Urteilstext
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er das Zahntechnikerhandwerk selbständig im stehenden Gewerbe ausüben darf, ohne die hierfür in der Handwerksordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen zu müssen.
Der Kläger ist Zahntechnikergeselle. Bei seinem Versuch, die Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk abzulegen, bestand er Teil I (Prüfung der meisterhaften Verrichtung der wesentlichen Tätigkeiten) nicht. Später erhielt er eine befristete Ausnahmegenehmigung nach § 8 HwO unter der Auflage, innerhalb der Frist die Meisterprüfung abzulegen. Eine 2010 beantragte unbefristete Ausnahmebewilligung wurde ihm nicht erteilt. 2011 begehrte der Kläger vom Beklagten die "verbindliche Auskunftserteilung", dass er berechtigt sei, das Zahntechnikerhandwerk selbständig im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, ohne Vorliegen des Meisterbriefs, der Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO, der Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO oder einer anderen Ausnahmebestimmung der HwO und Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Zahntechnikerhandwerk.
Nachdem der Beklagte dem nicht entsprochen hatte, hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen Folgendes ausgeführt hat: Der Meisterzwang sei insgesamt verfassungswidrig, jedenfalls aber die Zuordnung des Zahntechnikerhandwerks zur Anlage A der Handwerksordnung. Eine Eintragung in die Handwerksrolle sei nicht geeignet, wirksam von der Ausübung des Zahntechnikerhandwerks ausgehende Gefahren zu bekämpfen. Inzwischen werde mindestens die Hälfte des in Deutschland auf den Markt gelangenden Zahnersatzes im Ausland oder in meisterfreien Praxislabors, zum Teil sogar industriell hergestellt. Im Übrigen werde das Produkt durch den Zahnarzt weiterverarbeitet, der eine Gefährdung des Patienten durch entsprechende Überprüfung ausschließe und die Haftung übernehme. Die Ausbildungsleistung des Handwerks allein könne kein Rechtfertigungsgrund sein, zumal sie in den letzten Jahren schlicht zusammengebrochen sei. Abgesehen davon unterfalle der Zahntechniker ausschließlich dem gegenüber der Handwerksordnung spezielleren und weitergehend schützenden Medizinproduktegesetz in Verbindung mit der Medizinprodukte- Betreiberverordnung.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass er berechtigt ist, das Zahntechnikerhandwerk nach § 37 Anlage A HwO selbständig im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, ohne Vorliegen des Meisterbriefs, der Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO, der Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO, Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Zahntechnikerhandwerk.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er darauf verwiesen, das Begehren des Klägers scheitere an den einschlägigen handwerksrechtlichen Vorschriften, die nicht gegen höherrangiges Recht verstießen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Zahntechnikerhandwerk sei nach Nr. 37 der Anlage A der Handwerksordnung zulassungspflichtig. Der Kläger erfülle jedoch die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle nicht. Die Regelungen der Handwerksordnung seien verfassungsgemäß. Insbesondere bestünden keine Bedenken gegen die Wertung des Gesetzgebers, das Zahntechnikerhandwerk als Gesundheitshandwerk zu den Gefahrenhandwerken zu rechnen. Dafür spreche insbesondere, dass zahntechnische Produkte dazu bestimmt seien, in den Körper des Patienten eingesetzt zu werden. Hierbei könnten sich Gefahren dadurch ergeben, dass unverträgliche Stoffe verarbeitet oder durch ungeeignete Verfahren entstünden. Die Verantwortung hierfür werde auch durch den einsetzenden Zahnarzt nicht aufgehoben. Die Regelungen der Handwerksordnung würden auch nicht durch das Medizinproduktegesetz verdrängt. Letzteres regele die Anforderungen, die an die in den Verkehr zu bringenden oder gebrachten Medizinprodukte aus Gründen des Patientenschutzes zu stellen seien. Die Handwerksordnung regle, wer unter welchen Voraussetzungen handwerkliche Leistungen selbständig erbringen dürfe. Der Gesetzgeber trenne zwischen der Qualität eines Produktes und der Qualifikation zum Umgang mit dem Produkt. Die Herstellung von Zahnersatz im Ausland sei keine Frage einer diskriminierenden Behandlung von inländischen Handwerkern. In den vom Kläger angesprochenen "meisterfreien Praxislaboren" sei der Zahnarzt für die Produkte verantwortlich. Dessen Ausbildung umfasse auch die Herstellung von Zahnersatz.
