Urteilstext
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27.01.2022 - 5 Ca 1023 a/21 - teilweise geändert und die Beklagte verurteilt,
- dem Kläger auf seinem Arbeitszeitkonto, Unterkonto 2 für den 08.04.2021 elf Arbeitsstunden gutzuschreiben
- dem Kläger auf seinem Arbeitszeitkonto, Unterkonto 1 für den 15.09.2021 0,75 Arbeitsstunden gutzuschreiben
- die Abmahnung vom 30.09.2021 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen).
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Stand des Arbeitszeitkontos des Klägers sowie die Entfernung einer Abmahnung.
Die Beklagte führt in fünf Kreisen in S.-H. den Rettungsdienst durch. Der Kläger ist seit dem 01.01.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger als Notfallsanitäter in Vollzeit tätig. Aufgrund einer Verweisung in seinem schriftlichen Arbeitsvertrag (Anlage K 1) findet auf das Arbeitsverhältnis der TVöD-VkA Anwendung. Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt im Hinblick auf die Bereitschaftsdienstzeiten 48 Stunden. Die Stammwache des Klägers befindet sich in B. .
Für den Betrieb ist die Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitgrundsätze in der RKISH – Teil: Einsatzdienst“ (BVA) geschlossen, die auch für Notfallsanitäter gilt (Abschnitt 1, lit. b). In § 2 d BVA ist die Erstellung des Rahmendienstplans geregelt, aus dem sich die Schichtarten, Schichtlängen und die sich daraus ergebende Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ergibt. Aus dem Rahmendienstplan wird ein Soll-Dienstplan und daraus der Ist-Dienstplan entwickelt (§§ 2 f, 2 g BVA). § 3 a BVA regelt die Anlegung eines Arbeitszeitkontos mit zwei Unterkonten für jeden Mitarbeiter, auf denen die geleisteten und gewerteten Arbeitszeiten der Mitarbeiter erfasst werden. Abschnitt 4 regelt unter der Überschrift Ist-Dienstplanung (Konkretisierung/Änderungen im DP):
„Zur Umsetzung von Dienstplänen sind Springerdienste und Rufbereitschaften zur Kompensation von Ausfallzeiten des Einsatzdienstes notwendig. Ferner werden auf Wunsch von Mitarbeitern Änderungen/Aktualisierungen des DP notwendig. Die folgende Vereinbarung dient der Gleichbehandlung aller Mitarbeiter in der Verteilung der oben genannten Dienste und Möglichkeiten.
§ 4a Aktualisierungen des Dienstplans
(1)
Aus dringenden betrieblichen Gründen können schichtgleiche Änderungen im Dienstplan vorgenommen werden. Der Dienstort kann im Rahmen der tariflichen Abordnungsregelung des Ergänzungstarifvertrags hierbei ebenfalls angepasst werden....
...
(3)
Diese Aktualisierungen müssen dem Betriebsrat spätestens bis zum 15ten des Vor-Vormonats (z.B. bis 15.01. Vorlage für den DP März) vorgelegt werden. Dieser hat die Änderungen bis zum jeweils Ersten des Vormonats zu genehmigen. Dringende betriebliche Gründe sind: ...
(4)
Spätere Änderungen sind für den Mitarbeiter immer freiwillig ...
§ 4 f Springerdienste
(1)
Springerdienste dienen der Kompensation aller an diesem Tag möglichen Dienstformen und werden in der Jahresplanung einem Wochentag der Vertreterwoche verbindlich zugewiesen...
...
(4)
Um die Planungssicherheit der Mitarbeiter zu steigern, hat die konkrete Schichtzuteilung in verblockten Springerdiensten Vorrang vor Zuweisung von einzelnen Springerdiensten. Die konkrete Schichtzuteilung in verblockten Springerdiensten ist spätestens im Rahmen der Dienstplanaktualisierung (vgl. § 4a) am 15ten des Vor-Vormonats (z.B. bis 15.1. Vorlage für den DP März) erfolgt. Andernfalls erfolgt zu diesem Zeitpunkt die Zuteilung von unkonkreten Tag-, Spät- und Nachtdiensten.
...
(6)
Einzelne Springerdienste werden (bezogen auf Dienstbeginn 7 Uhr) spätestens 4 Tage (...) vorher durch konkrete Schichtzuteilung verbindlich. Sollte zu diesem Zeitpunkt keine konkrete Schichtzuteilung möglich sein, erfolgt die Zuteilung von unkonkreten Tag-, Spät- und Nachtdiensten...
