Urteilstext
Tenor
Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat auf die mündliche Verhandlung vom
9. Januar für Recht erkannt:
Auf die Berufungen der Klägerin und des Streithelfers wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 18. Januar 2016 -14 0 123/11 - unter gleichzeitiger Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über die bereits in erster Instanz zuerkannten EUR 16.788,82 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2010 hinaus weitere EUR 1.729,08 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.einschließlich der in jener Instanz durch die Streithilfe verursachten Kosten zu 53 %. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu 47 % und der Streithelfer die weiteren durch die Streithilfe in erster Instanz verursachten Kosten.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz einschließlich der in dieser Instanz durch die Streithilfe verursachten Kosten trägt der Beklagte zu 9 %. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz zu 91 % und der Streithelfer die weiteren durch die Streithilfe in zweiter Instanz verursachten Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht die Zahlung restlichen Honorars für eine zahnärztliche Behandlung des Beklagten durch den Streithelfer. Der Klage hat das Landgericht nur teilweise stattgegeben. Hiergegen richten sich die eigenständigen Berufungen der Klägerin und des Streithelfers.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das landgerichtliche Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin wendet sich mit der Berufungsbegründung vom 21. April 201.6 (Bl. 1028 ff. d. A., im Folgenden: BBK) gegen die Versagung des nunmehr noch begehrten Honoraranspruchs in Höhe von EUR 18.447,84.
Der Klägerin macht geltend, das Sachverständigengutachten des Dr. Dr. …
könne nicht der Urteilsfindung zugrunde gelegt werden, weil die Erhebungen des Sachverständigen unvollständig seien. Dieser habe weder die Krankenunterlagen noch den Operationsbericht des Zedenten einbezogen (Seite 2 BBK, Bl. 1029 d. A.). Soweit der Sachverständige die Unterlagen später gesichtet habe, hätte das Landgericht eine konkrete Auseinandersetzung mit diesen Inhalten verlangen müssen (Seite 2 BBK, Bl. 1029 d. A.).
Fehlerhaft habe das Landgericht den Zahlungsanspruch für die Position GOÄ 2404 aus der Rechnung vom 9. Februar 2010 (Bl. 11 ff. d. A.) versagt. Entgegen der Ansicht des Sachverständigen und des Landgerichts sei die vorgenommene Zystenexzision von GOÄ 2404 erfasst. Dies ergebe sich auch aus der zitierten Kommentierung zur GOÄ (Seite 2 BBK, Bl. 1029 d. A.).
Die Berechtigung zur Abrechnung der Gebühr GOÄ 2732 folge aus den Kieferdefekten, die ausweislich des Operationsberichtes vorhanden gewesen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht den Operationsbericht nicht seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt habe (Seite 2 f. BBK, Bl. 1029 f. d. A.).
Zu Unrecht habe das Landgericht ferner die Abrechenbarkeit der Gebühren für Leistungen nach Ä 2255 versagt. Unverständlich sei es, dass auch hier der Opera-tionsbericht nicht als Nachweis anerkannt wurde; zudem habe sich der Sachverständige nicht mit dem Einwand der Klägerin auseinandergesetzt, dass eine radiologische Befundung entnommener Knochenspäne nicht möglich sei (Seite 3 BBK, BL 1030 d. A.).
Unzutreffend sei auch die Ablehnung eines Gebührenanspruchs nach Ä 2442. Die Entnahme von Knochenspänen aus einer anderen Region stelle stets eine Entnahme im Sinne von Ä 2442 dar. In diesem Zusammenhang habe der Sachverständige ohne Anhaltspunkte in der GOÄ oder GOZ fehlerhaft interpretiert, dass Regionen im Sinne von Quadranten Zu verstehen seien. Eine solche rechtliche Wertung hätte allein dem Gericht zugestanden (Seite 3 BBK, Bl. 1030 d. A.).
Gleiches gelte für die Gebührenposition 413 (Seite 3 BBK, Bl. 1030 d. A.).
