Beschlusstext
Tenor
I.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
II.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 und Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung, DS-GVO, ABl. EU L 119 vom 4. Mai 2016 S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
Ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass der Verantwortliche (hier: der behandelnde Arzt) nicht verpflichtet ist, dem Betroffenen (hier: dem Patienten) eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen - datenschutzfremden, aber legitimen - Zweck (hier: die Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche) verfolgt?
2.
Falls die Frage 1 verneint wird:
a)
Kommt als Beschränkung des sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Rechts auf eine unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Kopie der vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO auch eine nationale Vorschrift eines Mitgliedstaats in Betracht, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz- Grundverordnung erlassen wurde?
b)
Falls die Frage 2a bejaht wird: Ist Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Rechte und Freiheiten anderer Personen auch deren Interesse an der Entlastung von mit der Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verbundenen Kosten und sonstigem durch die Zurverfügungstellung der Kopie verursachten Aufwand umfassen?
c)
Falls die Frage 2b bejaht wird: Kommt als Beschränkung der sich ausArt. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Pflichten und Rechte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO eine nationale Regelung in Betracht, die im Arzt-Patienten-Verhältnis bei Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten aus der Patientenakte durch den Arzt an den Patienten stets und unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls einen Kostenerstattungsanspruch des Arztes gegen den Patienten vorsieht?
3.
Falls die Frage 1 verneint und die Fragen 2a, 2b oder 2c verneint werden: Umfasst der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO im Arzt-Patienten-Verhältnis einen Anspruch auf Überlassung von Kopien aller die personenbezogenen Daten des Patienten enthaltenden Teile der Patientenakte oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten als solche gerichtet, wobei es dem datenverarbeitenden Arzt überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Patienten die Daten zusammenstellt?
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der beklagten Zahnärztin die unentgeltliche Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei der Beklagten existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Er befand sich bei der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Beklagten in zahnärztlicher Behandlung und ist der Ansicht, die Leistungen der Beklagten seien fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse eine Kopie der Patientenunterlagen nur gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und angenommen, § 630g Abs. 2 Satz 1BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 5, Art. 15 Abs. 1 und 3 Satz 1 DS-GVO verpflichteten die Beklagte zur unentgeltlichen Herausgabe erstmalig zur Verfügung gestellter Kopien der bei der Beklagten existierenden und den Kläger betreffenden Krankenunterlagen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und dabei unter anderem ausgeführt, der sich aus Art. 15 DS-GVO ergebende datenschutzrechtliche Anspruch des Klägers sei im vorliegenden Fall nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die Auskunft zur Prüfung schadensersatzrechtlicher Ansprüche begehre. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Beschränkungen des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts gemäß Art. 23 Abs. 1 DS-GVO seien nicht ersichtlich.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
II.
Der Erfolg der Revision der Beklagten hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab.
1.
Nach den einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger unentgeltlich Kopien der ihn betreffenden Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen.
a)
Nach § 630f Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist der Behandelnde verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patientenakte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen. Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen (§ 630f Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB). Der Behandelnde hat die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufzubewahren, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen (§ 630f Abs. 3 BGB).
b)
Gemäß § 630g Abs. 1 Satz 1 BGB ist dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Gemäß § 630g Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Patient auch elektronische Abschriften von der Patientenakte verlangen. Dies ist unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung dahingehend zu verstehen, dass der Patient wahlweise die Anfertigung physischer oder elektronischer Kopien verlangen kann (BT-Drucks. 17/10488, 27; BTDrucks. 17/11710, 29; zum entsprechenden Verständnis der Vorschrift im Schrifttum vgl. Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 630g Rn. 4; BeckOK-BGB/Katzenmeier, 60. Edition Stand 1.11.2021, § 630g Rn. 13; aA Wagner in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 630g Rn. 27). Gemäß § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB hat der Patient dem Behandelnden jedoch die entstandenen Kosten zu erstatten.
2.
Es kommt für den Erfolg der Revision daher darauf an, ob das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Klage - wie vom Kläger geltend gemacht - nach den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung begründet ist.
