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Rückzahlung von Fortbildungskosten

 | Gericht:  Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfurt  | Aktenzeichen: 3 AZR 173/08 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor

1.

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Juni 2007 - 7 Sa 1188/06 - wird zurückgewiesen.

 

2.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über einen Entgeltanspruch der Klägerin für den Monat Januar 2006 und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, das Nettoarbeitsentgelt wegen eines Gegenanspruches, gerichtet auf Rückzahlung von Schulungskosten, einzubehalten.

 

Der Beklagte betreibt in R eine Apotheke. Die Klägerin war bei ihm auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 26. Februar 2004 seit dem 1. März 2004 tätig. Sie war als pharmazeutisch-technische Assistentin eingestellt. Ihr Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 1.700,00 Euro.

 

In der Zeit vom 6. - 8. Oktober und 10. - 12. November 2004 sowie vom 19. - 20. Januar 2005 nahm die Klägerin in D an einem Lehrgang der Firma „L“, bestehend aus insgesamt drei Modulen zu je 2 ½ Tagen, teil. Inhalt des Lehrgangs war die Ausbildung zur „Fachberaterin Dermo-Kosmetik“. Nur ausgesuchte Apotheken können Personen zu diesem Lehrgang entsenden, nämlich ca. 200 von insgesamt 22.000 Apotheken. Beim Beklagten sind ungefähr 30 % der Kunden Kosmetikkunden.

 

Der Beklagte zahlte die anfallenden Lehrgangskosten iHv. 1.972,00 Euro (das sind 1.700,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer), und übernahm Fahrtkosten iHv. 491,10 Euro sowie Kosten für einen notwendigen zertifizierten Lehrgang iHv. 121,80 Euro.

 

Eine Vereinbarung darüber, ob die in die Zeit der Lehrgangsteilnahme fallende Arbeitszeit vergütet werden sollte, trafen die Parteien zunächst nicht. Der Beklagte schrieb diese Zeit dem Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht gut. Dieses wies daher nach Abschluss der Schulungsmaßnahme einen entsprechenden Minus-Saldo auf. Daraufhin machte die Klägerin - ebenso wie die sich in gleicher Lage befindliche Frau A - die Berücksichtigung der Zeiten der Lehrgangsteilnahme als Arbeitszeit geltend.

 

Auf Initiative des Beklagten schlossen daraufhin die Klägerin und Frau A am 4. April 2005 mit ihm eine „Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung“. Grundlage dafür war ein von der Firma „L“ vorformulierter Entwurf. Diese Vereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

 

„§ 1 Freistellung

Die Angestellte nimmt vom 06.-08.10.04, 10.-12.11.2004 und vom 19.-20.01.2005 in D an dem Fortbildungskurs ‚Fachberaterin Dermokosmetik’ teil.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Teilnahme im Interesse der beruflichen Fortbildung und Weiterbildung der Angestellten und auf deren Wunsch erfolgt.

§ 2 Kostenübernahme

Die Apotheke wird die Angestellte für die Dauer der Fortbildung unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freistellen.

Die Lehrgangskosten, bestehend aus Unterrichtsgebühren, An- und Abreisekosten, sowie Kosten für etwaige Lehrmittel übernimmt die Apotheke. Die Erstattung erfolgt nur gegen Vorlage der Originalbelege.

Für den Fortbildungskurs werden dreimal je 16 Arbeitsstunden angerechnet.

§ 3 Rückzahlungspflicht

Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von einem Jahr nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme durch eine Kündigung der Angestellten beendet, verpflichtet sich die Angestellte, die von der Apotheke gemäß § 2 übernommenen Kosten an die Apotheke zu erstatten.

Der Rückzahlungsbetrag vermindert sich um 1/12 pro Monat, den das Arbeitsverhältnis ein Jahr nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme besteht.

Die Angestellte hat die von der Apotheke gemäß § 2 übernommenen Kosten einschließlich der erhaltenen Vergütung zu erstatten, wenn die Angestellte die Fortbildungsmaßnahme ohne wichtigen Grund abbricht oder schuldhaft das Fortbildungsziel nicht erreicht.