Auch bei der Gebührenposition Ä 1467 habe das Landgericht zu Unrecht den Operationsbericht nicht.als Nachweis genügen lassen (Seite 3 BBK, Bl. 1030 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des am 18. Januar 2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover -14 O 123/11 - zu verurteilen, an die Klägerin weitere 18.447,84 Euro nebst [Zinsen in Höhe von] fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 15. März 2010 sowie die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 WRVG in Höhe von 1.192,60 Euro zu zahlen.
Der Streithelfer wendet sich mit seiner Berufungsbegründung vom 25, April 2016 (Bl. 1037 ff. d.A., im Folgenden: BBS) gegen die Versagung des nunmehr noch begehrten Honorars in Höhe von EUR 5.429,08.
Er macht geltend, die Kammer habe die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte wegen ungenügender wirtschaftlicher Aufklärung über § 404 BGB der Klage teilweise einen Anspruch auf Freistellung gemäß § 280 Abs. 1 BGB von einer Vergütung entgegenhalten könne, die oberhalb des üblichen Steigerungsfaktors liege. Das Landgericht habe mit dieser Begründung folgende Differenzbeträge rechtsfehlerhaft versagt: die Differenz für die Gebührenpositionen GOÄ 3, 5370, 5380 sowie GOZ 203, 701 in Höhe von EUR 69,96. Ferner die Differenz für die Positionen GOZ 701, 900, 303, die Positionen 4 x GOÄ 2442, 4 x GOZ 413, GOÄ 1479, GOZ 500, 708, 517, 801, 802, 804, 805, 808, 809, 407, 217 in Höhe von insgesamt EUR 3.910,35.
Die Rechtsauffassung der Kammer im Urteil stehe zudem im Widerspruch zu der vorherigen Auffassung der Kammer unmittelbar nach der persönlichen Anhörung des Beklagten und der Einvernahme des Streithelfers und seiner Praxishelferin als Zeugen, die die Kammer im Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27. Juni 2012 niedergelegt habe (Seite 3 BBS, Bl. 1038 d. A.). Da das Landgericht nicht auf die Änderung seiner Rechtsauffassung hingewiesen habe, habe es zudem gegen seine Hinweispflichten verstoßen (Seite 3 BBS, Bl. 1038 d. A.).
Ferner ergebe sich eine hinreichende wirtschaftliche Aufklärung aus der am 18. Januar 2010 unterschriebenen Aufstellung über die Kosten für die Komplettbe-handlung in Höhe von 103.171,67 Euro, die vom Beklagten unterschriebenen Einverständniserklärungen und eine Vielzahl einzelner Kostenaufstellungen, die der Beklagte erhalten habe (Seite 4 BBS, Bl. 1039 d. A.).
Im Übrigen existiere keine gesetzliche Pflicht, den Patienten dahingehend aufzuklären, dass der Behandler den Regelsatz der GOÄ oder der GOZ überschreite. Der Behandler könne mehr abrechnen, müsse dies aber begründen. Da der Beklagte noch nicht einmal die Zulässigkeit der Überschreitung des Regelsatzes bestritten habe, habe die Kammer nicht Beweis über deren Berechtigung erheben müssen (Seite 4 BBS, Bl. 1040 d A).
Zu Unrecht habe das Landgericht die Abrechenbarkeit der Gebührenpositionen 901 bis 903 versagt Die Auffassung der Kammer, dass die Ziffern 901 bis 903 nicht abrechenbar seien, weil der Streithelfer diese Positionen nicht für reguläre enossale Implantate oder Nagelimplantate, sondern für provisorische Implantate angesetzt habe, sei falsch. Richtigerweise seien im Wege der Analogie 50 % der Kosten für 10 x 901, 902 und 903 GOZ anzusetzen, mithin insgesamt EUR 1.181,00. Der Ansatz eines hälftigen Betrages entspreche auch dem tatsächlichen Aufwand, den der Streithelfer hatte (Seite 4 f. BBS, Bl. 1040 f. d A).
Ebenfalls fehlerhaft habe das Landgericht die Abrechenbarkeit der Position GOÄ 2404 verneint mit dem Hinweis, dass auf dem. Röntgenbild nur Zahnzysten zu erkennen seien. Bei diesen müsse aber zumindest eine Abrechnung von 9x317 GOZ in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung möglich sein, da die Entfernung von Zahnzysten dieser Gebührenziffer unterfalle. Hieraus folge bei einem Steigerungssatz von 2,3 ein weiterer Anspruch in Höhe von 267,75 Euro (Seite 5 BBS, Bl. 1041 d. A.).
