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Plakate gegen Maskenpflicht in (Zahnarzt-)Praxen ist verboten

 | Gericht:  Verwaltungsgericht (VG) Neustadt (Weinstraße)  | Aktenzeichen: 5 K 125/21.NW | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Praxisführung , Sonstiges

Urteilstext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen Anordnungen des Beklagten zur Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes.

Die Klägerin ist approbierte Ärztin und Fachärztin für Allgemeinmedizin sowie Diabetologin. Bis zum 31. Dezember 2020 führte sie zusammen mit dem Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und Diabetologie, Dr. H, eine im Januar 2017 eröffnete Gemeinschaftspraxis in A-​Dorf, A-​Straße ... Seit dem 01. Januar 2021 ist sie alleinige Inhaberin der Praxis.

Aufgrund von mehreren Beschwerden von Bürgern nahmen Mitarbeiter des Vollzugsdienstes der Gemeinde A und die Amtsärztin des Gesundheitsamtes Neustadt/Wstr. am 14. Mai 2020 eine unangemeldete Begehung der Praxis vor. Ausweislich der Feststellungen des Ordnungsdienstes der Gemeinde A waren im Eingangsbereich mehrere Aushänge angebracht, die folgenden Wortlaut hatten:

„Es besteht KEINE MASKENPFLICHT in unserer Praxis.“

„In Hausarztpraxen besteht keine Maskenpflicht. Ich respektiere jedoch ihre Angst und setze gerne eine Maske auf, wenn Sie das möchten (auch wenn das aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll ist).“

Weder die Klägerin noch Herr Dr. H waren zum Zeitpunkt der Begehung anwesend. Der Empfangsmitarbeiter der Praxis trug keine Maske, im Wartezimmer hielt die Bestuhlung den von der damals geltenden Siebten Corona Bekämpfungsverordnung Rheinland-​Pfalz – 7. CoBeLVO – geforderten Abstand von 1,5 m nicht ein.

Weitere Plakate in den Praxisräumen hatten den Inhalt „Corona ist nicht gefährlicher als eine Grippe!“ und „Politiker treffen Entscheidungen ohne zuverlässige Datenbasis“. Auf einem Bildschirm liefen zur Unterstützung der Thesen Berichte. Unterhalb des Bildschirms war folgender Text auf einem Plakat angebracht:

„Diese Informationssendungen habe ich persönlich herausgesucht, weil diese Standpunkte in den normalen Medien meiner Meinung nach zu wenig gesendet werden. Ich übernehme für dies ausdrücklich selbst die Verantwortung. Dr. H ist mit dieser Aktion nicht in Verbindung zu bringen.

Dr. A“

Der Empfangsmitarbeiter wurde aufgefordert, die entsprechenden Aushänge unverzüglich zu entfernen und bei Patientenbetrieb eine Maske zu tragen.

Am 15. Mai 2020 kontrollierte der Vollzugsdienst der Gemeinde A erneut die Praxis. Die genannten Plakate waren nach den Feststellungen des Vollzugsdienstes nicht entfernt worden, vielmehr waren weiter Aushänge hinzugekommen. Die Mitarbeiter der Praxis trugen keine Schutzmasken. Allerdings war die Bestuhlung im Wartezimmer den Hygieneregeln angepasst worden.

Eine weitere Kontrolle der Praxis nahm der Vollzugsdienst der Gemeinde A am 18. Mai 2020 vor. Dabei wurde festgestellt, dass die Mängel nach wie vor nicht abgestellt worden waren und Patienten keinen Mund-​Nase-​Schutz trugen. In einer an das Ordnungsamt der Gemeinde A gerichteten Mail von diesem Tage wies die Klägerin darauf hin, sie stelle jedem Patienten frei, ob er Maske tragen wolle oder nicht. Die Maskenpflicht in Deutschland entbehre jeder wissenschaftlichen Grundlage. Das blinde Befolgen von stupiden spreche auch Vollzugsbeamte nicht von einer Mitschuld am politischen Geschehen frei. Genauso wenig wie bei der Gestapo im Dritten Reich.

Daraufhin erließ der Beklagte am 19. Mai 2020 gegenüber der Klägerin die folgende Verfügung:

„Sie werden aufgefordert, die Vorgaben der 7. CoBeLVO, insbesondere § 1 Abs. 4 mit Verweis auf Absatz 2 Satz 3 und 4 einzuhalten:

Sie werden verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Patienten in Wartesituationen gemeinsam mit anderen Personen eine Mund-​Nase-​Bedeckung tragen.

Sie werden verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen einen Mindestabstand von 1,5 m bei Wartesituationen sicherzustellen.

Sie werden verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter ihrer Praxis eine Mund-​Nasen-​Bedeckung tragen.

Sie werden aufgefordert, das Aufhängen von Plakaten mit dem Inhalt „keine Maskenpflicht“ zu unterlassen.

