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Schadensersatz bei mangelhafter Prothetik

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Koblenz  | Aktenzeichen: 5 U 467/07 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Schadenersatzrecht

Beschlusstext

 

Tenor

In der Rechtssache ... ist beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

I.

Das Rechtsmittel hat keine Erfolgsaussicht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Erläuternd ist zur Sach- und Rechtslage auszuführen:

 

1.

Die Klägerin befand sich von Januar 2004 an in der zahnärztlichen Behandlung des Beklagten. Sie ließ Ober- und Unterkiefer mit herausnehmbaren Teilprothesen versorgen. Vorbereitend wurden etliche Zähne verkront.

 

Nach dem Vorbringen der Klägerin arbeitete der Beklagte mangelhaft: Die Kronen hätten überstehende Ränder gehabt und die Prothesen seien ohne festen Sitz gewesen. In der Folge hätten sich Sprach- Beiß- und Kauprobleme ergeben. Außerdem sei es zu Zahnfleischentzündungen gekommen.

 

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf die Zahlung eines mit 6.000 Euro bezifferten Schmerzensgelds, die Rückgewähr des von ihr für seine Zahnarztleistungen aufgewandten Eigenanteils von 722,90 Euro und den Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten von 389,64 Euro in Anspruch genommen sowie die Feststellung einer weitergehenden immateriellen und materiellen Ersatzberechtigung begehrt. Dem hat das Landgericht, gestützt auf ein vorliegendes Beweissicherungsgutachten und ein ergänzend innerprozessual eingeholtes Gutachten, bis auf den Feststellungsantrag wegen immaterieller Schäden entsprochen. Es hat die Arbeit des Beklagten für mangelhaft und umfassend sanierungsbedürftig erachtet.

 

Diese Entscheidung greift der Beklagte mit der Berufung an. Er erstrebt die Abweisung der Klage und wendet wie bereits in erster Instanz ein, dass seine Prothetik fehlerfrei gewesen sei. Die Rügen der Klägerin und die gutachterlichen Feststellungen, auf die das Landgericht abgehoben habe, beträfen Gegebenheiten, die auf die nachträgliche Intervention Dritter zurückzuführen seien.

 

2.

Damit vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Die landgerichtliche Entscheidung wird den Verhältnissen im Ergebnis gerecht.

 

a)

Die prothetischen Leistungen des Beklagten waren irreparabel fehlerhaft und haben die Klägerin nachhaltig beeinträchtigt. Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die implantierten Kronen nicht bündig auf ihren Trägerzähnen aufsitzen, sondern in den Randbereichen abstehen. Dadurch sind schwere Schäden an den maginalen Weichgeweben entstanden, und die Klägerin hatte und hat unter schmerzhaften Entzündungen zu leiden. Deshalb müssen die Kronen ersetzt und dann neue angepasste bewegliche Teilprothesen erstellt werden.

 

Dieses von der Klägerin vorgetragene Schadensbild hat der Sachverständige Prof. Dr. S... in seinem Beweissicherungsgutachten vom 21. Juli 2005 und in dem nachfolgenden innerprozessualen Gutachten vom 30. November 2006 bestätigt; es ist vom Ansatz her ebenfalls von dem Privatgutachter Rothkamm beschrieben worden. Auch der Beklagte hat die Erneuerungsbedürftigkeit der Prothetik nicht bestritten. Er hat allerdings seine Verantwortlichkeit dafür in Abrede gestellt und behauptet, die Kronen ordnungsgemäß angepasst zu haben. Seiner Ansicht nach ist der vorhandene schlechte Zustand von anderer Seite zu verantworten.