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung wiederholt der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Der gegenwärtige Rechtszustand sei verfassungswidrig und daher sei gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Alle wesentlichen Begriffe der §§ 1-3 HwO, die den Meisterzwang begründeten, seien zu unbestimmt. Aufgrund der restriktiven Gesetzesauslegung der §§ 7b und 8 HwO sei der Berufszugang ohne Meisterbrief rückläufig, so dass die bis 2004 vorgebrachten Argumente für die Verfassungswidrigkeit weiterhin durchgriffen. Der Meisterzwang sei auch nicht aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Nur die Abwehr konkreter und unmittelbarer Gefahren durch den Handelnden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohten, könne Regelungszweck der Handwerksordnung sein. Bei der Novelle des Handwerksrechts 2004 habe der Gesetzgeber jedoch schon keine Prüfung der Gefahrgeneigtheit vorgenommen. Der Gesichtspunkt der Gesundheitsbeeinträchtigung habe gerade für den Chirurgie-Mechaniker - und damit auch für den Zahntechniker - keine Rolle gespielt. Im Zahntechnikerhandwerk bestehe auch gar kein Gefahrenpotenzial, weil die Leistung des Zahntechnikers zu 100 % weiter verarbeitet werde. Dies geschehe durch den Zahnarzt, der eine Qualitätskontrolle durchführen müsse. Außerdem würden maximal 35 % der zahntechnischen Produkte in Deutschland von zahntechnischen Labors mit einem Meister als Betriebsleiter erzeugt, so dass die Berufsbeschränkung nicht geeignet zum Bevölkerungsschutz sei. Über 50% des in Deutschland verwendeten Auslandszahnersatzes werde in China hergestellt, jeder zehnte Bürger trage Auslandszahnersatz, der Anteil der zahnärztlichen Praxislabore betrage 25%. Der überwiegende Teil der zahntechnischen Produkte werde heute vollautomatisiert im CAD-Verfahren hergestellt. Die Geräte könne auch jemand bedienen, der keinerlei zahntechnische Ausbildung habe. Dementsprechend habe die Abschaffung des Meisterzwangs in Österreich und den Niederlanden keine Anzeichen für ein Absinken des Qualitätsstandards ergeben. Es bestehe eine unzulässige Inländerdiskriminierung, weil vom Ausland aus zulassungsfrei nach Deutschland hinein gearbeitet werden dürfe und nur der Inländer dem benachteiligenden Meisterzwang unterliege. Die Berufsbeschränkungen der Handwerksordnung seien auch nicht verhältnismäßig, um die Ausbildungsleistung des Handwerks zu sichern, zumal ein deutlicher Überhang an Ausbildungsplätzen bestehe und sich die Quote der im Zahntechnikerhandwerk ausbildenden Betriebe auf lediglich 0,24 % belaufe.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich:
1.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27.03.2013 Az: 9 K 258/12 wird aufgehoben.
2.
Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, das Zahntechnikerhandwerk nach Nr. 37 Anlage A der HwO selbständig im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, ohne Vorliegen des Meisterbriefes, der Ausübungsberechtigung nach § 7b, der Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO, ohne Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Zahntechnikerhandwerk.
Der Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, nach Auskunft der Handwerkskammer lasse der Kläger seinen Betrieb seit 2014 durch einen angestellten Zahntechnikermeister leiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, weil sein Prozessbevollmächtigter mit der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unbegründet.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass er berechtigt ist, das Zahntechnikerhandwerk selbständig im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, ohne Vorliegen des Meisterbriefs, der Ausübungsberechtigung nach § 7b HwO, der Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO und Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Zahntechnikerhandwerk.
Gemäß § 1 HwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. Zulassungspflichtig ist nach Nr. 37 der Anlage A der Handwerksordnung u. a. das Zahntechnikerhandwerk. Auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob das Zahntechnikergewerbe i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 HwO aus dem Handwerk entstanden ist, kommt es deshalb wegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 HwO nicht an. Als Inhaber eines Betriebs eines zulassungspflichtigen Handwerks wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HwO eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft in die Handwerksrolle eingetragen, wenn der Betriebsleiter die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem zu betreibenden Handwerk oder einem mit diesem verwandten Handwerk erfüllt. Eintragungsfähig sind Personen, die in dem Handwerk oder einem verwandten Handwerk die Meisterprüfung bestanden haben (§ 7 Abs. 1a HwO). Ferner werden bestimmte weitere, in § 7 Abs. 2 bis 9 HwO und § 8 Abs. 1 HwO genannte Personen unter den dort im Einzelnen beschriebenen Voraussetzungen in die Handwerksrolle eingetragen. Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Deshalb ist er nicht berechtigt, das Zahntechnikerhandwerk im stehenden Betrieb selbständig auszuüben.
An der Anwendbarkeit der vorgenannten Regelungen der HwO bestehen keine Zweifel. Sie verletzen nicht Verfassungsrecht (dazu I.). Sie werden auch nicht durch die Regelungen des bzw. aufgrund des Medizinproduktegesetzes - MPG - verdrängt oder unanwendbar (dazu II.).
I.
Der Senat hält § 1 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 i. V. m. Nr. 37 der Anlage A HwO und § 7 Abs. 1 HwO nicht für verfassungswidrig. Deswegen kam auch die vom Kläger beantragte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht.
Nach gefestigter, durch das klägerische Vorbringen nicht erschütterter höchstrichterlicher Rechtsprechung verstoßen die Regelungen der Handwerksordnung, soweit sie den selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks im stehenden Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften gestatten (§ 1 Abs. 1 HwO) und diese Eintragung im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) oder der Erteilung einer Ausübungsberechtigung (§ 7b HwO) abhängig machen, nicht gegen höherrangiges Recht (dazu 1.). Der Senat vermag durchgreifende verfassungsrechtliche Zweifel auch nicht in Bezug auf das hier betroffene Zahntechnikerhandwerk zu erkennen (dazu 2.).