Der Streithelfer beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des am 18. Januar 2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover - Az.: 14 O 123/11 - zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 5.429,06 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2010 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin und die Berufung des Streithelfers zurückzuweisen.
Der Senat hat den Sachverständigen Dr. Dr. in der mündlichen Vehandlung vom 9. Januar 2017 ergänzend angehört. Zum Ergebnis der Anhörung wird auf das Verhandlungsprotokoü vom 9. Januar 2017 verwiesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg im Hinblick auf die Gebührenpositionen Ä 2255 in Höhe von EUR 793,65 (1.). Die Berufung des Streithelfers ist erfolgreich im Hinblick auf die Gebührenposition GOZ 903 in Höhe von EUR 621,00 und die Gebührenposition GOZ 317 in Höhe von EUR 314,43 (2.).
1. Berufung der Klägerin
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung eines Gebührenanspruchs nach Ä 2255 in Höhe von EUR 793,65 wendet (a). Im Übrigen ist die Berufung erfolglos (b).
a)
Zu Unrecht hat das Landgericht der Klägerin eine Gebührenforderung wegen der Position Ä 2255 in Höhe von ERO 793,65 versagt.
(1) Voraussetzung eines Gebührenanspruchs nach Ä 2255 ist, dass eine „freie Verpflanzung eines Knochens oder von Knochenteilen (Knochenspänen)" stattfindet (Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte). Hierbei müssen der Knochen bzw. die Knochenteile außerhalb des gleichen Operationsgebiets entnommen und an anderer Stelle wieder eingepflanzt werden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 9. März 2016 -1 U 56/15, Seite 7 f. und Stellungnahme des Zahnarztes Dr. ..., Seite 9 Gutachten vom 30. November 2012, Bl. 399 d. A.: „Eine Berechnung der Position Ä 2255 ist nicht gleichzeitig und an gleicher Stelle mit der Position Ä 2442 (Implantation zur Weichteilunterstützung, Einbringung von alloplastischem Material) ansetzbar."). Der Sachverständige Dr. Dr. … hat das Erfordernis „außerhalb des gleichen Operationsgebiets" vorliegend dahingehend konkretisiert, dass pro Quadrant nur eine Abrechnung möglich ist (Seite 8 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 1. September 2015, BL 831 d. A.; Seite 3 Protokoll vom 17. Dezember 2015, Bl. 930 d. A.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Position Ä 2255 vorliegend in vier Fällen abrechenbar. Die Klägerin hat vorgetragen, der Streithelfer habe an sieben Stellen kortikospongiöses Material entnommen. Hierzu hat sie die Rechnung vom 9. Februar 2010 vorgelegt, aus der sich ergibt, für welche sieben Zähne das Material entnommen wurde. (Bl. 12 d. A.). Weiterhin haben die Klägerin und der Streithelfer vorgetragen, dass den jeweiligen Implantationsgebieten (1. Quadrant: 17, 13; 2. Quadrant: 23, 26; 3. Quadrant: 37, 32; 4. Quadrant: 42) strukturierte Bohrspäne entnommen und mit einem Titannetz in einem „Bonecollector" aufgefangen wurden. Diese wurden sodann mit Eigenblut und Knochenersatzmaterial vermengt und an anderer Stelle wieder eingepflanzt (Seite 17 ff. Schriftsatz der Klägerin vom 25. März 2013, Bl. 441 ff. d. A; Seite 10 Schriftsatz des Streithelfers vom. 8. März 2013, Bl. 417 d. A.). Der Beklagte ist diesem Vortrag nicht detailliert entgegengetreten (§ 138 Abs: 3 ZPO, vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 15, Juni 2011, Bl. 31 d. A.; Seite 1 f. Schriftsatz vom 22. März 2013, Bl. 423 f. d. A.). Der Senat sieht daher die Voraussetzung, dass die Knochenteile ganz überwiegend außerhalb des jeweiligen Implantationsgebiets für vier Operationsgebiete (1. = 1. Quadrant: 17, 13; 2. = 2. Quadrant: 23, 26; 3. = 3. Quadrant: 37, 32; 4. = 4. Quadrant: 42), entnommen wurden, als erfüllt an.
