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Teilleistungen für Präparation und Abformung

 | Gericht:  Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig  | Aktenzeichen: 2 C 79/08 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext

 

Tenor

Die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. September 2008 und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 werden aufgehoben.

 

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin weitere 407,48 € Kassenleistungen zu erstatten.

 

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist B1-Mitglied bei der Beklagten. Sie unterzog sich einer zahnärztlichen Behandlung, bei der ihr in einem ersten Schritt nach einem Abschleifen einiger Zähne Langzeitprovisorien in Gestalt von Vollkronen und Brücken eingesetzt wurden (Rechnung des Zahnarztes vom 6. August 2004). In einem zweiten Schritt wurden diese Zähne nachgeschliffen und endgültig mit Langzeitprovisorien versorgt (Rechnung vom 10. Dezember 2005).

 

Dem Antrag auf Kostenerstattung für den ersten Abschnitt der Behandlung fügte die Klägerin die Rechnung ihres Zahnarztes vom 6. August 2004 bei, in der unter anderem Teilleistungen für Präparation und Abformung nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Nummern 221 (50 %), 223 sowie Nummern 501 (50 %) und 505 abgerechnet wurden. Der Gesamtbetrag dieser Teilleistungen betrug 814,96 €.

 

Mit Bescheid vom 2. September 2004 lehnte die Beklagte die Erstattung von Kassenleistungen hierfür ab. Zur Begründung führte sie aus, Teilleistungen nach den GOZ-Nummern 223 und 505 seien nur erstattungsfähig, wenn der zahnmedizinische Handlungsbedarf aus nicht vorhersehbaren Gründen weggefallen sei, zum Beispiel nach einem Unfall.

 

Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

 

Die Leistungen nach den GOZ-Nummern 223 und 505 seien nicht erstattungsfähig. Diese Gebührennummern setzten voraus, dass die Leistungen mit der Präparation endeten. Sie ermöglichten die Abrechnung von Teilleistungen nur dann, wenn die prothetische Behandlung aus unvorhersehbaren Gründen nicht abgeschlossen werden könne. Dies folge aus dem Wortlaut und der Systematik der Vorschriften, insbesondere aus dem Zusammenhang mit den Vorschriften der GOZ-Nummern 222 und 504. Die Gebührennummern erfassten nicht den Fall, dass dem Patienten zunächst ein Provisorium - auch ein Langzeitprovisorium - angepasst und er in einem zweiten Behandlungsabschnitt mit Kronen versorgt werde.

 

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sie beantragt sinngemäß,

 

die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. September 2008 und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr weitere 407,48 € Kassenleistungen zu erstatten.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Revision zurückzuweisen.

 

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, es komme auf seine Auslegung der zahnärztlichen Gebührenordnung an, ist unzutreffend. Die Klägerin hat bereits dann Anspruch auf die begehrten Kassenleistungen, wenn die Forderung des Zahnarztes für die in der Rechnung ausgewiesenen Teilleistungen einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und die Beklagte nicht vorher für Klarheit über ihre Auslegung gesorgt hat.

 

1.

Ungeachtet des § 17a Abs. 5 GVG liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor. Die beklagte Postbeamtenkrankenkasse in ihrer heutigen Gestalt ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie ist weder eine gesetzliche Krankenkasse im Sinne des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch noch eine private Krankenkasse, sondern eine Sozialeinrichtung der früheren Deutschen Bundespost, deren Rechtsverhältnis zu ihren Mitgliedern öffentlich-rechtlich durch Gesetz und ergänzend durch die Satzung der Beklagten ausgestaltet ist. Sie ist in ihrem Bestand seit dem 1. Januar 1995 geschlossen, nimmt also keine Mitglieder mehr auf, mit Ausnahme von Angehörigen bereits versicherter Mitglieder (vgl. § 26 Abs. 2 sowie Abs. 3 bis 5 Bundesanstalt Post-Gesetz in der hier maßgeblichen, bis zum 30. November 2005 geltenden Fassung).

