MVZ Konkurrenzschutzvereinbarung

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg  | Aktenzeichen: 17 U 1/22, 17 U 1/22 Kart | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 21.07.2021, Az. 3 O 240/19, abgeändert und dahin neu gefasst, dass die Klage abgewiesen wird.


Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren und für die Berufungsinstanz auf 2.510.718 € festgesetzt.

 

Gründe


I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf der Grundlage einer am 26.08.2016 geschlossenen Vereinbarung auf Schadensersatz in Anspruch.


Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde. Er war aufgrund eines im September 2008 geschlossenen Vertrages als Chefarzt der Augenklinik bei der ("Name01") gGmbH (im Folgenden: ("Name01) gGmbH) beschäftigt. Daneben war er seit 2011 alleiniger Gesellschafter, Geschäftsführer und ärztlicher Leiter der ("Name02") GmbH (im Folgenden: ("Name02") GmbH). Die Gesellschaft ist Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums mit Schwerpunkt in der ambulanten konservativen und operativen augenärztlichen Versorgung. Die Beklagte, deren alleinige Gesellschafterin die ("Name01) gGmbH ist, ist ebenfalls Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums.
Am 26.08.2016 schlossen der Kläger, die ("Name01) gGmbH und die Beklagte einen Vertrag. In der hierüber errichteten, mit „Aufhebungsvereinbarung“ überschriebenen Urkunde heißt es unter anderem wie folgt:


„1. Die ("Name01) gGmbH und der Beschäftigte [der hiesige Kläger] sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Dienstverhältnis als Chefarzt der Augenklinik … aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30.09.2016 enden wird.


4. Für den Verlust des Arbeitsplatzes des Beschäftigten zahlt die ("Name01) gGmbH … eine Abfindung in Höhe von € 95.000,00 brutto.…


7. Das ("Name02") [die hiesige Beklagte] verpflichtet sich zum Betrieb von maximal zwei rein konservativ ambulanten augenärztlichen Kassensitzen (ohne operative Leistungsumfänge), welche sich ausschließlich auf dem derzeitigen Gelände der ("Name01) gGmbH befinden dürfen. Für die Erweiterung der Tätigkeit des ("Name02") auf mehr als zwei Kassenarztsitze als auch die Änderung des inhaltlichen Umfanges der Leistungserbringung im ("Name02") [bedarf es] der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Beschäftigten.


8. Das ("Name02") verzichtet für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsschluss auf sein Recht zur Teilnahme an Bewerbungen im Rahmen von Sitzausschreibungsverfahren des Zulassungsausschusses der KV BB für den Großraum („Ort01“), soweit diese den Fachbereich der Augenmedizin betreffen…. Dieser Verzicht ist jedoch auf insgesamt zwei, durch den Arzt im Einzelnen konkret zu benennende…, Sitzausschreibungsverfahren (Benennung der Praxen) beschränkt.“


Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K1 (Blatt 73 f. d.A.) verwiesen.


Im August 2016 leitete der Zulassungsausschuss für Ärzte für das Land Brandenburg bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (im Folgenden nur:

Zulassungsausschuss) ein Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz der in („Ort01“) ansässig gewesenen Fachärztin für Augenheilkunde Frau („Name01“) (im Folgenden auch: Praxisabgeberin) ein. Mit E-Mail vom 02.09.2016 benannte ein Mitarbeiter der ("Name02") GmbH der Beklagten unter Bezugnahme auf Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung zwei Praxen, darunter die der Praxisabgeberin.


Die ("Name02") GmbH nahm Verhandlungen mit der Praxisabgeberin über den Abschluss eines Kaufvertrages über deren Praxis auf und beteiligte sich an dem Verfahren zur Nachbesetzung deren Vertragsarztsitzes mit einem Antrag auf Genehmigung zur Anstellung des Klägers und einer Fachärztin für Augenheilkunde.
Die Beklagte trat ebenfalls mit der Praxisabgeberin in Kontakt und stellte in dem betreffenden Nachbesetzungsverfahren – als einzige Mitbewerberin der ("Name02") GmbH – einen Antrag auf Genehmigung zur Anstellung eines Facharztes für Augenheilkunde. Auf eine wegen der Vertragsverhandlungen gestellte Nachfrage der ("Name02") GmbH antwortete der Prokurist der Beklagten mit E-Mail vom 24.11.2016, ein persönliches Gespräch und mehrere Telefonate mit der Praxisabgeberin geführt zu haben, und sie „ausdrücklich… in jedem Gespräch darauf hin[gewiesen zu haben], dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen ("Name01) und der ("Name02") GmbH (Prof. („Name02“)) bestehe, welche ein Exklusivrecht für diese einräumt“. Im Folgenden seitens der ("Name02") GmbH erhobene Forderungen nach Rücknahme der Bewerbung auf den fraglichen Vertragsarztsitz wies die Beklagte mit der Begründung zurück, zwischen der ("Name01) gGmbH und dem Kläger bestehe kein „Wettbewerbsverhältnis“, da nicht der Kläger, sondern die ("Name02") GmbH an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehme und diese Gesellschaft an der Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 nicht beteiligt sei.