Der zeitliche (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) und räumliche (Art. 3 Abs. 1 DS-GVO) Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ist eröffnet. Die Datenschutz-Grundverordnung ist auch sachlich anwendbar (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO). Die bei der Beklagten vorhandenen Krankenunterlagen enthalten personenbezogene Daten des Klägers im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Dass diese Daten von der Beklagten als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DS-GVO in einer den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz- Grundverordnung eröffnenden Weise verarbeitet werden, ist ebenfalls anzunehmen. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte die personenbezogenen Daten des Klägers (teilweise) automatisiert verarbeitet, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Beklagte die Patientenakte des Klägers führt und seine Krankenunterlagen nach einem strukturierten System aufbewahrt und damit die in ihnen enthaltenen personenbezogenen Daten in einem Dateisystem speichert (vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 2 und Nr. 6 DS-GVO).
Eine Pflicht der Beklagten, dem Kläger unentgeltlich Kopien sämtlicher ihn betreffender Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen, könnte sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO ergeben. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO werden alle Mitteilungen und Maßnahmen gemäß den Artikeln 15 bis 22 unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Ausnahmen hierzu bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen lässt Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO zu. Daraus ergibt sich in Verbindung mit der Regelung in Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO, wonach der Verantwortliche für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen kann, dass der Verantwortliche die erste Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung stellen muss (zur insoweit einhelligen Auffassung vgl. nur Bäckerin Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 45; Dix in Simitis/Hornung/
Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 12 DS-GVO Rn. 30, Art. 15 DS-GVO Rn. 30; Ehmann in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. Art. 15 Rn. 28; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO/ BDSG, 3. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 34 f.; Franck in Gola, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 15 Rn. 32; Stollhoff in Auernhammer, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 34; Specht in Sydow, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 15 Rn. 20; OGH [Österreich], ECLI:AT: OGH0002:2020:0060OB00138.20T. 1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 43).
Da der Kläger erstmalig die Erteilung einer Kopie seiner Patientenakte begehrt, könnte das Klagebegehren daher nach Unionsrecht begründet sein. Die Beurteilung der Begründetheit der Klage und damit der Erfolg der Revision hängt dabei von der Beantwortung der Vorlagefragen ab, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten sind.
a)
Zur Vorlagefrage Ziffer 1
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers nach der Datenschutz-Grundverordnung sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger die Auskunft zur Prüfung schadensersatzrechtlicher Ansprüche begehre, wobei insoweit arzthaftungsrechtliche Ansprüche - und nicht etwa Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DS-GVO - gemeint sind. Dabei ist davon auszugehen, dass der Kläger die Kopie seiner Krankenunterlagen allein zur Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche verlangt. Die Beklagte meint dagegen, die Datenschutz-Grundverordnung sei im Streitfall "nichtanwendbar", weil die "Stoßrichtung" der Klage eine andere als deren Sinn und Zweck sei, sich die Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu machen oder deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.
Die damit aufgeworfene Frage, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahingehend auszulegen ist, dass der Verantwortliche nicht verpflichtet ist, dem Betroffenen eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen - datenschutzfremden, aber legitimen - Zweck verfolgt, kann nach Ansicht des Senats weder von vornherein noch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig beantwortet werden.
aa)
Nach einer im Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung können Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art. 15 DS-GVO gestützt werden, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher – ausschließlich oder ganz überwiegend - andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen sei das Begehren rechtsmissbräuchlich und könne als offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO zurückgewiesen werden (vgl. Lembke NJW 2020, 1841, 1845; Stollhoff in Auernhammer, DSGVO/ BDSG, 7. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 40; König CR 2019, 295 Rn. 19-21; Zöll/Kielkowski ZD 2020, 314, 315; Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 674; Schröder, DSB 2019, 232, 233; zumindest tendenziell auch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Saarland, 28. Tätigkeitsbericht 2019, S. 121; LSG NRW, ECLI:DE:LSGNRW: 2021:0617.L15U144.21B.ER.01, BeckRS 2021, 20724 Rn. 15, 31; LAG Sachsen, ECLI:DE:LAGSN:2021:0217.2SA63.20.0A, BeckRS 2021, 29212 Rn. 61 ff.; LG Wuppertal, ECLI:DE:LGW:2021:0729.4O409.20.00, BeckRS 2021, 25249 Rn. 31 ff.; LG Detmold, ECLI:DE:LGDT:2021:1026.02O108.21.0A, VersR 2022, 233, 235). Art. 15 DS-GVO diene nicht zur Vorbereitung von Arzthaftungsklagen (Piltz/Zwerschke, MedR 2021, 1070, 1075).
bb)
Der Senat hat jedoch Zweifel, ob diese Sichtweise zutreffend ist.
