Örtliche Zuständigkeit bei Honorarklage des Zahnarztes

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf  | Aktenzeichen: 8 U 110/03 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. Juli 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben.

 

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die in L. wohnhafte Beklagte unterzog sich einer Zahnbehandlung bei dem in Düsseldorf ansässigen Kläger, der mit seiner vor dem Landgericht Düsseldorf erhobenen Klage die Zahlung restlicher Vergütung für zahnärztliche Leistungen begehrt. Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit der Kammer gerügt, Einwände gegen die Höhe der Rechnung erhoben und hilfsweise die Aufrechnung mit angeblichen Gegenforderungen erklärt. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, für die Honorarklage gelte ausschließlich der Gerichtsstand des Wohnsitzes der Beklagten; ein gemeinsamer Gerichtsstand in Düsseldorf als Erfüllungsort der gegenseitigen Leistungspflichten der Parteien sei nicht gegeben.

 

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er vertritt die Auffassung, da die Leistung eines Vertrages über eine zahnärztliche Behandlung stets am Praxissitz des Arztes erbracht werde, liege der Schwerpunkt des Vertrages und damit der gemeinsame Erfüllungsort auch für die Vergütungsforderung an dem Ort, an dem sich die Praxis befinde. Überdies sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich freiwillig zu einer zahnärztlichen Versorgung außerhalb ihres Wohnortes entschieden habe; deswegen sei ihr auch eine Honorarauseinandersetzung außerorts zuzumuten.

 

Der Kläger beantragt,

 

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen;

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.261,65 EUR nebst 10,875 % Zinsen und 4,5 % Überziehungsprovision aus 6.284,23 EUR vom 18. März bis 22. Juni 2001, 10,875 % Zinsen und 4,5 % Überziehungsprovision aus 5.261,65 EUR vom 23. Juni bis 29. September 2001, 10,5 % Zinsen und 4,5 % Überziehungsprovision aus 5.261,65 EUR vom 30. September bis 29. November 2001 und 10,25 % Zinsen und 4,5 % Überziehungsprovision aus 5.261,65 EUR seit dem 30. November 2001 sowie weitere 25 EUR zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die Entscheidung der Kammer.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

 

II.

Das Verfahren war gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Klage ist zulässig; das Landgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung über den geltend gemachten Honoraranspruch örtlich zuständig, weil Düsseldorf als Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen der Parteien anzusehen ist mit der Folge, dass hier ein gemeinsamer Gerichtsstand begründet ist (§ 29 ZPO; § 269 Abs. BGB a.F.):

 

Der Senat hat bereits durch Urteil vom 13. Februar 2003 - 8 U 99/02 - entschieden, dass bei einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag der Praxissitz des Zahnarztes den gemeinsamen Erfüllungsort darstellt; die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2003, 192), nach der bei einem anwaltlichen Dienstvertrag im Regelfall kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, gibt keinen Anlass, von dieser Auffassung abzuweichen:

 

In seinem Beschluss vom 11. November 2003 hat der Bundesgerichtshof einen gemeinsamen Erfüllungsort bei Dienstverträgen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung der Leistungsorte darauf abzustellen ist, ob die besonderen Umstände der jeweiligen Vertragstypen die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes rechtfertigen. Als Beispiel hierfür hat der Bundesgerichtshof den Bauvertrag herangezogen. Für diesen Vertragstyp ist ein gemeinsamer Erfüllungsort anerkannt, weil der Schwerpunkt des Vertrages wegen der besonderen Ortsbezogenheit der vertragstypischen Werkleistung am Ort des Bauwerks liegt. Dort muss nicht nur der Unternehmer seine Leistung erbringen, auch der Besteller muss am Ort des Bauwerks mit dessen Abnahme eine seiner Hauptleistungspflichten erfüllen.

 

Eine ähnliche Situation besteht bei einem zahnärztlichen Behandlungsvertrag; er ist - anders als der Anwaltsvertrag, bei dem der Dienstverpflichtete seine Leistung, beispielsweise bei der gerichtlichen Vertretung seines Mandanten, nicht stets an seinem Kanzleisitz erbringen muss - grundsätzlich ortsgebunden. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt am Sitz des Zahnarztes, weil er seine vertragscharakteristische Leistung, nämlich die Heilbehandlung des Patienten, wegen der hierzu benötigten medizinischen Ausstattung regelmäßig nur in seiner Praxis vornehmen kann. Der Patient wiederum ist aus diesem Grund stets gezwungen, zur Diagnostik und Therapie die Praxis des Zahnarztes aufzusuchen und die ärztlichen Leistungen dort "abzunehmen". Diese besonderen Umstände rechtfertigen es, auch für die Abwicklung der gegenseitigen Leistungspflichten eines zahnärztlichen Behandlungsverhältnisses einen gemeinsamen Erfüllungsort am Praxissitz des Arztes anzunehmen.

 

Hinzu kommt, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zahlung des Honorars gegenüber dem zahnärztlichen Vergütungsanspruch erfahrungsgemäß Mängel eingewandt werden, die eine Klärung des medizinischen Sachverhalts erfordern. Hierzu bedarf es regelmäßig der Beiziehung und Sichtung von Behandlungsunterlagen, dies ist am Praxissitz des Zahnarztes schneller und sicherer abzuwickeln als an dem eventuell weit entfernten Wohnort des Patienten. Wie der Senat, dessen Spezialmaterie das Arzthaftungsrecht ist, aus langer Erfahrung weiß, besteht dann, wenn zahnärztliche Behandlungsunterlagen wie Röntgenbilder und Modelle für die Prothetik an möglicherweise weit entfernte Orte versandt werden müssen, stets die erhöhte Gefahr des Verlustes und - bei Modellen - der Beschädigung, was sich für beide Vertragsparteien, insbesondere aber für den Patienten, negativ auswirken kann. Mit Blick hierauf liegt es auch im wohlverstandenen Interesse des Patienten, eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Vergütung am Praxisort des Zahnarztes durchzuführen.

 

III.

Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Landgericht im Rahmen des fortzusetzenden erstinstanzlichen Rechtsstreits zu befinden.

 

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Die Beschwer jeder der Parteien liegt unter 20.000 EUR. 


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