Die Angestellte hat die von der Apotheke gemäß § 2 übernommenen Kosten auch zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer von einem Jahr aus verhaltensbedingten Gründen der Angestellten oder aus wichtigem Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB von der Apotheke gekündigt wird.

Fällige Rückzahlungsforderungen können gegen Forderungen der Angestellten aufgerechnet werden.

...“

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2005 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. Januar 2006. Der Beklagte bestätigte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2005, dass das Beschäftigungsverhältnis auf ihren eigenen Wusch zum 31. Januar 2006 ende. Er erteilte der Klägerin für den Monat Januar 2006 eine Gehaltsabrechnung über 1.700,00 Euro brutto und einen sich daraus ergebenden Nettobetrag iHv. 1.128,70 Euro. Den Betrag kennzeichnete er in der Lohnabrechnung als „Vorschuss“ und behielt ihn im Hinblick auf die entstandenen Schulungskosten ein. Von dem Nettobetrag waren 1.034,30 Euro pfändungsfrei und 94,40 Euro pfändbar.

 

Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin die Zahlung des einbehaltenen Nettobetrages geltend. Sie hält den Beklagten nicht für berechtigt, aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung Forderungen geltend zu machen, weil sie nicht vor Beginn der Fortbildung abgeschlossen wurde und die Bindungsdauer zu lang sei. Im Übrigen habe der Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nicht eingehalten.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.128,70 Euro netto zu zahlen.

 

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

 

Er hat sich darauf berufen, Fortbildungskosten iHv. insgesamt 3.122,50 Euro unter Einschluss der Gehaltszahlung für 48 Stunden iHv. 537,60 Euro verlangen zu können. Hiervon habe er einen Teilbetrag in Höhe des Nettoentgelts einbehalten. Die Rückzahlungsvereinbarung sei auch wirksam. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sie nach Abschluss der Ausbildungsmaßnahme und im Hinblick darauf abgeschlossen worden sei, dass die Klägerin den Ausgleich ihres Arbeitszeitkontos habe bewirken wollen. Vor diesem Hintergrund komme es auf die allgemeinen Regeln zur zulässigen Bindungsdauer bei Rückzahlungsvereinbarungen nicht an.

 

In den Vorinstanzen hatte der Beklagte neben der Klageabweisung zusätzlich im Wege der Widerklage beantragt, die Klägerin zur Zahlung des Gesamtkostenbetrages von 3.122,50 Euro zu verurteilen. Die Widerklage hat er auf einen Schadensersatzanspruch mit der Begründung gestützt, die Klägerin habe vertragswidrig vorzeitig das Arbeitsverhältnis gekündigt, wodurch ein Schaden entstanden sei, weil er zwei Mitarbeiterinnen habe schulen müssen, um den Bereich Kosmetik abzudecken.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 26. Juli 2006 heißt es ua.:

 

„...

 

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass der Beklagte nicht dargelegt hat, inwieweit eine Aufrechnung unter Berücksichtigung der Pfändungsschutzvorschriften zulässig ist.

 

Die Beklagtenseite erklärt, dass die Aufrechnung nicht mehr geltend gemacht wird.

 

...“

 

Die Berufung des Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde war lediglich hinsichtlich der Klage, nicht jedoch hinsichtlich der Widerklage erfolgreich. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch iHv. aufgrund der Abrechnung des Beklagten feststehenden und zwischen den Parteien unstreitigen 1.128,70 Euro netto (vgl. zur Geltendmachung eines Nettobetrages: BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 373/06 - Rn. 42, BAGE 123, 307) steht der Klägerin nach § 611 BGB zu. Das ergibt sich für den pfändungsfreien Betrag von 1.034,30 Euro daraus, dass der Beklagte die Wirkung seiner Aufrechnung nicht mehr in das Verfahren eingebracht hat. Hinsichtlich des pfändbaren Betrages von 94,40 Euro folgt es daraus, dass die Aufrechnung nicht durchgreift, weil die Rückzahlungsvereinbarung einer Inhaltskontrolle nicht standhält.

