Urteilstext
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten für Reparaturen an früher eingesetzten Zahnimplantaten.
Im Jahre 1992 hatte die beklagte Betriebskrankenkasse der bei ihr krankenversicherten Klägerin einen Zuschuss von 60% zu den Kosten für eine implantologische Versorgung gewährt. Dabei werden Zahnlücken dadurch überbrückt, dass Stützen aus Metall oder Keramik in den Kieferknochen eingepflanzt werden, an denen Kronen, Brücken oder Prothesen (sog Suprakonstruktionen) befestigt werden; dazwischen können stoßdämpfende Ausgleichselemente notwendig sein. In den Jahren 1993 und 1995 hatten Implantatteile ersetzt werden müssen; auch zu diesen Kosten hatte die Beklagte Zuschüsse geleistet.
Einen erneuten Kostenzuschuss zu einer ähnlichen Reparatur im März 1997 lehnte die Beklagte jedoch ab (Bescheid vom 7. April 1997, Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1997). Die Klage hatte auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg (Urteil vom 18. Dezember 2001). Zur Begründung hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, die implantologische Zahnbehandlung einschließlich eventueller Folgebehandlungen zuvor eingegliederter Implantate habe im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1997 nicht zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. Die einschlägigen Gesetzesfassungen böten keine Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der erstmaligen Versorgung mit implantologischen Leistungen und Folgebehandlungen zu differenzieren sei. Das werde durch die Begründung des Beitragsentlastungsgesetzes -BeitrEntlG- vom 1. November 1996 (BGBl I 1631) und durch die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung von Versicherten mit implantologischer Erstversorgung vor bzw nach dem 1. Januar 1997 bestätigt. Selbst wenn vor diesem Stichtag ein Leistungsanspruch für Implantate bestanden haben sollte, sei der Gesetzgeber nicht gehindert gewesen, den Leistungsumfang einzuschränken, denn es gebe keinen verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz in den Fortbestand von Leistungsgesetzen. Aus ähnlichen Gründen sei die Beklagte durch die früher gewährten Zuschüsse nicht verpflichtet gewesen, erneut einen Zuschuss zu leisten; die entsprechenden Zusagen seien auf die jeweilige Behandlungsmaßnahme beschränkt gewesen.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 28 Abs 2 iVm § 30 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der nach der Gesetzesfassung vor dem 1. Januar 1997 bestehende Anspruch auf implantologische Leistungen, von dem auch der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) ausgegangen sei (Hinweis auf BSG SozR 3-5555 § 12 Nr 5 S 28), schließe spätere Instandhaltungsmaßnahmen an bereits eingebrachten Implantaten mit ein. Einer Einschaltung der Beklagten vor der im März 1997 durchgeführten Maßnahme habe es nicht bedurft, nachdem über die Notwendigkeit der implantatgestützten Versorgung durch die Kostenzusage vom Oktober 1992 verbindlich entschieden gewesen sei. Da die Eingliederung von Implantaten nicht rückgängig gemacht werden könne, müsse sich die Beklagte an der Entscheidung über die Erstversorgung festhalten lassen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide sowie der Urteile der Vorinstanzen zur Zahlung von 247,89 € zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen - das LSG nach Zulassung der Berufung durch das Sozialgericht - haben zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Kostenerstattung für die im März 1997 durchgeführte implantologische Maßnahme nicht zusteht.
Als Anspruchsgrundlage kommt nur § 13 Abs 3 SGB V in Frage, nachdem die Klägerin sich die in Rede stehende Behandlung auf einem anderen als dem gesetzlich vorgesehenen Weg selbst beschafft hat. Nach § 30 Abs 3 SGB V in der vom 1. Januar 1993 bis einschließlich 2. Januar 1998 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) wurde Zahnersatz entgegen der irreführenden Überschrift ("Kostenerstattung bei Zahnersatz") und ungeachtet der vom Versicherten zu leistenden Eigenbeteiligung von den Krankenkassen als Sachleistung gewährt. Zahnersatzbehandlungen waren Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung (§ 73 Abs 2 Nr 2, § 88 Abs 3 SGB V), und der gesetzliche Zuschuss war nicht an den Versicherten oder den Zahnarzt, sondern gemäß § 30 Abs 3 SGB V zu Gunsten des Versicherten an die Kassenzahnärztliche Vereinigung zu zahlen (so bereits Senatsurteil vom 19. Juni 2001 - BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 6 S 33 f mwN). Im Behandlungszeitpunkt kam daher eine Kostenerstattung auch bei Zahnersatz grundsätzlich nur nach Maßgabe der in § 13 Abs 2 und Abs 3 SGB V ausdrücklich normierten Durchbrechungen des Sachleistungsprinzips in Betracht.
