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Trepanation ist nicht neben endodontischen Leistungen berechenbar

 | Gericht:  Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg  | Aktenzeichen: 2 S 78/14 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie:  Gebühren

Urteilstext


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2013 – 12 K 434/13 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger begehrt Kassenleistungen für die Trepanation (Eröffnung der Zahnhöhle) eines Zahnes.

Der Kläger ist B1-Mitglied der Beklagten. Sein Sohn ist über ihn mit einem Bemessungssatz von 20 % mitversichert. Mit Antrag vom 26.09.2012 machte der Kläger u. a. Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, die für seinen Sohn zwischen dem 21.08.2012 und dem 17.09.2012 erbracht worden waren, geltend. Mit Bescheiden vom 05.10.2012 und vom 06.11.2012 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab, soweit er Aufwendungen für die Trepanation eines Zahnes zum Gegenstand hatte. Eine Erstattung der hierfür in Ansatz gebrachten GOZ-Nummer 2390 könne neben der GOZ-Nummer 2410 nicht erfolgen. Dem Kläger verblieb hiernach ein Selbstbehalt in Höhe von EUR 3,36 an Kassenleistungen.

Am 30.11.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf ein beigefügtes Schreiben seiner Zahnarztpraxis vom 06.11.2012. Danach habe die Bundeszahnärztekammer am 20.01.2012 entschieden, dass die GOZ-Nummer 2390 neben weiteren endodontischen Leistungen zulässig sei, weil es sich bei den einzelnen Leistungen um verschiedene Behandlungsschritte handele.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In diesem führte sie aus, nach der Begründung zur GOZ könne der Ansatz der Leistung nach GOZ-Nummer 2390 allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein. Sie sei nur als selbstständige Leistung berechnungsfähig und nicht als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den GOZ-Nummern 2410, 2430 und 2440.