Die oben genannten Verpflichtungen sind unverzüglich nach Bekanntgabe dieses Bescheids umzusetzen.“

Der Beklagte stellte den Bescheid vom 19. Mai 2020 per Einschreiben mit Rückschein zu. Laut Rückschein wurde die Annahme verweigert. Infolgedessen wurde der Bescheid am 25. Mai 2020 erneut zugestellt.

Zuvor hatte das Gesundheitsamt Neustadt/Wstr. zusammen mit dem Vollzugsdienst der Gemeinde A am 20. Mai 2020 eine weitere unangekündigte Begehung der Praxis vorgenommen und festgestellt, dass die angeordneten Maßnahmen zum Zeitpunkt der Kontrolle umgesetzt waren.

Die Klägerin legte dagegen am 16. Juni 2020 Widerspruch mit der Begründung ein, die Anordnungen seien ungerechtfertigt. In einem Wirrwarr der Coronaverordnungen lasse sich kaum erkennen, welche Verordnung zeitlich Geltung beanspruche. § 1 Abs. 4 der 7. CoBeLVO verpflichte lediglich die Patienten, Masken zu tragen. Ärzte und Mitarbeiter seien nicht verpflichtet, Dritte zum Tragen der Maske zu zwingen. Die Frage wäre zudem, wie sie das durchsetzen solle. Sie befinde sich nie im Wartezimmer. Keine Coronaverordnung bestimme den Mindestabstand von Mobiliar. Es sei vielfach gar nicht möglich, die vorhandene Bestuhlung umzustellen. Dies sei zudem nicht nötig. Viele Einrichtungen begnügten sich damit, die Stühle entsprechend zu kennzeichnen. Angesichts der geringen Fallzahlen habe es wenig Veranlassung gegeben, von einer großen Gefahr durch Corona auszugehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Januar 2021 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, als Praxisbetreiberin sei es die Aufgabe der Klägerin, die Vorgaben der 7. CoBeLVO umzusetzen. Es sei ihr hiernach auch nur dann gestattet, ihre Praxis zu öffnen, sofern sie die entsprechenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen beachte. In diesem Zusammenhang sei die Klägerin auch verpflichtet, das Mobiliar in ihrer Praxis (auch im Wartebereich) so anzuordnen, dass ihre Patienten den Mindestabstand von 1,5 m einhalten können.

Wegen der Vorfälle im Mai 2020 erließ ferner der Vorstand der Landesärztekammer Rheinland-​Pfalz am 12. November 2020 wegen Verstoßes gegen die Bestimmung des § 2 Abs. 5 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-​Pfalz – BOÄ – einen Rüge- und Ordnungsgeldbescheid. Darin wurde gegenüber der Klägerin eine Rüge ausgesprochen und ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000,00 € verhängt. Diese Entscheidung bestätigte das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Mainz mit Beschluss vom 08. Juli 2021 – BG-​H 3/21.MZ –.

Ferner widerrief die Landesärztekammer Rheinland-​Pfalz unter Bezugnahme auf die Vorfälle im Mai 2020 mit Bescheid vom 11. März 2021 eine zuvor ausgesprochene Weiterbildungsbefugnis. Das nach Zurückweisung ihres Widerspruchs dagegen anhängig gemachte verwaltungsgerichtliche Verfahren ist derzeit unter dem Aktenzeichen 4 K 677/21.NW anhängig.

Die Klägerin hat am 12. Februar 2021 Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2020 erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie verwahre sich dagegen, als Mitbetreiberin einer Gemeinschaftspraxis alleine in Anspruch genommen zu werden. Zwar hätten sie und Herr Dr. H beide unterschiedliche Auffassungen zum Thema Corona. Entscheidend könne aber nur sein, wie die Ausführung ausgesehen habe. Und hierfür seien sie beide verantwortlich gewesen.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Mai 2020 sei hinsichtlich der Anwendbarkeit der CoBeLVO fehlerhaft. Der Beklagte habe für seine Anordnungen keine Grundlage. Es fehle schon daran, dass sie, die Klägerin, Patienten oder Mitarbeiter nicht zu einer bestimmten Verhaltensweise zwingen könne, auch nicht nach der CoBeLVO. Die Anordnungen seien damit überwiegend auf Unmöglichkeiten gerichtet. Adressaten der Abstands- und Maskenpflichten seien ausschließlich die jeweiligen Personen selber. Eine Maskenpflicht habe zum betreffenden Zeitpunkt in Arztpraxen nur für Patienten bestanden. Es bestehe insbesondere keine Notwendigkeit, das Mobiliar so anordnen zu müssen, dass Patienten einen Mindestabstand einhalten könnten. Das könnten diese auch ohne Bevormundung oder Repression.