Für einen Anwendungsfall von § 13 Abs 2 SGB V in der bis zum 1. Juli 1997 geltenden Fassung des GSG und für die Ausübung des darin vorgesehenen Wahlrechts durch die Klägerin bieten weder der klägerische Vortrag noch die Verfahrensakten irgendwelche Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat die streitige Behandlung begonnen, ohne sich vorher mit der Krankenkasse ins Benehmen zu setzen, um dieser die Gewährung als Sachleistung zu ermöglichen. § 13 Abs 3 SGB V gewährt einen Kostenerstattungsanspruch für den Ausnahmefall, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Die Kosten müssen dadurch entstanden sein, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder dass sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl Senatsurteil vom 20. Mai 2003 - B 1 KR 9/03 R, zur Veröffentlichung bestimmt mwN). So liegt der Fall hier. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat die Klägerin einen Antrag auf Kostenübernahme erst nach dem Austausch von Implantatteilen im März 1997 gestellt. Das spricht dafür, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden eine Kostenerstattung bereits wegen des fehlenden Kausalzusammenhanges zu Recht verneint hat. Soweit die Revision dem entgegenhält, dass die Beklagte den Anspruch sowieso abgelehnt hätte, berücksichtigt sie nicht die dazu ergangene Rechtsprechung (vgl nochmals Senatsurteil aaO).
Ob sich an diesem Ergebnis etwas ändern würde, falls die Beklagte schon früher Kosten für implantologische Leistungen erstattet hätte, ohne dass sie vor der Behandlung eingeschaltet gewesen wäre, kann der Senat offen lassen. § 13 Abs 1 SGB V verpflichtet sowohl den Versicherten als auch die Krankenkasse zur Einhaltung des Sachleistungsprinzips; das könnte einer Auslegung entgegenstehen, die der Krankenkasse die Einführung des Kostenerstattungsverfahrens durch praktisches Verwaltungshandeln erlaubt. Andererseits muss sich der Versicherte auf eine ständige Verwaltungspraxis verlassen dürfen. Welchem dieser Gesichtspunkte der Vorzug gebührt, braucht hier indes nicht abschließend entschieden zu werden, weil der Kostenerstattungsanspruch jedenfalls daran scheitert, dass die implantologische Versorgung im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthalten ist.
Der Senat hat mit Urteilen vom 19. Juni 2001 entschieden, dass der Anspruch auf implantologische Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem 1. Januar 1997 durch § 28 Abs 2 Satz 4 SGB V in der Fassung des BeitrEntlG vom 1. November 1996 (BGBl I 1631) bzw seit dem 1. Juli 1997 durch § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V in der Fassung des Zweiten GKV-Neuordnungsgesetzes (2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997 - BGBl I 1520) regelmäßig auch in den Fällen ausgeschlossen ist, in denen dem Versicherten - etwa wegen einer Kieferatrophie - aus medizinischen Gründen anders als mit Implantaten nicht geholfen werden kann; im Vergleich zum Leistungsanspruch in den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten Ausnahmefällen oder in den Fällen konventionell möglichen Zahnersatzes liege darin keine verfassungswidrige Benachteiligung (BSGE 88, 166, 168 ff = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 29 ff; BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 6 S 39 ff). Dabei hat der Senat nicht nur auf den grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung hingewiesen. Vielmehr hat er einen sachlichen Grund für die Differenzierung in der im Vergleich zur konventionellen Versorgung anderen und teureren Technik gesehen, die einerseits mit höherem Tragekomfort und verbesserter Kaufunktion einhergehe und die andererseits noch relativ neu sei, sodass Langzeitstudien über Haltbarkeit und Funktion erst Ende der neunziger Jahre vorgelegt worden seien (BSGE 88, 166, 171 = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-2500 § 28 Nr 6 S 41 mwN). Insofern hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest.
Demnach steht § 28 Abs 2 Satz 4 SGB V in der vom 1. Januar bis 30. Juni 1997 geltenden Fassung dem Sachleistungsanspruch der Klägerin entgegen. Die Revision kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte sei unter dem Gesichtspunkt der Folgebehandlung zur Leistung verpflichtet.
