Urteilstext
Tenor
1. Der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 07.05.2015 wird in Ziffer 2 bis 5 aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung der Anordnung des Ruhens seiner Approbation als Arzt.
Nachdem er am 16.06.1977 die Ärztliche Prüfung abgelegt hatte, erteilte das Regierungspräsidium Stuttgart dem 1941 geborenen Kläger am 03.07.1978 die Approbation. Am 06.11.1985 wurde er als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie anerkannt. Seit 01.04.1986 betrieb er eine psychiatrische Vertragsarztpraxis in Bayreuth.
Nachdem der Kläger bereits 1983, 1987 und 1991 im Rahmen approbationsrechtlicher Verfahren nervenärztlich begutachtet worden war, ordnete die Regierung von Oberfranken am 17.09.2003 im Rahmen eines erneuten approbationsrechtlichen Verfahrens eine amtsärztliche und, als der Kläger sich ihr nicht unterzog, eine fachärztliche Begutachtung an.
Am 08.03.2005 erstatteten daraufhin die niedergelassenen Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie Dres. B. und G., Würzburg, auf der Grundlage der Akten der Regierung von Oberfranken und einer fachpsychiatrischen Untersuchung am 20.12.2004 ein psychiatrisches Gutachten (Behördenakten Bl. 1157-1181). Sie kamen dabei zu dem Schluss, dass der Kläger keine Geistesschwäche im Sinne eines überdauernden psychiatrischen Störungsmusters aufweise. Vielmehr sei von einer deutlichen Persönlichkeitsakzentuierung auszugehen, die mit zunehmenden Alter prominenter und pointierter zur Darstellung komme.
Durch das Landgericht Bayreuth wurde der Kläger 2007 wegen einer Betäubungsmittelstraftat zu einer Bewährungsstrafe und durch das Berufsgericht für Heilberufe 2008 wegen Verstoßes gegen die Berufsordnung für Ärzte zu einer Geldbuße verurteilt.
Mit öffentlich-rechtlichem Vertrag vom 21.11.2007 verpflichtete sich der Kläger, seine Kassenarztzulassung zurückzugeben. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung von Oberfranken im Hinblick auf die dem Strafverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalte keine approbationsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen und das im Jahr 2003 eingeleitete Verfahren zu beenden.
Der Kläger verkaufte daraufhin seine Praxis, behandelte aber zunächst in seinem früheren Privathaus weiterhin gesprächstherapeutisch Privatpatienten und Selbstzahler.
Ende Juli 2014 wandte sich der Kläger wegen seines Nachbarn an die Polizeiinspektion Bayreuth-Land. In einem Schreiben vom 23.07.2014 verlangte er als „ausreichend berufserfahrener Psychiater und Verkehrsmediziner“ seinen Nachbarn sofort in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth einzuweisen. Daraufhin suchte am 24.07.2014 um 22.00 Uhr eine Polizeistreife den Kläger auf. Ein hinzugezogener Facharzt für Allgemeinmedizin diagnostizierte beim Kläger eine Manie und ein psychisches Syndrom und hielt wegen nicht auszuschließender Selbst- und Allgemeingefahr eine Unterbringung des Klägers im Bezirkskrankenhaus für nötig. Deshalb wurde der Kläger sogleich zwangsweise in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth verbracht. Nach einer Untersuchung durch den stellvertretenden Chefarzt der Klinik, Dr. S., wurde er am 25.07.2014 gegen 2.15 Uhr nach Hause entlassen. Am 28.07.2014 fand eine Nachuntersuchung durch Dr. S. statt.
Mit Schreiben vom 30.07.2014 ordnete die Regierung von Oberfranken, der das Gesundheitsamt den polizeilichen Ereignisbericht übermittelt hatte, eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers im Landratsamt Bayreuth – Fachbereich Gesundheitswesen an. Dabei wies die Behörde den Kläger auch auf die möglichen negativen rechtlichen Folgen hin, falls er nicht mitwirke. Vorladungen zu einer Untersuchung im Gesundheitsamt am 14.08.2014 und am 28.08.2014 kam der Kläger nicht nach. Am 19.08.2014 teilte er der Regierung von Oberfranken darüber hinaus schriftlich mit, er gehe freiwillig zu keiner psychiatrischen Untersuchung mehr.
Mit Bescheid vom 18.09.2014ordnete die Regierung von Oberfranken das Ruhen der Approbation des Klägers an und erklärte diese Anordnung für sofort vollziehbar. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth Klage (B 4 K 14.678) und stellte gleichzeitig den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (B 4 S 14.677).