Die CoBeLVO enthalte auch weder Regelungen zu Aushängen noch zum Unterlassen bestimmter Ansichten, insbesondere nicht zu solchen Ansichten, wonach Regeln niemals hinterfragt werden dürften. Auch dürfe ein Arzt Corona mit Grippe in Vergleich setzen. Sie als Ärztin dürfe ihre Patienten an ihren medizinischen Sichtweisen teilhaben lassen. Sie habe im Dschungel der Verordnungen und diversen Akteuren bei Bund, Land und Behörden den Überblick verloren gehabt und die vorhandenen Informationen so interpretiert, dass es sich nicht um eine „Maskenpflicht“ sondern um eine „Maskenempfehlung“ gehandelt habe.

Sie werde durch die Maßnahme des Beklagten in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt eine Revolte geplant oder gar die Gesundheit der Patienten gefährden wollen. Sie habe auch nicht vorgehabt, das Landesrecht auszuhebeln, sondern habe sich nur vor einer Straftat schützen wollen. Sie habe es nicht unterstützt, dass Patienten tatsächlich ohne Maske im Wartezimmer sitzen. Sie sei ihren Angestellten dankbar, dass sie sich freiwillig zum Masketragen entschlossen hätten. Sie und Herr Dr. H hätten nicht gewusst, dass man im Wartezimmer die Stühle entfernen müsse. Sie habe einen zusätzlichen 30 m² großen Schulungsraum zur Verfügung gestellt, um allen Patienten die Möglichkeit zum Abstand halten zu geben. Damit sei die Wartezimmerfläche um ein Vielfaches größer als in allen anderen umgebenden Praxen.

Landesverordnungen seien im Praxisalltag gar nicht zu bewältigen für einen Arzt, geschweige denn zu verstehen. Im Übrigen stehe in den ersten 15 Landesverordnungen nichts zu einer Maskenpflicht in Arztpraxen. Ein einziger Anruf vom Gesundheitsamt hätte genügt, um dieses riesige Problem damals aus der Welt zu schaffen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung weitgehend auf den ergangenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2021.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig (A.), in der Sache aber unbegründet (B.).

A.
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig.

Obwohl die Klägerin den Anordnungen des Beklagten in dem Bescheid vom 19. Mai 2020 in der Folgezeit nachgekommen ist und bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vortrag nicht mehr dagegen verstoßen hat, hat sich der genannte Bescheid nicht erledigt. Ein Verwaltungsakt ist erledigt, wenn seine Regelungswirkung weggefallen ist (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage, 2018, § 113 VwGO, Rn. 247). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Der zeitlich nicht beschränkte Bescheid vom 19. Mai 2020 ist ein Dauerverwaltungsakt, der nach wie vor rechtliche Wirkungen entfaltet. Die Anordnungen in dem genannten Bescheid treffen keine nur einmaligen, stichtagsbezogenen Regelungen. Vielmehr ordnet er umfassend nicht befristete Maßnahmen an, sodass der Dauerverwaltungsakt seine Regelungswirkung ständig neu entfaltet und das zu Grunde liegende Verwaltungsrechtsverhältnis ständig neu konkretisiert wird (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 06. April 2021 – 13 ME 166/21 – juris; VG Neustadt/Wstr. Beschluss vom 10. Dezember 2020 – 5 L 1066/20.NW –).

Was Streitgegenstand einer Anfechtungsklage ist, bestimmt der Kläger (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1, §§ 88, 90 Abs. 1 VwGO). Er entscheidet über den Umfang der Anfechtung eines Verwaltungsakts, und zwar auch in zeitlicher Hinsicht. Das gewinnt gerade beim Dauerverwaltungsakt Bedeutung. Dieser weist die Besonderheit auf, dass seine Wirkung nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintritt. Er kann deshalb nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern auch für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit oder auch nur für Teile dieses Zeitraums angefochten werden (BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 2012 – 8 B 62/11 –, NVwZ 2012, 510 und juris Rn. 13 m.w.N.). Mit einer Klage, die einen Dauerverwaltungsakt zum Gegenstand hat, kann daher zugleich dessen Aufhebung (in Ansehung von Gegenwart und Zukunft) als auch – bei weggefallener Beschwer – die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit (in Ansehung der Vergangenheit) begehrt werden (BVerwG, Beschluss vom 05. Januar 2012 – 8 B 62/11 –, NVwZ 2012, 510 und juris Rn. 14).

Vorliegend ficht die Klägerin den Bescheid vom 19. Mai 2020 nach ihrer ausdrücklichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 17. August 2021 nicht nur für den Zeitpunkt seines Ergehens, sondern für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit, d.h. bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, an. Zu diesem Zeitpunkt entfaltet der Bescheid aber nach wie vor rechtliche Wirkungen.

B.
Die Klage ist aber in der Sache unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2020 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 06. Januar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I.
Da es sich, wie unter A. ausgeführt, bei dem Bescheid vom 19. Mai 2020 um einen Dauerverwaltungsakt handelt, bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich – und so auch hier – zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03. Januar 2018 – 3 B 58/16 –, juris Rn. 12). Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sehen die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 Infektionsschutzgesetz – IfSG – i.d.F. des Gesetzes vom 07. Mai 2021 (BGBl. I Seite 850) i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 der Vierundzwanzigsten Corona Bekämpfungsverordnung Rheinland-​Pfalz – 24. CoBeLVO – vom 30. Juni 2021 i.d.F. der Dritten Landesverordnung zur Änderung der Vierundzwanzigsten Corona-​Bekämpfungsverordnung Rheinland-​Pfalz vom 13. August 2021 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die im Bescheid vom 19. Mai 2020 getroffenen Anordnungen des Beklagten vor. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden. Zu den notwendigen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-​Krankheit-​2019 (COVID-​19) können gemäß § 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 IfSG für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung (Nr. 2) sowie die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr (Nr. 4) gehören.

Nach dem auf der Grundlage des § 32 Satz 1 IfSG erlassenen § 6 Abs. 5 Satz 2 der 24. CoBeLVO bleiben Einrichtungen des Gesundheitswesens unter Beachtung der notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen geöffnet. In Wartesituationen gemeinsam mit anderen Personen gilt die Maskenpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 4, mit der Maßgabe, dass eine medizinische Gesichtsmaske (OP-​Maske) oder eine Maske der Standards KN95/N95 oder FFP2 oder eines vergleichbaren Standards zu tragen ist (§ 6 Abs. 5 Satz 3 der 24. CoBeLVO).

In Abgrenzung dazu trifft die zuständige Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 IfSG, sofern Tatsachen festgestellt werden, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder wenn anzunehmen ist, dass solche Tatsachen vorliegen, die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren. Damit zielt § 16 Abs. 1 IfSG auf die Verhinderung der Entstehung übertragbarer Krankheiten, nicht aber die Verhinderung der Verbreitung bereits aufgetretener Krankheiten (vgl. BT-​Drucksache 3/1888, 21 f.; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1971 – I C 60.67 –, juris Rn. 28) und verfolgt damit einen präventiven Ansatz. Demgegenüber ist für Maßnahmen zur Bekämpfung bereits aufgetretener Infektionskrankheiten auf § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zurückzugreifen (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 07. April 2021 – 3 B 68/21 –, juris; Zwanziger, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand: 01. Juli 2021, § 16 Rn. 3 ff.).

II.
Die Kammer geht anders als die Klägerin davon aus, dass die genannten hier maßgeblichen Vorschriften wirksam sind.

1.
Zunächst hat die Kammer keine Bedenken dagegen, dass die hier einschlägigen §§ 6 Abs. 5 und 1 Abs. 3 Satz 1 der 24. CoBeLVO in § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung und zur Anwendung von Hygienekonzepten darstellen. Die derzeit geltende 24. CoBeLVO stützt sich auf § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 und dem vom Gesetzgeber in Art. 1 Nr. 17 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I Seite 2397) neu geschaffenen § 28a IfSG. § 28a Abs. 1 IfSG listet in 17 Nummern einzelne Schutzmaßnahmen auf. Hierzu gehören gemäß Nr. 2 auch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung (Maskenpflicht) und die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr. Die Norm erlaubt die Anwendung der Schutzmaßnahmen u. a. für die die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag.

2.
Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG sind eingehalten. Die nach § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassene Rechtsverordnung ist gemäß § 28a Abs. 5 IfSG mit einer allgemeinen Begründung versehen (s. corona.rlp.de/fileadmin/corona/Verordnungen/ 24_CoBeLVO_3AEnderungsV_Begruendung.pdf). Sie ist zudem befristet und tritt mit Ablauf des 22. August 2021 außer Kraft (§ 25 der 24. CoBeLVO). Damit hat der Verordnungsgeber von der Verlängerungsmöglichkeit des § 28a Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 IfSG Gebrauch gemacht.

3.
§ 6 Abs. 5 und § 1 Abs. 3 Satz 1 der 24. CoBeLVO begegnen auch materiell-​rechtlich keinen Bedenken. Mit Vorgaben zur Maskenpflicht und Einhaltung von Abständen verfolgt der Verordnungsgeber den legitimen Zweck, die Verbreitung der Coronavirus-​Krankheit-​2019 (COVID-​19) zu verhindern und damit Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten (§ 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Die allgemein in § 1 Abs. 3 Satz 1 der 24. CoBeLVO in geschlossenen Räumen, die u.a. im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, und speziell in § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 der 24. CoBeLVO in Einrichtungen des Gesundheitswesens angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung steht zum einen in Einklang mit der Berufsfreiheit der Praxeninhaber aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG – und zum anderen mit der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit (s. ausführlich OVG Rheinland-​Pfalz, Beschluss vom 06. Juli 2020 – 6 B 10669/20 –, juris und Beschluss vom 30. November 2020 – 6 B 11424/20.OVG –).

Der von der Klägerin geltend gemachte Eingriff in ihre Berufsfreiheit, den etwa die Einwirkungspflicht auf die Patienten, in Wartesituationen in der Praxis eine Maske zu tragen, ebenso darstellt wie z.B. die Kontaktdatenerfassungspflicht eines Gewerbetreibenden, wiegt nicht besonders schwer und ist der Klägerin daher zumutbar (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 15. Juli 2021 – 25 NE 21.1811 –, BeckRS 2021, 20944 Rn. 40 zur Rechtmäßigkeit der Verpflichtung der Kontaktdatenerfassung und Vorlage von Testnachweisen in Gastronomie und Beherbergungsbetrieben; Kießling, in: Kießling, Infektionsschutzgesetz: IfSG, 2. Auflage 2021 § 28a Rn. 87). Nichts Anderes gilt für das Gebot, einen Abstand von 1,5 m einzuhalten. Das Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung und die Einhaltung eines Abstandes von 1,5 m führt nicht dazu, den Pflichtigen von der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten nachhaltig abzuhalten. Die Verpflichtung kann im Wesentlichen als lästig und wenig angenehm betrachtet werden, führt aber nicht zu ins Gewicht fallenden Einschränkungen der Fortbewegungs- und Entfaltungsfreiheit. Auf der anderen Seite leistet sie einen Beitrag zur Abwehr erheblich ins Gewicht fallender Gefahren für Leben und Gesundheit Aller sowie der Funktionsweise staatlicher und gesellschaftlicher Einrichtungen (vgl. OVG Rheinland-​Pfalz, Beschluss vom 30. November 2020 – 6 B 11424/20.OVG – zur Anordnung der Maskenpflicht durch infektionsschutzrechtlichen Allgemeinverfügung; OVG Rheinland-​Pfalz, Beschluss vom 06. Juli 2020 – 6 B 10669/20 –, juris zur Maskenpflicht in öffentlichen und gewerblichen Einrichtungen; OVG Nordrhein-​Westfalen, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 13 B 1041/21.NE –, juris zur Maskenpflicht für vollständig geimpfte Personen).

4.
Mit dem Einwand der Klägerin, das Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung sei wissenschaftlich nicht sinnvoll, kann sie in diesem Zusammenhang nicht durchdringen. Auch wenn der Nutzen von Masken fachwissenschaftlich nicht abschließend geklärt ist, lässt die vom rheinland-​pfälzischen Verordnungsgeber getroffene Entscheidung nicht erkennen, dass er den ihm insoweit zustehenden weiten - auch tatsächlichen - Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, NVwZ 2020, 876) überschritten hätte.

III.
Der Bescheid vom 19. Mai 2020 ist formell rechtmäßig.

1.
Der Beklagte war gemäß § 2 Abs. 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes vom 10. März 2010 i.d.F. des Gesetzes vom 15. Oktober 2012 (GVBl. Seite 341) für den Erlass des Bescheids zuständig. Er konnte intern durch das Gesundheitsamt Neustadt/Wstr. handeln, denn dieses wurde durch § 2 Abs. 1 Nr. 2b des Landesgesetzes über die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Kreisverwaltungen vom 17. November 1995 i.d.F. des Gesetzes vom 18. Juni 2013 (GVBl. Seite 157) in die Kreisverwaltung Bad Dürkheim eingegliedert. Die Gesundheitsämter wachen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Landesgesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst – ÖGdG – vom 17. November 1995 i.d.F. des Gesetzes vom 12. Februar 2019 (GVBl. Seite 5) darüber, dass die gesundheitsrechtlichen Bestimmungen und die Anforderungen der Hygiene eingehalten werden mit dem Ziel, gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Schädigungen der Bevölkerung zu vermeiden oder zu beseitigen.

2.
Ob die Klägerin vor Erlass des Bescheids ausreichend im Sinne von § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – angehört worden ist, kann dahinstehen, denn ein eventueller Anhörungsfehler wurde jedenfalls mit Erlass des Widerspruchsbescheids gemäß § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt.

IV. 
Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

1.
Der Beklagte war befugt, im Wege eines Verwaltungsakts gegen die Klägerin vorzugehen (vgl. VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 28. Dezember 2020 – 5 L 1143/20.NW –, juris). Zwar ergibt sich das Gebot, in Einrichtungen des Gesundheitswesens die notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu beachten, bereits unmittelbar aus § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 der 24. CoBeLVO. Diese Bestimmung regelt unmittelbar geltende Verhaltensge- und -verbote. Da die Klägerin jedoch der Meinung ist, sie selbst sei nicht verpflichtet, für die Einhaltung der vom Beklagten geforderten Hygiene- und Schutzmaßnahmen in ihrer Praxis zu sorgen, war es dem Beklagten als zuständiger Infektionsschutzbehörde nicht verwehrt, durch Ordnungsverfügung vorab – das heißt, außerhalb der Feststellung von Verstößen und Einleitung von Bußgeld- oder Strafverfahren im Einzelfall (hier käme ein Bußgeldverfahren gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG i.V.m. § 24 Satz 1 Nr. 43 in Betracht) – gegenüber der Klägerin klarzustellen, dass sie dafür Sorge zu tragen hat, dass die geforderten Maßnahmen eingehalten werden.

2.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten einschlägigen Vorschriften sind erfüllt. Infolge der Corona-​Pandemie, der zuletzt mit Beschluss des Bundestages vom 11. Juni 2021 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite und des derzeitigen Infektionsgeschehens ist der Beklagte grundsätzlich gehalten, infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, die auch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung sowie die Verpflichtung zur Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr umfassen können (§ 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 IfSG).

Die Feststellung einer übertragbaren Krankheit bedingt, dass die zuständige Stelle zum Handeln verpflichtet ist. Die Stelle hat lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen. Die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich nicht im Vorfeld bestimmen. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet und in § 28a Abs. 1 IfSG – im Rahmen dessen Anwendungsbereichs während der aktuellen Pandemielage – bestimmte notwendige Standardschutzmaßnahmen benannt.

Das Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, nämlich Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-​)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind dem Ermessen damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 –, juris; Thüringer OVG, Beschluss vom 25. März 2021 – 3 EN 175/21 –, juris).

Bei den im Bescheid vom 19. Mai 2020 angeordneten Maßnahmen handelt es sich um notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 IfSG.

Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist nach § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-​CoV-​2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. Da hier der Schwellenwert von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen unterschritten ist – (s. dazu lua.rlp.de/de/unsere-​themen/infektionsschutz/meldedaten-​coronavirus/, abgerufen am 17. August 2021), kommen gemäß § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen. Sowohl bei der Abstands- als auch der Maskenpflicht handelt sich um unterstützende Kontrollmaßnahmen, die zwar weniger eingriffsintensiv sind, aber gleichwohl notwendig, um dem Infektionsgeschehen möglichst effektiv entgegenzutreten bzw. zumindest eine Erhöhung der Inzidenz zu vermeiden (vgl. Johann/Gabriel, in: BeckOK Infektionsschutzrecht, a.a.O., § 28a IfSG Rn. 41f; vgl. zu Schutzmaßnahmen bei einer 7-​Tages-​Inzidenz kleiner 35 auch Gerhardt, in: Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 5. Auflage 2021, § 28a Rn. 103). Hierdurch kann eine Ansteckung der Patienten und Mitarbeiter der Arztpraxis der Klägerin vermieden werden.

3.
Auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nrn. 2 und 4 IfSG i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 2 und 3 der 24. CoBeLVO konnte der Beklagte der Klägerin aufgeben, dafür zu sorgen, dass Patienten in Wartesituationen gemeinsam mit anderen Personen eine Mund-​Nase-​Bedeckung tragen. Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 der 24. CoBeLVO gilt in Einrichtungen des Gesundheitswesens – also auch in Arztpraxen – in Wartesituationen gemeinsam mit anderen Personen die Maskenpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 4, mit der Maßgabe, dass eine medizinische Gesichtsmaske (OP-​Maske) oder eine Maske der Standards KN95/N95 oder FFP2 oder eines vergleichbaren Standards zu tragen ist. Dieses Gebot, das für die Betroffenen in der Regel eine nur geringfügige und demnach ohne weiteres zumutbare Belastung darstellt (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 08. Juni 2021 – 4 CE 21.1599 –, juris Rn. 16 zum Tragen einer FFP2-​Maske für Gemeinderatsmitglieder in Gemeinderatssitzungen), ist zwar unmittelbar an die wartenden Patienten gerichtet. Gleichwohl hat die Klägerin als Betreiberin einer Einrichtung des Gesundheitswesens darauf hinzuwirken, dass ihre Patienten sich ihrerseits an die Vorgaben des § 6 Abs. 5 Satz 3 der 24. CoBeLVO halten.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang beanstandet, sie könne ihre Patienten nicht zu einer bestimmten Verhaltensweise zwingen, weshalb die Anordnung auf etwas Unmögliches gerichtet sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn der Klägerin in ihrer Praxis als Privatperson keine Hoheitsrechte vergleichbar einem Beliehenen zustehen, kann sie in ihren Praxisräumen von einem Patienten das Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung einfordern (vgl. AG Bremen, Urteil vom 26. März 2021 – 9 C 493/20 –, juris zum Recht eines Supermarktbetreibers, von einem Kunden das Tragen einer Maske zu verlangen). Daran hindert sie auch nicht das ärztliche Berufsrecht. Dieses konstituiert gerade keine grundsätzliche Behandlungspflicht. In § 7 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-​Pfalz i.d.F. vom 10. April 2019, in Kraft getreten am 02. Juli 2019, heißt es zur Behandlungspflicht: „Ärztinnen und Ärzte achten das Recht ihrer Patientinnen und Patienten, die Ärztin oder den Arzt frei zu wählen oder zu wechseln. Andererseits sind – von Notfällen oder besonderen rechtlichen Verpflichtungen abgesehen – auch Ärztinnen und Ärzte frei, eine Behandlung abzulehnen. […]“. Aus dem Berufsrecht folgt demnach keine Behandlungspflicht, sondern es erkennt die grundsätzliche Vertragsabschlussfreiheit an. Hält sich ein Patient, der über keine plausible Befreiung von der Maskenpflicht verfügt, im Wartezimmer nicht an die Hygieneregeln und weigert sich, eine Mund- Nasen- Bedeckung zu tragen, so kann die Klägerin jedenfalls im Regelfall unter Berufung auf ihr Hausrecht ein befristetes Hausverbot gegen den Patienten aussprechen (vgl. VG München, Beschluss vom 09. Oktober 2020 – M 7 S 20.4171 –, juris zu einem Hausverbot in einem städtisches Bildungslokal).

Die Klägerin riskiert bei Nichteinhaltung der Corona-​Regeln in ihren Praxisräumen auch, dass gegen sie Ordnungsmittel – bis hin zur Schließung der Einrichtung (vgl. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG) – verfügt werden.

4.
Auch gegen die der Klägerin aufgegebene Verpflichtung, durch geeignete Maßnahmen einen Mindestabstand von 1,5 m bei Wartesituationen sicherzustellen, ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 m gehört als Teil der AHA-​Regeln zu den notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen (vgl. die Abhandlung „Pandemieplanung in der Arztpraxis“ vom Kompetenzzentrum (CoC) Hygiene und Medizinprodukte der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, 2. Auflage Juni 2021, www.hygiene-​medizinprodukte.de/fileadmin/user_upload/dokumente/ Pandemieplanung_in_der_Arztpraxis/CoC_Pandemieplanung_2021_06.pdf und das Merkblatt „Hygienemaßnahmen bei Verdacht auf Erkrankung mit SARS-​CoV-​2 in Praxen“ der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-​Pfalz vom Oktober 2020, www.kv-​rlp.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Mitglieder/Qualitaet_ und_Fortbildung/Hygiene/KVRLP_Merkblatt_Hygienemassnahmen_SARS-​CoV-​2.pdf), die nach § 6 Abs. 5 Satz 2 der 24. CoBeLVO in Einrichtungen des Gesundheitswesens beachtet werden müssen. Die Klägerin als Betreiberin der Gesundheitseinrichtung hat daher auch Maßnahmen zur Einhaltung des Abstandsgebots, insbesondere zur Steuerung des Zutritts, zu ergreifen. Dies kann beispielsweise durch das Anbringen von gut sichtbaren Abstandsmarkierungen im Abstand von mindestens 1,5 m geschehen (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 der 24. CoBeLVO).

5.
Ferner ist auch die Anordnung an die Klägerin, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter ihrer Praxis eine Mund-​Nasen-​Bedeckung tragen, rechtmäßig. Ebenso wie die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 m gehört auch die Verpflichtung, eine Maske zu tragen, zu den AHA-​Regeln und damit zu den notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen. Auch bestimmt § 1 Abs. 3 Satz 1 der 24. CoBeLVO ergänzend, dass in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-​Nasen-​Bedeckung zu tragen ist, soweit in dieser Verordnung nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 der 24. CoBeLVO – danach gilt die Maskenpflicht nicht, solange kein Kontakt zu Kundinnen und Kunden oder Besucherinnen und Besuchern besteht – greift hier nicht ein. Zwar kann die Maskenpflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen nach § 1 Abs. 4 Satz 2 der 24. CoBeLVO entfallen, wenn diese die Testpflicht nach § 1 Abs. 9 mit der Maßgabe erfüllen, dass ein tagesaktueller Test vorgelegt wird. Die Klägerin hat aber nicht geltend gemacht, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem nachkommen würden.

Soweit sie auch hier moniert, die Anordnung sei auf etwas Unmögliches gerichtet, trifft dies nicht zu. Unabhängig von § 1 Abs. 3 Satz 1 der 24. CoBeLVO, nach dem in der Praxis der Klägerin eine grundsätzliche Maskenpflicht auch für deren Mitarbeiter besteht (s.o.) und § 2 Abs. 2 der SARS-​CoV-​2-Arbeitsschutzverordnung vom 25. Juni 2021 – Corona-​ArbSchV –, der die Bereitstellung von medizinischer Gesichtsmasken durch den Arbeitgeber vorsieht, ist die Anordnung zum Tragen der Maske grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern umfasst (vgl. § 106 Abs. 1 Gewerbeordnung – GewO –; s. auch ArbG Siegburg, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 4 Ga 18/20 –, juris Rn. 26 und Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12. April 2021 – 2 SaGa 1/21 –, juris Rn. 28). Dem Direktionsrecht des Arbeitgebers entspricht eine vertragliche Leistungs- oder Gehorsamspflicht des Arbeitnehmers (Kalb, jM 2021, 103). Die maßgebliche Rechtspflicht für den Arbeitgeber zur Einführung einer solchen Maskenpflicht im Betrieb ergibt sich aus seiner Fürsorgepflicht gemäß § 618 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –. Bei § 618 BGB handelt es sich um eine Teilausprägung der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, die ihrerseits wiederum Ausprägung der allgemeinen Pflicht jedes Vertragspartners zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB ist (Henssler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 618 Rn. 1). Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet. Die öffentlich-​rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisieren diese Schutzmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG –). Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. In der gegenwärtigen Pandemielage bedeutet dies, dass der Arbeitgeber sicherzustellen hat, dass die Arbeitnehmer – und bei einer Arztpraxis auch die Patienten – an ihren Arbeitsplätzen einem nur geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers erstreckt sich nach § 106 Satz 2 GewO auch auf die Ordnung des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb. Daher erstreckt sich das Weisungsrecht auch auf die nach öffentlich-​rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften notwendigen Schutzmaßnahmen. Der Arbeitgeber kann und muss die Pflicht zum Tragen einer Mund-​Nase-​Bedeckung im Betrieb daher mittels seines Direktionsrechts umsetzen (ArbG Siegburg, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 4 Ga 18/20 –, juris Rn. 28).

6.
Schließlich ist der Beklagte auch berechtigt, von der Klägerin zu verlangen, das Aufhängen von Plakaten mit dem Inhalt „keine Maskenpflicht“ zu unterlassen. Dies folgt aus der Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Da in einer Arztpraxis gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 der 24. CoBeLVO die notwendigen Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu beachten sind und zu diesen, wie ausgeführt, grundsätzlich das Tragen einer Mund-​Nasen-​Bedeckung gehört, ist es nicht zulässig, auf einem Plakat die Gültigkeit einer zulässigen hoheitlichen Regelung auszuschließen. Es steht der Klägerin ohne Weiteres frei, die Patienten in ihrer Praxis auf ihre Meinung, dass das Tragen von Masken wissenschaftlich nicht sinnvoll sei, aufmerksam zu machen. Davon hat sie auch Gebrauch gemacht, indem sie weitere – nicht vom Beklagten beanstandete – Texte mit der Überschrift „Corona ist nicht gefährlicher als eine Grippe!“ oder „Politiker treffen Entscheidungen ohne zuverlässige Datenbasis“ in den Praxisräumen aufgehängt und sie auf einem Bildschirm zur Unterstützung ihrer Thesen Berichte gezeigt hat. Allerdings kann sie sich nicht hoheitliche Befugnisse anmaßen und die Gültigkeit einer verbindlichen Norm in ihren Praxisräumen ausschließen.

7.
Mit dem Argument, die Verfügung hätte an beide Praxisbetreiber gerichtet werden müssen, kann die Klägerin ebenfalls nicht gehört werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist Herr Dr. H aus der Praxis ausgeschieden. Ungeachtet dessen war der Beklagte nicht gehalten, den Bescheid vom 19. Mai 2020 an beide Ärzte zu schicken. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass bei einer Personenmehrheit nicht alle als Störer in Anspruch genommen werden müssen, der Ordnungsbehörde vielmehr ein Auswahlermessen zusteht. Zum anderen hat der Beklagte hier gegenüber der Klägerin auch keine Zwangsmittelandrohung erlassen, so dass es auch keiner eventuellen Duldungsverfügung gegenüber Herrn Dr. H bedurfte.

8.
Die Klägerin kann die vom Beklagten festgestellte Nichteinhaltung der geltenden Corona-​Regeln in ihrer Praxis auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, sie habe aufgrund des Wirrwarrs der Coronaverordnungen kaum erkennen können, welche Verordnung zeitlich Geltung beanspruche (vgl. Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Mainz, Beschluss vom 08. Juli 2021 – BG-​H 3/21.MZ –). Gemäß § 2 Abs. 5 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-​Pfalz sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, sich über die für die Berufsausübung geltenden Vorschriften unterrichtet zu halten und diese zu beachten. Ferner haben die ihren Beruf ausübenden Mitglieder der Landesärztekammer Rheinland-​Pfalz, zu denen gemäß § 1 Nr. 1 Heilberufsgesetz – HeilBG – Ärztinnen und Ärzte gehören, die Pflicht, sich fortwährend über die für ihre Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten. Zu diesen Vorschriften zählen auch die Gesundheitsvorschriften. Ungeachtet dessen galt die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen und das Einhalten von Abständen im Wartezimmer einer Arztpraxis auch schon zum Zeitpunkt der Geltung der Sechsten Corona Bekämpfungsverordnung Rheinland-​Pfalz und dies durchgängig bis zum Inkrafttreten der 24. CoBeLVO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG). 


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