Eine ausdrückliche Bewilligungsentscheidung der Beklagten für alle implantologischen Folgemaßnahmen im Zusammenhang mit der implantologischen Erstversorgung im Jahre 1992 ist vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin nicht behauptet. § 28 Abs 2 Satz 4 SGB V bietet auch unter Berücksichtigung der späteren Fassung des § 28 Abs 2 Satz 9 SGB V keine Handhabe, den darin enthaltenen Leistungsausschluss nur auf implantologische Erstversorgungen zu beziehen, denn es sind ausdrücklich alle implantologischen Leistungen angesprochen. Die mögliche Ungenauigkeit in der Gesetzesbegründung zum BeitrEntlG, in der von wirtschaftlicheren Behandlungsalternativen als Implantaten die Rede ist (BT-Drucks 13/4615 S 9), erlaubt keine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts, weil dieser keinerlei Hinweis auf einen entsprechenden Vorbehalt enthält und weil der Gesetzgeber schon wenig später, nämlich in der Begründung zum 2. GKV-NOG, sinngemäß eingeräumt hat, dass Alternativen zu Implantaten nicht in allen Fällen zur Verfügung stehen (BT-Drucks 13/7264 S 59; dazu auch BSGE 88, 166, 169 f = SozR 3-2500 § 28 Nr 5 S 29). Auch wenn der Gesetzgeber letzte Zweifel hinsichtlich seiner Absichten erst in der Begründung zu § 30 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 ausgeräumt hat (vgl BT-Drucks 14/1245 S 65 zum GKVRefG 2000 vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626), lässt sich der am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Ausschluss nicht anders als auf sämtliche implantologischen Leistungen beziehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus systematischen Überlegungen. Wie der Senat schon wiederholt entschieden hat, bestimmt sich der Behandlungsanspruch nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behandlung (Urteil vom 25. März 2003 - B 1 KR 17/01 R, zur Veröffentlichung bestimmt; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70; BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12); derselbe Zeitpunkt ist auch für die Zuständigkeit des Leistungsträgers maßgebend (BSGE 89, 86, 87 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 4 S 18 f). Daher dürfen Bewilligungsentscheidungen grundsätzlich nur auf den sie auslösenden Behandlungsbedarf bezogen werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 12 S 59 ff). Mit dessen Beseitigung ist auch die Wirkung der entsprechenden Bewilligungsentscheidung erschöpft; ein erneuter Behandlungsbedarf löst eine erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage aus.
Implantologische Leistungen bilden insoweit keinen Sonderfall. Allerdings können einmal in den Kieferknochen einzementierte Stützen regelmäßig nur noch mit erheblichem Aufwand oder gar nicht mehr entfernt werden, sodass der Versicherte, der sich zu einer implantologischen Erstversorgung entschlossen hat, die weiteren sich daraus möglicherweise jahrzehntelang ergebenden Erhaltungs- und Reparaturmaßnahmen nicht vermeiden kann. Das ist jedoch bei anderen Behandlungsmaßnahmen, die wie etwa eine Operation endgültige Veränderungen im Körper des Patienten bewirken, nicht wesentlich anders; auch darin kann eine endgültige Weichenstellung für weitere medizinische Leistungen liegen. Dennoch können einem Versicherten, der sich im Vertrauen auf gewisse unterstützende Leistungen seiner Krankenkasse operieren lässt, deshalb nach dem Wegfall dieser Leistungen keine weitergehenden Ansprüche zustehen als einem Versicherten, bei dem derselbe Unterstützungsbedarf auftritt, ohne dass er operiert wurde. Der Zwang, bereits vorhandene Implantate reparieren zu lassen, ist unter dem krankenversicherungsrechtlichen Gesichtspunkt des Behandlungsbedarfs genauso zu beurteilen wie der durch die medizinische Unmöglichkeit konventionellen Zahnersatzes begründete Zwang zu einer implantologischen Erstversorgung. Deshalb gelten für diesen Fall dieselben Grundsätze, die der Senat bereits in den Urteilen vom 19. Juni 2001 entwickelt hat.
Die Person des Kostenträgers ist für die hier zu entscheidende Frage unerheblich, sodass es nicht darauf ankommt, ob die Beklagte, eine andere gesetzliche Krankenkasse, eine private Krankenversicherung oder der Versicherte selbst die Erstversorgung finanziert hat und auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen ist. Folgeverpflichtungen der gesetzlichen Krankenkassen aus früheren Behandlungen hat der Senat bisher nur unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung erwogen; das würde voraussetzen, dass sich die frühere Leistung als hoheitlicher Eingriff darstellt, weil sie auf Grund einer zwingend vorgeschriebenen Vorgehensweise zu einer Gesundheitsschädigung des Versicherten geführt hat (BSGE 85, 66, 70 = SozR 3-2500 § 30 Nr 10 S 41). Da hiervon bei der Klägerin keine Rede sein kann, bleibt es dabei, dass der Anspruch der Klägerin ausgeschlossen ist. Im Übrigen bestätigt diese Überlegung das Ergebnis, dass die Art der früheren Versorgung keine Differenzierung des jetzigen Behandlungsbedarfs erlaubt. Denn die gesetzliche Krankenversicherung ist in erster Linie eine Pflichtversicherung, in die der Versicherte von Gesetzes wegen einbezogen wird. Unterschiedliche Leistungsansprüche von Versicherten mit gleichem aktuellen Behandlungsbedarf, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von der Versicherungspflicht erfasst und die deshalb bisher von verschiedenen Kostenträgern betreut wurden, bedürften einer eingehenden Rechtfertigung, für die im Fall der implantologischen Versorgung keine Anhaltspunkte bestehen.
Da die Vorinstanzen den Anspruch zu Recht abgelehnt haben, war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.