(2) Der Senat teilt nicht die Ansicht des Landgerichts, eine Abrechenbarkeit der Gebührenposition Ä 2255 scheitere daran, dass sich die Lage und die Anzahl der Entnahmen radiologisch nicht mehr feststellen lassen. Zutreffend weist die Berufung insofern darauf hin, dass es auf den Umstand, dass die Entnahmestellen für die Knocheblöcke radiologisch nicht erkennbar waren. (so die Feststellungen des Sachverständigen Seite 4 Gutachten vom 20. Juli 2015) nicht ankommt (Seite 3 BBK, Bl. 1030 d.A.). Entnommen wurden ausweislich der Rechnung vom 9. Janu¬ar 2010 keine Knochenblöcke, sondern lediglich kortikospongiöse Späne, die - wie dem Senat bekannt ist - nicht zwingend radiologisch nachweisbar sind.
(3) Bei Ansatz von vier Abrechnungsfällen mit einem Steigerungssatz von je 2,3 (vgl. hierzu LGU Seite 13) ergibt sich eine Gebührenforderung von EUR 793,65 (Ä 2255 x 4 Regionen x 2,3).
b)
Erfolglos ist die Berufung der Klägerin im Hinblick auf die Einwände gegen das Sachverständigengutachten (aa) sowie hinsichtlich der Gebührenpositionen 2404 (bb), GOÄ 2732 (cc), Ä 2442 (dd), 413 (ee), Ä 1467 (ff).
aa)
Die Klägerin kann ihre Berufung nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Sachverständigengutachten deshalb nicht der Urteilsfindung zugrunde gelegt werden durfte, weil die Erhebungen des Sachverständigen unvollständig waren, ins-besondere die Krankenunterlagen und der Operationsbericht des Zedenten nicht einbezogen wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erhebungen des Sachver-ständigen unvollständig waren. Dieser hat den Operationsbericht und die Kran-kenunterlagen zur Kenntnis genommen (vgl. Seite 8 des Protokolls vom 1. September 2015, Bl. 831 d. A.; Seite 6 des Protokolls vom 17. Dezember 2015, Bl. 933 d. A.). Eine konkrete Auseinandersetzung des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten oder der mündlichen Verhandlung mit den Unterlagen war nicht erforderlich. Zum einen gaben diese nach Aussage des Sachverständigen keinen Anlass für eine Änderung der Beurteilung. Zum anderen - hierauf hat auch schon das Landgericht in seinem Beschluss vom 17. November 2015 hingewiesen (Bl. 918 d. A.) - sind für die Beurteilung die objektiven (bildgebenden) Befundunterlagen entscheidend. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Unterlagen war damit entbehrlich, ganz abgesehen davon, dass es in der Verantwortung der Klägerseite liegt, dass die Unterlagen nicht schon auf die gerichtliche Anforderung vom 27. Juni 2012, sondern erst nachträglich mit Schriftsatz vorn 28. August 2015 als Anlage K 10 eingereicht wurden.
bb)
Keinen Rechtsfehlern begegnet ferner, dass das Landgericht die Gebührenposition 9 x Ä 2404 als nicht abrechenbar erkannt hat. Auf den in der Berufungsbegründung erhobenen Einwand der Klägerin, aus der Kommentierung von Brück, Kommentar zur GOÄ (Anlage K 11) ergebe sich, dass vom Begriff Zyste auch Zahnzysten erfasst seien, ist der Sachverständige schon bei seiner mündli-chen Anhörung am 17, Dezember 2015 eingegangen. Er hat hierbei ausgeführt, dass die in der Leistungslegende zu GOÄ 2404 erwähnten Zysten nicht Zahnzysten umfassen (Seite 3 Protokoll vom 17.12.2015, Bl. 930 d A).
Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachver-ständigen. Dieser ging - soweit ersichtlich - von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus und hat daraus überzeugende, in sich widerspruchsfreie Schlussfolge-rungen gezogen.
cc)
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch die Abrechenbarkeit der Gebüh-renposition GOÄ 2732 versagt. Voraussetzung einer Abrechnung ist der von der Klägerin zu erbringende Nachweis, dass tatsächlich an vier Stellen ein ausgedehnter Kieferdefekt von mehr als 2 cm vorhanden war. Das Röntgenbild weist aber keinen Defekt dieser Größe auf. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2015 lagen die Einbrüche im Zahnhalteapparat des Beklagten im Millimeterbereich. Die Gebührenposition . erfasse insbesondere nicht den Sinuslift. Dieser'habe damals drei oder vier anderen Positionen unterfallen, von denen zwei abgerechnet worden seien (Seite 3 des Protokolls vom 17. Dezember 2015, Bl. 930 d. A.). Dass das Landgericht sich an-gesichts dieser objektiv nachprüfbaren Erkenntnisse nicht an dem Operationsbericht des Klägers orientiert hat, ist für den Senat nachvollziehbar.
dd)
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet, dass das Landgericht die Gebüh- . renposition Ä 2442 nur je einmal pro Quadrant, mithin in vier Fällen, für abrechenbar gehalten hat. Die Klägerin selbst bestätigt, dass dem Gericht eine solche rechtliche Wertung zustehen würde (Seite 3 BBK, Bl. 1030 d.A.). Von dieser - durch Feststellungen des Sachverständigen gedeckten (Seite 4 Sachverständi-gengutachten vom 20. Juli 2015, Seite 3 Protokoll vom 17. Dezember 2015, Bl. 930 d.A.) - Wertungsmöglichkeit hat das Landgericht Gebrauch gemacht.
ee)
Auch die Kürzungen bei der Gebührenposition 413 hat das Landgericht aus diesem Grund zutreffend vorgenommen (entgegen Seite 3 BBK, Bl. 1030 d. A.).
ff)
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht schließlich die Abrechenbarkeit der Gebührenposition
Ä 1467 versagt. Für die Leistungserbringung des Streithelfers fehlt das radiologische Korrelat (Seite 4 f. Protokoll vom 17. Dezember 2015, Bl. 931 f. d. A.).
2. Berufung des Streithelfers
Die Berufung des Streithelfers hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung eines Gebührenanspruchs für die Einbringung der Interimsimplantate nach Gebührenziffer 903 in Höhe von EUR 621,00 (a) und gegen die Versagung eines Gebührenanspruchs für die Entfernung von neun Zahnzysten in Höhe von EUR 314,43 (9 x GOZ 319) richtet (b). Im Übrigen ist die Berufung erfolglos (c).
a)
Zu Unrecht hat das Landgericht eine Vergütung für die Einbringung der In-terimsimplantate in Höhe von EUR 621,00 (Gebührenziffer 903) versagt.
aa)
In der Verhandlung vom 9. Januar 2017 hat der Sachverständige Dr. Dr. … überzeugend dargelegt, dass der Streithelfer die Einbringung der Implantate der Firma…, vgl. Schreiben des Streithelfers vom 28. August 2015, Bl. 795 d. A.) über die Gebührenposition GOZ 903 abrechnen kann.
Der Sachverständige hat diese Feststellungen nach Rückfrage im Gebührenreferat der Zahnärztekammer Berlin und Befragung der … GmbH unter sorgfältiger Abwägung des Vergütungsinteresses, des Zahnarztes auf der einen Seite und der den Patienten treffenden Kosteniast auf der anderen Seite getroffen. Die Ansetzung der Positionen 901, 902 und 903 hielt er nicht für gerechtfertigt, da die IPI Implantate einen geringeren Durchmesser als die ennossalen Implantate besitzen und somit mit weniger Zeitaufwand und Schwierigkeit verbunden sind. Von seiner in seinem zweiten Gutachten vom 20. Juli 2015 (dort Seite 6) geäußerten Ansicht, dass die Insertion der Interimsimplantate über die Gebührenposition GOZ 909 abzurechnen sei, ist der Sachverständige ausdrücklich abgerückt.
Aufgrund der direkten Abrechenbarkeit nach GOZ 903 scheidet mangels Regelungslücke auch die vom Streithelfer angestrebte analoge Abrechnung über die Gebührenziffern 901 bis 903 aus.
