschaffen könne. Dies wiederum fügt sich nahtlos zu der „Wichtigen Patienteninformation“, die der Beklagte zur Unterschrift für seine Patienten, insbesondere auch für den Zeugen, bereithielt. Die Angaben entsprechen dem, was die Klägerin von Anfang an vorgetragen hat und was der Zeuge auch in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 06.08.2010 einen Tag nach dem Besuch beim Beklagten festgehalten hatte.

 

Die Aussage des Zeugen war auch insgesamt glaubhaft.

 

Dabei kommt es für die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage nicht auf die vollständige Widerspruchsfreiheit aller Angaben an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Kern der Wahrnehmung in sich widerspruchsfrei widergegeben wird, was der Fall war. So ist nicht entscheidend, dass der Zeuge auf Frage zunächst angegeben hatte, dass er keine Fragen vorgegeben bekommen habe, später aber einräumte, dass das Meinungsforschungsinstitut schon wissen wollte, ob er nach der Benennung eines Hörgeräteakustikers zuvor gefragt hatte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage zu Beginn sehr offen formuliert war, sodass der Zeuge die Zielrichtung nicht erkennen musste. Es liegt nahe, dass dem Zeugen in der von ihm schon zu Beginn der Vernehmung geschilderten „Einweisung“ mehr gesagt wurde, als nur, welchem Zweck „die Sache“ diente.

 

Der Zeuge ist auch glaubwürdig.

 

Insbesondere steht er zur Klägerin nicht in einer Nähebeziehung, die ein Interesse des Zeugen am Verfahrensausgang und damit an einer strafbaren Falschaussage zu ihren Gunsten nahelegt. Vielmehr war der Zeuge von einem Dritten beauftragt. Soweit der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, den vom Zeugen bezeichneten Auftraggeber gebe es nicht, war dies gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Insoweit bestand auch kein Grund, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, § 156 Abs. 1 und 2 ZPO. Denn es kann viele Gründe geben, warum der Beklagte den Auftraggeber unter der vom Zeugen bei seiner Vernehmung angegebenen Bezeichnung nicht im Internet gefunden hat, u.a. dass dieser im Internet gar nicht oder nicht unter dieser Bezeichnung auftritt. Selbst wenn der Zeuge den Namen des Auftraggebers falsch widergegeben haben sollte, schränkt dies seine Glaubwürdigkeit nicht entscheidend ein, da auch dies auf einer Vielzahl von unerheblichen Gründen - falsche Erinnerung o.Ä. - beruhen kann. Wie die Bezeichnung dieses Auftraggebers genau lautet, ist ohnehin unerheblich. Jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Inhalt seiner Aussage auf seine Bezahlung oder auch nur auf die Beauftragung insgesamt auswirkte.

 

Demgegenüber wies die Aussage des Beklagten in mehrfacher Hinsicht im beweisrelevanten Kerngeschehen erhebliche Widersprüche auf.

 

So hat der Beklagte noch in der Klagerwiderung vortragen lassen, er habe dem Zeugen empfohlen, sich in seinem Heimatort Leonberg versorgen zu lassen, woraufhin der Zeuge erklärt habe, dass er in Karlsruhe-Xx arbeite, daher gerne in Karlsruhe-Xx versorgt werden wolle und sodann um Benennung eines örtlichen Hörgeräteakustikers in Karlsruhe-Xx gebeten habe. In der Duplik gab der Beklagte an, die Erklärung des Zeugen, sich an einen Hörgeräteakustiker in Karlsruhe wenden zu wollen, habe von ihm nur als Bitte um eine Empfehlung verstanden werden können. Bei seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 13.04.2011 schilderte der Beklagte die Begebenheiten wiederum in weiteren zwei unterschiedlichen Versionen. In der ersten Variante habe er dem Zeugen nach dessen Hinweis darauf, sich in Karlsruhe versorgen lassen zu wollen, alle drei in Xx bestehenden Versorgungsmöglichkeiten genannt und sodann auf die Frage, wohin er sich wenden solle, das Tinnitus-Zentrum genannt. In der zweiten Variante habe er nach dem Hinweis des Zeugen, sich in Karlsruhe versorgen lassen zu wollen, keinen Grund gesehen, ihm Versorgungsmöglichkeiten in Karlsruhe zu nennen, sondern erst auf Nachfrage, wohin er sich wenden solle, die drei Möglichkeiten in Xx genannt. Dass es dem Zeugen um Karlsruhe-Xx gegangen sei, konnte der Beklagte - anders als noch in der Klagerwiderung besonders hervorgehoben - nicht bestätigen.

 

Diese Widersprüche lassen sich naheliegend damit erklären, dass es dem Beklagten schwer fallen muss, sich bei 60 bis 70 Patienten pro Tag genau an die Abläufe des Vorgangs zu erinnern, der den Zeugen L. betraf. Denn mit Ausnahme eines notwendig gewordenen zweiten Termins wegen des Ausfalls der Hörtestanlage sind keine Besonderheiten bei der Behandlung dieses Patienten erkennbar. Für den Beklagten handelte es sich daher um einen von vielen hundert Patienten, die er jede Woche ärztlich berät.