1.
Die Regelungen der Handwerksordnung verstoßen, soweit sie den selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks im stehenden Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften gestatten (§ 1 Abs. 1 HwO) und diese Eintragung im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) oder der Erteilung einer Ausübungsberechtigung (§ 7b HwO) abhängig machen, nicht gegen höherrangiges Recht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 28 ff.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 8.10 -, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 29 ff., und Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 37 ff.
Der Vortrag des Klägers gibt keinen Anlass, diese höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelnen in Frage zu stellen. Der Kläger zieht sie insbesondere in Bezug auf die Regelungen zum Reisegewerbe, zum Minderhandwerk und zur Inländerdiskriminierung lediglich pauschal in Zweifel, ohne sich insoweit mit der hierzu ergangenen gefestigten Rechtsprechung auseinanderzusetzen.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bestimmtheitsgebot rügt, liegt dieser nicht vor. Das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit verlangt nur, dass Normen so bestimmt sind, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Es genügt, wenn sich der Regelungstatbestand im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen lässt. Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Regelung des Berufszugangs in § 1 Abs. 2, §§ 7 ff. HwO i. V. m. der Anlage A.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 31.8.2011 - 8 C 8.10 -, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 30 f., und - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 29, m. w. N.
Soweit der Kläger ohne weitere Begründung die Verfassungswidrigkeit in der Möglichkeit der Eintragung von Hochschulabsolventen in die Handwerksrolle nach § 7 Abs. 2 HwO begründet sieht, zeigt er nicht ansatzweise auf, dass die der Regelung zugrundeliegende Einschätzung des Gesetzgebers, eine Eintragung in die Handwerksrolle könne auch aufgrund eines der Meisterprüfung gleichwertigen Abschlusses eines entsprechenden Studienganges erfolgen,
vgl. § 2 Abs. 2 HwREintrV, ferner BT-Drs. 15/1206, Seite 27, und BT-Drs. 15/2083, Seite 47,
den gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum überschreiten könnte.
Im Bereich von Neben- und Hilfsbetrieben im Sinne von § 3 Abs. 2 HwO und im Reisegewerbe auftretende Gefahrenszenarien unterscheiden sich auch quantitativ strukturell von denen der handwerksmäßig geführten Betriebe.
Vgl. näher OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 - 4 A 284/07 -, Beschlussabdruck, Seite 20 f., m. w. N.
Auf die strukturellen Unterschiede zwischen industrieller und handwerksbetrieblicher Fertigung hat bereits das Bundesverfassungsgericht,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 - 1 BvL 44/55 - BVerfGE 13, 97 = juris, Rn. 61 ff.,
hingewiesen. Die Struktur des Handwerks ist zwar durch die HwO-Novelle 2004 in durchaus erheblichem Umfang geändert worden, dem industriellen Gewerbe aber nicht derart angenähert worden, dass der Gesetzgeber wegen Art. 3 Abs. 1 GG gehalten wäre, beide Bereiche nunmehr einheitlichen Regelungen zu unterwerfen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 - 4 A 284/07 -, Beschlussabdruck, Seite 22.
Warum sich die Verfassungswidrigkeit der Handwerksordnung daraus ergeben soll, dass qualifikationsunabhängige Gefahrenfaktoren in der Handwerksordnung selbst nicht berücksichtigt werden, zeigt der Kläger nicht auf und erschließt sich angesichts der grundsätzlich bestehenden Freiheit des Gesetzgebers, diesen andernorts (etwa im Gewerbeaufsichtsrecht) zu begegnen, auch nicht. Ähnliches gilt für seine Ausführungen zur Entwicklung der Berufszulassungen im Handwerk, die auf einer Vielzahl an Gründen beruhen können.
2.
Soweit die Regelungen der Handwerksordnung den selbstständigen Betrieb des Zahntechnikerhandwerks im stehenden Gewerbe nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen oder juristischen Personen und Personengesellschaften gestatten (§ 1 Abs. 1 HwO) und diese Eintragung im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung (§ 7 Abs. 1a HwO) abhängig machen, begegnen sie keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Zweifeln. Die Regelungen sind sowohl mit Art. 12 Abs. 1 GG (dazu sogleich unter Buchstabe a), als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG (dazu sodann unter Buchstabe b) vereinbar.
a)
Es liegt keine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG vor.