 

Diese Rechtsverteidigung greift indessen nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. S... hat dargelegt, dass der Kronenüberstand von vornherein dagewesen sein muss. Es handelt sich um Niveaudifferenzen, die konstruktiv bedingt sind. Dass von Dritten im Nachhinein eine entsprechende, schädigende Oberflächenveränderung vorgenommen worden sein könnte, ist nicht plausibel. Deshalb ist die – im Übrigen deutlich überhaupt nur in Bezug auf den Oberkiefer aufgestellte – Behauptung des Beklagten, er habe die Kronen randlos an die Trägerstümpfe angepasst, ohne Substanz; sie kann die gegenläufige Darstellung der Klägerin nicht entkräften. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, aus seiner zahnärztlichen Sicht eine außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegende potentiell schadensursächliche Entwicklung aufzuzeigen. Das ist nicht ansatzweise geschehen.

 

Die Darlegungslast des Beklagten ist nicht etwa deshalb erleichtert, weil der Kassengutachter Dr. G... bei einer zeitnahen Untersuchung der Klägerin einen ordnungsgemäßen Sitz der Kronen festgestellt hätte. Dr. G... hat sich zu den Kronen selbst nicht geäußert, sondern nur zu der beweglichen Prothetik und dabei auch nur zu der Oberkieferprothese Stellung genommen.

 

Die gebotene Substantiierung des Beklagtenvorbringens war spätestens veranlasst, nachdem der Sachverständige Prof. Dr. S... seinen Einwand als "völlig unsubstantiiert" (Gutachten vom 2. September 2006, S. 17 = Bl. 112 GA) und "unglaubwürdig" (ebenda S. 19 = Bl. 114 GA) bezeichnet hatte. Insofern war der Beklagte bereits in erster Instanz aufgefordert, sich mit der Argumentation Prof. Dr. S...s auseinanderzusetzen, die Kronenränder (seien) von Anfang an da (gewesen), so verblieben und hätten selbst bei mehrfachen Änderungen weder positiv noch negativ beeinflusst werden können". Sie seien "gegossen und (behielten) ihre primäre Form".

 

b)

Die mangelhafte Zahnarztleistung, von der danach auszugehen ist, rechtfertigt das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld, weil sie zu langfristig anhaltenden schmerzhaften Entzündungsprozessen führte und es notwendig macht, dass sich die Klägerin weitreichenden, das gesamte Gebiss betreffenden Sanierungsmaßnahmen mit Gefahren für die vorhandene Zahnrestsubstanz unterziehen muss. Daran kann nach den Ausführungen von Prof. Dr. S... kein Zweifel bestehen. Ob der Beklagte außerdem dafür haftbar zu machen ist, dass die beweglichen Prothesen jedenfalls auf Sicht keinen festen Halt hatten, ist daneben nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung.

 

Ein rechtserhebliches Mitverschulden der Klägerin lässt sich nicht annehmen. Die Behauptung des Beklagten, die Entzündungserscheinungen seien die Folge einer schlechten Zahnhygiene, ist nicht bewiesen; nach den Erkenntnissen des Sachverständigen Prof. Dr. S... geht er sogar höchstwahrscheinlich fehl. Der darüber hinaus erhobene Einwand, die Klägerin habe schuldhaft versäumt, den vorhandenen Beeinträchtigungen durch eine rasche Sanierung abzuhelfen, weil sie dazu entgegen ihrer Darstellung finanziell in der Lage gewesen sei, ist nicht einmal durch einen Beweisantrag unterlegt.

 

c)

Des Weiteren ist der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die von ihr als Eigenanteil geleistete Vergütung von 722,90 Euro zurückzugewähren. Dabei kann auf sich beruhen, ob dies, wie das Landgericht gemeint hat, im Wege des Schadensersatzes (§§ 280, 281 BGB) zu geschehen hat. Jedenfalls ergibt sich der Erstattungsanspruch der Klägerin aus §§ 323, 346 BGB, weil sie wegen der irreparabel fehlerhaften prothetischen Leistung des Beklagten zum Vertragsrücktritt berechtigt ist. Da die Rechtsbeziehungen der Parteien durch eine prothetische Arbeit geprägt werden, stehen der Klägerin im Hinblick auf die insoweit vorliegenden Mängel die werkvertraglichen Gewährleistungsrechte des § 634 BGB zu (vgl. OLG Köln VersR 1986, 300; Müller-Glöge, Münchner Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 611 Rdnr.81). Würde man demgegenüber Dienstvertragsrecht anwenden, wäre der Beklagte zwar nicht gewährleistungspflichtig; aber dann bestünde eine vergleichbare Haftung auf der Grundlage des § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB (Senatsurteil 5 U 1289/92 vom 7. Januar 1993 – VersR 1993, 1486).