Die Praxisabgeberin schloss einen Praxisübernahmevertrag mit der Beklagten über 95.000 €; ein entsprechendes Angebot der ("Name02") GmbH über 110.000 € nahm sie nicht an.


In dem Nachbesetzungsverfahren genehmigte der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom 22.03.2017 der Beklagten antragsgemäß die Anstellung des benannten Facharztes; die Anträge der ("Name02") GmbH lehnte der Ausschuss ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der zuständige Berufungsausschuss mit Beschluss vom 27.06.2017 zurück. In dem daraufhin seitens der ("Name02") GmbH eingeleiteten sozialgerichtlichen Verfahren erkannte der Berufungsausschuss auf Empfehlung des Vorsitzenden an, den Widerspruchsbescheid vom 27.06.2017 aufzuheben und über den Widerspruch gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 22.03.2017 neu zu entscheiden. Im weiteren Verfahren stellte die ("Name02") GmbH ihre Anträge dahingehend um, die Genehmigung allein der Anstellung des Klägers mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zu begehren; die von der Gesellschaft ursprünglich benannte Ärztin stand zu diesem Zeitpunkt für eine Tätigkeit auf dem fraglichen Vertragsarztsitz nicht mehr zur Verfügung. Mit Beschluss vom 06.08.2019 wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch der ("Name02") GmbH abermals zurück. Die Entscheidung berücksichtigte unter anderem, dass der von der Beklagten benannte Arzt im Umfang von 31 Stunden pro Woche tätig werde, während der Kläger lediglich für 20 Stunden pro Woche zur Verfügung stehe. Die Entscheidung ist bestandskräftig.


Zuvor, am 01.04.2019, hatte der Kläger 80 % der Geschäftsanteile an der("Name02") GmbH veräußert.


Der Kläger hat behauptet, er würde, wenn die ("Name02") GmbH den Vertragsarztsitz der Praxisabgeberin erhalten gehabt hätte, bei der Veräußerung der Geschäftsanteile einen zusätzlichen Verkaufserlös erzielt haben. Dieser würde sich, wie der Kläger unter Beweisantritt näher ausgeführt hat, auf 2.510.718,72 € belaufen haben.


Hintergrund für die Aufnahme der Bestimmungen unter Ziffern 7 und 8 der Vereinbarung vom 26.08.2016 sei gewesen, dass er, der Kläger, eine deutlich höhere Abfindung gefordert habe, für Abfindungssummen über 100.000 € aber eine Beteiligung des Aufsichtsrates der ("Name01) gGmbH erforderlich gewesen sei. Dies habe seitens der gGmbH vermieden werden sollen. Deshalb habe die Beklagte die fraglichen Regelungen vorgeschlagen, von der die("Name02") GmbH und damit auch er persönlich habe profitieren sollen. Nur aufgrund dieser Gesamtkonstellation habe er die Abfindung in Höhe von 95.000 € akzeptiert.


Der Kläger hat beantragt,


die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.510.718 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,


die Klage abzuweisen.


Sie hat gemeint, der streitgegenständlichen Schadensersatzforderung stehe bereits entgegen, dass sie keinerlei wettbewerbsbeschränkende Verpflichtungen gegenüber der ("Name02") GmbH übernommen habe und diese Gesellschaft auch nicht nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in die Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 einbezogen sei.


Davon abgesehen seien die Bestimmungen unter Ziffern 7 und 8 der Vereinbarung unwirksam. Die hierin vorgesehenen Leistungen der Beklagten seien ohne Gegenleistung erfolgt und daher als Schenkungsversprechen anzusehen, für die es an der nach § 518 Abs. 1 BGB erforderlichen notariellen Beurkundung fehle. Die Vereinbarungen seien zudem sittenwidrig und verstießen gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. Zweck der Bestimmungen unter Ziffern 7 und 8 der Aufhebungsvereinbarung sei es gewesen, dem Kläger persönlich die Ausübung einer niedergelassenen augenärztlichen Tätigkeit zu ermöglichen; ein Verzicht zu Gunsten der ("Name02") GmbH sei zu keinem Zeitpunkt gewollt und auch sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Der aufgehobene Chefarzt-Dienstvertrag des Klägers mit der ("Name01) gGmbH habe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der durch das vereinbarte Wettbewerbsverbot eingeschränkten Tätigkeit der Beklagten gestanden. Auch sei zu berücksichtigen, dass Vereinbarungen der hier in Rede stehenden Art das mit den Ausschreibungsverfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V verfolgte gesetzgeberische Anliegen einer bestmöglichen Versorgung der gesetzlich Versicherten konterkarierten. Das Wettbewerbsverbot nach Ziffern 7 und 8 der Vereinbarung sei darüber hinaus in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht unangemessen.
Für die streitgegenständliche Schadensersatzforderung fehle es ferner an einem kausalen Schaden. Die Übernahme des Vertragsarztsitzes habe bereits mangels Abschlusses eines Übernahmevertrages mit der Praxisabgeberin nicht erfolgen können. Schließlich sei der geltend gemachte Schaden aus weiter ausgeführten Erwägungen deutlich übersetzt.


