Praxisbezeichnung „Ostseepraxis“

 | Gericht:  Landgericht (LG) Hamburg  | Aktenzeichen: 315 O 734/06 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation

Urteilstext


Tenor

I.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr durch die Bezeichnung „Ihre Zahnarztpraxis" auf seine Praxis hinzuweisen.

II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin nur gegen Sicherheits¬leistung in Höhe von EUR 11.000,00.

Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die berufsrechtliche Zulässigkeit von Werbemaßnahmen des Beklagten.
Die Klägerin, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist die berufsständische Organisation der H. Zahnärzte, deren Mitglied der Beklagte als Zahnarzt ist.

Der Beklagte unterhält im ersten Stock des Gebäudes H. Straße XX in .... eine Zahnarztpraxis. Die Fensterscheiben der Praxis sind im unteren Bereich mit dem Schriftzug „Ostseepraxis" gekennzeichnet. Dieselbe Bezeichnung befindet sich auch auf dem Praxisschild. Links an der Fensterfront der Praxis befindet sich hochkant in Blau die Berufsbezeichnung „Zahnarzt" sowie der Name des Beklagten in ca. 1 Meter Größe. Rechts an der Seite des Gebäudes befindet sich in der Fensterfront der Praxis in gleicher Größe die Bezeichnung „Ihre Zahnarztpraxis", darunter ein Neonzahn (Anlage Kl).

Des Weiteren weist der Beklagte unter der Internetadresse www. ... .de auf seine Praxis hin (Anlage K 2).

Die Klägerin beanstandet dieses Verhalten des Beklagten unter Hinweis auf § 21 der Berufs¬ordnung der Zahnärztekammer Hamburg (BO).

Sie ist der Ansicht, bei der Bezeichnung „Ostseepraxis" handele es sich um eine berufswidrige Werbung, da sie irreführend und anpreisend sei. Dasselbe gelte für das Führen der Internetadresse www. ... .de.

Die Bezeichnung „Ostseepraxis" sei irreführend, weil die Praxis nicht an der Ostsee belegen sei. Auch im Übrigen weise die Leistungserbringung der Zahnheilkunde keinen Bezug zur Ostsee auf, denn dort sollten die Patienten des Beklagten unstreitig weder behandelt werden noch bestehe dorthin eine sonstige leistungsbezogene Bindung.

Sofern es sich nach dem Vortrag des Beklagten bei seiner Praxis um eine „Motivpraxis" handeln solle, habe die Bezeichnung „Ostseepraxis" anpreisenden Charakter. Eine inhaltliche Aussage sei damit nicht verbunden. Die Aussage bzw. Bezeichnung sei für den Patienten mit Rücksicht auf die zahnmedizinischen Leistungen nichtssagend.

Durch den geographischen Zusatz werde zudem suggeriert, dass eine Alleinstellung vorhanden sei; jedenfalls handele es sich um eine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung.

Auch die Bezeichnung „Ihre Zahnartzpraxis" stelle einen Fall der berufswidrigen Werbung dar. Eine solche Bezeichnung leiste einer unerwünschten Kommcr/inlisicrung des Zahnarztberufes Vorschub.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken

1.
seine Praxis als „Ostseepraxis" zu bezeichnen;

2.
die Internetadresse www. ... .de zu unterhalten und dort auf seine Praxis hinzuweisen;

3.
durch die Bezeichnung „Ihre Zahnarztpraxis" auf seine Praxis hinzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass es sich bei seiner „Ostseepraxis" um eine „Motivpraxis" handele.

Er verstoße nicht gegen das Werbeverbot für Zahnärzte. Das Werbeverbot in den jeweiligen Berufsordnungen sei nämlich verfassungskonform dahin auszulegen, dass nur die berufswidrige Werbung unzulässig sei. Für eine interessengerechtc und snc'-ngemessene Information, die keinen Irrtum errege, müsse im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr jedoch Raum bleiben. Im vorliegenden Fall rechtfertigten das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung und die hierdurch veranlasste Einschränkung des ärztlichen Werberechts es nicht, die hier streitgegenständliche Werbeform zu verbieten.

Soweit die Klägerin behaupte, die Bezeichnung „Ostseepraxis" sei irreführend, weil die Praxis des Beklagten nicht an der Ostsee liege, mute dieses Argument geradezu grotesk an.