An die Rechtfertigung des mit den vorgenannten Regelungen verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit sind mit Blick auf seine Intensität die für subjektive Berufswahlbeschränkungen geltenden Anforderungen zu stellen. Eingriffe sind daher nur gerechtfertigt, wenn sie auf einer kompetenzmäßig erlassenen Norm beruhen, die durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Insoweit ist höchstrichterlich entschieden, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Regelung des Handwerks aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Art. 72 Abs. 2 GG folgt und der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Zulassungspflicht für das Handwerk im Wesentlichen zwei Ziele verfolgte: Zum einen bezweckte er die Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter durch unsachgemäße Handwerksausübung. Für derart "gefahrgeneigte Tätigkeiten" sollte sichergestellt sein, dass sie nur von Personen mit entsprechenden Qualifikationsnachweisen selbständig im stehenden Gewerbe ausgeübt werden. In diesen Bereichen sollte der Kunde besonders geschützt und nicht allein auf Schadensersatz und Mängelbeseitigung verwiesen werden. Daneben hat der Gesetzgeber auch für das neue Recht an dem Ziel der Sicherung der besonderen Ausbildungsleistung des Handwerks für die gewerbliche Wirtschaft festgehalten. Sowohl die Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter als auch die Sicherung der Ausbildungsleistung sind Gemeinwohlbelange von hohem Gewicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 31 ff., m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 38 ff.
Der Gesetzgeber hat jedenfalls im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums das Zahntechnikerhandwerk als gefahrgeneigtes Handwerk eingestuft. Ob es auch zur Sicherung der Ausbildungsleistung des Handwerks in die Liste der zulassungspflichtigen Handwerke aufgenommen werden durfte, bedarf hier keiner Entscheidung. Gefahrgeneigtheit und Sicherung der Ausbildungsleistung müssen zur Rechtfertigung des Eingriffs nicht kumulativ vorliegen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2010 - 4 A 284/07 -, Beschlussabdruck, Seite 11.
Der Einwand des Klägers, der Gesetzgeber habe bei der Novelle des Handwerksrechts 2004 eine Prüfung der Gefahrgeneigtheit nicht vorgenommen, trifft schon nicht zu. Den zugehörigen Materialien ist vielmehr zu entnehmen, dass die Frage der Gefahrgeneigtheit der einzelnen Handwerke der vormaligen Anlage A der HwO im Rahmen der Novellierung 2003/2004 anhand der Meisterprüfungsberufsbilder jeweils geprüft worden ist.
Vgl. BT-Drs. 15/1206, Seite 42 und BT-Drs. 15/1192, Seite 3; zu den Kriterien im Gesetzgebungsverfahren vgl. BR-Plenarprotokoll 795/2003, Seite 517, und BT-Drs. 16/7996, Seite 9, sowie BT-Drs. 15/1481, Seite 16.
Dieser Befund wird allein durch den Umstand, dass detaillierte Angaben zur Prüfung nicht in den Gesetzesmaterialien dokumentiert worden sind, nicht erschüttert.
So aber offenbar Bulla, GewArch 2012, 470 ff., 472, und Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 235 ff.: Die Begründung der Zulassungspflicht erschöpfe sich in Gemeinplätzen und vagen Behauptungen ohne umfassende statistische Erhebungen zu den einzelnen Gewerken. Eine derartige Begründungspflicht des Gesetzgebers ablehnend Detterbeck, HwO, 4. Aufl. 2008, § 1 Rn. 15; eingehend hierzu Waldhoff, in: Depenheuer/Heintzen/Jestaedt/Axer ÄHrsg.Ü, Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007, Seite 325 ff.
Der weitere Einwand des Klägers, dass im Gesetzgebungsverfahren der Gesichtspunkt der Gesundheitsgefahren für die Belassung des Zahntechnikerhandwerks in der Anlage A zur HwO keine Rolle gespielt habe, lässt sich anhand der Gesetzgebungsmaterialien eindeutig widerlegen. Das Zahntechnikerhandwerk war bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.8.2003 in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt.
Vgl. BT-Drs. 15/1481, Seite 7, i. V. m. BT-Drs. 15/1206, Seite 14.
Die Bundesregierung ging hierbei davon aus, dass der Meistervorbehalt als Berufszugangsvoraussetzung auf den Kreis der im Hinblick auf Gesundheit oder Leben Dritter "gefahrgeneigten Handwerke" zu beschränken sei und insbesondere gegen ein Kriterium der Ausbildungsleistung Bedenken bestünden.
Vgl. BT-Drs. 15/1481, Seiten 12 und 14.
Im Übrigen liegt die Gefahrgeneigtheit des Zahntechnikerhandwerks auf der Hand. Sie ergibt sich schon daraus, dass seine Werkstücke zum Einsatz und dauerhaften Verbleib in den menschlichen Körper bestimmt sind, wo sie notwendigerweise in der Lage sind, ggf. auch negativ auf seine Gesundheit einzuwirken. Jedenfalls ist eine Überschreitung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums insoweit nicht erkennbar.
Das besondere Gefahrenpotential der Gesundheitshandwerke bejahend auch Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 419.