(7)
In unkonkret zugeteilten Springerdiensten als Tag-, Spät- und Nachtdienst können nach der Zuteilung weitere Konkretisierungen vorgenommen werden. Hierfür sind folgende Zeitkorridore verbindlich:
- Tagdienst spätester Beginn 06-09 Uhr spätestes Ende 21 Uhr
- Spätdienst spätester Beginn 09-15 Uhr spätestes Ende 23 Uhr
- Nachtdienst spätester Beginn 18-21 Uhr spätestes Ende 07 Uhr
(8)
Unkonkret zugeteilte Springerdienste können für Tag- und Spätdienste bis 20 Uhr des Vortags vor Dienstbeginn im Dienstplan weiter konkretisiert werden. Für Nachtdienste gilt diese Regelung bis 16 Uhr am Vertretungstag. Geschieht dies nicht, findet sich der Mitarbeiter zu Dienstbeginn am vom Arbeitgeber zugewiesenen Dienstort ein...“
§ 4 g BVA trifft Regelungen zur Anordnung von Rufbereitschaft, in § 6 a BVA sind Beginn und Ende der Arbeitszeit festgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten der BVA wird auf die Anlage K2 Bezug genommen.
Die Mitarbeiter der Beklagten können über das Internet den aktuellen Ist-Dienstplan einsehen. An den im Folgenden in Rede stehenden Tagen (08.04. und 15.09.2021) mussten sich wegen der Corona-Pandemie die Mitarbeiter im unkonkreten Springerdienst in den Fällen, in denen keine weitere Konkretisierung des Dienstes erfolgte, entgegen § 4 f Abs. 8 S. 3 BVA zu Dienstbeginn nicht am zugewiesenen Dienstort einfinden, sondern telefonisch um 7.30 Uhr von zuhause aus ihre Einsatzfähigkeit mitteilen.
Am 06.04.2021 endete der Dienst des Klägers um 19.00 Uhr. Zu jenem Zeitpunkt war seit dem 04.04.21 um 8.22 Uhr für den 08.04.2021, den nächsten Arbeitstag des Klägers, im Ist-Dienstplan ein unkonkreter Springerdienst (§ 4 f Abs. 4 S. 3 BVA) eingetragen. Am 07.04.2021 um 13.20 Uhr teilte die Beklagte dem Kläger für den 08.04.2021 einen Dienst in der Tagschicht in der Rettungswache P. mit Dienstbeginn um 6.00 Uhr zu und trug dies in den Ist-Dienstplan ein. Versuche, den Kläger telefonisch zu erreichen, schlugen fehl. Die Beklagte übersandte dem Kläger um 13.27 Uhr eine SMS, bezüglich deren Inhalt auf die Anlage B 1 verwiesen wird. Am 08.04.2021 zeigte der Kläger um 7.30 Uhr telefonisch seine Bereitschaft zur Arbeitsleistung an. Er wurde von der Beklagten, die zwischenzeitlich einen Mitarbeiter aus der Rufbereitschaft herangezogen hatte, nicht weiter eingesetzt. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Ermahnung, bewertete den Tag als unentschuldigtes Fehlen und zog dem Kläger elf Stunden von dem Unterkonto 2 seines Arbeitszeitkontos ab.
Für den 15.09.2021 war für den Kläger im Ist-Dienstplan zunächst ein Dienst als „Springer kurzfristig“ eingetragen, den die Beklagte am 10.09.2021 auf den „Tagdienst“ einschränkte. Am 14.09.2021 hatte der Kläger frei. Um 9.15 Uhr an diesem Tag konkretisierte die Beklagte den Dienst auf eine um 6.30 Uhr aufzunehmende Tätigkeit in P.. Auch diesmal war der Kläger telefonisch nicht zu erreichen. Die Beklagte schickte ihm erneut eine SMS (Anlage B 1) und diesmal auch eine E-Mail. Am 15.09.2021 zeigte der Kläger um 7.30 Uhr telefonisch seine Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme gegenüber dem Arbeitszeitgestalter der Beklagten Z. an. Dieser forderte ihn zur Arbeitsaufnahme in P. auf. Tatsächlich nahm der Kläger seinen Dienst um 8.26 Uhr in P. auf. Die Beklagte wertete die Zeit von 6.30 Uhr bis 8.26 Uhr als unentschuldigtes Fehlen, erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 30.0.2021 eine Abmahnung wegen dieses Sachverhalts und zog ihm 1,93 Stunden vom Unterkonto 1 seines Arbeitszeitkontos ab.
Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen den Abzug von Stunden von seinen Arbeitszeitkonten und begehrt die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
Hierzu hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die Konkretisierung der Dienste sei erst nach Ablauf der Frist aus § 4 a Abs. 4 BVA erfolgt und müsse nicht von ihm befolgt werden. Aus den §§ 4 a und 4 f BVA ergebe sich, dass ein mit einem Wachenwechsel verbundener Springerdienst nach Ablauf der Frist zur Konkretisierung stets freiwillig sei. Das ergebe sich auch aus der zur BVA herausgegebenen Kommentierung. Die Konkretisierung des Springerdienstes selbst sei in der BVA nicht geregelt und unterliege der Mitbestimmung des Betriebsrats, die nicht erfolgt sei. Er sei nicht verpflichtet, sich während seiner Freizeit darüber zu informieren, wann er zu arbeiten habe. Die Beklagte stelle auch – unstreitig – die entsprechenden technischen Möglichkeiten wie ein Diensthandy oder einen PC nicht zur Verfügung. Sie umgehe mit ihrer Vorgehensweise die Anordnung von Rufbereitschaft, um Kosten zu sparen. Die kurzfristige Anordnung verstoße auch gegen § 12 Abs. 3 TzBfG, zumindest aber gegen billiges Ermessen. Sein Handy habe er lautlos gestellt, weil er sich um seine Kinder habe kümmern müssen. Da er sich rechtmäßig verhalten habe, sei auch die Abmahnung unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen. Die von der Beklagten vorgelegten SMS belegten nicht, dass diese angekommen oder gelesen worden seien.
Die Beklagte hat erwidert: Ihr Vorgehen stehe im Einklang mit der BVA. Der Kläger sei verpflichtet, sich über seine Dienstzeiten zu informieren. Die Zeiten, in denen er sich informiere, seien auch nicht als Arbeitszeit zu bewerten. Die Informationspflicht bestehe als arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Der Kläger habe das Telefon nicht abgenommen und auf die SMS und am 14.09.2021 auch auf die E-Mail nicht reagiert. Er habe daher unentschuldigt gefehlt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Arbeitszeitzuweisungen entsprechend den Regelungen der BVA vorgenommen, insbesondere liege kein Verstoß gegen § 4 a BVA vor. Auch gegen die in § 12 TzBfG geregelten Grundsätze der Abrufarbeit sei nicht verstoßen worden. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, von der Dienstplanänderung keine Kenntnis gehabt zu haben. Er sei aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht verpflichtet, sich nach dem Beginn seines Dienstes zu erkundigen. Die Fehlzeiten des Klägers seien daher von seinem Arbeitszeitkonto in Abzug zu bringen. Die Abmahnung sei zurecht erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das am 09.03.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.03.2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung bis zum 09.06.2022 am 08.06.2022 begründet.
Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen wie folgt: Für den 15.09.2021 werde im Berufungsrechtszug noch eine Gutschrift von 45 min verlangt. Hinsichtlich der Gutschrift weiterer Zeiten, die erstinstanzlich für den 15.09.2021 geltend gemacht worden sind, hat er die zunächst unbeschränkt eingelegte Berufung zurückgenommen.
Das Arbeitsgericht habe die BVA falsch angewandt. Die Beklagte habe den Ausfall, der zu seinem Einsatz am 08.04. geführt habe, selbst verursacht. Gleiches gelte für den Ausfall am 15.09.21. Über die Änderung an diesem Tag habe ihn die Beklagte auch schon am 13.9.2021 während der Arbeitszeit informieren können. Die Beklagte trage selbst vor, dass sie die unkonkreten Springerdienste für kurzfristige krankheitsbedingte Ausfälle nutze. Dies stehe im Widerspruch zu § 4 f Abs. 1 BVA. Die Beklagte müsse für Fälle kurzfristiger Krankheit eines Mitarbeiters Rufbereitschaft nach § 4 g BVA anordnen. Ferner verkenne das Arbeitsgericht den Inhalt von § 4 a Abs. 4 BVA. Die Zuteilung einer anderen als der Stammwache sei keine Konkretisierung im Sinne des § 4 f Abs. 8 BVA, sondern eine Änderung der Schicht im Sinne von § 4 f Abs. 6 BVA. Diese sei ausweislich der hierzu vorliegenden Kommentierung aber nur freiwillig möglich. Diese Freiwilligkeit liege bei ihm unstreitig nicht vor.
Die Vorgehensweise der Beklagten verstoße auch gegen § 12 Abs. 3 TzBfG. Faktisch leiste er Arbeit auf Abruf, sodass die Beklagte stets eine Ankündigungsfrist von vier Tagen einhalten müsse.
Das Arbeitsgericht setze sich auch nicht mit seinem Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit auseinander. Soweit dieses auf andere Pflichten außerhalb der Arbeitszeit, etwa die Pflicht zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit hinweise, seien diese nicht mit der Verpflichtung, sich über seine Dienstzeiten zu informieren, vergleichbar. Die kurzfristige Veränderung der Arbeitszeit liege im alleinigen Interesse der Beklagten. Außerdem gebe es – unstreitig – keine Vereinbarung darüber, dass er seine eigenen Geräte (Handy, PC) für die Beklagte einsetzen müsse. Er habe die SMS nicht gelesen oder zur Kenntnis genommen. Eine SMS von einer unbekannten Nummer sortiere sein Handy aus und verschiebe sie in einen separaten Ordner. Diesen lösche er in unregelmäßigen Abständen. Er vermute, dass dies auch mit den SMS der Beklagten geschehen sei. Die Anordnung der Beklagten zur Arbeitsleistung wahre auch keine angemessene Ankündigungsfrist. Sie sei schließlich auch wegen des Verstoßes gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 6 BetrVG unwirksam.