Mit dem angefochtenen Urteil vom 21.07.2021, auf das wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat gemeint, die Beklagte habe mit ihrer Bewerbung um den Vertragsarztsitz der Praxisabgeberin gegen die Bestimmungen unter Ziffern 7 und 8 der Aufhebungsvereinbarung verstoßen. Die von der Beklagten damit eingegangenen Verpflichtungen hätten nicht nur bei einer konkurrierenden Bewerbung des Klägers als natürliche Person, sondern auch bei einer Bewerbung der("Name02") GmbH unter Benennung unter anderem des Klägers als anzustellenden Arzt Geltung beansprucht. Für die Beklagte sei erkennbar gewesen, dass dem Kläger mit der Aufhebungsvereinbarung auch an der Wahrnehmung der Interessen der ("Name02") GmbH gelegen gewesen sei. Sinn und Zweck der Regelungen sei es gewesen, das berufliche Fortkommen des Klägers nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei der ("Name01) gGmbH zu ermöglichen und zu erleichtern. Von daher habe er sich auf diese Regelungen unabhängig davon berufen können, ob er sich als natürliche Person oder vermittels der ("Name02") GmbH an einem Ausschreibungsverfahren beteiligt habe. Dieses Verständnis werde durch die vom Prokuristen der Beklagten in der E-Mail vom 24.11.2016 getätigten Äußerungen bestätigt. Anhaltspunkte, die eine hiervon abweichende Auslegung rechtfertigten, ließen sich weder dem Wortlaut der Vereinbarung noch den Umständen ihres Zustandekommens entnehmen.


Die Bestimmungen seien auch nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB. Die Regelung unter Ziffer 8 sei wegen der räumlichen Begrenzung auf den „Großraum („Ort01“)“, der Befristung auf zwei Jahre und der Beschränkung auf augenmedizinische Vertragsarztsitze nicht zu weit gefasst. Denn in dem so eingegrenzten Bereich habe der Kläger lediglich zwei Vertragsarztsitze benennen können, an deren Ausschreibung sich die Beklagte nicht habe beteiligen dürfen. Zudem sei die Bestimmung nach Ziffer 8 der Vereinbarung einschränkend dahin auszulegen, dass der Beklagten die Beteiligung an Ausschreibungsverfahren lediglich versagt gewesen sei, sofern sich der Kläger hieran – mittelbar oder unmittelbar – beteilige.


Ferner seien die fraglichen Bestimmungen nicht nach § 518 Abs. 1 BGB formunwirksam. Eine Schenkung läge offensichtlich nicht vor.


Dem Kläger stehe daher nach § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch zu, der auch unter Berücksichtigung der erhobenen Einwendungen mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise bestehe. Da die ("Name02") GmbH nach dem Beschluss des Berufungsausschusses vom 06.08.2019 die Zulassungskriterien grundsätzlich erfüllt habe, sei anzunehmen, dass sie den fraglichen Vertragsarztsitz erhalten haben würde, wenn sie die einzige Bewerberin gewesen wäre. Auf den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages mit der Praxisabgeberin komme es für die Zulassung nach § 103 Abs. 4 SGB V nicht an. Ausreichend sei die Bereitschaft des Bewerbers, den Verkehrswert für die Praxis zu zahlen, die bei der("Name02") GmbH unstreitig gegeben gewesen sei.


Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Bestimmungen unter Ziffern 7 und 8 der Aufhebungsvereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam seien, weil für das hierin vorgesehene Wettbewerbsverbot kein sachlicher Grund bestehe und auch die Angemessenheit in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht gewährleistet sei. Aus denselben Erwägungen sei ein Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden nach § 1 GWB gegeben.


Des Weiteren sei der landgerichtlichen Auffassung entgegenzutreten, wonach die Bestimmungen auch für den Fall Geltung beanspruchten, dass nicht der Kläger persönlich, sondern die ("Name02") GmbH am Ausschreibungsverfahren teilnehme. Der Wortlaut des Vertrages enthalte keine Einbeziehung der Gesellschaft, obgleich der Kläger bei Abschluss der Vereinbarung an dieser bereits als Gesellschafter beteiligt gewesen sei. Hieraus sei auf die bewusste Entscheidung der Parteien zu schließen, den Geltungsbereich der Bestimmung ausschließlich auf Fälle einer persönlichen Bewerbung des Klägers zu beschränken. Nur diesem engen Verständnis entsprächen die gebotene restriktive Auslegung von Wettbewerbsverboten gegenüber Freiberuflern sowie das auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigende Grundrecht der Berufsfreiheit. Auch sei es für das mit der Bestimmung verfolgte Ziel, dem Kläger eine persönliche Ausübung einer niedergelassenen augenärztlichen Tätigkeit zu ermöglichen und hierdurch einen zukünftigen Erwerb zu sichern, ausreichend, die Wettbewerbsbeschränkungen nach Ziffer 8 der Vereinbarung auf persönliche Bewerbungen des Klägers um einen Vertragsarztsitz zu beschränken. Aus dem Verhalten der Beklagten nach Abschluss der Vereinbarung könnten keine Rückschlüsse auf die Auslegung des Vertrages gezogen werden. Dies gelte auch für die Äußerung des Prokuristen, denn die Beklagte und die ("Name01) gGmbH seien bei Abschluss der Vereinbarung durch deren Geschäftsführer vertreten worden.