Die Berufsbeschränkung ist geeignet (dazu aa), erforderlich (dazu bb) und verhältnismäßig im engeren Sinn (dazu cc) in Bezug auf den wichtigen Gemeinwohlzweck, Gesundheitsgefahren für Dritte abzuwenden.
aa)
Der "Meisterzwang" für Zahntechniker ist geeignet, von unsachgemäßer Ausübung des Zahntechnikerhandwerks ausgehende Gefahren wirksam zu bekämpfen. Das ist im verfassungsrechtlichen Sinne schon dann der Fall, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12 u. a. -, GewArch 2017, 375 = juris, Rn. 101, m. w. N., Beschluss vom 10.4.1997 - 2 BvL 45/92 -, BVerfGE 96, 10 = juris, Rn. 61, sowie Beschluss vom 20.6.1984 - 1 BvR 1494/78 -, BVerfGE 67, 157 = juris, Rn. 52; BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 8.10 -, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 33, m. w. N., und Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 42.
Die Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung tragen zur Erreichung des Gemeinwohlziels der Gefahrenabwehr bei. Ein Betriebsinhaber bzw. -leiter mit meisterhafter Sachkunde ist - was auch der Kläger nicht in Frage stellt - in der Lage, bei der Ausübung des Handwerks selbst Gefahren zu vermeiden und die im Betrieb Mitarbeitenden dazu anzuleiten, zu beaufsichtigen und im Bedarfsfall einzugreifen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Szenario praktisch irrelevant und die berufseinschränkenden Anforderungen damit mangels Anwendungsbereichs wirkungslos wären. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers dahingehend verstehen und ihn als zutreffend unterstellen wollte, dass 65% der in Deutschland legal auf den Markt gelangenden zahntechnischen Produkte nicht in einem Labor von einem Zahntechnikermeister oder unter seiner Aufsicht hergestellt werden, führte dies nicht zur fehlenden Eignung der betroffenen Vorschriften. Denn selbst dann könnten sie immerhin zumindest noch in 35% der Fälle dazu beitragen, Gesundheitsgefahren abzuwehren.
Abgesehen davon behauptet auch der Kläger nicht, dass die dem Rückgang des Anteils in meistergeführten Labors hergestellter zahntechnischer Produkte zugrunde liegenden Entwicklungen bereits im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses vorgelegen hätten bzw. vom Gesetzgeber hätten vorausgesehen werden können. Dass die Voraussetzungen, unter denen das Ausbleiben einer Neuregelung nach einem - hier nicht einmal anzunehmenden - Verfassungswidrigwerden in der Vergangenheit mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbarer Normen verfassungswidrig ist,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12 u. a. -, GewArch 2017, 375 = juris, Rn. 84 f., m. w. N.,
hier gegeben sein könnten, ist nicht ersichtlich.
Zu Zweifeln in Bezug auf die Vorgängerregelung BVerfG, Beschluss vom 5.12.2005 - 1 BvR 1730/02 -, GewArch 2006, 71 = juris, Rn. 18 ff.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen europarechtlich beförderten Verdrängungswettbewerb, in dem sich das mit der Beschränkungsregelung angestrebte Niveau der Gefahrenabwehr im Zahntechnikerhandwerk nicht durchsetzen könnte. Vielmehr zielen schon Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a, 11 Buchstabe c Doppelbuchstabe ii, 13 Abs. 1 und 2, 14 i. V. m. Anhang II Nr. 2 zweiter Spiegelstrich zu den Regelungen für Deutschland der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen gerade darauf, für die Aufnahme und Ausübung des Berufs des Zahntechnikers ein vergleichbares Niveau herzustellen.
Vgl. zu hierzu bereits BT-Drs. 15/1206, Seite 42.
Hinzu kommt, dass entsprechend ihrem Erwägungsgrund Nr. 6 nach Art. 7 Abs. 4 RL 2005/36/EG bei reglementierten Berufen, welche die öffentliche Gesundheit oder Sicherheit berühren, die Berufsqualifikation vor der ersten Erbringung nachgeprüft werden kann und eine Anerkennung von Berufserfahrung nach Art. 16 ff. RL 2005/36/EG für die Gesundheitshandwerke nicht in Betracht kommt.
Vgl. auch Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 417 ff.
In Umsetzung dessen schließt § 2 Abs. 1 Satz 2 EU/EWR-HwV eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 7 Abs. 3 HwO zugunsten Staatsangehöriger von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anknüpfend an die Berufserfahrung aus.
Vgl. auch BR-Drs. 12/16, Seite 21 f., sowie Stork, in: Schwannecke [Hrsg.], HwO, 50. Erg. Lfg. 2016, § 9 Rn. 68.
Vor der Erteilung einer Ausnahmebewilligung auf der Grundlage von Ausbildungs- und Befähigungsnachweisen können nach § 5 EU/EWR-HwV Ausgleichsmaßnahmen einschließlich des Ablegens einer Eignungsprüfung verlangt werden, wenn wesentliche Unterschiede der ausländischen Qualifikation festzustellen sind. Für den Bereich der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen muss die zuständige Behörde gemäß § 8 Abs. 2 EU/EWR-HwV vor der ersten Dienstleistungserbringung in einem Gesundheitshandwerk die Berufsqualifikation des Erbringers prüfen, wenn unter Berücksichtigung der beabsichtigten Tätigkeit bei unzureichender Qualifikation eine schwere Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit der Dienstleistungsempfänger bestünde.