Am 15.9.2021 habe er für das Telefonat mit Herrn Z. und die anschließende Fahrt zur Wache jedenfalls 45 Minuten aufwenden müssen. Auf die Gutschrift für diesen Zeitraum beschränke er seinen Antrag.
Da er seine Arbeitspflichten nicht verletzt habe, sei auch die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27.01.2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1.
ihm für den 08.04.2021 elf Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto, Unterkonto 2 gutzuschreiben,
2.
die Abmahnung vom 30.09.2021 aus seiner Personalakte zu entfernen
3.
ihm für den 15.09.2021 0,75 Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto, Unterkonto 1 gutzuschreiben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Die Konkretisierung der Springerdienste an den beiden Tagen sei von ihrem Direktionsrecht gedeckt. Dem Kläger stehe es frei, wann und wie er sich die Informationen über seine konkrete Arbeitszeit verschaffe. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass er nicht eine der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt habe. Am 08.04.2021 sei, nachdem der Kläger nicht erschienen sei, die Mitarbeiterin Si. aus der Rufbereitschaft aktiviert worden, um für den Kläger auf dem Rettungswagen eingesetzt zu werden. Da der Rettungswagen damit ordnungsgemäß besetzt war, sei der Kläger an jenem Tag nicht mehr benötigt worden. Der Dienst am 08.04. habe dem Kläger auch nicht früher zugewiesen werden können. Ursächlich für die Zuweisung sei die erst am 07.04. angezeigte Erkrankung des Mitarbeiters B..
Sie habe auch keine Rufbereitschaft angeordnet, weil sie aufgrund ihrer Erfahrungen davon ausgegangen sei, dass der Kläger benötigt werde. Da regelmäßig ein bestimmter Anfall von Mitarbeitern ausfalle, plane sie mit einem Vertreterdienst. Die Auslegung des Klägers zu § 4 f BVA teile sie nicht. Der Kläger arbeite in einem Vollzeitarbeitsverhältnis, sodass § 12 Abs. 3 TzBfG nicht anwendbar sei. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass kein Abrufarbeitsverhältnis vereinbart sei. Sie spreche dem Kläger das Recht auf Unerreichbarkeit nicht ab. Der Blick in das Dienstplanprogramm sei keine Arbeit. Nahezu alle Mitarbeiter empfänden es als positiv, wenn sie über die Konkretisierung von Arbeitszeit und –ort telefonisch informiert würden. Der Kläger müsse wegen seiner Loyalitätspflicht auch sein Telefon benutzen, um sich über die Arbeitszeiten zu informieren. Die Konkretisierung der Arbeitsleistung sei von der BVA gedeckt und daher auch mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgt.
Dass der Kläger am 15.09. vom Beginn des Telefonats bis zur Arbeitsaufnahme jedenfalls 45 Minuten benötigt habe, werde von ihr nicht bestritten.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die zulässige Klage des Klägers ist, soweit sie dem Berufungsgericht zur Entscheidung angefallen ist, mit allen Anträgen begründet.
A.
Die Klage ist zulässig. Die Anträge zu 1. und 3. sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
I.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Erforderlich ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (z.B. BAG vom 21.03.2012 – 5 AZR 676/11 – Juris, Rn. 16).
II.
Danach sind die Anträge zu 1. und 3. hinreichend bestimmt. Der Kläger hat im Berufungstermin klargestellt, auf welchem der beiden für ihn geführten Unterkonten die jeweiligen Zeitgutschriften erfolgen sollen. Die Beklagte hat erklärt, dass entsprechende Gutschriften auch jetzt noch erfolgen könnten. Wie die Gutschrift genau zu erfolgen hat, steht zwischen den Parteien nicht im Streit und bedurfte daher keiner weiteren Konkretisierung.
B.
Die Klage ist mit allen Anträgen begründet.
I.
Der Antrag zu 1. ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gutschrift für 11 Stunden auf dem Unterkonto 2 seines Arbeitszeitkontos für den 08.04.2021 zu. Der entsprechende Anspruch beruht auf den §§ 611 a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB.
1.
Aus § 611 Abs. 1 BGB (jetzt 611 a Abs. 2 BGB) kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos haben, wenn dieses nach der zugrundeliegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus. Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen (BAG vom 11.10.2010 – 5 AZR 766/09 – Juris, Rn. 16).
2.
