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Ruhen der Approbation eines Zahnarztes

 | Gericht:  Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW  | Aktenzeichen: 13 B 1234/18 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie:  Ausübung des zahnärztlichen Berufs , Sonstiges

Beschlusstext

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 30. Juli 2018 geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 1840/18 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. April 2018 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 17.500 Euro festgesetzt.

 

 

Gründe

 

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 1840/18 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. April 2018 hinsichtlich der Ruhensanordnung und der Aufforderung zur Abgabe der Approbationsurkunde wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.


Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und dem privaten Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus.


1. 

Die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit welchem der Antragsgegner gestützt auf § 5 Abs. 1 Nr. 4 ZHG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Ruhen der dem Antragsteller am 10. Mai 1992 erteilten Approbation als Zahnarzt angeordnet hat, lässt sich gegenwärtig nicht abschließend feststellen.


a) 

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 ZHG kann das Ruhen der Approbation als Zahnarzt angeordnet werden, wenn sich ergibt, dass der Zahnarzt nicht über die Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, die für die Ausübung der Berufstätigkeit in Deutschland erforderlich sind. Welche Sprachkenntnisse im Einzelnen zu verlangen sind, gibt das Gesetz nicht vor. Im Einklang mit dem Beschluss der 87. Gesundheitsministerkonferenz 2014 am 26./27. Juni 2014 „Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den akademischen Heilberufen“ verlangt der Antragsgegner von Zahnärzten Fachsprachenkenntnisse auf dem Sprachniveau C 1. Nachgewiesen werden können diese u.a. durch einen erfolgreich abgelegten Sprachtest, der u.a. ein 20-​minütiges simuliertes Berufsangehörigen-​Patienten-​Gespräch und ein 20-​minütiges Gespräch mit einem Angehörigen derselben Berufsgruppe umfasst. Darüber hinaus ist ein in der (zahn-​)ärztlichen Praxis üblicherweise vorkommendes Schriftstück anzufertigen, wofür ebenfalls 20 Minuten vorgesehen sind.


b) 

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Antragsteller nachweislich über die danach erforderlichen Sprachkenntnisse auf C 1 Niveau verfügt, was jedenfalls mit Blick auf den vom Antragsteller am 29. November 2017 absolvierten Fachsprachentest zweifelhaft sein dürfte. Selbst wenn der Antragsteller nicht über die danach erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen sollte, ist aber offen, ob sich die Anordnung des Ruhens als ermessensfehlerfrei, insbesondere als verhältnismäßig erweist.


Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Sprachkenntnisse zur Abwehr von Gesundheitsgefahren erforderlich sind, um insbesondere eine sorgfältige Anamnese zu erheben, Patientinnen und Patienten über die festgestellte Erkrankung zu informieren und die verschiedenen Aspekte des Verlaufs und der Behandlung darzustellen. Als Erteilungsvoraussetzung für die Approbation als Zahnarzt setzt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 ZHG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BÄO, vgl. auch Art. 53 der Richtlinie 2005/36/EG) deshalb voraus, dass der Antragsteller über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber aber in den Fällen, in denen der (Zahn-​)Arzt bereits im Besitz einer Approbation ist und deshalb regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass er sich in seinem Beruf bereits bewährt hat, bei Fehlen der erforderlichen Sprachkenntnisse nicht zwingend den Erlass einer Ruhensanordnung vorgesehen. Vielmehr hat er den zuständigen Behörden insoweit ein Ermessen eingeräumt. Dies, wie auch der Umstand, dass fehlende Sprachkenntnisse keinen Grund für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Approbation darstellen (vgl. § 4 ZHG), belegen, dass der Gesetzgeber nicht stets und zwingend von einer nicht hinnehmbaren, weil abstrakt ohnehin niemals auszuschließenden Gesundheitsgefährdung infolge mangelhafter oder fehlender Sprachkenntnisse ausgeht.


c) 

Da die Anordnung des Ruhens der Approbation zur Folge hat, dass der Zahnarzt seinen zahnärztlichen Beruf nicht mehr ausüben darf (§ 5 Abs. 3 ZHG), bedarf es wegen des mit der Ruhensanordnung verbundenen erheblichen Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG einer besonderen Rechtfertigung. Die Anordnung des Ruhens der Approbation ist nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt.


Vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 28. August 2007 - 1 BvR 2157/07 -, juris, Rn. 21.


Ob die Sprachkenntnisse des Antragstellers in einem solchen Ausmaß mangelhaft sind, dass konkrete Gefahren für seine Patientinnen und Patienten zu befürchten sind, ist gegenwärtig offen. Hiergegen könnte sprechen, dass der im Jahr 1943 geborene Antragsteller, dem von Seiten des Amtsarztes am 17. Oktober 2017 die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs bescheinigt wurde, seit 1992 als niedergelassener Zahnarzt mit gegenwärtig fünf Mitarbeitern in eigener Praxis in T.       tätig ist. Nach Auskunft der Zahnärztekammer Nordrhein vom 14. Juli 2017 ist der Antragsteller in diesem langen Zeitraum nicht negativ in Erscheinung getreten. Auch lagen bei der Zahnärztekammer Nordrhein bis auf eine Patientenbeschwerde keine weiteren Patientenbeschwerden vor. In der in den Akten des Antragsgegners vorhandenen einzigen Patientenbeschwerde ist zudem lediglich davon die Rede, dass der Antragsteller ein „schlechtes Deutsch spricht“. Im Übrigen bringt die Patientin im Wesentlichen lediglich ihre Unzufriedenheit mit der am 30. April 2017 erfolgten Behandlung im Notfalldienst zum Ausdruck. Aus dem Protokoll der Fachsprachenprüfung vom 29. November 2017 lassen sich Anhaltspunkte für eine konkret zu befürchtende Patientengefährdung aufgrund sprachlicher Probleme ebenfalls nicht entnehmen. Hier heißt es zwar, dass der 1. Teil der Prüfung u.a. von Rückfragen des „Patienten“ geprägt war und ebenso wie der 3. Teil der Prüfung fachsprachlich mit Mängeln behaftet war. Auch war der Antragsteller danach weder in der Lage, auf dem Niveau eines Muttersprachlers zu kommunizieren noch beherrschte er die Fachtermini fehlerlos. Dies, wie auch das Unvermögen des Antragstellers, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Dokumentation und Therapieplanung zufriedenstellend anzufertigen, rechtfertigen aber noch keinen Rückschluss auf eine konkrete Patientengefährdung. Bei seiner zahnärztlichen Tätigkeit kann der Antragsteller sich sowohl für Rückfragen beim Patienten als auch für die Erstellung schriftlicher Dokumentationen und Therapieplanungen die aus seiner Sicht erforderliche Zeit nehmen. Auch kann er auf die Hilfe Dritter - etwa bei der Erstellung von Dokumentationen - zurückgreifen. Soweit der Antragsgegner bei einer persönlichen Anhörung des Antragstellers am 1. August 2017 festgestellt hat, dass der Antragsteller nur schwer zu verstehen war und schnell und undeutlich sprach, findet dies in dem Protokoll der Fachsprachenprüfung keinen Niederschlag.


2.

Lässt sich bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung gegenwärtig nicht feststellen, ob die Anordnung des Ruhens der Approbation rechtmäßig ist, fällt die hiervon unabhängig vorzunehmende Abwägung der Interessen gegenwärtig zu Gunsten des Antragstellers aus. Würde es bei der sofortigen Vollziehung der Anordnung des Ruhens der Approbation als Zahnarzt bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit verbleiben, müsste der Antragsteller nicht nur einen Eingriff in sein Recht auf freie Berufswahl, sondern auch nicht unwesentliche wirtschaftliche Nachteile hinnehmen. Da seine Praxis überwiegend von arabisch und kurdisch sprechenden Patienten besucht wird und er zudem über deutsche Sprachkenntnisse verfügt, die eine Verständigung mit deutschsprachigen Patienten ermöglichen, wie die Vielzahl der von ihm vorgelegten Erklärungen langjähriger deutscher Patienten belegen, vermag der Senat gegenwärtig auch nicht zu erkennen, dass die sofortige Vollziehung der Ruhensanordnung zur Abwehr konkreter Gefahren unerlässlich ist. Dies gilt umso mehr als die fachliche Eignung nicht im Streit steht.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.


Der Beschluss ist unanfechtbar.


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