 

Darüber hinaus ist die Behauptung des Beklagten letztlich nicht plausibel, er halte den Flyer und die Patienteninformation nur für den Fall vor, dass ein Patient ihn um Benennung einer Versorgungsmöglichkeit bitte. Vielmehr legt die Kombination von Werbung und Patienteninformation nahe, dass der Beklagte, der große Stücke auf das Tinnitus-Zentrum hält, dessen Werbung in der irrigen Annahme hinreichender Verweisungsgründe (hierzu sogleich) grundsätzlich zur Aushändigung an Patienten bereithielt und sich in Anbetracht der ihm als Verbandsfunktionär bekannten Problematik mit der von den Patienten zu unterschreibenden Patienteninformation rechtlich zu schützen versuchte.

 

b)

Die Verweisung erfolgte auch ohne hinreichenden Grund.

 

aa)

Was unter einem hinreichenden Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 BOÄ zu verstehen ist, hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen klargestellt. Danach können sich hinreichende Gründe auch aus der Qualität der Versorgung, aus der Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben (vgl. BGH a.a.O.; BGH, GRUR 2000, 1080, 1082 - Verkürzter Versorgungsweg; BGH, GRUR 2001, 255, 256 - Augenarztanschreiben). Eine generelle Verweisung an einen bestimmten Anbieter ist dagegen mit § 34 Abs. 5 BOÄ unvereinbar. Diese Bestimmung lässt die Verweisung an einen bestimmten Anbieter nur im Ausnahmefall zu. Im Regelfall soll dagegen die unbeeinflusste Wahlfreiheit des Patienten unter den Anbietern gesundheitlicher Hilfsmittel gewährleistet sein (BGH a.a.O., BGH, GRUR 2009, 977 Rn. 24 - Brillenversorgung I). Nicht ausreichend ist danach die größere Bequemlichkeit eines bestimmten, kürzeren Versorgungsweges, wenn es sich nicht um einen gehbehinderten Patienten handelt (BGH a.a.O., BGH, GRUR 2000, 1080, 1082 - Verkürzter Versorgungsweg). Die Qualität der Versorgung kann nur dann im Einzelfall einen hinreichenden Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 BOÄ darstellen, wenn die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bietet (BGH a.a.O.; BGH, GRUR 2000, 1080, 1082 - Verkürzter Versorgungsweg; GRUR 2009, 977 Rn. 22 - Brillenversorgung I). Demgegenüber reichen in langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit gewonnene gute Erfahrungen oder eine allgemein hohe fachliche Kompetenz eines Anbieters oder seiner Mitarbeiter für einen hinreichenden Grund nicht aus, da es sich um Umstände handelt, die unabhängig von den Bedürfnissen des einzelnen Patienten generell vorliegen (BGH, a.a.O.; BGH, GRUR 2009, 977 Rn. 24 - Brillenversorgung I; vgl. auch OLG Hamm, AZR 2008, 75, 77).

 

bb)

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung erlaubt der Vortrag des Beklagten nicht, von einem hinreichenden Verweisungsrund im Sinne des § 34 Abs. 5 BOÄ auszugehen.

 

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Entfernung von seiner Praxis zum Tinnitus-Zentrum lediglich 290 m betrage und es in Karlsruhe-Xx lediglich zwei weitere Hörgeräteakustiker gebe, die beide weiter entfernt gelegen seien, sowie dass er von Ortsunkundigkeit und eingeschränkten zeitlichen Ressourcen des Zeugen ausgegangen sei, reicht dies für einen hinreichenden Grund nicht aus. Abgesehen davon, dass der Beklagte nicht ohne Weiteres von einer Ortsunkundigkeit des Zeugen ausgehen durfte, der unstreitig angegeben hatte, in Karlsruhe zu arbeiten, wäre eine unterstellte Ortsunkundigkeit einer Gehbehinderung nicht gleichzustellen. Vielmehr kann eine solche Verweisung allein dem Zweck größerer Bequemlichkeit dienen, nämlich der Vermeidung eines weiteren Wegs und der Zeit in Anspruch nehmenden Suche anderer Adressen.

 

Soweit der Beklagte zur Begründung seiner Verweisung an das Tinnitus-Zentrum auf die dortige Qualität der Hörversorgung verweist, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Selbst wenn dieses Zentrum als einziger Hörgeräteakustiker in ganz Karlsruhe in der Lage gewesen wäre, eine Hörgeräteversorgung mit aus Sicht des Beklagten modernsten Mitteln durchzuführen, nämlich auch mit Hilfe von teil- und vollimplantierbaren Hörsystemen sowie eines besonders regulierbaren Systems mit der Bezeichnung „AtmoX“, selbst wenn nach den Erfahrungen des Beklagten diese Firma vorbildlich und in ganz Karlsruhe qualitativ unerreicht sei, was die Zuverlässigkeit bei der Hörgeräteversorgung, die Freundlichkeit der Mitarbeiter, die Schnelligkeit und den Service betrifft und der Beklagte insoweit ausschließlich gute Erfahrungen gemacht hätte, und selbst wenn dort nach seiner Kenntnis ständig ein bis zwei Hörgeräteakustikmeister sowie ein Pädakustiker für die Kundenbetreuung präsent seien, was bei den weiteren in Karlsruhe-Xx geschäftsansässigen Hörgeräteakustikern nicht der Fall sei, bedeutete dies noch keinen hinreichenden Grund zur Verweisung des Zeugen dorthin.