 

Die Mitglieder sind in mehrere Beitragsgruppen aufgeteilt. Postbeamte der Laufbahnen des einfachen Dienstes gehören der Gruppe A an, die übrigen Beamten der Gruppe B1 (§ 12 Abs. 2 der Satzung der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung der 48. Änderung, Stand 1. April 2004). Die Leistungen der beklagten Krankenkasse ergänzen für die Mitglieder der Gruppe B1 nach der Leistungsordnung B die Beihilfeleistungen so, dass insgesamt eine Erstattung der Aufwendungen zu 100 % erfolgt (vgl. die Tarifklassen in der Leistungsordnung B Nummer 1.2.2. der Satzung).

 

Erstattungsfähig sind Aufwendungen nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung, wenn sie beihilfefähig oder Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen und nicht aufgrund weiterer Satzungsvorschriften ausgeschlossen sind. Nach § 32 Abs. 1 der Satzung sind Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen erstattungsfähig. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass die Rechnungen nach der Gebührenordnung für Zahnärzte erstellt sein müssen (vgl. auch Leistungsordnung B Nr. 2 <Leistungen> Unternr. 2 Buchst. a). Besondere Ausschlüsse aufgrund weiterer Satzungsvorschriften sind nicht vorhanden.

 

Richtet sich also die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen nach deren Beihilfefähigkeit, ist auf die dazu ergangene Rechtsprechung des Senats zurückzugreifen:

 

2.

Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bei der Behandlung durch Ärzte beurteilt sich die Angemessenheit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung. Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (vgl. Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 34.03 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 15 und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 19.06 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 18). Ist der Beamte vom Zivilgericht rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt worden, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts (Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 30.03 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 16). Ist eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind (Urteil vom 20. März 2008 a.a.O. Rn. 18). Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, sind beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. Urteile vom 17. Februar 1994 - BVerwG 2 C 10.92 - BVerwGE 95, 117 = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 5 und - BVerwG 2 C 25.92 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 6, vom 21. September 1995 - BVerwG 2 C 37.94 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 11 S. 13 und vom 30. Mai 1996 - BVerwG 2 C 10.95 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 12). Selbst die Fehlerhaftigkeit einer Arztrechnung bleibt ohne Folgen, wenn das Verwaltungsgericht - wozu es befugt ist - die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Leistung feststellt (Urteil vom 20. März 2008 a.a.O. Rn. 9).

 

3.

Eine Entscheidung im Zivilrechtsweg über die Zahnarztforderung ist nicht ergangen, auch ist die Frage der Auslegung der streitigen Gebührennummern höchstrichterlich nicht geklärt. Der Wortlaut der Gebührennummern ist offen. Danach handelt es sich bei GOZ-Nummer 221 um die Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone. Diese Leistung umfasst nach dem Zusatz zur Nummer 221 auch die Leistungen nach Nummern 205 bis 212, also das Präparieren des Zahnes, Relationsbestimmung, Abformungen, Einproben, provisorisches Eingliedern, festes Einfügen der Krone, Nachkontrolle und Korrekturen. Enden die Leistungen mit der Präparation eines Zahnes, so ist nach Nummer 221 die Hälfte der jeweiligen Gebühr berechnungsfähig. Für die Nummern 501 in Verbindung mit 505 gilt im Ergebnis dasselbe, vgl. insbesondere den Zusatz zur GOZ-Nummer 504. Weder dem Wortlaut noch der Systematik lässt sich entnehmen, dass die Arbeiten "vorzeitig" enden müssen oder dass es auf die "Vorhersehbarkeit" einer Nachpräparation ankäme.

 

Das von der Klägerin beigefügte Urteil des Landgerichts Köln vom 17. April 1996 - 25 O 242/93 - (UA S. 12 unten/13 oben) stützt ihre Auffassung. Unerheblich ist, dass die Kommentarliteratur und das von der Beklagten beigebrachte Urteil des Landgerichts Konstanz vom 9. April 1994 - 1 S 221/98 - (UA S. 3 unten/4) für die Auffassung der Beklagten und der Verwaltungsgerichte sprechen. Es genügt, dass das der Zahnarztrechnung zugrunde liegende Verständnis der GOZ-Nummern 223 und 505 vertretbar ist und die Beklagte nicht rechtzeitig für Klarheit über die Auslegung der streitigen GOZ-Nummern gesorgt hat.


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