Der Senat ist von der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen überzeugt. Der Sachverständige hat nach sorgfältiger Ermittlung und Abwägung aller Gesichtspunkte widerspruchsfreie, verständliche und überzeugende Feststellungen getroffen.
bb)
Die Insertion der 10 Implantate ist bei Ansatz eines Steigerungsfaktors von 2,3 somit wie folgt abzurechnen: 10 x EUR 27,00 (vgl, Gebührenposition 903 der GOZ in der Fassung vom 2. Januar 2002 bis 14. Dezember 2010: 52,80 DM = EUR 27,00)x 2,3 = EUR 621,00.
b)
Die Berufung des Streithelfers hat auch insofern Erfolg, als die Entfernung der Zahnzysten über die Gebührenposition GOZ 319 abgerechnet werden kann.
In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen stellt das Landgericht zwar zutreffend fest, dass die Entfernung der neun Zahnzysten nicht der Gebührenposition Ä 2404 (Excision größerer Geschwülste) unterfällt (vgl. hierzu Seite 8 LGU; Seite 6 Gutachten vom 20. Juli 2015). Auch eine Anrechenbarkeit nach GOZ 317 a.F., wie sie der Streithelfer.noch in der Berufungsbegründung begehrt hat, kommt nicht in Betracht (vgl. hierzu Ausführungen des Sachverständigen, Seite 2 Protokoll vom 9. Januar 2017, Bl. 1095 d. A.).
Die Entfernung der Zahnzysten unterfällt nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz jedoch der Position GOZ 319 (Fassung gültig vom 2. Januar 2002 bis 14. Dezember 2010, „Operation einer Zyste durch Zystektomie In Verbindung mit einer Osteotomie o- der Wurzelspitzenresektion") (Seite 2 Protokoll vom 9. Januar 2017, BI. 1095 f; d. A.). Danach kann der Streithelfer die Leistung GOZ 319 zu je EUR 15,19 (29,70 DM) in neun Fällen abrechnen. Die Klägerin hat mithin einen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht in Höhe von EUR 314,43 (9x319 GOZ bei Steigerungssatz 2,3 = EUR 314,43).
c)
Keinen Erfolg hat die Berufung des Streithelfers, soweit sie sich gegen den Vorwurf ungenügender wirtschaftlicher Aufklärung richtet (aa) und einen Verstoß gegen richterliche Hinweispflichten behauptet (bb).
aa)
Keinen Rechtsfehlern begegnet, dass das Landgericht von einer ungenügenden wirtschaftlichen Aufklärung des Beklagten durch den Streithelfer ausgegangen ist.
(1) Erfolglos erhebt der Streithelfers insofern den Einwand, eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht, den Patienten dahingehend zu unterrichten, dass der Behandler den Regeisatz der GOÄ oder GOZ überschreitet, scheitere an einer entsprechenden gesetzlichen Normierung.
Den Behandler träfen und treffen - auch schon vor der expliziten Normierung in § 630 c Abs. 3 BGB - Informationspflichten im Zusammenhang mit den finanziellen Folgen der Behandlung. Hat er positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch einen Dritten, hierdurch die gesetzliche Krankenversicherung des Beklagten, muss er die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten beziffern, um dem Patienten die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung für die Behandlung vor Augen zu führen. Der positiven Kenntnis steht es gleich, wenn sich aus den Umständen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist (zu dieser Pflicht vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, juris, Rn. 9; OLG Köln, Urteil vom 23. März 2005 - 5 U 144/04, juris, Rn. 6; KG, Urteil vom 21. September 1999 - 6 U 261/98, juris, Rn: 9; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 2015, A 771, A 792, A 805; Gehrlein, Grundwissen Arzthaf-tungsrecht, 2. Aufl. 2015, Rn. 16 f. m. w. N.).
Fehlt eine solche Aufklärung, kann der Patient dem Behandler einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB entgegenhalten, der auf Freistellung von dem Gebührenanteil gerichtet ist, der nicht mehr von Dritten gedeckt wird. Entgegen der Ansicht des Streithelfers (Seite 4 BBS, Bl. 1040 d. A.) bedarf es in diesem Fall nicht mehr der Beweiserhebung, ob das Überschreiten des Regelsatzes in der Rechnung vom 9. Februar 2010 angemessen war.