Auch das Argument der Klägerin, die Bezeichnung „Ostseepraxis solle ein Mangel an Bereitschaft der Leistungsinanspruchnahme überwinden", gehe ins Leere.

Ebenso werde durch die Verwendung der Domain www. ... .de niemand annehmen, dass sich Hamburg nunmehr an der Ostsee befinde. Auch eine Alleinstellung werde nicht suggeriert.

Schließlich sei auch die Bezeichnung „Ihre Zahnarztpraxis" nicht zu beanstanden. Auch hier zeigten andere Beispiele, dass dies eine durchaus übliche Werbeform sei. Es sei nicht ersichtlich, was an einer solchen Formulierung anpreisend sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, soweit er die Verwendung der Bezeichnung .“Zahnarztpraxis" beanstandet (I.). Hinsichtlich der Verwendung der Bezeichnung „Ostseepraxis" und der konkreten Nutzung der Internetadresse www. ... .de ist der Unterlassungsantrag hingegen unbegründet (II.).

I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG iVm § 21 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung der Zahnärztekammer H. (im Folgenden: BO) einen Anspruch, dass dieser es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr durch die Bezeichnung „Ihre Zahnarztpraxis" auf seine Praxis hinzuweisen.

Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BO sind dem Zahnarzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Eine berufswidrige Werbung ist dem Zahnarzt hingegen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 BO untersagt.

Wann eine Werbung berufswidrig ist, lässt sich nicht allgemein definieren. Es kommt jeweils auf die Umstände des Einzelfalles an. Nicht berufswidrig und damit zulässig sind jedenfalls interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen (Hefermehl/ Köhler/Bornkamm, UWG, 25. Aufl., § 4 Rn.l 1.105, mit Hinweis auf: BVerfGE 82, 18, 28 = NJW 1990, 2122; BVerfG NJW 1993, 2988, 2989; 1864, 1865; 2002, 1331, 1332; BVerfG GRUR 2003, 966 - Internetwerbung von Zahnärzten; BVerfG GRUR 2004, 68, 69 - Werbung einer Zahnarzt-GmbH; BGH GRUR 1999, 1009, 1010 - Notfalldienst für Privatpatienten; BGH GRUR 2003, 798 - Sanfte Schönheitschirurgie). Auch einem Arzt ist es daher grundsätzlich unbenommen, in angemessener Weise auf seine Leistungen hinzuweisen und ein vorhandenes, an ihn herangetragenes Informationsinteresse zu befriedigen (BGH GRUR 2001, 181, 182 - dentalästhetika) sowie sein Bild in der Öffentlichkeit positiv zu zeichnen (BVerfG GRUR 2006, 425, 426 - Informationen über Behandlungsmethoden). Im Einzelfall ist jeweils zu fragen, ob die Patienten ein legitimes Interesse an der betreffenden Information haben (BVerfG GRUR 2004, 68, 69 - Werbung einer Zahnarzt-GmbH). Dieses Interesse kann sich auch auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient beziehen (BVerfG GRUR 2006, 425, 426 - Informationen über Behandlungsmethoden).

Bei der Abgrenzung von sachangemessener Information und berufswidriger Werbung ist zu berücksichtigen, dass die für Ärzte bestehende Werbebeschränkung eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbilds verhindern soll. Sie träte ein, wenn der Arzt die in der Wirtschaft üblichen Werbemethoden verwendete (BVerfGE 85, 248, 260 = NJW 1992, 2341). Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Dahinter steht das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung. Gesetzliche Verbote berufswidriger Werbung beugen damit einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor (Hefermehl/Köhler/Bornkamm mit Hinweis auf: BVerfG NJW 2002, 1331, 1332; BGH GRUR 2004, 164, 165 - Arztwerbung im Internet).

Dies vorausgeschickt, handelt es sich bei der Werbung mit den Worten „Ihre Zahnarztpraxis" um eine berufswidrige Werbung. Die Voranstellung des Possessivpronomens hat etwas Anbiederndes. Es wird versucht, eine persönliche Beziehung zu potentiellen Kunden aufzubauen. Eine solche an die Gefühle appellierende Werbung fordert die Kommerzialisierung des Zahnarztberufes. Durch diese Werbung biedert sich der Beklagte wie ein allgemeiner Gewerbetreibender an, ohne die Patienten sachlich zu informieren. Für eine solche Werbemethode besteht keine medizinische Notwendigkeit.