Zu Unrecht seien in der angefochtenen Entscheidung des Weiteren die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils angenommen worden. Es fehle jedenfalls an der Kausalität eines möglichen Schadens, da die("Name02") GmbH den fraglichen vertragsärztlichen Sitz im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens nicht habe erhalten können. Die Annahme des Landgerichts, hierfür bedürfe es nicht der privatrechtlichen Einigung zwischen Praxisinhaber und -nachfolger, sondern es genüge die Bereitschaft zur Zahlung des Kaufpreises, verkenne die einschlägige bundessozialgerichtliche Rechtsprechung. Demnach müsse für eine Nachbesetzung gewährleistet sein, dass der Nachfolger in der Lage sei, am ausgewählten Standort oder in dessen unmittelbarer Nähe mit dem bisherigen Inventar, dem bisherigen Personal und in den gleichen Räumen am gleichen Standort im Wesentlichen denselben Patientenstamm zu behandeln. Ein zivilrechtlicher Praxisübernahmevertrag sei daher faktisch Voraussetzung für die Zuweisung der öffentlich-rechtlichen Zulassung. Fehle es hieran, müsse der Zulassungsausschuss das Nachbesetzungsverfahren beenden und den Vertragsarztsitz einziehen. Im Streitfall sei die Praxisabgeberin nicht bereit gewesen, einen entsprechenden Vertrag mit dem Kläger oder der ("Name02") GmbH abzuschließen.


Die Beklagte beantragt,


das Grundurteil des Landgerichts Cottbus vom 21.07.2021 (Az. 3 O 240/19) abzuändern und die Klage abzuweisen.


Der Kläger beantragt,


die Berufung zurückzuweisen.


Er verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.


Die Berufung ist bei dem nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht eingelegt worden. Der demnach gemäß dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts zuständige 6. Zivilsenat hat sich mit Beschluss vom 27.01.2022 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten an den hiesigen Kartellsenat verwiesen.


II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.


1.
Die statthafte Berufung ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der sich hier wegen der Anfechtung des Grundurteils mit dem Ziel der Abweisung der Klage nach der Höhe der Klageforderung richtet (vgl. Ball, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage 2022, § 511 ZPO, Rn. 26 m.w.N.), übersteigt die Erwachsenheitssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.


Auch ist das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden. Der vorliegende Rechtsstreit fällt zwar nach §§ 95, 91 Satz 2, § 87 Satz 2 GWB in die ausschließliche Zuständigkeit des Kartellsenats. Das Rechtsmittel konnte aber fristwahrend auch bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.07.2018 – EnZB 53/17, BeckRS 2017, 150663, Rn. 20 m.w.N.).


Die Begründung der Berufung erfolgte ebenfalls frist- und formgerecht.


2.
Die Berufung ist auch in der Sache begründet. Der klagegegenständliche Zahlungsanspruch steht dem Kläger aus keinem Rechtsgrund, insbesondere nicht nach § 241 Abs. 1, § 311 Abs. 1, § 280 Abs. 1 BGB zu.


a)
Die Beklagte hat zwar mit Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung vom 26.08.2016 der Sache nach zugesagt, es für die Dauer von zwei Jahren zu unterlassen, sich an zwei Sitzausschreibungsverfahren, die vom Zulassungsausschuss für den „Großraum („Ort01“) geführt werden und die vom Kläger konkret benannt sind, zu beteiligen. Auch ist unstreitig, dass seitens des Klägers unter Bezugnahme auf diese Vereinbarung entsprechende Verfahren benannt worden sind, sich die Beklagte dennoch an einem der benannten Verfahren, nämlich hinsichtlich des bis dahin von der Ärztin Frau („Name01“) innegehabten Vertragsarztsitzes, beteiligt hat und dabei mit ihrer Bewerbung Erfolg hatte.


Die unter Ziffer 8 des Vertrages getroffene Vereinbarung ist aber nach § 134 BGB nichtig. Insoweit verstößt der Vertrag gegen § 1 GWB, wonach Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten sind.


aa)
Die Vorschrift des § 1 GWB findet gemäß § 69 Abs. 2 Satz 1 SGB V für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten und damit auch auf das streitgegenständliche Nachbesetzungsverfahren für einen Vertragsarztsitz entsprechende Anwendung. Auch kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vereinbarung nicht als Unternehmer abgeschlossen zu haben.
Nach dem insoweit maßgeblichen funktionalen Unternehmensbegriff wird die Unternehmenseigenschaft durch jede selbstständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr begründet, die auf den Austausch von Waren oder gewerblichen Leistungen gerichtet ist und die sich nicht auf die Deckung des privaten Lebensbedarfs beschränkt (BGH, Beschluss vom 16.01.2008 – KVR 26/07– Kreiskrankenhaus Bad Neustadt, NJW-RR 2008, 1426, Rn. 21 m.w.N.). Freiberuflich tätige natürliche Personen können demnach zu den Unternehmen im Sinne der Vorschrift gezählt werden (zur Einordnung von Fachärzten als Unternehmer s. etwa EuGH, Urteil vom 12.09.2000 – C-180/98 – Pavel Parlov, BeckRS 2004, 74737, Rn. 73 ff.).