Der Vergütungsanspruch des Klägers wird durch die von ihm geleisteten, im Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Stunden verbindlich bestimmt. Das legt die BVA fest. Auf diesem Konto sind dem Kläger für den 08.04.2021 11 Stunden gutzuschreiben, obwohl der Kläger an diesem Tag nicht gearbeitet hat. Es liegen nämlich die Voraussetzungen eines Entgeltfortzahlungstatbestands, hier § 615 Satz 1 BGB, vor. Die Beklagte befand sich am 08.04.2021 mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug.
a)
Annahmeverzug setzt das Angebot der vom Arbeitgeber durch sein Direktionsrecht (§ 106 GewO) konkretisierten Arbeitsleistung voraus. Die Arbeitsleistung ist vom Arbeitnehmer gemäß § 294 BGB in eigener Person zur rechten Zeit am rechten Ort und in rechter Weise anzubieten (Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 19. Aufl. 2021, § 95 Rn. 26).
b)
Danach befand sich die Beklagte am 08.04.2021 mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug. Der Kläger hat an jenem Tag um 07:30 Uhr seine Arbeitsleistung telefonisch bei dem zuständigen Arbeitszeitgestalter der Beklagten angeboten. Mit diesem Angebot hat der Kläger die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zur rechten Zeit am rechten Ort erbracht. Dem Kläger war für den 08.04.2021 ein unkonkreter Springerdienst im Sinne des § 4 f Abs. 8 BVA zugewiesen worden. In diesen Fällen war für das ordnungsgemäße Angebot an jenem Tag ein telefonisches Angebot bei dem Arbeitszeitgestalter erforderlich, aber auch ausreichend. Ein persönliches Aufsuchen der Stammdienststelle war nicht (mehr) vorgeschrieben. Die anderslautende Regelung in § 4 f Abs. 8 Satz 3 BVA, nach der im Falle eines nicht näher konkreten Springerdienstes ein Einfinden am Dienstort geschuldet war, war – unstreitig – wegen der Coronapandemie abgeändert worden.
c)
Dem Kläger war für den 08.04.2021 auch ein unkonkreter Springerdienst zugewiesen. Die Beklagte hat diesen Springerdienst nicht durch Ausübung ihres Direktionsrechts von einem unkonkreten auf einen konkreten Springerdienst nach § 4 f Abs. 8 Satz 1 BVA konkretisiert, insbesondere nicht durch die Zuteilung eines konkreten Springerdienstes am 07.04.2021 um 13:20 Uhr. Die entsprechende Dienstplanänderung ist dem Kläger nicht zugegangen und ist ihm gegenüber deswegen auch nicht wirksam geworden.
aa)
Das Weisungs- bzw. Direktionsrecht nach § 106 GewO ist als Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB ein Gestaltungsrecht. Es wird demzufolge durch Gestaltungserklärung ausgeübt. Bei dieser handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (BAG vom 16.04.2015 – 6 AZR 242/14 – Juris, Rn. 24).
bb)
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit ihrem Zugang wirksam. Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltenen Einrichtungen, wie Briefkasten, Postfach, E-Mail-Postfach oder Anrufbeantworter. Vollendet ist der Zugang erst, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist (Grüneberg, 81. Auflage 2022, § 130, Rn. 5).
cc)
Die Beklagte hat nicht nachweisen können, dass dem Kläger die Mitteilung über die Änderung des Dienstplans zugegangen ist.
Den Vortrag des Klägers, er habe sich den Dienstplan im Internet nicht angeschaut, hat die Beklagte nicht widerlegt. Ihr bloßes Bestreiten mit Nichtwissen, dass dem Kläger die Dienstplanänderung nicht bekannt gewesen sei, reicht nicht aus, da die Beklagte für den Zugang ihrer Direktionsrechtsausübung als einer für sie günstige Tatsache darlegungsund beweisbelastet ist.
Den Telefonanruf des Arbeitszeitgestalters, in dem dieser dem Kläger die Änderung des Dienstplans mitteilen wollte, hat der Kläger unstreitig nicht entgegengenommen, so dass die Information über die Dienstplanänderung auf diesem Weg nicht in seinen Empfangsbereich gelangt ist.
Allerdings ist die dem Kläger übersandte SMS in den Empfangsbereich des Klägers gelangt. Das Gericht geht nach den Erörterungen im Berufungstermin davon aus, dass die SMS auf dem Handy des Klägers eingegangen ist. Anderenfalls wäre bei der Beklagten ein entsprechender Hinweis auf die fehlende Zustellbarkeit der SMS eingegangen. Der Kläger hat insoweit auch eingeräumt, dass bestimmte SMS bei ihm von vornherein in einen Ordner sortiert werden, dessen Inhalt er dann gelegentlich löscht und eingeräumt, dass dies möglicherweise auch bei der hier in Rede stehenden SMS des Arbeitszeitgestalters vom 07.04.2021 der Fall war.