II.
1.
Soweit der Beklagte hingegen seine Zahnarztpraxis im geschäftlichen Verkehr als „Ostseepraxis" bezeichnet, steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG iVm § 21 Abs. 1 Satz 2 BO. Die Bezeichnung ist im konkreten Fall weder irreführend (a.) noch aus sonstigen Gründen wettbewerbsrechtlich unzulässig (b.).

a.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Verwendung der Bezeichnung „Ostseepraxis" im vorliegenden Fall nicht irreführend.

Der angesprochene Verkehr wird dann in die Irre geführt, wenn seine aufgrund der Werbung gebildete Vorstellung nicht der Wirklichkeit entspricht und dies geeignet ist, Marktentscheidungen zu beeinflussen. Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Für das Verkehrsverständnis ist die durch die Werbung vermittelte Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbrauchers maßgebend, der die Werbung mit dem Wissen und den Erfahrungen eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zur Kenntnis nimmt. Die streitgegenständliche Werbung wendet sich an die breite Öffentlichkeit, sodass auch die Mitglieder des erkennenden Gerichts als Adressaten der Werbung angesprochen sind und selbst beurteilen können, wie eine solche Werbung aufgefasst wird.

Nach diesen Voraussetzungen ist es nicht irreführend, wenn der Beklagte seine Praxis als „Ostseepraxis" bezeichnet. Der angesprochene Verkehr, der erstmals davon erfährt, dass der Beklagte seine in ... gelegene Zahnarztpraxis „Ostseepraxis" nennt, wird zwar möglicherweise überrascht sein. Der Verkehr wird jedoch nicht in die Irre geführt. Der Verkehr wird insbesondere nicht erwarten, dass ... nunmehr an der Ostsee liege. Aus diesem Grund handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung. Der angesprochene Verkehr wird aufgrund dieser Bezeichnung nämlich nicht annehmen, dass die Zahnarztpraxis in .... die einzige oder die herausragende Praxis an der Ostsee sei.

Die Werbung mit der Bezeichnung „Ostseepraxis" enthält zwar keine Sachinformation. Dennoch handelt es sich nicht um eine unzulässige Werbung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG iVm § 21 Abs.l Satz 2 BO. Nach § 3 UWG ist eine unlautere Wettbewerbshandlung nur dann unzulässig, wenn sie geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die Erheblichkeitsschwelle wird bei der Bezeichnung „Ostseepraxis" für eine Zahnarztpraxis in ... nicht überschritten. Durch die Verwendung dieser Bezeichnung wird das schützenswerte Interesse, die gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufs zu verhindern, nur unwesentlich berührt. Die Bezeichnung „Ostseepraxis" ist im vorliegenden Fall weder anpreisend, anbiedernd oder marktschreierisch. Durch diese Werbung wird das berufliche Leitbild des Zahnarztes nicht verfälscht.

2.
Aus dem gleichen Grund ist es dem Beklagten auch nicht untersagt, die Internetadresse www. ... .de zu unterhalten und dort auf seine Praxis hinzuweisen. Ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch ergibt sich ebenfalls nicht aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG iVm § 21 Abs. 1 Satz 2 BO.

Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es bei der Werbung unter der Internetadresse www. ... .de möglicherweise einige wenige Verbraucher geben mag, die zunächst einem Irrtum unterliegen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ein Internetnutzer nicht gezielt nach dem Beklagten und seiner „Ostseepraxis" sucht, sondern im Internet zufällig auf die Internetadresse www. ... .de stößt. Dieser Internetnutzer wird allein aufgrund des Namens - ohne den Inhalt der Internetseite zu kennen - erwarten, dass er auf dieser Internetseite Informationen über eine Praxis an der Ostsee findet. In dieser Erwartung wird er zwar enttäuscht. Diese Irreführungsgefahr vermag den geltend gemachten Unterlassungs-anspruch jedoch nicht begründen. Sie ist unerheblich. Die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich ein ahnungsloser Internetnutzer zufällig - ohne konkrete Suche nach dem Beklagten und seiner Praxis - auf die Internetadresse www. ... .de stößst, ist äußerst gering.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung im Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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