Auch ist die hier in Rede stehende Vereinbarung der selbständigen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen. Der Vertrag beinhaltet zwar mit den Abreden zur Beendigung und Abwicklung des im September 2008 begründeten Dienstverhältnisses Regelungen bezüglich dieser abhängigen Beschäftigung des Klägers für die ("Name01) gGmbH. Anderes gilt aber für die Bestimmung nach Ziffer 8 der Vereinbarung. Denn ungeachtet der Streitfrage, ob demnach lediglich die persönliche Bewerbung des Klägers um einen Vertragsarztsitz oder aber (auch) eine Bewerbung durch dessen Gesellschaft, die ("Name02") GmbH, gefördert werden sollte, stand diese Regelung ihrem Gegenstand nach jedenfalls im Zusammenhang mit der selbständigen Tätigkeit des Klägers.


bb)
Die Vereinbarung, die darauf abzielte, dass sich die Beklagte der Freiheit begibt, autonom über die Teilnahme an den vom Kläger zu benennenden Sitzausschreibungsverfahren teilzunehmen, stellt eine von § 1 GWB erfasste Verhaltensweise dar.


Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne der Vorschrift liegt bei einer Beeinträchtigung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit als Anbieter oder Nachfrager vor (s. etwa BGH, Urteil vom 29.11.2022 − KZR 42/20 – Schlecker, NZKart 2023, 24, Rn. 96). Betroffen sein muss demnach eine wettbewerbsrelevante Handlung bis hin zur Teilnahme am Wettbewerb überhaupt (Bechtold/Bosch, GWB, 10. Auflage 2021, § 1 GWB, Rn. 34). Dies ist etwa der Fall, wenn Absprachen in Bezug auf eine Versteigerung getroffen werden, die darauf abzielen, den Wettbewerbsmechanismus der Versteigerung außer Funktion zu setzen, indem von zwei in Betracht kommenden Bietern einer gegen Bezahlung einer Abstandssumme darauf verzichtet, mitzubieten und so dem anderen faktisch eine Monopolstellung einräumt (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 26.01.1989 – 6 U (Kart) 176/88, ZIP 1989, 399; allg. zu sog. Submissionskartellen s. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2020, § 1 GWB, Rn. 105 f. m.w.N.).
Entsprechendes gilt im Streitfall. Die Verpflichtung, an Nachbesetzungsverfahren für Vertragsarztsitze nicht teilzunehmen, hat Wettbewerbsrelevanz. Die in zeitlicher Nähe zu der Vereinbarung vom 26.08.2016 unstreitig durchgeführten Verfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V – die nach Abschluss dieser Vereinbarung in Kraft getretene, seit dem 01.09.2020 geltende Fassung der Vorschrift hat zu keiner Änderung der vorliegend relevanten Bestimmungen geführt – lassen darauf schließen, dass in dem betroffenen Planungsbereich („Ort01“)-Stadt für die Augenheilkunde Zulassungsbeschränkungen im Sinne von § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V angeordnet waren. In diesem sachlichen und räumlichen Bereich war die Zulassung als Vertragsarzt daher nicht nach § 95 Abs. 2 SGB V, sondern nur unter besonderen Bedingungen zu erlangen, sodass die den Gegenstand der Vereinbarung bildende Teilnahme an Nachbesetzungsverfahren von Vertragsarztsitzen zumindest faktisch Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bzw. für die Ausweitung der entsprechenden Tätigkeiten der von der Beklagten und der ("Name02") GmbH getragenen Medizinischen Versorgungszentren war.


cc)
Darauf, ob die Absprache – wenn sich die Beklagte absprachegemäß verhalten hätte – zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbs um den betroffenen Vertragsarztsitz oder die vertragsärztliche Versorgung der Versicherten in der Arztgruppe Augenheilkunde im Planungsbereich („Ort01“)-Stadt geführt hätte, kommt es nicht an.
Anders als bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen kommt der dem Tatbestand des § 1 GWB immanente Bagatellvorbehalt bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen nicht zum Tragen (vgl. für Art. 101 Abs. 1 AEUV EuGH, Urteil vom 13.12.2012 – C-226/11 – Expedia, BeckRS 2012, 82643, Rn. 35; Urteil vom 18.11.2021 – C-306/20 – Visma Enterprise/Wettbewerbsrat, GRUR 2022, 105, Rn. 58; s. auch BGH, Urteil vom 17.10.2017 − KZR 59/16 – Almased Vitalkost, NZKart 2018, 52; Urteil vom 29.01.2019 – KZR 4/17 – Teilnehmerdaten V, NZKart 2019, 492, Rn. 36; Urteil vom 18.02.2020 – KZR 17/17, BeckRS 2020, 7079, Rn. 21; Urteil vom 29.11.2022 − KZR 42/20 – Schlecker, NZKart 2023, 24, Rn. 36). Diese Differenzierung begründet sich daraus, dass bestimmte Formen der Koordinierung zwischen Unternehmen schon ihrem Wesen nach als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 02.04.2020 – C-228/18 – Budapest-Bank u.a., GRUR-RS 2020, 4841, Rn. 35 m.w.N.). Dementsprechend ist für die Beurteilung, ob eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, auf den Inhalt der Vereinbarung und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 18.11.2021 – C-306/20 – Visma Enterprise/Wettbewerbsrat, GRUR 2022, 105, Rn. 62 m.w.N.).


Nach diesem Maßstab ist die unter Ziffer 8 des Vertrages vom 26.08.2016 getroffene Vereinbarung als eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen. Die Bestimmung entspricht nach Inhalt und Wirkung einem Submissionskartell, also einer Abrede, sich bei Ausschreibungen oder Versteigerungen zugunsten eines Kartellmitglieds eines (wettbewerbsgerechten) Angebots zu enthalten. Denn auch mit der vorliegenden Vereinbarung zielten die Parteien darauf ab, den Wettbewerb zwischen ihnen bzw. zwischen den von ihnen betriebenen Medizinischen Versorgungszentren insofern zu beschränken, als die Aufnahme bzw. Ausweitung ihrer Tätigkeiten auf den betreffenden Vertragsarztsitzen nicht dem Verfahren nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V überlassen bleiben, sondern der Ausgang der Nachbesetzungsverfahren durch die vereinbarte Nicht-Teilnahme der Beklagten zu Gunsten des Klägers beeinflusst werden sollte. Die Vereinbarung lief mit anderen Worten darauf hinaus, das in § 103 Abs. 4 Sätze 4, 5 SGB V vorgesehene Verfahren, welches bei einer Mehrzahl von Bewerbern eine Auswahlentscheidung mit dem Ziel der Sicherstellung der bestmöglichen Versorgung der Versicherten in dem betreffenden Plangebiet verlangt (vgl. BSG, Urteil vom 23.02.2005 – B 6 KA 81/03 R, BSGE 94, 181, juris, Rn. 33), durch eine verabredete Verringerung des Bewerberkreises zu unterlaufen. Derartige Absprachen, durch die sich die Beteiligten vorab dahin einigen, dass einem von ihnen ein Auftrag unter Umgehung echten Wettbewerbs zugeleitet werden soll, sind bereits nach älterer Rechtsprechung als wettbewerbswidrig anzusehen, ohne dass es auf den Umfang und die Tragweite der durch die Absprache begründeten wirtschaftlichen Verbindung ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.1956 – 1 StR 526/55, NJW 1956, 959; Urteil vom 23.04.1959 – VII ZR 2/58, NJW 1959, 1438 jeweils m.w.N.).


Dass die Parteien des Vertrages vom 26.08.2016 insofern eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, wird zudem durch die unter Ziffer 7 des Vertrages getroffene Regelung unterstrichen. Die hiermit von der Beklagten übernommene Verpflichtung, vorbehaltlich einer schriftlich zu erklärenden Zustimmung des Klägers maximal zwei rein konservativ ambulante augenärztliche Kassensitze zu betreiben, die sich zudem ausschließlich auf dem seinerzeit von der ("Name01) gGmbH genutzten Gelände befinden und keine operativen Leistungen anbieten sollten, beinhaltet der Sache nach eine Marktaufteilung bzw. ein Wettbewerbsverbot.


Nach dem Inhalt der unter Ziffern 7 und 8 des Vertrages getroffenen Vereinbarungen war es mithin Ziel der Parteien, die Tätigkeiten der Beklagten sowohl in räumlicher als auch in sachlicher Hinsicht zu Gunsten des Klägers bzw. der ("Name02") GmbH zu begrenzen. Dem entspricht das Vorbringen des Klägers, wonach es Anliegen der Vertragsparteien gewesen sei, zu Gunsten des Klägers, der nach Beendigung seiner Beschäftigung als Chefarzt das Ziel verfolgt habe, „seine berufliche Tätigkeit auf die ("Name02") GmbH zu konzentrieren und diese auszudehnen“, „einen Konkurrentenschutz zu der Beklagten herzustellen“ (Seite 7 der Berufungserwiderung, Blatt 470 d.A.) sowie dem Kläger „Planungssicherheit“ zu geben (Seite 2 des Schriftsatzes vom 20.03.2023).


Da es mithin vorliegend nicht auf die Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch die in Rede stehende Abrede ankommt, steht der Annahme eines Verstoßes gegen § 1 GWB nicht entgegen, dass die unter Ziffer 8 des Vertrages getroffene Vereinbarung auf zwei Nachbesetzungsverfahren und einen Geltungszeitraum von zwei Jahren beschränkt war. Ebenso wenig kann sich der Kläger demnach mit Erfolg darauf berufen, die Abrede würde sich nicht nachteilig auf die Versorgung der Patienten mit fachaugenärztlichen Leistungen ausgewirkt haben.


dd)
Die Abrede nach Ziffer 8 der Aufhebungsvereinbarung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Nebenabrede zulässig.


Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen verstoßen nicht gegen § 1 GWB, wenn sie als notwendige Nebenabrede erforderlich sind, um den Hauptzweck eines als solchen kartellrechtsneutralen Vertrags zu verwirklichen. Dass für eine vertragsimmanente Wettbewerbsbeschränkung bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs ein anzuerkennendes Interesse besteht, genügt hingegen nicht (mehr). Die gegenteilige Auffassung des Klägers, der sich hierfür auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15.09.2004 (1 U 42/04, GRUR-RR 2005, 98) stützt, lässt unberücksichtigt, dass dieser seinerzeit herrschenden Auffassung (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1997 – KZR 41/95 – Druckgussteile, NJW 1997, 2324) mit der Gleichstellung vertikaler und horizontaler Vereinbarungen durch die im Jahr 2005 in Kraft gesetzte 7. GWB-Novelle die Grundlage entzogen ist. Seither entspricht es herrschender Meinung, dass wettbewerbsbeschränkende Absprachen in Austauschverträgen über Waren und gewerbliche Leistungen nur zulässig sind, wenn sie als Nebenabreden im konkreten Einzelfall zwingend notwendig sind, um den Leistungsaustausch durchführen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.2008 – KZR 54/08 – Subunternehmervertrag II, NJW 2009, 1751, Rn. 15). Dabei ist entscheidend, ob die Wettbewerbsbeschränkung sachlich erforderlich sowie zeitlich, räumlich und gegenständlich darauf beschränkt ist, den mit dem Austauschvertrag verfolgten Zweck zu erreichen (BGH, a.a.O.). Die Erforderlichkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass die Durchführung der vereinbarungsgegenständlichen Maßnahme ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Der Umstand, dass die Maßnahme ohne die Beschränkung nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre, verleiht dieser Beschränkung hingegen nicht den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer objektiv notwendigen Beschränkung (vgl. EuGH, Urteil vom 23.01.2018 − C-179/16 – Italienischer Arzneimittelmarkt, NZKart 2018, 84, Rn. 71).


Die im Streit stehende Bestimmung stellt keine in diesem Sinne notwendige Nebenabrede der Vereinbarung vom 26.08.2016 dar. Dafür, dass die unter Ziffer 8 des Vertrages getroffene Abrede notwendige Voraussetzung für die Aufhebung des Chefarzt-Dienstvertrages war, ist nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere nach dem Vorbringen des Klägers, wonach die Unterlassungsverpflichtung der Beklagten von den Vertragspartnern als Teil der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes angesehen wurde, sodass der Kläger im Gegenzug für diese Verpflichtung auf eine höhere Abfindungszahlung verzichtet habe. Denn demnach diente die vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung lediglich der Vereinfachung der Aufhebung des Dienstvertrages dahingehend, dass dem Kläger Leistungen in einem die vereinbarte Abfindungszahlung von 95.000 € übersteigenden Wert zugesagt wurden, ohne dass der Aufsichtsrat der ("Name01) gGmbH am Abschluss des Vertrages beteiligt werden musste. Dem entspricht es auch, dass die von der wettbewerbsbeschränkenden Verabredung unmittelbar betroffene Beklagte an dem Chefarzt-Dienstvertrag nicht beteiligt war und die ("Name01) gGmbH als Dienstherrin des Klägers mit den vertraglich vereinbarten Beschränkungen der Beklagten – wie es auf Seite 9 der Berufungserwiderung (Blatt 472 d.A.) heißt: – „nichts zu tun“ hatte.


Darauf, ob die ("Name01) gGmbH zu einer höheren Abfindungszahlung wirtschaftlich in der Lage gewesen wäre, kommt es entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Auffassung nicht an, weil die Qualifikation als notwendige Nebenabrede nach dem Vorstehenden die objektive Notwendigkeit der Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, ein subjektives Unvermögen hierzu also nicht genügt.


b)
Die in Ziffer 8 des Vertrages vom 26.08.2016 getroffene Abrede ist davon abgesehen nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.


Diese Einschätzung rechtfertigt sich zwar nicht, wie die Beklagte meint, aus der von ihr angeführten reichsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach Wettbewerbsverbote in Verträgen mit Rechtsanwälten und Ärzten generell sittenwidrig und nichtig seien, weil diese Berufe fundamentale, allgemeine, öffentliche Zwecke, nämlich die der Gesundheitspflege und der Rechtspflege, unter einer besonderen Verantwortung zu erfüllen haben und die Ausübung dieser Berufe deshalb kraft der ihnen innewohnenden sittlichen Würde im öffentlichen Interesse von allen Beschränkungen im Privatinteresse und zum Privatnutzen eines anderen zu Lasten der Allgemeinheit frei bleiben müssten (vgl. RG, Urteil vom 16.03.1917 – III 395/16, RGZ 90, 35, 36 f. m.w.N.). Denn jedenfalls wegen des zwischenzeitlichen Wandels der Verhältnisse ist dem nicht (mehr) zu folgen, sondern davon auszugehen, dass entsprechende Vereinbarungen nicht schon dem Grunde nach sittenwidrig sind (s. bereits BGH, Urteil vom 18.12.1954 – II ZR 76/54, NJW 1955, 337).


