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Trepanation eines Zahnes als selbstständige Leistung

 | Gericht:  Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart  | Aktenzeichen: 12 K 434/13 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext


Tenor

Das Verwaltungsgericht Stuttgart - 12. Kammer - hat ohne mündliche Verhandlung wegen Leistungsabrechnung am 31. Oktober 2013 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger weitere EUR 3,36 Kassenleistungen zu gewähren und diesen Betrag mit fünf Prozent Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2013 zu verzinsen. Der Bescheid der Beklagten vom 06.11.2012 und ihr Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.


Tatbestand

Der Kläger ist bei der Beklagten als B1-Mitglied krankenversichert und begehrt die Erstattung von Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen. Der Sohn des Klägers ist über den Kläger bei der Beklagten mitversichert. Der Kläger erhält Kassenleistungen in Höhe von 20 % für seinen Sohn.

Mit Antrag vom 26.09.2012 machte der Kläger u. a. Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen, die für den mitversicherten Sohn erbracht worden waren, in Höhe von EUR 792,85 geltend.

Nachdem zunächst mit Bescheid vom 05.10.2012 lediglich ein Betrag von EUR 725,32 als erstattungsfähig festgesetzt worden war, korrigierte die Beklagte die Leistungsabrechnung mit Bescheid vom 06.11.2012 auf EUR 776,03. Eine Erstattung der in Ansatz gebrachten GOZ-Ziffer 2390 könne neben der GOZ-Ziffer 2410 jedoch nicht erfolgen. Es verblieb ein Selbstbehalt des Klägers in Höhe von EUR 16,82 bzw. EUR 3,36 an Kassenleistungen.

Am 30.11.2012 erhob der Kläger dagegen Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf das beigefügte Schreiben der Zahnarztpraxis vom 06.11.2012. Danach habe die Bundeszahnärztekammer am 20.01.2012 entschieden, dass die GOZ-Ziffer 2390 neben weiteren endodontischen Leistungen zulässig sei, weil es sich bei den einzelnen Leistungen um verschiedene Behandlungsschritte handele. Sei der betreffende Zahn „marktot", was recht häufig vorkomme, so erfolge die Kanalaufbereitung nach Trepanation ohne Vitalextirpation.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In diesem führte sie u. a. aus, nach der amtlichen Begründung des Bundesministeriums für Gesundheit zur GOZ könne der Ansatz der Leistung nach Ziffer 2390 allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein. Sie sei nur als selbständige Leistung berechnungsfähig und nicht als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2410, 2430 und 2440.

Am 04 02.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich u. a. auf die Stellungnahme der DZR (Deutsches Zahnärztliches Rechenzentrum GmbH) zu Ziffer 2390 vom 26.10.2012, wonach die Trepanation eines bleibenden Zahnes oder eines Milchzahnes der Eröffnung des Pulpencavums und der Schaffung eines Zugangs zum endodontischen System diene oder zur Entlastung infizierten Pulpengewebes und dadurch der Schmerzstillung dienen könne. [...] Die selbständige Leistung „Trepanation" sei mit der Eröffnung des koronalen Pulpencavums abgeschlossen Weitere endodontische Maßnahmen seien andere eigenständige Leistungen. Diese seien auch berechnungsfähig, wenn deren Durchführung im unmittelbaren Anschluss an die Trepanation erfolge. [...] Die Leistung sei nicht berechenbar bei bereits freiliegendem Pulpencavums. [...] Für die „Nebeneinanderberechnung" der hier in Rede stehenden Gebührenpositionen spreche indiziell auch die Tatsache, dass der Verordnungsgeber die Trepanation gemäß der Gebührenposition 2390 GOZ nicht als „alleinige"' Leistung, sondern als „selbständige" Leistung ausgestaltet habe. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber selbst gewollt habe, dass die Gebührenpositionen 2390, 2360 und 2410 GOZ nebeneinander, am selben Zahn, in derselben Sitzung berechnungsfähig seien.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 06.11.2012 und ihren Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an ihn weitere Kassenleistungen in Höhe von EUR 3,36 zuzüglicn Zinsen in Höhe von fünf  Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf die Gründe der ergangenen Bescheide. Ergänzend führt sie aus, bei bereits eröffnetem Pulpencavum sei die Trepanation nicht abrechenbar. Als alleinige Leistung am Zahn ohne eine Aufbereitung oder Virtalexstirpation mache sie zahnmedizinisch in aller Regel keinen Sinn.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und einer Entscheidung durch das Gericht zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die dem Gericht vorliegenden Akten der Beklagten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§§ 101 Abs. 2, 87a Abs. 2, 3 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Ob Mitglieder der Beklagten von dieser Kassenleistungen zum Ersatz ihrer medizinischen Aufwendungen erhalten, richtet sich nach deren Satzung. Maßgeblich ist dabei die zum Zeitpunkt des Entstehens der Autwendungen geltende Fassung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07 09.2011 - 2 S 1972/11 - juris) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs 1 dieser Satzung in der hier maßgeblichen Fassung haben Mitglieder Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen § 32 der Satzung zählt hierzu auch zahnärztliche Leistungen. Nach §§ 32 Abs 1, 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Weitere Voraussetzung ist nach §§ 32 Abs. 1, 30 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Satzung die medizinische Notwendigkeit und wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen.