Am 04.02.2013 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die selbstständige Leistung „Trepanation" sei mit der Eröffnung des koronalen Pulpenkavums abgeschlossen. Weitere endodontische Maßnahmen seien andere eigenständige Leistungen. Für die eigenständige Abrechnung der hier in Rede stehenden Gebührenpositionen spreche auch die Tatsache, dass der Verordnungsgeber die Trepanation gemäß der Gebührenposition GOZ-Nummer 2390 nicht als „alleinige", sondern als „selbstständige" Leistung ausgestaltet habe.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger weitere Kassenleistungen in Höhe von EUR 3,36 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2013 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die fehlende Anerkennung der Abrechnung der GOZ-Nummer 2390 sei im konkreten Einzelfall nicht berechtigt. Die Beklagte nehme für ihre ablehnende Entscheidung Bezug auf die Begründung zur GOZ, wonach der Ansatz der Leistung nach der Nummer 2390 allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein könne. Sie sei nur als selbstständige Leistung berechnungsfähig und nicht z. B. als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den GOZ-Nummern 2410, 2430 und 2440. Der vorliegenden Leistungslegende lasse sich eine derartige Einschränkung aber nicht entnehmen. Nach dem Wortlaut sei die Trepanation eines Zahnes nicht als alleinige Leistung definiert, sondern lediglich als selbstständige Leistung. In der Kommentierung zur GOZ werde insoweit ausgeführt, dass es auch zahnmedizinisch gute Gründe gebe, dass sich eine solche Einschränkung in der Leistungsnummer nicht finde. Denn die Trepanation sei keine „Zugangsleistung" zur Erbringung anderer Leistungen (also eine unselbstständige Teilleistung), sondern stelle eine eigene selbstständige Therapiemaßnahme dar. Diese könne entweder solitär im Rahmen einer Notfallendodontie erfolgen oder aber kombiniert werden mit weiteren eigenständigen endodontischen Behandlungsmaßnahmen. Die Trepanation stelle auch keinen methodisch zwingenden Bestandteil einer Wurzelbehandlung dar. So müsse in Fällen von Zahnfrakturen mit freiliegender Pulpa oder in Fällen großflächiger Zerstörung von Zahnhartsubstanz durch Karies nicht trepaniert werden, bevor z. B. eine Wurzelkanalaufbereitung nach der GOZ-Nummer 2410 erfolgen könne. Die durchgeführte Trepanation sei somit als selbstständige Leistung nach GOZ-Nummer 2390 zu vergüten.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 09.01.2014 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel zugelassen. Zur Begründung ihrer fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche dem Wortlaut der Vorschrift, der erklärten Absicht des Normgebers und dem in § 4 Abs. 2 GOZ statuierten Zielleistungsprinzip. Die Leistung nach GOZ-Nummer 2390 könne allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung und nicht wie hier als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den GOZ-Nummern 2410 und 2440 berechnungsfähig sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31.10.2013 – 12 K 434/13 – zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verweist in erster Linie auf das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, nach der Kommentarliteratur sei die Trepanation in den Leistungsbeschreibungen der GOZ-Nummern 2410 und 2440 nicht enthalten und daher gesondert berechnungsfähig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie hat die Bewilligung von Kassenleistungen für die Trepanation eines Zahnes im vorliegenden Fall zu Recht abgelehnt, da der Kläger keinen entsprechenden Anspruch besitzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Daher hat das Verwaltungsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihrer hier maßgeblichen, im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.05.2012 (82. Änderung) haben die Mitglieder Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen sind gemäß § 32 Abs. 1 der Satzung grundsätzlich erstattungsfähig. Nach § 32 Abs. 2 Satz 2 der Satzung müssen die Rechnungen allerdings nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erstellt sein. Die Erstattungsfähigkeit setzt demnach grundsätzlich voraus, dass der Zahnarzt die Rechnungsbeträge auf der Basis einer zutreffenden Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.06.2007 – 4 S 2090/05 –; BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 – 2 C 30.03 – ZBR 2005, 168 zur Beihilfe). Dies ist hier in Bezug auf die vorgenommene Trepanation eines Zahnes nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die zahnärztliche Leistung nach der GOZ-Nummer 2390 – „Trepanation eines Zahnes, als selbstständige Leistung" (Eröffnung der Zahnhöhle) – sei auch neben anderen endodontischen Behandlungsmaßnahmen wie z. B. der Aufbereitung des Wurzelkanals nach GOZ-Nr. 2410 oder der Füllung eines Wurzelkanals nach GOZ-Nr. 2440 gesondert abrechenbar (vgl. hierzu einerseits: Kommentar der Bundeszahnärztekammer in Zusammenarbeit mit den (Landes-)Zahnärztekammern, GOZ-Nr. 2390; Hinweis der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe von Mai 2012 unter Hinweis auf die Auffassung der Bundeszahnärztekammer vom 20.12.2012; Liebold/Raff/Wissing, GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 2390, S. 9; andererseits: Kommentierung der PKV zur GOZ-Nr. 239 a. F. bzw. 2390 n. F.). Dies trifft jedoch nicht zu. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspricht der erklärten Absicht des Normgebers. In der Begründung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte (Referentenentwurf Stand 24.03.2011, S. 27) heißt es zur Leistung nach GOZ-Nummer 2390, dass diese allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein könne und nicht z. B. als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den GOZ-Nummern 2410 und 2440 berechnungsfähig sei. Diese Absicht des Normgebers hat durch den ausdrücklichen Zusatz „als selbstständige Leistung", der in der „Vorgängervorschrift" (GOZ in der Fassung vom 22.10.1987, GOZ-Nummer 239) noch nicht enthalten war, auch hinreichend deutlich ihren Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift gefunden. Dies verbietet es, die Trepanation auch dann als selbstständig abrechenbare Leistung anzusehen, wenn unmittelbar danach weitere endodontische Leistungen erbracht werden. Eine gesonderte Abrechnung der Trepanation nach der GOZ-Nummer 2390 würde in einem solchen Fall sowohl dem Wortlaut der Regelung, wonach eine Abrechenbarkeit ausdrücklich eine selbstständige Leistung erfordert, wie auch der Absicht des Normgebers widersprechen, nach der die Trepanation gerade nicht als Zugangsleistung anderer endodontischer Leistungen abrechenbar sein soll.

Nachdem bereits ein speziell geregelter ausdrücklicher Ausschluss der Abrechenbarkeit vorliegt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die gesonderte Abrechnung der Trepanation eines Zahnes nach GOZ-Nummer 2390 als Zugangsleistung für andere endodontische Maßnahmen auch schon nach dem allgemein geltenden Zielleistungsprinzip (vgl. S. 4 Abs. 2 GOZ) ausgeschlossen wäre, wie die Beklagte meint. Für diese Auffassung könnte aber sprechen, dass z. B. die Aufbereitung des Wurzelkanals nach GOZ-Nr. 2410 oder die Füllung eines Wurzelkanals nach GOZ-Nr. 2440 wohl typischerweise voraussetzen, dass zuvor eine Eröffnung der Zahnhöhle – also eine Trepanation – erfolgt ist, auch wenn es atypische Ausnahmefälle geben mag, in denen die Pulpa bereits aufgrund einer Zahnfraktur oder in Fällen großflächiger Zerstörung von Zahnhartsubstanz durch Karies bereits eröffnet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Beschluss vom 04. April 2014

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 3,36 festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 


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