Vgl. auch BR-Drs. 12/16, Seite 35 f.
Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EU/EWR-HwV dürfen Dienstleistungen im Bereich der Gesundheitshandwerke erst erbracht werden, wenn die Behörde mitgeteilt hat, dass keine solche Prüfung beabsichtigt ist oder eine ausreichende Berufsqualifikation festgestellt wurde. Ggf. wird der Dienstleistungserbringer auch hier gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 EU/EWR-HwV auf eine Eignungsprüfung verwiesen.
bb)
Die streitigen Regelungen sind zur Gefahrenabwehr erforderlich.
Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit kann - anders, als bei den meisten anderen Handwerken -,
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 36,
keine Berücksichtigung finden, dass nach dem geltenden Recht der "Meisterzwang" durch zwei alternative, gleichrangige persönliche Eintragungsvoraussetzungen (§ 7 HwO einerseits, § 7b HwO andererseits) abgelöst worden ist, von denen der Gewerbetreibende die ihn am wenigsten belastende wählen kann. Denn diese Wahlmöglichkeit besteht für den Zahntechniker gerade nicht. Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 HwO i. V. m. Ziffer 37 der Anlage A ist der Zahntechniker ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich der "Altgesellenregelung" ausgenommen.
Vgl. zu den Gründen BT-Drs. 15/1206, Seite 29.
An der Erforderlichkeit fehlt es aber nur, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, mit dem das betreffende Grundrecht nicht oder weniger fühlbar eingeschränkt wird, wobei die sachliche Gleichwertigkeit bei Alternativen in jeder Hinsicht eindeutig feststehen muss.
Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12 u. a. -, GewArch 2017, 375 = juris, Rn. 105, m. w. N.
Derartige Alternativen sind vorliegend nicht ersichtlich. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit der Annahme, niedrigere Qualifikationsanforderungen seien zur Gefahrenabwehr nicht sicher ebenso geeignet, seinen verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 42, m. w. N.; wohl enger Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 248 f., 258.
Derart fehlsame Erwägungen sind nicht erkennbar. Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht durch, zahntechnische Produkte würden durch einen Zahnarzt weiterverarbeitet, der eine Haftung übernehme sowie eine Qualitätskontrolle vornehmen müsse und dadurch eine Gefährdung des Patienten ausschließe. Der Hinweis auf Sekundärrechtsschutz verfängt von vornherein nicht: Mängelbeseitigung und Schadensersatz sind kein gleich geeignetes Mittel zum beabsichtigten Schutz des Patienten vor Gesundheitsschäden.
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 33; siehe ferner Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 174.
Auch die Beschränkung auf die Kontrolle durch den Zahnarzt ist keine sachlich gleichwertige Alternative. Gesundheitsgefahren für den Patienten können beim Einsatz zahntechnischer Produkte in seinen Körper dadurch entstehen, dass bei ihrer Herstellung ungeeignete Materialien verwendet oder unsachgemäß verarbeitet worden sind. Dass sämtliche Fehler in diesem Bereich bei der zahnärztlichen Kontrolle vor dem Einsetzen in den Körper des Patienten hinreichend sicher auffallen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sind Fehler im zahntechnischen Herstellungsprozess im fertigen Endprodukt häufig nicht mehr erkennbar.
Vgl. Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 172.
In Übereinstimmung hiermit wird bei den Gesundheitshandwerken, bei denen eine unzureichende Handwerkstätigkeit weitreichende Folgen haben kann, von ganz engen Ausnahmefällen abgesehen, für jede Betriebsstätte eine ständige Meisterpräsenz verlangt.
Vgl. BGH, Urteil vom 17.7.2013 - I ZR 222/11 -, NJW-RR 2014, 108 = juris, Rn. 16 ff.
Ferner muss (auch außerhalb der Gesundheitshandwerke) der Betriebsleiter den Arbeitsablauf steuern, betreuen und überwachen und darf sich nicht etwa auf eine bloße Kontrolle des Arbeitsergebnisses beschränken.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.4.1991 - 1 C 50.88 -, BVerwGE 88, 122 = juris, Rn. 12; siehe auch Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 164 f.
Im Übrigen ist gegen die Einschätzung des Gesetzgebers, bei der Erreichung des Ziels der Abwehr von Gesundheitsgefahren der Patienten sei die Beschränkung der Kontrolle auf den einsetzenden Zahnarzt keine sachlich gleichwertige Alternative zur gleichsam "doppelbödigen" Kontrolle durch einen Meister im Herstellungsprozess und einen Zahnarzt bei der Einbringung in den menschlichen Körper, nichts zu erinnern. Insbesondere genügt hierzu nicht die pauschale Behauptung des Klägers, die Abschaffung des Meisterzwangs in Österreich und den Niederlanden habe keine Anzeichen für ein Absinken des Qualitätsstandards ergeben. Soweit der Kläger schließlich darauf verweist, der überwiegende Teil der zahntechnischen Produkte werde heute im CAD- Verfahren hergestellt, wobei die entsprechenden Geräte auch von jemandem bedient werden könnten, der keine zahntechnische Ausbildung habe, dringt er nicht durch. Abgesehen von der unzureichenden Substantiierung seines Vortrags begehrt der Kläger nicht die Feststellung, er sei berechtigt, zahntechnische Produkte im CAD-Verfahren herzustellen, sondern beantragt er die Feststellung, er sei berechtigt, das Zahntechnikerhandwerk im stehenden Gewerbe auszuüben. Hinzu kommt, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, inwieweit eine Fertigung mittels CAD-Verfahren u. a. die Benutzung ungeeigneter Materialien ohne Überwachung durch einen verantwortlichen Meister ausschließen kann.