Mit der Kenntnisnahme des Inhalts der SMS durfte die Beklagte jedoch nicht vor 7:30 Uhr des folgenden Tages rechnen. Die Beklagte konnte unter normalen Umständen nicht davon ausgehen, dass der Kläger diese SMS vor 07:30 Uhr am 08.04.2021 zur Kenntnis nahm. Vorher war eine Kenntnisnahme durch den Kläger nicht zu erwarten. Der Kläger ist nicht verpflichtet, während seiner Freizeit eine dienstliche SMS aufzurufen, um sich über seine Arbeitszeit zu informieren und damit zugleich seine Freizeit zu unterbrechen.
(1)
Beim Lesen einer SMS, mit der der Arbeitgeber sein Direktionsrecht im Hinblick auf Zeit und Ort der Arbeitsausübung konkretisiert, handelt es sich um Arbeitszeit. Der Kläger erbringt mit dem Lesen eine Arbeitsleistung.
(a)
Zur im Dienste eines Anderen erbrachten Arbeitsleistung im Sinne von § 611 a Abs. 1 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede im Synallagma vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Der Arbeitgeber verspricht die Vergütung aller Dienste, die er dem Arbeitnehmer aufgrund seines arbeitsvertraglich vermittelten Weisungsrechts abverlangt. „Arbeit“ im Sinne dieser Bestimmungen ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG vom 18.03.2020 – 5 AZR 36/19 – Juris, Rn. 15 mit Hinweisen zur ständigen Rechtsprechung).
(b)
Danach verlangt die Beklagte vom Kläger eine Arbeitsleistung, wenn sie von diesem erwartet, eine dienstliche SMS zu lesen oder sich über Zeit und Ort seiner Arbeitsaufnahme im Internet zu informieren. Denn damit handelt der Kläger ausschließlich zur Befriedigung eines fremden Bedürfnisses, nämlich des Bedürfnisses der Beklagten, die ordnungsgemäßen Organisation ihrer Arbeitsabläufe durch eine sachgemäße Personalplanung zu gewährleisten. Dabei setzt die Arbeitsleistung des Klägers in dem Moment ein, indem er eigene Bemühungen anstellen muss (Aufrufen der SMS und Lesen des Inhalts/ Einblick in den Dienstplan im Internet). Dagegen ist die bloße Entgegennahme eines Telefonats oder einer mündlichen Weisung zwar möglicherweise ein Verstoß der Beklagten gegen das Recht des Klägers „auf Unerreichbarkeit“ (hierzu: Bayreuther, Mehr Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsumfangs?, NZA-Beilage 2018, 103, 107 m.w.N.), ändert aber am Zugang der Weisung nichts.
In seiner Freizeit steht dem Kläger dieses Recht auf Unerreichbarkeit zu. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer/innen in diesem Zeitraum den Arbeitgeber/ innen nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht (LAG Thüringen, Urteil vom 16.05.2018 – 6 Sa 442/17 – Juris, Rn. 43). Ob der Kläger einer Weisung, die ihm in seiner Freizeit zur Kenntnis gelangt ist, folgen müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden.
(c)
Der Einschätzung, dass das Lesen der SMS zur Arbeitszeit des Klägers zu rechnen ist, steht der zeitlich minimale Aufwand, der mit dem Aufrufen und Lesen einer SMS verbunden ist, nicht entgegen. Arbeit wird nicht deswegen zur Freizeit, weil sie nur in zeitlich ganz geringfügigem Umfang anfällt. Das Recht auf Nichterreichbarkeit dient neben der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers durch Gewährleistung ausreichender Ruhezeiten (§ 5 Abs. 1 ArbZG) auch dem Persönlichkeitsschutz (LAG Thüringen, aaO.). Es ist also auch dann zu beachten, wenn – wie hier – die Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz durch die Arbeitsaufnahme nicht unterbrochen wird, weil diese zum Zeitpunkt der Dienstplanänderung bereits abgelaufen war (zum Meinungsstand hierzu: Baeck/Deutsch/Winzer, Arbeitszeitgesetz, 4. Auflage 2020, § 5 Rn. 14/14 a).
(2)
Die Beklagte durfte und musste nach der Verkehrsanschauung damit rechnen, dass der Kläger die ihm übersandte SMS erst mit Beginn seines Dienstes um 07:30 Uhr zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt ist der Kläger verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehört auch die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zur Kenntnis zu nehmen.
dd)
Der Kläger hat sich auch nicht treuwidrig verhalten, indem er auf die Telefonate nicht reagiert, die SMS nicht zur Kenntnis genommen und auch nicht in den Dienstplan im Internet Einsicht genommen hat, um sich über seinen Dienstbeginn zu informieren.