Hinsichtlich der Leistungen beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. Zahnärzte (GOZ). Sowohl die Frage, ob eine bestimmte Gebührennummer abgerechnet werden darf, als auch die Frage, mit welchem konkreten Gebührensatz, richtet sich mithin - sofern die Satzung keine Sonderregelungen enthält - nur nach diesen Gebührenordnungen. Zu beachten sind dabei insbesondere der Wortlaut der jeweiligen Gebührenbestimmung sowie das sogenannte Zielleistungsprinzip im Sinne des § 4 Abs. 2 GOZ. Nach diesem Prinzip kann ein Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr bereits berechnet hat.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe gilt:

Die fehlende Anerkennung der Abrechnung der GOZ-Ziffer 2390 ist im konkreten Einzelfall nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt.

Die Beklagte nimmt für ihre ablehnende Entscheidung Bezug auf die Begründung zur GOZ des Bundesministeriums für Gesundheit, wonach der Ansatz der Leistung nach der Nummer 2390 allenfalls im Rahmen einer Notfallbehandlung angezeigt sein könne. Sie sei nur als selbständige Leistung berechnungsfähig und nicht z. B. als Zugangsleistung zur Erbringung der Leistungen nach den Nummern 2410, 2430 und 2440. Der vorliegenden Leistungslegende lässt sich eine derartige Einschränkung aber nicht entnehmen. Nach dem Wortlaut ist die Trepanation eines Zahnes (Eröffnung der Pulpenhöhle durch Entfernung des die Pulpa umschließenden Hartgewebes wie Zahnschmelz und Dentin) nicht als alleinige Leistung definiert, sondern lediglich als selbständige Leistung. In der Kommentierung zur GOZ (Liebold, Raff, Wissing - Stand März 2013 GOZ Ziffer 2390 Seite 9) wird insoweit ausgeführt, dass es auch zahnmedizinisch gute Gründe gebe, dass sich eine solche Einschränkung in der Leistungsziffer nicht finde. Denn die Trepanation sei keine „Zugangsleistung" zur Erbringung anderer Leistungen (also eine unselbständige Teilleistung), sondern stelle eine eigene selbständige Therapiemaßnahme dar. Diese könne entweder solitär im Rahmen einer Notfallendodontie erfolgen oder aber kombiniert werden mit weiteren eigenständigen endodontischen Behandlungsmaßnahmen. Die Trepanation stelle auch keinen methodisch zwingenden Bestandteil einer Wurzelbehandlung dar. So müsse in Fällen von Zahnfrakturen mit freiliegender Pulpa oder in Fällen großflächiger Zerstörung von Zahnhartsubstanz durch großflächige Karies nicht trepaniert werden, bevor z. B. eine Vitalextirpation nach GOZ-Nr. 2360 oder eine Wurzelkanalaufbereitung nach der GOZ-Nr. 2410 erfolgen könne.

Die durchgeführte Trepanation ist somit als selbstständige Leistung nach GOZ-Ziffer 2390 zu vergüten.

Damit sind weitere EUR 3,36 erstattungsfähig.

Die Zinsforderung des Klägers ist insoweit ebenfalls begründet. Ihm stehen ab Rechtshängigkeit, die mit der Klageerhebung am 04.02.2013 eingetreten ist (§§ 81 Abs. 1, 90 VwGO), Prozesszinsen zu, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft.

Die Höhe der Prozesszinsen folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 289 Satz 1 und 247 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gründe, die eine Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht ermöglichen (§§ 124a Abs. 1 Satz 1 und 124 Abs. 2 Nrn. 3 u. 4 VwGO), sind nicht erkennbar.


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