(1)
Richtig ist zwar, dass die in Art. 15 DS-GVO bestimmten Rechte des Betroffenen und Pflichten des Verantwortlichen dem Zweck dienen, dass die betroffene Person sich der Datenverarbeitung bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO; Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh; zum entsprechenden Zweck des Auskunftsrechts nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG vgl. nur EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017, Rs. C-434/16, ECLI:EU:C:2017:994, NJW 2018, 767 Rn. 57 mwN). Auch ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die missbräuchliche Berufung auf Unionsrecht nicht gestattet (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 26. Februar 2019 Rs. C-115/16, C-118/16, C-119/16 und C-299/16, ECLI:EU:C:2019:134, juris Rn. 96; vom 28. Juli 2016 Rs. C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604, juris Rn. 37; jeweils mwN). Das gilt auch im Verhältnis unter Privaten (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 Rs. C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604, juris Rn. 2, 37).
Art. 15 DS-GVO macht seinem Wortlaut nach, das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten aber nicht von einer dem oben genannten Schutzzweck entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet nach Ansicht des Senats darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Art. 15 DS-GVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO der Datenverarbeitung auch dann bewusstwerden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann.
Daher dürfte nach Auffassung des Senats allein aufgrund des Umstandes, dass das Verlangen des Betroffenen nach einer Kopie der verarbeiteten Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht durch den Schutzzweck der Vorschrift motiviert ist, weder auf einen offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO geschlossen noch nach allgemeinen Grundsätzen ein dem Anspruch des Betroffenen entgegenstehender Rechtsmissbrauch bejaht werden können (so für den Fall der Anforderung einer Kopie der Patientenakte zur Prüfung arzthaftungsrechtlicher Ansprüche im Ergebnis auch LG Dresden, ECLI:DE:LGDRESD:2020:0529.6O76.20.0A, CR 2021, 163 Rn. 9; OGH, ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00138.20T.1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 2, 43). Die Annahme von Rechtsmissbrauch kommt dagegen etwa dann in Betracht, wenn der Betroffene mit seinem Begehren von der Rechtsordnung missbilligte Ziele verfolgt, arglistig oder schikanös handelt (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2016 - VIII ZR 146/15, ECLI:DE:BGH:2016:160316UVIIIZR146.15.0, VersR 2016, 929 Rn. 16; Wybitul/ Brams, NZA 2019, 672, 674). Dies steht im Streitfall jedoch nicht in Rede.
(2)
Anderes folgt nach Meinung des Senats nicht daraus, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 26. Februar 2019, Rs. C-115/16 u.a. (ECLI:EU:C:2019:134, juris Rn. 98, 102) ausgeführt hat, aus dem allgemeinen Grundsatz, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf das Unionsrecht berufen könne, folge, dass ein Mitgliedstaat die Anwendung von Vorschriften des Unionsrechts verweigern müsse, wenn diese nicht geltend gemacht würden, um die Ziele der Vorschriften zu verwirklichen, sondern um in den Genuss eines im Unionsrecht vorgesehenen Vorteils zu gelangen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen lediglich formal erfüllt seien. Bei Vorschriften des Unionsrechts, die einen Vorteil vorsähen, komme der allgemeine Grundsatz des Missbrauchsverbots also zum Tragen, wenn sie auf eine Weise geltend gemacht würden, die nicht mit ihrem Zweck in Einklang stünden. Denn der Gerichtshof hat in diesem Urteil weiter erläutert, die Feststellung eines Missbrauchs setze zum einen voraus, dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergebe, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht worden sei, zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen würden (aaO Rn. 124). Beide Voraussetzungen dürften allein dadurch, dass das Verlangen des Betroffenen nach einer Kopie der verarbeiteten Daten gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht durch den Schutzzweck der Vorschrift motiviert ist, nicht erfüllt sein.