 

Denn, wie ausgeführt, kann die Qualität der Versorgung im Einzelfall nur dann einen hinreichenden Grund im Sinne des § 34 Abs. 5 BOÄ darstellen, wenn die Verweisung an einen bestimmten Hilfsmittelanbieter aus Sicht des behandelnden Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bietet. Dafür, dass die Verweisung an das Tinnitus-Zentrum gerade im Hinblick auf die speziellen Bedürfnisse des Zeugen L. besondere Vorteile in der Versorgungsqualität bot, bestehen keine Anhaltspunkte. Die allgemeinen Qualitätsmerkmale des Zentrums mit der vom Beklagten geschilderten Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Schnelligkeit, Service und Präsenz von Fachleuten betreffen sämtliche Patienten des Beklagten. Auch die Möglichkeit der Versorgung mit teil- und vollimplantierbaren Systemen ist keine, die auf die speziellen Bedürfnisse des Zeugen L. zielt. Vielmehr hatte der Beklagte diese Möglichkeit mit dem Zeugen überhaupt nicht erörtert. Medizinisch notwendig war ein Implantat bei dem Zeugen nicht; die Frage eines Teilimplantats wäre nach den Angaben des Beklagten allein ein finanzieller Aspekt gewesen. Dasselbe gilt für das regulierbare System „AtmoX“, das - nach dem Vortrag des Beklagten - allein das Tinnitus-Zentrum führt.

 

2.

Die für die Entscheidung des Streitfalls maßgebliche Vorschrift des § 34 Abs. 5 BOÄ stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar (BGH a.a.O.; BGH, GRUR 2009, 977 Rn. 12 - Brillenversorgung I).

 

3.

Da es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Darauf, ob eine solche unzulässige Verweisung des Öfteren erfolgt, kommt es nicht an.

 

4.

Die Unterlassungsklage der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Einsatzes des Zeugen als Testperson als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

 

a)

Um Lauterkeitsverstöße aufzudecken, ist es grundsätzlich zulässig, Testmaßnahmen wie beispielsweise Testgespräche durchzuführen (hierzu und zum Folgenden: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4, Rn. 10.161, m.Nw. aus der Rspr. des BGH). Der Gewerbetreibende oder freiberuflich Tätige, der sich mit seinem Angebot an die Öffentlichkeit wendet, muss solche Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit dulden, sofern sich der Tester wie ein normaler Kunde verhält. Ohne derartige Testmaßnahmen wären Verstöße von Unternehmern vielfach nicht aufzudecken. Testmaßnahmen sind ein weithin unentbehrliches Mittel zur Überprüfung des Wettbewerbsverhaltens von Mitbewerbern (BGH, WRP 1999, 1035, Rn. 36 - Kontrollnummernbeseitigung I; vgl. BGHZ 43, 359, 367 - Warnschild). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn eine Testmaßnahme nur dazu dienen soll, den Mitbewerber "hereinzulegen", um ihn mit einem Wettbewerbsprozess überziehen zu können (BGH a.a.O.; vgl. BGHZ 117, 264, 269 f., Rn. 32 - Nicola u.a., m.w.N.), insbesondere unter Einsatz strafbarer oder sonst verbotener Maßnahmen (BGHZ 117, 264, 269 f., Rn. 32 - Nicola).

 

b)

Von einem solchen Verhalten der Klägerin kann hier jedoch keine Rede sein. Mit der Überprüfung des Beklagten ist die Klägerin vielmehr ihren satzungsmäßigen Aufgaben nachgekommen. Einer Darlegung von Anhaltspunkten für bereits begangene oder bevorstehende Rechtsverletzungen durch die Klägerin bedurfte es nicht. Ihr ist es vielmehr gestattet, auch verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen, soweit sich diese nicht aus sonstigen Gründen als rechtsmissbräuchlich darstellen. Allein in der Durchführung einer verdachtsunabhängigen Kontrolle mittels Testpersonen durch einen Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG liegt jedenfalls noch kein missbräuchliches Verhalten.

 

II. Nebenentscheidungen

Die Klägerin kann vom Beklagten auch Erstattung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten verlangen, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die von der Rechtsprechung für die Klägerin anerkannte Pauschale beläuft sich einschließlich Mehrwertsteuer auf 208,65 € (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12, Rn. 1.98, m.w.N.). Hierauf hat der Beklagte Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO.

 

Die Entscheidung über die Androhung der Ordnungsmittel beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die Kosten auf § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.


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