Der Gesetzgeber musste es auch nicht als milderes Mittel erachten, angesichts der Regelungen des Medizinproduktegesetzes auf die hier in Rede stehenden Regelungen der Handwerksordnung zu verzichten. Jedenfalls ist diese gesetzgeberische Entscheidung nicht so fehlsam, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für diese Maßnahmen abgeben könnte. Zweck des Medizinproduktegesetzes ist es ausweislich seines § 1, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch u. a. die Patienten zu schützen. Die Regelungen der Handwerksordnung vermitteln diesen Schutz - daneben - dadurch, dass sie eine qualifizierte Aufsicht während des Herstellungsprozesses gewährleisten, indem sie eine ausreichende persönliche Qualifikation des Leistungserbringers bei handwerklicher Fertigung regeln. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV -. Nach § 3 MPBetreibV hat der Verpflichtete die ihm nach dieser Verordnung obliegenden Pflichten wahrzunehmen, um ein sicheres und ordnungsgemäßes Anwenden der in seiner Gesundheitseinrichtung am Patienten eingesetzten Medizinprodukte zu gewährleisten. Damit treten auch diese Regelungen neben und nicht an Stelle der auf den Herstellungsprozess bezogenen Gefahrenabwehr durch die Handwerksordnung.
Vgl. auch BVerwG, Urteile vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 36, und - 8 C 8.10 -, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 34 (jeweils zu u. a. Hygienevorschriften, Bestimmungen zum Verbraucherschutz und DIN- Vorschriften).
cc)
Die Verhältnismäßigkeit der Beschränkungsregelung im engeren Sinne ist ebenfalls zu bejahen. Um diesem Erfordernis zu entsprechen, muss bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits die gesetzliche Regelung insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit noch wahren; die Maßnahme darf also die Betroffenen nicht übermäßig belasten.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.6.2010 - 1 BvR 2011/07 u. a. -, BVerfGE 126, 112 = juris, Rn. 119 f.
Zwar haben infolge § 7b Abs. 1 Satz 1 HwO i. V. m. Ziffer 37 der Anlage A Gesellen nicht die Wahl, entweder den zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand für die Meisterprüfung auf sich zu nehmen oder eine mehrjährige praktische Berufstätigkeit mit Leitungsfunktion zu absolvieren.
Vgl. zu diesem Gesichtspunkt bei anderen Handwerken BVerwG, Urteile vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 37, und 8 C 8.10, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 35, sowie Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 42, m. w. N.; zur fehlenden Wahlmöglichkeit bereits zuvor unter Doppelbuchstabe bb).
Die Belastung der Betroffenen besteht im Wesentlichen in einem erheblichen zeitlichen, fachlichen und finanziellem Aufwand für das Absolvieren der Meisterprüfung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 37. Bulla, Freiheit der Berufswahl, 2009, Seite 246, m. w. N., quantifiziert die finanzielle Belastung einschließlich des fiktiv entgangenen Gewinns und des Unterhaltsbedarfs mit ca. 50.000,00 Euro.
Jedoch wird den Betroffenen weitgehend nur etwas zugemutet, wozu sie sich bei verständiger Würdigung ohnehin aus eigenem Entschluss veranlasst sehen müssten. Eine Regelung, die von ihnen verlangt, dass sie den Besitz eben dieser Fertigkeiten und Kenntnisse nachweisen, ist so sehr der besonderen Situation gerade dieses Berufs angepasst, dass die darin liegende Freiheitsbeschränkung gegenüber dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsinteressen jedenfalls vergleichsweise nur geringes Gewicht hat.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 - 1 BvL 44/55 -, BVerfGE 13, 97 = juris, Rn. 45.
Den verbleibenden Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit steht das überragend wichtige und in der Gesamtabwägung demnach überwiegende Gemeinwohlziel des Schutzes von Leben und Gesundheit gegenüber. Im Rahmen dieser abschließenden Würdigung der Freiheitsbeschränkung, die das Gesetz demjenigen auferlegt, der die Betätigung im (Zahntechniker-)Handwerk als Lebensberuf gewählt hat, dürfen auch Gesichtspunkte nicht außer Betracht bleiben, die geeignet sind, das Gewicht dieser Beschränkung weiter zu mildern: Abgesehen davon, dass auch der Handwerker ohne Meisterprüfung sowohl im Handwerk wie in der Industrie tätig sein kann, eröffnet das Gesetz selbst vor allem die Möglichkeit, dass der Berufsbewerber den Nachweis der zur selbständigen Ausübung eines Handwerks erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten "in Ausnahmefällen" auf andere Weise erbringen kann als durch die Meisterprüfung (vgl. § 7 Abs. 2, § 8 HwO).