Allerdings sind vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen mit Rücksicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit nur dann gerechtfertigt und nicht nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein anerkennenswertes Bedürfnis hierfür begründen. Demnach ist es etwa beim Tausch oder bei der Veräußerung einer Arztpraxis gerechtfertigt, durch Patientenschutzklauseln in angemessener Weise Vorsorge dagegen zu treffen, dass sich die Patienten der Praxis in die Behandlung des bisherigen Praxisinhabers, statt des Erwerbers begeben (BGH, Urteil vom 18.12.1954 – II ZR 76/54, a.a.O.). Nach denselben Maßstäben ist beim Ausscheiden eines Gesellschafters ein zu dessen Lasten und zugunsten der Gesellschaft vereinbartes Wettbewerbsverbot unter dem Gesichtspunkt des § 138 Abs. 1 BGB nur in dem Umfang gerechtfertigt, in dem für die Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit ein anzuerkennendes Bedürfnis besteht, um den Ausscheidenden an einer illoyalen Verwertung des Erfolges seiner Arbeit und der im Zuge der Tätigkeit für die Gesellschaft erworbenen Verbindungen zu hindern (s. etwa BGH, Urteil vom 08.05.2000 – II ZR 308/98, BeckRS 2000, 5273, Rn. 10; Urteil vom 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384). Demgegenüber darf ein Wettbewerbsverbot rechtlich nicht dazu eingesetzt werden, den ehemaligen Partner als potenziellen Wettbewerber auszuschalten (BGH, Urteil vom 08.05.2000 – II ZR 308/98, a.a.O.; Urteil vom 18.07.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061).


Vorliegend ist ein in diesem Sinne anerkennenswertes Bedürfnis für das zulasten der Beklagten vereinbarte Wettbewerbsverbot nicht gegeben. Die Abrede diente nicht etwa einem billigenswerten Interesse des Klägers an der Erhaltung eines Arbeitserfolges oder einer anderweitigen rechtlichen oder faktischen Position, die er sich im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Chefarzt für die ("Name01) gGmbH geschaffen hat, die aber weder durch das von ihm insoweit bezogene Gehalt noch durch die vereinbarte Abfindung abgegolten werden konnte. Ebenso wenig sollte hierdurch sichergestellt werden, dass dem Kläger damit beispielsweise die weitere Behandlung seines Patientenstammes oder in sonstiger Hinsicht die Fortsetzung eines Teils seiner bisherigen Tätigkeit ermöglicht werden sollte. Denn es steht außer Frage, dass die betreffenden Verfahren zur Nachbesetzung von Vertragsarztsitzen keinen sachlichen Zusammenhang zu der Tätigkeit des Klägers als Chefarzt in der Klinik der ("Name01) gGmbH aufwiesen. Mit der Abrede nach Ziffer 8 der Vereinbarung haben die Vertragsparteien vielmehr – wie vorstehend ausgeführt – den Zweck verfolgt, den Kläger im Gegenzug für den Verlust des Arbeitsplatzes in der Klinik, neben der Abfindungszahlung, bei der Etablierung bzw. Ausweitung seiner ambulanten ärztlichen Tätigkeit zu unterstützen. Die Abrede zielte damit der Sache nach darauf ab, die Beklagte in den betreffenden Nachbesetzungsverfahren als Wettbewerber auszuschalten, um das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Erlangung dieser Vertragsarztsitze zu unterstützen.


Dieses Interesse, welchem nach dem Vortrag des Klägers ebenso gut durch Zahlung eines höheren Abfindungsbetrages hätte Rechnung getragen werden können, vermag daher bereits von vornherein keinen ausreichenden Sachgrund für die die Berufsfreiheit der Beklagten (Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG) beschränkende Vereinbarung darzustellen, sodass für eine Prüfung der Frage der Angemessenheit dieser Beschränkung kein Raum bleibt.


3.
Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung besteht nicht, § 156 ZPO. Zwar ist der Schriftsatz des Klägers vom 20.03.2023, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, dem Senat erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, nämlich am 22.03.2023 zur Kenntnis gelangt. Der Kläger äußert sich hierin aber lediglich vertiefend zu seiner bereits zuvor dargelegten und im Verhandlungstermin ausführlich mündlich erörterten Rechtsauffassung. Neuen Sachvortrag oder neue rechtliche Gesichtspunkte zeigt der Schriftsatz nicht auf.


4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.


Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht veranlasst.


Die Festsetzung des Streitwerts begründet sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO.
 

 

vorgehend LG Cottbus, 21. Juli 2021, 3 O 240/19


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