(3)
Auch aus den Erwägungen des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 17. Juli 2014, Rs. C- 141/12 und C-372/12 (ECLI:EU:C:2014:2081, ZD 2014, 515 Rn. 45 f.) zu Art. 12 Buchst. A der Richtlinie 95/46/EG ergibt sich aus Sicht des Senats kein Hinweis auf die Maßgeblichkeit der Motivation des Antragstellers für die Begründetheit seines Begehrens (aA offenbar Stollhoff in Auernhammer, DS-GVO/BDSG, 7. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 40).
Der Gerichtshof hat dort zum datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht bezüglich des Entwurfs einer Verwaltungsentscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeführt, im Gegensatz zu den in der Entwurfsschrift enthaltenen Daten über denjenigen, der den Aufenthaltstitel beantrage, die die Tatsachengrundlage für die in der Entwurfsschrift enthaltene rechtliche Analyse darstellen könnten, könne eine solche Analyse selbst nicht Gegenstand einer Nachprüfung durch diesen Antragsteller und einer Berichtigung gemäß Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46/EG sein. Würde daher das Auskunftsrecht der Person, die einen Aufenthaltstitel beantrage, auf diese rechtliche Analyse ausgedehnt, so würde dies in Wirklichkeit nicht dem Ziel dieser Richtlinie dienen, den Schutz der Privatsphäre dieses Antragstellers bei der Verarbeitung von ihn betreffenden Daten zu gewährleisten, sondern dem Ziel, ihm ein Recht auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten zu sichern, auf das die Richtlinie 95/46/EG jedoch nicht gerichtet sei. Es ging in diesem Fall also um die Bestimmung des Gegenstands des Auskunftsrechts unter Berücksichtigung von dessen Schutzzweck und nicht um die im hiesigen Fall zu beurteilende Frage, ob die außerhalb des Schutzzwecks liegende Motivation der Antragstellung Einfluss auf die Berechtigung des Begehrens haben kann.
b)
Zu den Vorlagefragen Ziffer 2
Die Revision meint, die Kostenregelung zu Lasten des Patienten in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB stelle eine nach der Datenschutz-Grundverordnung zulässige nationale Beschränkung der sich aus Art. 15 Abs. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO ergebenden Pflichten des Verantwortlichen dar. Möglich sind nationale Beschränkungen der Rechte der betroffenen Person aus Art. 12 und 15 DS-GVO auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 DSGVO. Nach dieser Vorschrift können durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt, unter anderem die Pflichten und Rechte gemäß den Artikeln 12 bis 22 DS-GVO im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt, die eines der in den Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis j DS-GVO aufgeführten Ziele sicherstellt. Die Beklagte beruft sich insoweit auf den in Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO genannten Zweck des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer Personen und macht geltend, die Kostenregelung des § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB sei eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der berechtigten Interessen des behandelnden (Zahn-)Arztes. Dies wirft die nachfolgenden Fragen auf.
aa)
Zur Vorlagefrage 2a
Zunächst stellt sich die Frage, ob als Beschränkungen der sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Pflichten und Rechte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO auch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Betracht kommen, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 99 DS-GVO) erlassen wurden, was hinsichtlich § 630g BGB der Fall ist (vgl. BGBl. I 2013, S. 278, 282). Dies wird in Literatur und Rechtsprechung soweit ersichtlich überwiegend bejaht (vgl. Bäcker in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 36 mwN; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 1; OGH, ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00138.20T. 1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 75; zweifelnd dagegen Wagner in Mü- KoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630g Rn. 5). Aus dem Wortlaut des Art. 23 DS-GVO ergibt sich keine eindeutige Antwort. Gegen die Zulässigkeit einer Beschränkung der sich aus
Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Pflichten und Rechte durch "Altrecht" könnte sprechen, dass bei dessen Erlass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 DS-GVO vom nationalen Gesetzgeber noch nicht durchgeführt werden konnte, weil mit Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO auf Unionsebene ein neues Recht auf Erteilung einer (kostenlosen) Datenkopie eingeführt wurde, während zuvor die sogenannte Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EU L 281 vom 23. November 1995 S. 31, und - Berichtigung - Abl. EU L 40 vom 17. Februar 2017 S. 78) in Art. 12 Buchst. a das Auskunftsrecht nicht kostenfrei ausgestaltet hatte, sondern nur ein Verbot übermäßiger Kosten enthielt. Andererseits sollte die Einführung des § 630g BGB nach der Gesetzesbegründung insbesondere der Umsetzung des Rechts des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dienen (BT-Drucks. 17/10488 S. 26 unter Verweis auf BVerfG, ECLI:DE:BVERFG:2006:RK20060109.2BVR044302, NJW 2006, 1116). Es ist daher davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber bei Erlass der Kostenregelung in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB auch die grundrechtlich geschützten datenschutzrechtlichen Belange des Patienten im Wege einer Abwägung des Informationsinteresses des Patienten hinsichtlich seiner vom Behandler verarbeiteten personenbezogenen Daten gegen die berechtigten Interessen der Behandlerseite berücksichtigen wollte (vgl. BVerfG ECLI:DE:BVERFG: 2006:RK20060109.2BVR044302, NJW 2006, 1116 Rn. 28 ff.).
bb)
Zur Vorlagefrage 2b
Die Kostenregelung in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB dient in erster Linie dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Behandlerseite. Daneben kommen reflexartig auch weitere entlastende Wirkungen der Vorschrift in Betracht. Die Revision macht insoweit geltend, durch die Kostentragung seitens der Patienten sei davon auszugehen, dass weniger - oder gar nur (medizinisch/rechtlich) notwendige - Ersuchen von den Patienten ausgingen und (Zahn-)Ärzte damit vor Bürokratie und unnötigem organisatorischen Arbeitsaufwand geschützt würden, die sie von ihrer eigentlichen (zahn-)ärztlichen Tätigkeit abhielten. Ein anlassloses Anfordern durch die Patienten könne damit in der Regel vermieden werden.
Damit stellt sich die Frage, ob Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO dahingehend auszulegen ist, dass die dort genannten Rechte und Freiheiten anderer Personen auch deren Interesse an der Entlastung von mit der Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verbundenen Kosten und sonstigem durch die Zurverfügungstellung der Kopie verursachtem Aufwand umfassen. Ob unter den Begriff der Rechte und Freiheiten anderer Personen im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO auch die damit angesprochenen wirtschaftlichen Interessen fallen können, ist jedoch umstritten (ablehnend etwa Bäcker in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 32; Dix in Simitis/ Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 23 DS-GVO Rn. 32; Herbst in Auernhammer, DS-GVO/BDSG, 6. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 19; Pabst in Schwartmann/Jaspers/Thüsing/ Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 56; Däubler in Däubler/Wedde/ Weichert/Sommer, EU-DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 25; vgl. auch OGH, ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00138.20T.1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 71; befürwortend z.B. Walter/Strobl, MedR 2018, 472, 476; Prütting/Friedrich, MedR 2021, 523, 527; Walter in BeckOGK, Stand 1.12.2021, § 630g BGB Rn. 23; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630g Rn. 6.; wohl auch Cornelius/Spitz, GesR 2019, 69, 73). Der Gerichtshof hat sich dazu noch nicht geäußert.
cc)
Zur Vorlagefrage 2c
Sieht man in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB eine zulässige Beschränkung der sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO ergebenden Pflichten des Behandelnden gegenüber dem Patienten, würde dies dazu führen, dass der Patient die Kosten der vom Behandelnden nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO zur Verfügung zu stellenden Datenkopie auch hinsichtlich der ersten Kopie stets und unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls tragen müsste, also insbesondere ungeachtet der Höhe der tatsächlich mit der Erteilung der Kopie verbundenen Kosten.
Dies führt zu der Frage, ob eine solche Bereichsausnahme eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO sein kann. Der Gerichtshof
hat sich hierzu noch nicht geäußert. Nach Ansicht des Senats dürfte aus dem Erfordernis der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit folgen, dass eine Beschränkungsregelung nach Art. 23 Abs. 1 DS-GVO grundsätzlich Raum dafür lassen muss, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. zu Art. 23 DS-GVO Bäcker in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 58; Bertermann in Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl., Art. 23 Rn. 4 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Rs. C- 362/14, ECLI:EU:C:2015:650, NJW 2015, 3151 Rn. 91; zum Auskunftsanspruch der betroffenen Person und für die Grundrechte des Grundgesetzes vgl. BVerfG, ECLI:DE:BVERFG: 2008:RS20080310.1BVR238803,BVerfGE 120, 351, 365, juris Rn. 75; BVerfG, ECLI:DE:BVERFG:2016:RS20160420.1BVR096609, BVerfGE 141, 220 Rn. 137). Hingegen dürfte eine Bereichsausnahme von einem Betroffenenrecht, die dieses Recht für eine bestimmte Kategorie von Datenverarbeitungen und/oder Verantwortlichen vollständig ausschließt, was im Falle einer Beschränkung des Rechts auf kostenfreie Erstkopie durch § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB zuträfe, nur ausnahmsweise verhältnismäßig sein. Dazu müsste wohl aus besonderen Gründen der Beschränkungszweck im gesamten Anwendungsbereich der Bereichsausnahme den gegenläufigen Belangen der betroffenen Personen stets vorgehen (vgl. zu Art. 23 DS-GVO Bäcker in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 23 DS-GVO Rn. 58; beispielhaft zur Beschränkung des Auskunftsanspruchs der betroffenen Person BVerfG, ECLI:DE:BVERFG:2008:RS20080310.1BVR238803, BVerfGE 120, 351, 374 ff., juris Rn. 112 ff.).
Es erscheint fraglich, ob dies hinsichtlich der Kostenregelung in § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB aus unionsrechtlicher Sicht deshalb angenommen werden kann, weil der Behandelnde zur Führung der Patientenakte nach nationalem Recht verpflichtet ist, er die Vergütung für seine Leistungen aufgrund des nationalen Gebührenrechts nicht frei bestimmen und die Erteilung der Datenkopie für ihn aufgrund des möglichen Inhalts der Behandlungsunterlagen (z.B. Röntgenaufnahmen, zahnärztliche Modelle) mit besonderem Aufwand verbunden sein kann. Insoweit dürfte zu berücksichtigen sein, dass der Europäische Gesetzgeber die wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen im Zusammenhang mit der Erteilung von Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, durchaus im Blick gehabt hat. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO kann der Verantwortliche nach der ersten Kopie für alle weiteren Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen. Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. a DS-GVO erlaubt die Erhebung eines angemessenen Entgelts bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen. Eine allgemeine Bereichsausnahme hinsichtlich der Kostenfreiheit der ersten Kopie - etwa für Fälle, in denen der Verantwortliche gesetzlich zur Verarbeitung der Daten verpflichtet ist oder seine Vergütung nicht "frei" bestimmen kann - enthält die Datenschutz-Grundverordnung dagegen nicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass aus Sicht des Europäischen Gesetzgebers eine solche Bereichsausnahme von der Kostentragungspflicht des Verantwortlichen zum Schutz seiner berechtigten wirtschaftlichen Interessen hinsichtlich der Zurverfügungstellung der Datenkopie nicht notwendig und verhältnismäßig war, und zwar gerade auch hinsichtlich der Verarbeitung von Patientendaten, die ausweislich des Erwägungsgrundes 63 Satz 2 zur DS-GVO einen exemplarischen Anwendungsfall für die Ausübung der Betroffenenrechte darstellt.
Auch die Stimmen in der Literatur, die grundsätzlich wirtschaftliche Interessen im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO für berücksichtigungsfähig halten, gelangen ganz überwiegend zu dem Ergebnis, dass eine Kostentragungspflicht des Patienten für die nach der Datenschutz-Grundverordnung bereitzustellende Erstkopie nicht über diese Öffnungsklausel aus § 630g Abs. 2 Satz 2 BGB abgeleitet werden kann (Walter/Strobl, MedR 2018, 472, 476; Prütting/Friedrich, MedR 2021, 523, 527; Cornelius/Spitz, GesR 2019, 69, 73; Walter in BeckOGK, Stand 01.12.2021, § 630g BGB, Rn. 23; für elektronische Kopien auch MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630g Rn. 6). Nach Ansicht des Senats ist die Frage aber angesichts der durch Art. 23 Abs. 1 DS-GVO nicht eindeutig definierten Grenzen des dem nationalen Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums nicht von vornherein zweifelsfrei zu beantworten.
c)
Zur Vorlagefrage Ziffer 3
Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist auf die Zurverfügungstellung einer Kopie sämtlicher ihn betreffender Krankenunterlagen gerichtet, also einer Kopie seiner "Patientenakte" sowohl im Sinne des § 630f BGB als auch im Sinne des Art. 3 Buchst. m der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (ABl. EU L 88 vom 4. April 2011 S. 45, geändert durch Richtlinie 2013/64/EU des Rates vom 17. Dezember 2013, ABl. EU L 353 vom 28. Dezember 2013 S. 8).
Dieses Rechtsschutzbegehren kann nur insoweit von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO erfasst sein, als die Patientenakte personenbezogene Daten des Klägers enthält. Es ist allerdings streitig und bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des Österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (Vorlagebeschlusses vom 9. August 2021 - W211 2222613-2, ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2222613.2.00, Rs. C-487/21, ABl. EU C 431 vom 25. Oktober 2021 S. 8 f.), welchen Inhalt und welche Reichweite die in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bestimmte Pflicht hat, eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Dieser Streit wird entscheidungserheblich, wenn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht bereits aufgrund der von den Vorlagefragen Ziffer 1 und 2 erfassten Gesichtspunkte abzuweisen ist.
aa)
Nach einer Ansicht ergibt sich aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zwar ein Anspruch auf eine Kopie der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu beauskunftenden Daten, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente oder sämtlicher verarbeiteter Einzeldaten ohne Rücksicht auf eine etwaige Redundanz, weshalb dem Betroffenen auch nicht sämtliche, ihn betreffende Dokumente in Kopie zur Verfügung gestellt werden müssten. Das Recht auf Kopie könne vielmehr auch durch Überlassung einer - gegebenenfalls strukturierten - Zusammenfassung der verarbeiteten Daten erfüllt werden (für diese restriktive Sichtweise etwa LAG Niedersachsen, Urteil vom 9. Juni 2020 - 9 Sa 608/19,ECLI:DE:LAGNI:2020:0609.9SA608.19.0A, ZD 2021, 107 Rn. 45; LSG Nordrhein- Westfalen, ECLI:DE:LSGNRW:2021:0617.L15U144.21B.ER.01 BeckRS 2021, 20724 Rn. 31; Bayerisches Landesamt für Datenschutzaufsicht, 8. Tätigkeitsbericht 2017/2018, S. 46 f.; Hessischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Zum Verhältnis des Auskunftsrechts nach Art. 15 DS-GVO zum Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte nach § 630g BGB, abrufbar unter datenschutz.hessen.de/datenschutz/gesundheits und sozialwesen/gesundheitswesen/ verh%C3%A4ltnis-des-auskunftsrechtsnach- art-15; Gruner, MedR 2021, 59, 61; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO, 3. Aufl., Art. 15 Rn. 33 f.; Dausend, ZD 2019, 103, 106 f.; Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 675 f.; Zikesch/Sörup, ZD 2019, 239 ff.). Könne der Arzt die gesundheitsbezogenen Daten aus der Patientenakte extrahieren, dann beziehe sich der Auskunftsanspruch und der Anspruch auf die erste Kopie auch nur auf diese Daten (Gruner, MedR 2021, 59, 61).
Zur Begründung wird unter anderem darauf verwiesen, Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO regele lediglich eine besondere Form der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilenden Auskunft, weshalb lediglich die von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO umfassten Daten in Kopie als "Annex" zur Auskunft mitzuteilen seien. Dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nach beziehe sich das Recht auf Kopie lediglich auf die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, nicht aber auf die Dokumente, in denen diese enthalten seien, und nicht auf das Ergebnis der Verarbeitung im Sinne der Summe aller vorhandenen Einzeldaten. Zur Erfüllung des in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Zwecks des Auskunftsrechts, es dem Betroffenen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, könne eine - gegebenenfalls strukturierte – Zusammenfassung der verarbeiteten Daten sogar besser geeignet sein als die Zurverfügungstellung einer Kopie sämtlicher, gegebenenfalls redundanter Einzeldaten. Die Pflicht des Verantwortlichen aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO könne nicht so weit gehen, dass er jedes Dokument, das ein personenbezogenes Datum - zum Beispiel den Namen des Betroffenen - enthalte, in Kopie zur Verfügung stellen müsse. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 17. Juli 2014, Rs. C-141/12 und C-372/12 (ECLI:EU:C:2014:2081, ZD 2014, 515 Rn. 46, 59 f.) zu Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EU L 281 vom 23. November 1995 S. 31, und - Berichtigung - Abl. EU L 40 vom 17. Februar 2017 S. 78) ausgeführt, dass das Auskunftsrecht des Betroffenen nicht dem Ziel diene, den Zugang zu bestimmten Dokumenten zu sichern, und durch die Erteilung einer Übersicht über die verarbeiteten Daten erfüllt werden könne.
bb)
Nach anderer Auffassung sind der betroffenen Person vom Verantwortlichen nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO grundsätzlich sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten in der bei ihm vorliegenden "Rohfassung" als Kopie zu übermitteln (für diese extensive Auslegung etwa OVG Münster, ECLI:DE:OVGNRW:2021:0608.16A1582.20.00, CR 2021, 591, 594, juris Rn. 92 ff.; Schmidt-Wudy in BeckOK Datenschutzrecht, 38. Edition, Stand 1.11.2021, Art. 15 DS-GVO Rn. 85; Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl., Art. 15 DS-GVO Rn. 6 und 39 ff.; Dix in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 15 DS-GVO Rn. 28; Brink/Joos, ZD 2019, 483, 485; Schulte/Welge, NZA 2019, 1110, 1111; Lembke, NJW 2020, 1841, 1843 f.; König, CR 2019, 295 Rn. 35; im Ansatz auch Härting, CR 2019, 219, 220 f.). Dem Patienten wäre somit eine Kopie sämtlicher ihn betreffenden Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen, soweit diese seine personenbezogenen Daten enthalten. Eine Zusammenstellung der Daten würde nicht genügen (im Ergebnis für einen aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO folgenden Anspruch auf Kopie der Patientenakte auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, Tätigkeitsbericht zum Datenschutz 2019, S. 52 f.; ebenso die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, 26. Bericht 2020, S. 82 f.; Bayer, Ärztliche Dokumentationspflicht und Einsichtsrecht in Patientenakten (2018), S. 223 f.; OGH, ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00138.20T.1217.000, BeckRS 2020, 43015 Rn. 43).
Als Argument für diese Ansicht wird unter anderem vorgebracht, der Anspruch des Betroffenen auf Kopie stelle ein gegenüber dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO eigenständiges Recht dar und sei daher systematisch nicht auf den erforderlichen Inhalt der Auskunft nach dieser Vorschrift beschränkt. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO biete ebenfalls keinen Anhalt für eine entsprechende Einschränkung der inhaltlichen Reichweite des Anspruchs, sondern spreche im Gegenteil für ein weites Verständnis. Die in Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DS-GVO genannten Ziele der Transparenz und der Ermöglichung einer Rechtmäßigkeitskontrolle seien mit einer bloßen Zusammenfassung oder Übersicht über die verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht in gleicher Weise zu erreichen. Denn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten beinhalte auch die Prüfung, ob diese Daten inhaltlich zutreffend verarbeitet worden seien. Schon hierfür sei aber der Zugang zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten selbst erforderlich. Erst die Kenntnis darüber, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und wie ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeite, versetze die betroffene Person in die Lage, insoweit weitere Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DS-GVO), Löschung (Art. 17 DS-GVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DS-GVO) auszuüben. Die Entscheidung des Gerichtshofs vom 17. Juli 2014, Rs. C-141/12 und C-372/12 (ECLI:EU:C:2014:2081) zur Auslegung des Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG könne nicht herangezogen werden, da diese Vorschrift gerade kein Recht auf Kopie enthalten habe.
Seiters/Offenloch/Müller/Klein/Böhm