 

I.

Hinsichtlich des pfändungsfreien Betrages ist der Klage bereits deshalb stattzugeben, weil sich der Beklagte nicht mehr auf eine Aufrechnungsmöglichkeit beruft.

 

Der Beklagte hatte zunächst gegen die Klageforderung die Gegenforderung bis zur Höhe des eingeklagten Betrages unbeschränkt in das Verfahren eingeführt. Dabei handelt es sich vor dem Hintergrund von § 3 Abs. 5 der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung um eine konkludente (dazu BAG 25. September 2002 - 10 AZR 7/02 - zu II 4 der Gründe, BAGE 103, 1) Aufrechnungserklärung im Prozess. Da die gerichtliche Entscheidung über Aufrechnungen bis zur Höhe der Klageforderung der Rechtskraft fähig ist (§ 322 Abs. 2 ZPO), obliegt es allein der beklagten Partei zu entscheiden, inwieweit sie eine Aufrechnung zur Entscheidung des Gerichts stellt oder nicht. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte durch seine Erklärung in der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht die Aufrechnung in Höhe der Pfändungsfreigrenze nicht mehr geltend gemacht. In diesem Sinne ist seine Erklärung zu verstehen, da sie in unmittelbarem Anschluss an den Hinweis des Vorsitzenden auf Pfändungsfreigrenzen erfolgte.

 

Ob eine prozessuale Aufrechnungserklärung vorliegt und inwieweit eine Aufrechnung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden soll, kann der Senat durch eigene Auslegung in der Revisionsinstanz ermitteln, da es insoweit um prozessuale Willenserklärungen geht (vgl. BAG 28. August 2008 - 2 AZR 279/07 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 67 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 86).

 

II.

Im Übrigen scheitert die Aufrechnung des Beklagten daran, dass ihm die geltend gemachte Gegenforderung nicht zur Seite steht. Sie ist deshalb nicht geeignet, die Entgeltforderung der Klägerin gem. §§ 387, 389 BGB zum Erlöschen zu bringen.

 

1.

Der Aufrechnung des Beklagten mit dem vertraglichen Rückzahlungsanspruch steht nicht bereits entgegen, dass die vom Beklagten erhobene Widerklage rechtskräftig abgewiesen ist.

 

Allerdings würde eine rechtskräftige Entscheidung, mit der ein vertraglicher Anspruch des Beklagten auf Rückzahlung der Fortbildungskosten abgewiesen wäre, dazu führen, dass auch im vorliegenden Verfahren aufgrund der Rechtskraftwirkung der Vorentscheidung davon ausgegangen werden müsste, die Forderung bestehe nicht. Die Rechtskraftwirkung setzt aber Identität der Streitgegenstände voraus. Eine solche besteht hier nicht. Die Frage, ob der Beklagte aufgrund der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung einen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückzahlung der Schulungskosten hat, war nicht Streitgegenstand der Widerklage.

 

Streitgegenstand ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung verstandene prozessuale Anspruch. Er wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt (vgl. BAG 21. Juni 2006 - 7 AZR 416/05 - Rn. 15). Zum Streitgegenstand sind dabei alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens unterbreitet hat (vgl. BAG 15. Juli 2008 - 3 AZR 172/07 - Rn. 22, AP ZPO § 253 Nr. 48).

 

Der für den Beklagten in seiner Widerklage maßgebliche Klagegrund war nicht das Bestehen einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung, sondern die von ihm behauptete arbeitsvertragswidrige vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin. Das sind verschiedene Lebenssachverhalte.

 

2.

Dem Beklagten steht aufgrund der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung kein Anspruch gegen die Klägerin zu. Es bestehen bereits Bedenken, ob nach dem Inhalt der Rückzahlungsklausel die Schulungskosten überhaupt zu erstatten sind. Jedenfalls hält die Vereinbarung einer Inhaltskontrolle anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand.

 

a)

Gravierende Zweifel bestehen schon daran, ob die Voraussetzungen der Rückzahlungspflicht nach § 3 der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung gegeben sind.

 

Die Parteien und die Vorinstanzen haben diese Regelung ohne Weiteres dahingehend ausgelegt, bei einem Ausscheiden der Klägerin vor Ablauf von einem Jahr nach Beendigung der Fortbildungsmaßnahme habe sie die Ausbildungskosten in vollem Umfange zurückzuzahlen, bei einem Ausscheiden im Jahr danach verringert um jeweils 1/12 für jeden weiteren Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Damit wäre insgesamt eine Bindungsdauer von zwei Jahren gegeben. Es spricht jedoch viel dafür, die Vereinbarung so auszulegen, dass eine Bindung lediglich für ein Jahr bestehen soll und innerhalb dieses Jahres die Rückzahlungspflicht sich um 1/12 pro Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses verringert, der in Abs. 2 von § 3 der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung verwandte Begriff „ein Jahr“ also als „im Jahr“ zu lesen ist. Das deutlichste Indiz für diese Auslegung ist, dass in der Vereinbarung in § 3 Abs. 4 ausdrücklich von „der Bindungsdauer von einem Jahr“ die Rede ist. So ausgelegt wären die Voraussetzungen der Vereinbarung nicht erfüllt, da die Schulungsmaßnahme am 20. Januar 2005 endete, die Klägerin jedoch erst mit dem 31. Januar 2006 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied.

 

Diese Frage konnte der Senat jedoch nicht abschließend klären, weil das bisherige Prozessverhalten der Parteien die Möglichkeit nicht ausschließt, dass sie die Vereinbarung unabhängig vom Wortlaut übereinstimmend im Sinne einer zweijährigen Bindungsdauer aufgefasst haben. Ein derartiger übereinstimmender Wille der Parteien ginge selbst einem eindeutigen Wortlaut vor (vgl. BAG 13. November 2007 - 3 AZR 636/06 - Rn. 23, AP BetrAVG § 1 Nr. 50). Das gilt nicht nur bei der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - Rn. 16, WM 2009, 1643; 22. März 2002 - V ZR 405/00 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2002, 2102; 9. März 1995 - III ZR 55/94 - NJW 1995, 1494, 1496). Das Verhalten nach Abschluss der Vereinbarung, auch das Prozessverhalten, ist als Indiz für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und Verständnisses der Parteien bei Vertragsschluss bedeutsam (BGH 16. Juni 2009 - XI ZR 145/08 - Rn. 17, aaO). Daher könnte der Senat ohne eine Zurückverweisung zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht zu dem Ergebnis kommen, dass der Anspruch des Beklagten schon am Inhalt der vertraglichen Vereinbarung scheitert.

 

b)

Selbst wenn man die Vereinbarung jedoch mit den Vorinstanzen und den Prozessparteien im Sinne einer zweijährigen Bindung deutet, steht dem Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung der Ausbildungskosten zu. In diesem Fall hielte die Vereinbarung einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand.

 

aa)

Bei der Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarung vom 4. April 2005 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 BGB.

 

(1)

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte, auf dessen Initiative die Vereinbarung zustande kam, die Vertragsbedingungen gestellt. Die Vereinbarung war auch für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Das ist der Fall, wenn der Text in mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird (vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - Rn. 15, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Dabei reicht es aus, wenn eine Partei ein von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen angefertigtes Formular verwendet, selbst wenn sie es selber nicht in mindestens drei Fällen nutzt (BGH 16. November 1990 - V ZR 217/89 - zu 1 der Gründe, NJW 1991, 843). Hier hat sich der Beklagte der von der Firma „L“ vorformulierten Bedingungen bedient. Dass er selber sie lediglich in zwei Fällen verwendet hat, ändert daran nichts.

 

(2)

Auch § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB steht nicht der Annahme entgegen, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen.

 

Nach dieser Bestimmung liegen keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, soweit Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Selbst wenn man davon ausgeht, aufgrund des übereinstimmenden Willens der Parteien wäre die Vereinbarung wie bislang im Verfahren zugrunde gelegt auszulegen, lägen danach nicht etwa einzeln ausgehandelte Vertragsbedingungen vor. Ein bloßes übereinstimmendes Verständnis des Inhalts von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nämlich kein Aushandeln in diesem Sinne. Das liegt nur vor, wenn der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung dieser Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Der Verwender muss sich deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereiterklären (BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - Rn. 23, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13). Das verlangt mehr als ein gemeinsames Verständnis des Inhalts der Norm.

 

Der Beklagte hat nicht behauptet, der Inhalt der Vereinbarung sei im Einzelnen ausgehandelt worden. Dass sie von ihm aus Anlass des Disputs über die Gutschrift von Arbeitszeit gestellt wurde, bedeutet nicht, der Inhalt sei im Einzelnen zur Disposition gestellt worden.

 

bb)

Die Inhaltskontrolle der Vereinbarung ist auch nicht nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

 

Nach dieser Vorschrift unterliegen der Inhaltskontrolle nur Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten. Darunter fallen auch Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten, weil sie festlegen, unter welchen Umständen die erbrachten Leistungen beim Arbeitnehmer verbleiben sollen (BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 12, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12). Eine derartige Klausel liegt auch hier vor.

 

cc)

Die vom Beklagten verwendete Klausel ist unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB.

 

(1)

Nach dieser Bestimmung ist eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei sind grundrechtlich geschützte Positionen zu beachten. Grundsätzlich ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Art und Gegenstand, Zweck und Besonderheiten des jeweiligen Geschäfts sind in die Beurteilung einzubeziehen.

 

Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind danach nur zulässig, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Außerdem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikation zu beurteilen. Grundsätzlich gilt dabei: Bei einer Fortbildungsdauer bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Abweichungen hiervon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Es geht nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Richtwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind (vgl. zum Ganzen: BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12).

 

Im Übrigen kann sich auch bei Fort- und Rückzahlungsklauseln eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

(2)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die Ausbildung tatsächlich einen geldwerten Vorteil hatte. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Klausel nicht deshalb wegen Intransparenz, also mangelnder Klarheit und Verständlichkeit, zu einer unangemessenen Benachteiligung führt, weil in ihr die Größenordnung des zurückzuzahlenden Betrages nicht angegeben ist. Ferner kann offengelassen werden, ob während der Bindungsdauer nicht eine anteilige Reduzierung der Rückzahlungssumme für jeden Monat des weiteren Bestehens des Arbeitsverhältnisses hätte vereinbart werden müssen. Schließlich muss nicht entschieden werden, ob eine unangemessene Benachteiligung sich hier daraus ergibt, dass nach dem Wortlaut der Vereinbarung eine Rückzahlungspflicht auch entsteht, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst aus Gründen kündigt, die im Bereich des Arbeitgebers liegen (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - BAGE 118, 36). Jedenfalls haben die Vertragsparteien hier eine zu lange Bindungsdauer vereinbart:

 

Auszugehen ist von der tatsächlichen Dauer der Fortbildungsmaßnahme, also von drei Fortbildungsblöcken zu je 2 ½ Tagen. Das ist etwas mehr als eine Arbeitswoche. Die Zwischenzeiten sind, da während dieser Zeit keine Ausbildung geleistet wurde, sondern die Klägerin für den Beklagten als Arbeitnehmerin tätig war, nicht mitzurechnen (vgl. BAG 6. September 1995 - 5 AZR 241/94 - zu 5 a der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 14). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin etwa durch die Ausbildung besonders bedeutsame Arbeitsmarktchancen erworben hat. Schließlich sind die Gesamtkosten von 3.122,50 Euro kein besonders erheblicher Aufwand, auch wenn man berücksichtigt, dass es sich um ein kleines Unternehmen handelt. Angesichts dessen kommt lediglich eine zulässige Bindung von allenfalls sechs Monaten, keinesfalls jedoch von zwei Jahren in Betracht.

 

(3)

Der Unangemessenheit stehen auch die besonderen Umstände des Vertragsschlusses nicht entgegen.

 

Allerdings sind bei Verbraucherverträgen, wie hier einer vorliegt, im Rahmen der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Dazu gehören insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation und untypische Sonderinteressen der Vertragspartner (vgl. BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 115, 372).

 

Als besonderer Umstand könnte hier in Betracht kommen, dass die streitbefangene Vereinbarung nach Abschluss der Schulungsmaßnahme abgeschlossen wurde. In einer derartigen Situation steht der Arbeitnehmer nicht mehr unter dem Druck, dass die Teilnahme oder weitere Teilnahme an der Veranstaltung möglicherweise vom Abschluss der Fortbildungsvereinbarung abhängt. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen können hier dahingestellt bleiben (für Unwirksamkeit bei Abschluss nach Beginn der Schulung: BAG 9. Dezember 1992 - 5 AZR 158/92 - mwN, EzB BGB § 611 Aus- und Weiterbildungskosten Nr. 43).

 

Im vorliegenden Fall kam die Vereinbarung zwischen den Parteien zustande, nachdem der Beklagte das Arbeitsentgelt für die Zeiten der Teilnahme an der Fortbildung einbehalten hatte, indem er diese Zeit nicht auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin zugute brachte. Erst aufgrund dieses Sachverhalts kam es zu der streitbefangenen Vereinbarung: Der Klägerin wurde das Arbeitsentgelt gezahlt, sie musste sich jedoch dafür überlang binden. Bei einer derartigen Fallgestaltung liegt keine besondere Situation vor, die dazu führen könnte, dass die allgemeinen Regeln für die Überprüfung von Rückzahlungsklauseln bei überlanger Bindungsdauer etwa nicht anzuwenden wären.

 

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Vereinbarung am Grundgedanken des § 779 BGB zu messen wäre, also eine rechtliche Unklarheit einvernehmlich, durch Vergleich oder vergleichsähnlich bereinigt wurde. Die Vorschrift setzt nämlich ein gegenseitiges Nachgeben voraus, zielt also auf einen gegenseitigen Interessenausgleich ab (vgl. BAG 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 35 ff., BAGE 124, 59) . Im vorliegenden Fall hat der Beklagte aber nicht nachgegeben. Der Beklagte war nämlich eindeutig zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts der Klägerin verpflichtet. Nach § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitnehmer zur Leistung der versprochenen Dienste und der Arbeitgeber zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Soweit eine Ausbildung deshalb Teil der vereinbarten Arbeitsleistung ist, ist sie auch zu vergüten. Das ist jedenfalls bei kurzfristigen Schulungen, in denen Kenntnisse erworben werden, die unmittelbar der im Arbeitsvertrag vereinbarten Tätigkeit dienen, der Fall. So war es auch hier: Die in drei Ausbildungsmodulen erworbenen Kenntnisse kamen dem Beklagten unmittelbar bei der Durchführung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung zugute, da er immerhin ca. 30 % Kosmetikkunden hat.

 

c)

Die danach unangemessene Rückzahlungsklausel ist auch nicht teilweise aufrechtzuerhalten.

 

Im Rahmen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine geltungserhaltende Reduktion nicht vorgesehen. Lediglich dann, wenn Teile einer Klausel sprachlich und inhaltlich eindeutig abtrennbar sind, kommt die Teilung in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil in Betracht. Dann wird nicht eine zu weitgehende Klausel neu gefasst, sondern eine teilbare Klausel ohne ihren unwirksamen Bestandteil mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 22 f., AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12). Hier liegt eine nicht aufteilbare einheitliche Klausel vor.

 

Auch eine an die Unwirksamkeit anknüpfende ergänzende Vertragsauslegung setzt nach dem Rechtsgedanken des § 306 Abs. 3 BGB voraus, dass der Wegfall der Klausel ohne Ersatz für den Verwender, hier also für den Beklagten, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Bei Rückzahlungsklauseln ist das dann der Fall, wenn sich das aus der Anwendung der Grundsätze über die wirksame Bindungsdauer ergebende Prognoserisiko im Einzelfall verwirklicht (BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - Rn. 26 ff., AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12): Hier kam eine zweijährige Bindungsdauer von vornherein nicht in Betracht.


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