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 - 1 BvL 44/55 -, BVerfGE 13, 97 = juris, Rn. 57.
b)
Es liegt keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Weder der Vortrag des Klägers, noch Besonderheiten des Zahntechnikerhandwerks geben Anlass, die bisherige, eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG verneinende Rechtsprechung,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 - 1 BvL 44/55 -, BVerfGE 13, 97 = juris, Rn. 61 ff., BVerwG, Urteile vom 31.8.2011 - 8 C 8.10 -, BVerwGE 140, 267 = juris, Rn. 37, und - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 38 ff., sowie Urteil vom 9.4.2014 - 8 C 50.12 -, BVerwGE 149, 265 = juris, Rn. 43 ff., m. w. N.,
in Frage zu stellen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf die zahnärztlichen Praxislabore verweist, dringt er nicht durch. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Herstellung von Zahnersatz neben den Zahntechnikermeistern im Rahmen ihres Handwerksbetriebs auch den Zahnärzten für deren eigene Patienten in praxiseigenen Labors gestattet ist. Die Aufnahme zahntechnischer Arbeiten für die eigene Praxis ist nicht von der Eintragung des Zahnarztes in die Handwerksrolle abhängig, ohne dass dies einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt. Denn auch der Zahnarzt, dem die zahntechnischen Leistungen seines Labors zuzurechnen sind, darf diese, ähnlich wie der Zahntechnikermeister nur aufgrund seiner mehrjährigen Fachausbildung erbringen. Der Gesetzgeber darf zwar, muss aber nicht zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter subjektive Zulassungsvoraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf, wie sie die Handwerksordnung enthält, einführen. Noch weniger ist er gehalten, von seiner Regelungsbefugnis erschöpfend oder in einheitlich bestimmender Weise Gebrauch zu machen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.5.1979 - 5 C 16.79 -, BVerwGE 58, 93 = juris, Rn. 19 f.; Detterbeck, WiVerw 2017, 153 ff., 159 ff.
In Bezug auf das Zahntechnikerhandwerk liegt auch keine relevante Schlechterstellung deutscher Handwerker im Vergleich zu solchen aus dem europäischen Ausland vor. Auf die Ausführungen oben unter 2. a) aa) wird Bezug genommen.
Vgl. auch bereits BayVGH, Beschluss vom 31.3.2004 - 22 ZB 03.2260 -, GewArch 2004, 259 = juris, Rn. 1 (zur EU/EWR-HwV a. F.).
Jenseits dessen liegt ein verbleibende Ungleichbehandlungen rechtfertigender gewichtiger sachlicher Grund darin, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit durch Europarecht gebunden war.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2011 - 8 C 9.10 -, BVerwGE 140, 276 = juris, Rn. 44.
Die Beibehaltung des "Meisterzwangs" für den Bereich der Gesundheitshandwerke zielte im Übrigen geradezu darauf, Sorge zu tragen, dass Inländer über die Befähigung verfügen, die im EU/EWR-Raum die Anerkennung ermöglicht.
Vgl. BT-Drs. 15/1206, Seite 42.
Es kann auch keine rechtlich erhebliche, Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Inländerdiskriminierung festgestellt werden, weil vom Ausland aus zulassungsfrei nach Deutschland hinein gearbeitet werden darf - also jenseits der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit etwa durch Lieferung im Ausland hergestellter zahntechnischer Produkte an einen Zahnarzt in Deutschland - und nur der Inländer dem benachteiligenden Meisterzwang unterliegt. Der Gesetzgeber ist nämlich nur verpflichtet, in seinem Herrschaftsbereich den Gleichheitssatz zu wahren.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.2.1960 - 1 BvR 239/52 -, BVerfGE 10, 354 = juris, Rn. 62.
II.
Die der vom Kläger begehrten Feststellung entgegenstehenden Regelungen der Handwerksordnung werden auch nicht durch die Regelungen des Medizinproduktegesetzes verdrängt oder unanwendbar.
Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Zahntechnik allein eine Beschränkung auf die Regelungen des Medizinproduktegesetzes unter Ausschaltung der allgemeinen Regelungen der Handwerksordnung hätte anordnen wollen, gibt es nicht. Aus dem Verbleib des Zahntechnikerhandwerks in der Anlage A zur Handwerksordnung im Rahmen der HwO-Novelle 2004 - und damit in Kenntnis der Geltung des 1994 in Kraft getretenen Medizinproduktegesetzes - ergibt sich vielmehr das Gegenteil.
Wie bereits ausgeführt, treten die handwerksrechtlichen Vorschriften bei handwerklicher Fertigung neben die Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes und der Medizinprodukte-Betreiberverordnung. Insoweit besteht nicht die vom Kläger behauptete Spezialität des Medizinprodukterechts. Auf die Ausführungen unter I. 2. a) bb) wird verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegen.