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Reichweite des Behandlungsvertrags

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Düsseldorf  | Aktenzeichen: 44 C 10658/09 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Gebühren

Urteilstext

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.419,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9,75 % seit dem 21.07.2007 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht die Vergütung für eine zahnärztliche Behandlung.

Wegen Schmerzen im Mundbereich, die von Vorbehandlern nicht ausreichend lokalisiert und behandelt wurden, stellte sich die Beklagte bei dem Zedenten am 25.04.2007 zur zahnärztlichen Behandlung vor. Es wurde vor Beginn der zahnärztlichen Behandlung am 25.04.2007 die als Anlage K 1 der Klageschrift vom 27.02.2008 beigefügte Gebührenvereinbarung unterschrieben. Der Zedent behandelte die Beklagte an 12 Behandlungstagen vom 25.04. bis zum 24.05.2007. Ein Heil- und Kostenplan über diese Behandlung existiert nicht. Ein solcher wurde erst unter dem 22.05.2007 für die Erstellung einer Krone für den Zahn 26 erstellt. Danach kam es zu einem Behandlungsabbruch durch die Beklagte. Nach Durchführung der Behandlungen berechnete die Klägerin im Auftrag des Zedenten unter dem 06.06.2007 insgesamt 3.419,16 Euro für die zahnärztliche Leistung. Hierin waren Eigenlaborkosten in Höhe von 161,16 Euro enthalten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Rechnung und des Eigenbeleges wird auf die als Anlage K 2 zur Klageschrift in Ablichtung beigefügten Urkunden verwiesen. Die Beklagte zahlte trotz mehrfacher Mahnungen nicht. Zuletzt wurde ihr ein Zahlungsziel bis zum 20.07.2007 eingeräumt. Der Klägerin entstanden Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro. Die Klägerin nimmt ständig Kontokorrentkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch, den sie mindestens seit dem 20.07.2007 mit 9,75 % per anno verzinsen muss.

Die Klägerin behauptet, die Gebührenvereinbarung vom 25.04.2007 sei vor der Unterzeichnung der Beklagten von dem Zedenten ausführlich erläutert worden. Die verschiedenen Behandlungsalternativen und diagnostischen Maßnahmen seien der Beklagten ebenfalls zu Beginn der Behandlungen und während der Behandlungen erläutert worden. Die Beklagte habe eine zahnerhaltende Behandlungsalternative bevorzugt. Die vorgenommene zahnärztliche Behandlung sei aufgrund des Beschwerdebildes und der Diagnosen ärztlich indiziert gewesen. Die Behandlung sei nach den Regeln zahnärztlicher Kunst erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.419,16 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von 9,75 % seit dem 21.07.2007 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat zunächst die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf gerügt und beantragt nunmehr, nachdem zunächst ein die Klage abweisendes Prozessurteil des Amtsgerichts und anschließend ein das amtsgerichtliche Urteil aufhebendes Urteil des Landgerichts ergangen ist,

die Klage bis auf einen Betrag von 440,00 Euro, den die Beklagte anerkennt, abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Zedent habe ihr gegenüber lediglich die Erforderlichkeit einer Wurzelkanalbehandlung und der Entfernung eines Wurzelkanalinstrumentes erwähnt. Eines im Wurzelkanal verbliebenen Instrumentes erwähnt. Während der Behandlung durch den Zedenten hätten ihre Schmerzen im Mundbereich nicht nachgelassen. Hinsichtlich der von dem Zedenten vorgenommenen Abdrücke habe der Zedent den Grund dieser zahnärztlichen Maßnahme nicht genannt. Insgesamt sei eine Behandlung von 12 Tagen nicht erforderlich gewesen. Über die Aufschneidung einer Zahntasche, eine Entzündungsbehandlung sowie eine Wurzelkanalbehandlung hinaus seien die Behandlungsmaßnahmen des Zedenten nicht erforderlich und nicht indiziert gewesen. Die Honorarvereinbarung hat sich der Zedent ohne Erläuterung unterschreiben lassen. Die Durchführung der Behandlung sei von der Unterzeichnung abhängig gemacht worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 28.05.2010 (Bl. 372 bis 376 der GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 3.419,16 Euro gemäß §§ 611 Abs. 1 zweiter Halbsatz, 398 BGB.

Zwischen der Beklagten und dem Zedenten ist wirksam ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag zustande gekommen.

Die Beklagte hat den Zedenten beauftragt, die durch ihr Beschwerdebild und ihren zahnärztlichen Krankheitszustand indizierten ärztlichen Maßnahmen vorzunehmen. Dieses ergibt sich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung schlüssig aus ihrer Vorstellung bei dem Zedenten mit dem Ansinnen, sich in die dortige zahnärztliche Behandlung zu begeben und ihrer einverständlichen Mitwirkung an der weiteren Behandlung bis zum 24.05.2007. Dass nach dem Beklagtenvortrag nur teilweise Informationen über den Behandlungsverlauf erfolgten und der Beklagten nur bekannt war, dass eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden sollte und ein Instrumententeil aus dem Wurzelkanal entfernt werden sollte, führt nicht zu einer Beschränkung des zahnärztlichen Behandlungsvertrages auf lediglich diese Behandlungsmaßnahmen. Es ist davon auszugehen, dass ein Patient grundsätzlich, wenn er eine Behandlung wünscht, verbindlich sämtliche medizinisch indizierten Maßnahmen und damit zu der Herstellung seiner Gesundheit erforderlichen Maßnahmen beauftragt. Anderenfalls würde der gerade im medizinischen Bereich wesentliche Leistungsumfang, der eigentlich immer der Gesundung dienen sollte, von den Zufälligkeiten des Informationshintergrundes des Patienten und der Ausführlichkeit der Information des Behandlers abhängig sein. Die Annahme eines anderen Leistungsumfanges als demjenigen der medizinisch indizierten Behandlungsmaßnahmen ist nur dann gerechtfertigt, wenn ausdrücklich der Patient den gewünschten Leistungsumfang auf bestimmte Behandlungsmaßnahmen beschränkt und zudem das Risiko des mangelnden Behandlungserfolges ausdrücklich auf sich nimmt.

Vorliegend sind von dem Zedenten sämtlichst aufgrund des Befundes bei der Beklagten medizinisch indizierte Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Sachverständige Dr. X hat in sich schlüssig und beanstandungsfrei gutachterlich ausgeführt, dass die von dem Zedenten durchgeführten Behandlungen aufgrund der Parodontalerkrankung, der unzureichenden Wurzelfüllung mit der Folge einer Entzündung im Knochen und aufgrund der bei der Beklagten vorliegenden Funktionsstörung medizinisch indiziert gewesen sind.

Die Klägerin hat die Leistungen des Zedenten auch zutreffend berechnet. Die Parteien haben wirksam eine Gebührenvereinbarung getroffen. Eine Vergütungsvereinbarung kann als Individualvereinbarung getroffen werden. Dieses ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.06.2005, Az.: 1 bis 8 U 153/04). Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien ist die Gebührenvereinbarung vor der Behandlung getroffen worden. Es ist auch vorliegend von einer Individualvereinbarung auszugehen. Die Beklagte hat nicht substantiiert bestritten, dass über die Vereinbarung gesprochen worden ist. Sie hat lediglich ein eingehendes Beratungsgespräch in Abrede gestellt. Es ist für den Charakter der Individualvereinbarung nicht erforderlich, dass der Inhalt einer Vereinbarung tatsächlich zur Disposition gestellt wird. Die Vergütungsvereinbarung war auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 wegen Sittenwidrigkeit oder wegen Wucher nichtig. Das hierfür erforderliche deutliche Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hat die Beklagte nicht dargelegt. Vielmehr handelt es sich bei der vorliegenden Vergütungsvereinbarung um die Ausprägung der Vertragsfreiheit, auf die sich der Dienstleistende auch im Bereich des ärztlichen Behandlungsvertrages berufen kann. Die Vergütungsvereinbarung ist auch nicht anfechtbar gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen einer Drohung, trotz Schmerzen ohne die Vergütungsvereinbarung nicht mit der Behandlung zu beginnen. Die Beklagte hatte weiterhin die Möglichkeit, einen anderen Behandler zu anderen Vergütungskonditionen aufzusuchen.

Die Rechnung der Klägerin ist unter Berücksichtigung der Vergütungsvereinbarung und der Vorschriften der GOZ nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

Der Vergütungsanspruch ist auch nicht durch einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe infolge eines schweren ärztlichen Behandlungsfehlers entfallen. Die Beklagte selbst hat über den Vortrag, dass die zahnärztliche Behandlung in ihrer Gänze nicht erforderlich gewesen sei, hinaus keinen zahnärztlichen Behandlungsfehler geltend gemacht. Im Übrigen hat auch der Sachverständige nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass ein zahnärztlicher Behandlungsfehler aus den von ihm geprüften Behandlungsunterlagen nicht ersichtlich sei.

Die Zinsforderung der Klägerin, die Vergütungsforderung des Zedenten ist unstreitig an die Klägerin abgetreten worden. Die Zinsforderung der Klägerin ergibt sich aus § 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich infolge der unstreitigen Mahnungen der Klägerin spätestens seit dem 21.07.2007 mit der Hauptforderung in Verzug. Sie hat den von der Klägerin vorgetragenen Zinsschaden nicht bestritten. Der Anspruch der Klägerin auf die Erstattung von Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro ergibt sich ebenfalls aus § 286 Abs. 1 BGB. Auch diesbezüglich hat die Beklagte den Klägervortrag zum Verzugsschaden nicht bestritten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 3.419,16 Euro.


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