(2) Rechtlich zutreffend hat das Landgericht eine hinreichende wirtschaftliche Aufklärung durch den Beklagten verneint. Diese Aufklärung wird auch nicht durch die vom Beklagten unterschriebene Aufstellung der Gesamtkosten vom 18. Januar 2010, die vom Beklagten unterschriebenen Einverständniserkläruiigen und die Vielzahl einzelner Kostenaufstellungen ersetzt.
Angesichts des Umstands, dass der Beklagte gesetzlich krankenversichert ist, der Streithelfer hiervon wusste (vgl. Anlage K 3, Bl. 93 d. A.) und die Gesamtkosten mit insgesamt EUR 103.171,65 (Anlage K 2, Bl. 92 d.A.) in exorbitanter Weise von denen einer Standardkassenbehandlung abweichen, sind strengste Anforderungen an eine wirtschaftliche Aufklärung zu stellen. Um den Schutzzweck der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung zu erfüllen, müssen die Anforderungen an die In-formationspflicht umso höher sein, je weiter sich die Kostenforderung von der Kostenforderung einer Grundversorgung entfernt. Je weiter sich die tatsächliche Forderung von den Kosten einer Grundversorgung entfernt, desto gravierender sind die wirtschaftlichen Folgen für den Patienten und desto erkennbarer ist für den Behandler, dass Dritte für die Kosten nicht mehr aufkommen werden (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10. März 2016 -1 U 82/15, Seite 7, dem Streithelfer bekannt; zur auf Treu und Glauben basierten wirtschaftlichen Hinweispflicht des Arztes vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1983 - VI ZR 104/81, juris, Rn. 9).
Der Senat teilt vorliegend die Ansicht der Kammer und des Sachverständigen, …, dass es völlig unverständlich und als grober Behandlungsfehler zu werten ist, dass der Streithelfer den Beklagten nur zwei Tage nach der Erstvorstellung einem derart umfangreichen und kostenintensiven Eingriff unterzogen hat (vgl. hierzu Seite. 10 Sachverständigengutachten vom 2. Mai 2014). Dies gilt umso, mehr, wie der Sachverständige ausgeführt hat, als es hier Behandlungsalternativen gab, die zu-dem erheblich kostengünstiger gewesen wären. Die Vorlage der insgesamt 57 Formulare mit umfangreichen Behandlungsschritten und den zugehörigen Kosten innerhalb von drei Tagen zur Unterschrift kann eine Aufklärung nicht mehr ge-währleisten. Diese große Zahl an Unterlagen in einer so kurzen Zeit gewährleistet nicht eine vernünftige Aufklärung, die dem Patienten die Möglichkeit gibt, den Behandlungsvorgang wie die zu erwartenden Kosten zu durchschauen und abzuwägen (vgl. hierzu auch Seite 2 des Protokolls vom 1. September 2015, Bl. 825 d.A. mit entsprechenden Hinweisen und dem Verweis auf das Verfahren 14 O 341/12, mittelbar bestätigt durch Senatsbeschluss vom 14. Mai 2014 - 1 U 79/13; zur ungenügenden wirtschaftlichen Aufklärung vgl. auch LGU Seite 11).
bb)
Entgegen der Ansicht des Streithelfers (Seite 3 BBS, Bl. 1039 d.A.) kann der Senat auch keinen Verstoß gegen richterliche Hinweispflichten feststellen. Ein solcher Verstoß folgt insbesondere nicht daraus, dass die Kammer nicht an ihrer Auffassung (ausreichende wirtschaftlichen Aufklärung erfolgt) festgehalten hat, die sie auf Seite 5 des Protokolls vom 12. Juni 2012 (Bl. 232 d. A.) und im Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27. Juni 2012 (Bl. 239 f. d. A.) niedergelegt hat. Die Kammer hat in der Verhandlung vom 1. September 2015 ausdrücklich daraufhingewiesen, dass sie an dieser Auffassung nicht mehr festhält und einen entgegengesetzten Hinweis erteilt (Seite 2 Protokoll vom 1. September 2015, Bl. 825 d. A.).
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.