Mit Schreiben vom 12.01.2015 berichtete Dr. S. über die Untersuchung im Bezirkskrankenhaus am 24.07.2014, der Kläger sei in der Nacht vom 24.07.2014 auf den 25.07.2014 wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert und gedanklich auf das Nachbarsehepaar und die Konflikte mit ihm fixiert gewesen. Er habe weitschweifig gesprochen und die Symptome einer mittelgradigen Logorrhoe aufgewiesen. Hinweise auf Fremdaggression hätten sich nicht ergeben; er sei nicht depressiv gestimmt gewesen und habe sich klar und glaubhaft von Selbstmordideen und -impulsen distanziert. Bei der gesamten Exploration hätten sich keine ausreichenden Hinweise für eine Unterbringung gegen den Willen des Betroffenen ergeben. Eine freiwillige stationäre Aufnahme und Behandlung auf Grund des festgestellten hypomanischen Störungsbildes habe der Kläger vehement abgelehnt. Bei der Nachuntersuchung am 28.07.2014 sei der Kläger deutlich kontrollierter als am 24./25.07.2014 gewesen.
In der in den Verfahren B 4 K 14.678 und B 4 S 14.677 anberaumten mündlichen Verhandlung am 28.01.2015 erklärte der Kläger, er sei nun bereit, sich einer Untersuchung durch den Bayreuther Amtsarzt Dr. von S. zu unterziehen und werde sich um einen schnellstmöglichen Termin bemühen.
Daraufhin ordnete das Gericht mit Beschluss vom 28.01.2015 (B 4 S 14.677) die aufschiebende Wirkung der Klagean, weil die Anordnung des Sofortvollzuges als eigenständiger Eingriff nicht gerechtfertigt sei.
Infolge der im Termin erklärten Bereitschaft des Klägers kam es am 11.02.2015 zur amtsärztlichen Untersuchung durch den Leiter des Fachbereichs Gesundheitswesen beim Landratsamt Bayreuth.
In seinem Gutachten vom 30.03.2015 (Gerichtsakte Bl. 264 - 270) hielt der Amtsarzt als „psychopathologischen Befund“ u.a. fest, der Kläger sei am 11.02.2015 deutlich logorrhoisch, sein Denken nur phasenweise geordnet und seine Bewertung von Mitmenschen sei von Unterstellungen geprägt gewesen, die wahnhafte Züge hätten. Weiter stellt er eine ausgeprägte komplexe Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, exzentrischen, schizotypischen, narzisstischen, wahnhaften und soziopathischen Zügen, verbunden mit erheblichen Verhaltensauffälligkeiten fest. Deshalb sei seine Beziehungsfähigkeit zu Mitmenschen und insbesondere zu Patienten deutlich und nachhaltig beeinträchtigt. Von der psychischen Störung werde die Arzt-Patientenbeziehung erheblich beeinflusst. Bis auf weiteres sei er in gesundheitlicher Sicht zur Ausübung des ärztlichen Berufs ungeeignet.
Mit Bescheid vom 07.05.2015, zur Post gegeben am 11.05.2015,hob die nunmehr zuständige Regierung von Unterfranken den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 18.09.2014 auf (Ziff. 1), ordnete das Ruhen der Approbation des Klägers an (Ziff. 2), zog seine Approbationsurkunde ein und forderte den Kläger bis 15.06.2015 zur Rückgabe auf (Ziff. 3). Die Anordnungen in Ziffer 2 und 3 wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziff. 4). Sofern der Kläger die Approbationsurkunde bis 15.06.2015 nicht zurückgebe, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € fällig, das hiermit angedroht werde (Ziff. 5).
Zur Begründung führte die Behörde aus, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO könne das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO, dass der Arzt in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht ungeeignet sei, nachträglich weggefallen sei. Der Kläger leide nach dem fachärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2005 sowie nach den Feststellungen des Gesundheitsamtes Bayreuth an einer, ggf. auch mehreren psychischen Störungen, die ihn zumindest derzeit für die Ausübung des ärztlichen Berufes ungeeignet machten. Während Ende 2004 noch keine deutlichen Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers zu erkennen gewesen seien, zeige der Bericht des Gesundheitsamtes dies hinreichend deutlich und nachvollziehbar auf. Die bisherigen Vorkommnisse erlaubten die Vermutung, dass die Erkrankung des Klägers regelmäßig behördliches Eingreifen oder gerichtliches Einschreiten erfordere, solange er den ärztlichen Beruf ausübe. Bei der Ermessensausübung sei dem Interesse des Arztes an einer weiteren Berufsausübung das öffentliche Gesundheitsinteresse als ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut gegenüber zu stellen. Der erforderliche Schutz der Patienten vor Schäden aufgrund fehlerhafter Eingriffe, Beratungen oder sonstigen Behandlungen, die aufgrund seiner Erkrankung nicht auszuschließen seien, überwiege das Interesse an der Vermeidung der Ruhensanordnung. Ein milderes Mittel als die Anordnung des Ruhens sei nicht ersichtlich, weil nicht zu erwarten sei, dass der Kläger auf seine Approbation verzichte und ein Belassen der Approbation unter Auflagen rechtlich nicht möglich sei. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit wiege gegenüber älteren Menschen in der Regel weniger schwer als gegenüber Menschen die das Ruhestands- oder Rentenalter noch nicht erreicht hätten.
Mit Schriftsatz vom 08.06.2015 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt,
den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 07.05.2015 aufzuheben.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Beklagte habe von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Er stütze seine Entscheidung auf bloße Vermutungen und auf die Stellungnahme eines Amtsarztes, die nicht hätte verwertet werden dürfen, weil dieser Mediziner im psychiatrischen Bereich fachlich nicht kompetent sei. Unberücksichtigt geblieben sei dagegen das Gutachten der Dres. B. und G. und der aktuelle Befund von Dr. S. (BKH Bayreuth). Eine Ruhensanordnung könne allenfalls nach einer fachlich fundierten Untersuchung und Erstellung eines Gutachtens durch einen hierzu befähigten psychiatrischen Gutachter getroffen werden. Deshalb werde die Einholung eines Gutachtens seitens des Gerichts beantragt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt in der Klageerwiderung vom 25.06.2015 aus, die Frage ob beim Kläger eine psychische Erkrankung vorliege, die Auswirkungen auf eine fehlerhafte Behandlung haben oder gar zu einer Schädigung von Patienten führen könne, und der Kläger damit ungeeignet zur weiteren Berufsausübung sei, sei mit der Stellungnahme des Gesundheitsamtes Bayreuth ausreichend (bejahend) beantwortet worden. Es bestehe die Gefahr, dass der Kläger Patienten fehlerhaft behandle oder gar schädige, der nur durch das Anordnen des Ruhens der Approbation begegnet werden könne. Der Schutz von Patienten überwiege das Interesse eines an einer psychischen Erkrankung leidenden Arztes, weiterhin Behandlungen durchführen zu können. Die mit dem vorläufigen Verbot der Berufsausübung verbundene Beeinträchtigung der Berufsfreiheit sei einem 75jährigen Arzt eher zuzumuten als einem jungen Mediziner, der gerade eine Existenz gründe.
Ebenfalls am 08.06.2015 hat der Kläger beantragen lassen, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 07.05.2015 wiederherzustellen (Az. B 4 S 15.408). Mit Beschluss vom 26.08.2015 ordnete das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid an. Zur Begründung führte das Gericht aus, das Gutachten des Leiters des Fachbereichs Gesundheitswesen beim Landratsamt Bayreuth bedürfe der Ergänzung durch ein fachpsychiatrisches Gutachten. Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens damit davon abhänge, zu welchem Ergebnis der noch zu beauftragende Gutachter komme, seien die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens derzeit offen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 05.11.2015 den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth ab und setzte die sofortige Vollziehbarkeit der Ruhensanordnung wieder in Kraft (Az. 21 CS 15.2052). Unter Zugrundelegung des in sich schlüssigen und nachvollziehbaren amtsärztlichen Gutachtens dränge sich auf, dass der Kläger mit seinem Krankheitsbild in gesundheitlicher Hinsicht nicht geeignet sei, seinen Beruf als Arzt auszuüben.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2015 gab das Gericht dem Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens statt und beauftragte mit Beschluss vom 19.04.2016 die Ärztliche Direktorin Dr. Lausch, Bezirksklinikum Straubing, mit einem Gutachten zu den Fragen, ob beim Kläger Gesundheitsstörungen oder Erkrankungen aus dem nervenärztlichen Bereich vorliegen, wie sich diese Gesundheitsstörungen ggf. äußern und welche Einschränkungen daraus für die Ausübung des Berufes eines Facharztes für Psychiatrie oder Psychotherapie folgen.
Am 22.11.2016 legte die Sachverständige, die den Kläger am 06.08 und am 11.09.2016 begutachtet hatte und daneben ein testpsychologisches Gutachten durch den Diplompsychologen A. ..., Straubing, erstellen ließ, ihr fachpsychiatrisches Gutachten vor (Bl. 206 - 243 Gerichtsakte). Sie beantwortete die Beweisfragen des Gerichts dahingehend, dass beim Kläger eine bipolare affektive Störung vorliege. Eine organische Störung oder eine Persönlichkeitsstörung könne durch die aktuelle Begutachtung ausgeschlossen werden. In subdepressiven Phasen und in den freien Intervallen der Erkrankung könne er den Beruf eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie ohne Einschränkungen ausüben. Lediglich in hypomanischen oder manischen Phasen sei der Kläger nicht dazu in der Lage. Auch wenn der Krankheitsverlauf lange symptomfreie Intervalle aufweise und Phasen hypoman erschienen, sollte eine Phasenprophylaxe mit dem Kläger diskutiert werden (Gutachten S. 37f.).
In der mündlichen Verhandlung am 18.01.2017 erläuterte die Sachverständige ihr Gutachten und erklärte, mit einer durchgehenden medikamentösen Behandlung seien die Auf- und Ab-Phasen der Erkrankung zu regulieren. Die Überwachung der Wirksamkeit der Prophylaxe sei im Rahmen einer ambulanten Behandlung möglich. Der Kläger erklärte sich bereit, unmittelbar mit einer Behandlung zur Phasenprophylaxe im Bezirkskrankenhaus Bayreuth zu beginnen und den behandelnden Arzt, Dr. S., von seiner Schweigepflicht gegenüber der Behörde zu entbinden. Der Beklagte erklärte, er sei erst dann bereit, den Bescheid aufzuheben, wenn die Phasenprophylaxe Wirkung zeige.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, auch der Verfahren B 4 K 14.678 und B 4 S 14.677 und B 4 S 15.408, verwiesen.
Entscheidungsgründe
I)
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 07.05.2015 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Ziffern 2 bis 5 aufzuheben, weil er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
1.
Rechtsgrundlage der Ziffer 2 des Bescheides ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO. Danach kann das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn nachträglich die Voraussetzung für die Erteilung der Approbation nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 weggefallen ist. Dies ist der Fall, wenn ein Arzt in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufes ungeeignet ist.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt aus § 6 Abs. 2 BÄO, wonach die Anordnung aufzuheben ist, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Deshalb hat das Gericht alle Änderungen zu berücksichtigen, die seit Erlass der Anordnung eingetreten sind (OVG NRW, B. v. 21.10.2016 – 13 B 893/16 – juris Rn. 5).
Soweit, wie hier, die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (§ 114 Satz 1 VwGO). Ein Ermessensfehlgebrauch liegt u.a. dann vor, wenn die Behörde bei ihrem Handeln von unzutreffenden, unvollständigen oder falsch gedeuteten tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen ausgeht (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn.12). Maßgeblich bei der gerichtlichen Kontrolle des Ermessensgebrauchs sind dabei diejenigen Erwägungen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat, d.h. es kommt auf die tatsächlichen Gründe für die Entscheidung, nicht auf deren Begründbarkeit an (Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn.22).
Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte von seinem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Er ist in dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage der Stellungnahme des Amtsarztes vom 30.03.2015 von der Annahme ausgegangen, beim Kläger liege eine komplexe Persönlichkeitsstörung vor, aufgrund derer seine gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Arztberufes dauerhaft nachträglich wegfallen sei. Damit ist der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung von nicht zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen.
Dies ergibt sich für das Gericht aus dem fachpsychiatrischen Gutachten der Ärztlichen Direktorin Dr. Lausch, die das Vorliegen sowohl einer manifesten Persönlichkeitsstörung nach ICD-10 F60 als auch einer organischen Erkrankung im Sinne einer dementiellen Entwicklung ausschließt.
Unter einer Persönlichkeitsstörung nach ICD 10 – F 60 wird allgemein eine schwere Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens verstanden, die mehrere Bereiche der Persönlichkeit betrifft und mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einhergeht. Die Leitlinien der Persönlichkeitsstörung umfassen die Kriterien: deutlich unausgeglichene Einstellungen und Verhaltensweisen in mehreren Funktionsbereichen, andauerndes, tiefgreifendes abnormes Verhaltensmuster, Beginn der Störungen in Kindheit und Jugend, die sich im Erwachsenenalter manifestieren, Erfahren der Störung als Leiden und deutliche Einschränkungen der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit.
Diese geforderten andauernden Verhaltensmuster in verschiedenen Bereichen sind laut Gutachterin beim Kläger nicht auszumachen. Zudem hätte eine solche Störung bereits in Kindheit und Jugend auffallen müssen. Darüber hinaus hätte der Kläger, läge bei ihm eine komplexe Persönlichkeitsstörung vor, nicht einen höheren Schulabschluss erworben, zwei Studiengänge absolviert und wäre nicht, abgesehen von krankheitsbedingten Einbrüchen, erfolgreich in seinem Beruf gewesen (Gutachten S.36f.).
Eine organische Erkrankung im kognitiven Bereich wird durch die testpsychologische Begutachtung ausgeschlossen, die keinen Anhaltspunkt auf einen hirnorganischen Abbauprozess ergeben hat.
Stattdessen gelangt die Gutachterin zu der Feststellung, dass beim Kläger eine Bipolar-II-Störung nach ICD-10 F31 vorliegt (Gutachten S. 27-37). Der klinische Verlauf dieser Störung ist gekennzeichnet durch wiederkehrende affektive Episoden, eine oder mehrere Episoden einer Major-Depression und mindestens eine hypomane Episode. Die Störung beginnt in der späten Adoleszenz. Die diagnostischen Kriterien sieht die Gutachterin beim Kläger als erfüllt an. Insbesondere habe er sich immer dann, wenn sein Antrieb und Redefluss gesteigert, sein Selbstwertgefühl übersteigert und er aufgrund von Stimmungsschwankungen gereizt war, in einer hypomanen Episode seiner Erkrankung befunden. Nach Auswertung der Befunde traten solche Phasen 1982, 1984, 1987,1990, 2014 und 2015 auf (Gutachten S. 30-34). Wie die Gutachterin in der mündlichen Verhandlung erläuterte, sei die hypomane Phase, die am 24.07.2014 zu seiner Einweisung ins Bezirkskrankenhaus geführt habe, bereits wenige Tage später bei der Nachuntersuchung am 28.07.2014 wieder abgeklungen gewesen. Daneben habe es lange symptomfreie Phasenintervalle gegeben, in denen der Kläger uneingeschränkt als gesund zu gelten habe. Davon sei auch am heutigen Tag der mündlichen Verhandlung auszugehen. Da der Kläger aber in den nicht vorherzusehenden hypomanen Phasen wegen Selbstüberschätzung krankheitsuneinsichtig sei, halte sie eine durchgehende medikamentöse Phasenprophylaxe für erforderlich.
Den fundierten Einschätzungen der Gutachterin, deren fachliche Kompetenz außer Frage steht, hat die Beklagtenseite nichts entgegengehalten. Das Gericht hat deshalb keine Zweifel, dass beim Kläger keine Persönlichkeitsstörung vorliegt, die seine Eignung zur Berufsausübung dauerhaft ausschließt. Damit erweisen sich die Ruhensanordnung und die Ermessenserwägungen in dem angefochtenen Bescheid im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund des fachpsychiatrischen Gutachtens als rechtswidrig. Der Bescheid kann auch nicht mit der von der Gutachterin diagnostizierten Erkrankung einer bipolaren affektiven Störung aufrecht erhalten werden. Nachdem sich diese Störung durch lange symptomfreie Phasen auszeichnet, in denen keine gesundheitliche Einschränkung der Berufsausübungseignung vorliegt, wären völlig neue Ermessenserwägungen anzustellen. Insbesondere wenn sich der Kläger, wie in der Verhandlung angekündigt, bereitwillig der von der Gutachterin vorgeschlagenen Phasenprophylaxe unterzieht, dürfte die fehlende gesundheitliche Eignung des Klägers und eine Gefährdung seiner Patienten schwer zu begründen sein.
Da der streitgegenständliche Bescheid ausschließlich auf gesundheitliche Gründe gestützt ist, spielen die vom Beklagten angesprochenen Verhaltensweisen des Klägers, die auf eine Unwürdigkeit i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO hindeuten (Strafbefehl des Amtsgerichts Wunsiedel wegen Beleidigung einer Patientin), im vorliegenden Verfahren keine Rolle.
2.
Nachdem nach Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 07.05.2015 die Approbation des Klägers nicht länger ruht, ist auch die Grundlage für die Rückforderung der Approbationsurkunde gemäß Art. 52 Satz 1 BayVwVfG unter Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffern 3 und 5 des Bescheides entfallen.
II.
Als unterliegender Teil trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.