(1)
Verhindert ein Empfänger durch eigenes Verhalten den Zugang einer Willenserklärung, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung bereits zum Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs zugegangen (treuwidrige Zugangsvereitelung). Nach Treu und Glauben ist es ihm verwehrt, sich auf den späteren tatsächlichen Zugang zu berufen, wenn er selbst für die Verspätung die alleinige Ursache gesetzt hat. Sein Verhalten muss sich dafür als Verstoß gegen bestehende Pflichten zur Sorgfalt oder Rücksichtnahme darstellen. Lehnt er etwa grundlos die Entgegennahme eines Schreibens ab, muss er sich nach § 242 BGB jedenfalls dann so behandeln lassen, als sei es ihm im Zeitpunkt der Ablehnung zugegangen, wenn er im Rahmen vertraglicher Beziehungen mit der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen durch den Absender rechnen musste (KR-Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzrecht, 13. Auflage 2022 - § 4 KSchG, Rn. 170 zur Zugangsvereitelung bei Kündigungserklärungen).
(2)
Der Kläger verhält sich nicht treuwidrig, wenn er darauf besteht, in seiner Freizeit keiner dienstlichen Tätigkeit nachzugehen. Er lehnt im Sinne der oben dargestellten Rechtslage die Entgegennahme der Weisung durch die Beklagte nicht grundlos ab. Vielmehr verhält sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits dem Kläger Freizeit gewährt und andererseits von ihm verlangt, Arbeitsleistungen zu erbringen. Die von der Beklagten angenommene Nebenpflicht, sich in seiner Freizeit nach seinen Dienstzeiten zu erkundigen, besteht nicht.
d)
Zum Zugangszeitpunkt um 07:30 Uhr war die Weisung an den Kläger, seinen Dienst um 06:00 Uhr in P. anzutreten, zeitlich bereits überholt. Sie ist dann von der Beklagten auf Nachfrage auch nicht aufrechterhalten worden. Eine andere Arbeitsleistung ist ihm für jenen Tag nicht zugewiesen worden. Damit befand sich die Beklagte mit der Annahme der Dienste des Klägers auch nach 7:30 Uhr in Verzug.
e) Der Umfang der Gutschrift für jenen Tag, nämlich 11 Stunden, ist zwischen den Parteien unstreitig.
II.
Der Antrag zu 3. ist ebenfalls begründet. Dem Kläger steht auch für den 15.09.2021 die nunmehr noch geltend gemachte Gutschrift für 0,75 Stunden zu. Der Anspruch folgt allerdings nicht aus den §§ 611 a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB, sondern vielmehr als Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
1.
Die Beklagte befand sich am 15.09.2021 ab 07:30 Uhr nicht mit der Annahme der Dienste des Klägers in Verzug.
a)
Der Kläger hat an diesem Tag um 07:30 Uhr seine Arbeitsleistung entsprechend § 4 f Abs. 8 Satz 3 BVA angeboten. Bis zum Zeitpunkt des Telefonats war der dem Kläger zugeteilte unkonkrete Springerdienst durch die Beklagte nicht weiter konkretisiert worden.
Die Beklagte hatte zwar am 14.09.2021 den Dienstplan des Klägers geändert und ihm einen konkreten Springerdienst zugewiesen. Die Dienstplanänderung ist dem Kläger jedoch nicht vor 07:30 Uhr am 15.09.2021 zugegangen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Der Kläger hat erklärt, er habe sich nicht im Internet über die Dienstplanänderung informiert, die SMS sei bei ihm nicht eingegangen und die E-Mail habe er, so hat er im Berufungstermin ausgeführt, auch erst später gelesen. Damit ist von einem Zugang der Dienstplanänderung um 07:30 Uhr auszugehen.
b)
Um 07:30 Uhr ist dem Kläger dann aber gesagt worden, er müsse nunmehr seinen Dienst „sofort“ in P. aufnehmen. Gegen diese Weisung und die darin liegende Mitteilung der Dienstplanänderung wendet sich der Kläger auch nicht. Er meint, ihm müsse die Fahrtzeit nach P. gutgeschrieben werden. Während der Fahrt nach P. befand sich die Beklagte aber nicht im Annahmeverzug. Die Fahrt zum Arbeitsplatz ist nicht Teil der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung, so dass er in diesem Zeitraum die Beklagte auch nicht in Annahmeverzug versetzen kann.
Tatsächlich meint der Kläger, wie er dann auf Befragen im Berufungstermin ausgeführt hat, die Zeit für die Fahrt zum Arbeitsort P. am 15.09.2021 müsse ihm gutgeschrieben werden, weil ihn die Beklagte erst um 07:30 Uhr über die Änderung des Dienstortes informiert habe, sodass er seine Arbeitsleistung nicht pünktlich habe anbieten können. Damit macht der Kläger der Sache nach einen Verzugsschadensersatzanspruch geltend, nicht aber einen Anspruch aus Annahmeverzug.
2.
Dieser Schadensersatzanspruch steht dem Kläger gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB zu.
a)
Wie gerade ausgeführt, hat der Kläger im Berufungstermin klargestellt, dass auch ein Schadensersatzanspruch wegen der verspäteten Mitteilung des Dienstes Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sein soll. Soweit darin eine Klageänderung liegt, ist sie jedenfalls sachdienlich und damit zulässig. Im Übrigen hat die Beklagte hiergegen auch keine Einwendungen erhoben.
b)
Die Beklagte hat eine Leistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis verzögert erfüllt im Sinne der §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Sie ist nach § 241 Abs. 2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers verpflichtet. Zu diesen Interessen gehört es, dass dem Kläger der Beginn seiner Dienstzeit so rechtzeitig mitgeteilt wird, dass er den Arbeitsort noch pünktlich aufsuchen kann, um dort seine Arbeitsleistung aufzunehmen und damit „sein Geld zu verdienen“. Diese Leistungspflicht verletzt die Beklagte, wenn sie ihm erst um 07:30 Uhr mitteilt, dass er nunmehr unverzüglich in P. seinen Dienst antreten muss.
c)
Einer Mahnung der Beklagten im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB bedurfte es nicht. Diese ist nämlich nach § 286 Abs. 2 Satz 1 BGB hier entbehrlich, weil für den Zeitpunkt, an dem dem Kläger der Beginn seiner Arbeitszeit mitzuteilen ist, eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, § 286 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach § 4 f Abs. 8 Satz 1 BVA ist die Beklagte verpflichtet, unkonkret zugeteilte Springerdienste im Tagdienst bis spätestens 20:00 Uhr des Vortags zu konkretisieren. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Ihre entsprechenden Mitteilungen sind dem Kläger nicht zugegangen.
d)
Die Verletzung dieser Leistungspflicht erfolgt auch schuldhaft im Sinne des § 286 Abs. 4 BGB. Der Arbeitszeitgestalter der Beklagten, dessen Verschulden der Beklagten gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen ist, hat fahrlässig gehandelt. Er hat nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, § 276 Abs. 2 BGB, beachtet.
Der Beklagten war bekannt, dass der Kläger nicht bereit ist, in seiner Freizeit Informationen über seine Dienstplangestaltung entgegenzunehmen. Zum hier streitigen Zeitpunkt im September hatte der Kläger wegen dieses Sachverhalts bereits eine entsprechende Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Die Beklagte hätte daher die Arbeitszeitkonkretisierung gegenüber dem Kläger früher vornehmen müssen, was ihr für den 15.09. auch möglich gewesen wäre, da der der Konkretisierung des Springerdienstes zugrundeliegende Ausfall eines anderen Mitarbeiters bei der Beklagten bereits am 12.09. um 20:14 Uhr erfolgte. Die Beklagte hätte daher jedenfalls am 13.09. noch den Dienstplan ändern können. Die entsprechende Mitteilung hätte der Kläger auch zur Kenntnis nehmen können, da er an diesem Tag noch Dienst hatte.
Im Übrigen hat die Beklagte zur Exkulpation auch nur vorgetragen, sie besetze die konkreten Springerdienste möglichst spät, um noch eine entsprechende Personalreserve vorhalten zu können. Damit übernimmt sie aber selbst das Risiko, einen Mitarbeiter nicht erreichen zu können.
e)
Der wegen der verspäteten Mitteilung beim Kläger eingetretene Schaden ist der Verlust der Gutschrift für die objektiv für die Fahrt zur Dienststelle aufzuwendende Zeit. Die beträgt nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien im Berufungstermin jedenfalls die hier vom Kläger verlangten 45 Minuten, die demnach auf seinem Arbeitszeitkonto 1 gutzuschreiben sind.
III.
Der Antrag zu 2. ist ebenfalls begründet. Die Beklagte muss die Abmahnung vom 30.09.2021 aus der Personalakte des Klägers entfernen. Diese verletzt das Persönlichkeitsrecht des Klägers und ist damit rechtswidrig.
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, ausnahmsweise den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 19. Auflage, § 132 Rn. 31).
2.
Danach ist die Beklagte zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte des Klägers verpflichtet. Diese enthält eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens des Klägers.
Dem Kläger wird vorgeworfen, er verletze seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, wenn er nicht von sich aus in den Dienstplan sehe und prüfe, wann und wo er für den eingeteilten Dienst am Folgetag zu erscheinen habe. Dabei geht die Beklagte in der Abmahnung davon aus, dass diese Pflicht gerade auch in der Freizeit des Klägers bestehe.
Diese rechtliche Bewertung ist unzutreffend. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter I. verwiesen.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte hat auch die Kosten hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Berufung zu tragen, weil dieser Teil nur die Gutschrift für 1,22 Stunden betrifft, die mit der Höhe der erzielten Vergütung zu bewerten sind. Dieser Wert ist im Vergleich zum Gesamtstreitwert verhältnismäßig geringfügig. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.