 

d)

Zutreffend hat das Landgericht die materielle Ersatzhaftung des Beklagten für die Schadensfolgen der zahnärztlichen Behandlung festgestellt. Im Hinblick auf die Sanierungsbedürftigkeit der Prothetik stehen finanzielle Belastungen der Klägerin im Raum. Dass diese sich bereits jetzt abschließend beziffern ließen, ist nicht erkennbar. Es ist ungewiss, welche Maßnahmen im Einzelnen ergriffen werden müssen und wann es zu einer Sanierung kommt. Insofern bietet der von der Klägerin vorgelegte Heil- und Kostenplan keine gesicherte Berechnungsgrundlage. So hat selbst der Beklagte, der der Klägerin das Feststellungsinteresse abspricht, bezweifelt, ob er überhaupt umgesetzt wird.

 

e)

Schließlich hat die Klägerin auch einen Zahlungsanspruch in Höhe der vorprozessual entstandenen Anwaltskosten, die nicht in der Verfahrensgebühr aufgehen. Das sind 389,64 Euro.

 

Eine entsprechende Kostenbelastung der Klägerin folgt aus der Anwendung der Nr. 2400 a.F., 7002, 7008 RVG-VV. Die in Rechnung gestellte Geschäftsgebühr der Nr. 2004 RVG-VV a.F. ist im Hinblick auf die vorprozessuale Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die namentlich in deren Schreiben vom 1. August und 9. September 2005 Ausdruck gefunden hat, angemessen. Das kann der Senat selbst feststellen, ohne dass es der Einholung eines Gutachtens der Anwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 RVG bedarf (Jungbauer in Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., § 14 Rdnr. 126). Das Vorbringen des Beklagten, die Prozessvertreter der Klägerin hätten gegen § 49 b Abs. 5 BRAO verstoßen, weil sie nicht darüber aufgeklärt hätten, dass sie nach dem Gegenstandswert abrechnen würden, ist ohne Belang; daraus ergibt sich keine gebührenrechtliche Konsequenz (Schons AGS 2007, 232).

 

Der Beklagte hat auch für die Gebührenbelastung der Klägerin einzustehen. Seine Rechtsverteidigung, er hafte – jedenfalls in bestimmten Teilen – nicht, weil er vor Anfall der Gebühren nicht in Verzug gesetzt worden sei, trägt nicht. Denn die Klägerin kann ihn unabhängig von §§ 280, 286 BGB auf der Grundlage von § 823 BGB in Anspruch nehmen. Zu dem danach ersatzfähigen Schaden zählt im vorliegenden Fall ohne weiteres der Aufwand für die Heranziehung eines Rechtsanwalts zur Realisierung eines umfassenden Schadensausgleichs.

 

Ebenso wenig kann der Beklagte seiner Zahlungspflicht mit dem Hinweis darauf entgehen, dass die Klägerin die streitigen Gebühren ihrerseits noch nicht ausgeglichen habe. Die Klägerin ist deshalb nicht auf einen bloßen Freistellungsanspruch beschränkt. Die streitigen Anwaltsgebühren stellen nämlich Aufwendungen dar, die die Klägerin mit dem Ziel getätigt hat, zu einer Naturalrestitution zu gelangen. Damit sind sie gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, auch ohne dass die Klägerin in Vorleistung getreten ist, ersatzfähig (BGH NJW 1966, 1454; BGH NJW 1974, 34).

 

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Genauso wenig ist ein Urteil des Senats im Interesse der Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

 

III.

Nach alledem sollte der Beklagte die Rücknahme seines Rechtsmittels erwägen. Bis zum 16. Juli 2007 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme. 


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