Urteilstext
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft –oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 23.05.2021 zu zahlen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4.
Das Urteil ist bezüglich des Unterlassungsanspruchs Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- €. Im Übrigen ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist ein Verein, der sich satzungsgemäß unter anderem der Durchsetzung von Verbraucherinteressen und -rechten widmet und leitet seine Klagebefugnis aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG her.
Die Beklagte, eine Gruppe von Behandlungszentren für ästhetische Medizin, tritt unter dem Zeichen „....“ auf und erbringt durch angestellte Ärzte medizinische Leistungen. Sie unterhält zu Werbezwecken die unter der Domain .... geschaltete Internetseite sowie u.a. einen Account in dem sozialen Netzwerk Instagram. Dort wirbt die Beklagte für verschiedene ästhetische Behandlungen, so wird eine Vorher-Nachher-Abbildung von Kinn und Nase gezeigt, auf die Anlage K 2 wird Bezug genommen.
Der Kläger erkannte hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbe- und Wettbewerbsrecht und sprach eine Abmahnung mit der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 22.02.2021 aus. Dies lehnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.03.2021 ab.
Der Kläger ist der Ansicht, durch diese Werbung mit Fotos für einen operativen plastischchirurgischen Eingriff, die eine Patientin vor und nach der Behandlung zeigen, habe die Beklagte gegen § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG verstoßen. Auch das Unterspritzen der Haut mit Hyaluronsäure mittels einer Kanüle unterfalle diesem Verbot. Es handele sich um einen – mit einem Gefährdungspotential für die Patienten einhergehenden - instrumentellen Eingriff zur Form- und Gestaltsveränderung und nicht lediglich um eine ästhetische Behandlung, die auch ein Kosmetiker vornehmen könne. Dem angesprochenen Verkehr werde durch die Werbung der Eindruck eines operativen Eingriffs vermittelt.
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft –oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd für operative plastisch-chirurgische Eingriffe zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 2;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 374,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Die Beklagte ist der Auffassung, bei der streitgegenständlichen Werbung handele es sich ausschließlich um die Darstellung einer ästhetischen Behandlung der Nase durch Unterspritzung, die mangels Vorliegen eines operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs im Sinne von § 1 HWG nicht dem Werbeverbot des HWG unterfalle.
Auch die Kommentierungen zu den Vorher-Nachher-Fotos zeige, dass ausschließlich mit Unterspritzungen gearbeitet werde (Bl. 40). Auch wenn einzelne Nutzer die Behandlung als OP bezeichneten, folge hieraus kein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG zu.
Der Kläger ist klagebefugt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Unstreitig handelt es sich bei dem Kläger um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne dieser Norm.
Der Beklagten liegt eine unlautere Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG zur Last, da sie durch die streitgegenständliche geschäftliche Handlung gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG verstoßen hat.
Das in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG normierte Werbeverbot ist im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt, im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ziel der dem Gesundheitsschutz dienenden Regelung ist es zu vermeiden, dass sich die Verbraucher unnötigen Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (OLG Koblenz, GRUR-RR 2017, 32, Rn. 4).
Bei der Vorher-Nachher-Werbung der Beklagten wie aus Anlage K 2 ersichtlich handelt es sich um eine Werbung für einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Ein solcher liegt vor bei einem instrumentellen Eingriff am oder im Körper des Menschen, mit dem Form- und Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden (Meyer, Das Verbot von VorherNachher-Bildern bei Schönheitsoperationen, GRUR 2006, 1007). Ein solcher Eingriff setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, dass eine Operation vorgenommen wird in dem Sinne, dass mit einem Skalpell die gewünschte Form- oder Gestaltveränderung des Körpers herbeigeführt wird. Vielmehr ist ein instrumenteller Eingriff auch dann gegeben, wenn die Formveränderung durch eine Unterspritzung vorgenommen wird.
Auch dabei handelt es sich um einen instrumentellen Eingriff am Körper eines Menschen, da die Unterspritzung unter die Haut vorgenommen wird – anders als bei einer kosmeti- schen Behandlung an der Hautoberfläche. Eine solche Einordnung trägt dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung, mit dem Werbeverbot solche Eingriffe zu erfassen, bei denen das Risiko einer ernsthaften Gesundheitsgefährdung gegeben ist (Meyer, a.a.O). Mit vergleichenden Darstellungen vor und nach dem Eingriff darf nicht geworben werden, weil dies insbesondere bei jüngeren Menschen einen erheblichen Anreiz auslösen kann, sich unter Inkaufnahme gesundheitlicher Risiken ebenfalls solchen Eingriffen zu unterziehen, obwohl der Erfolg möglicherweise nicht der Gleiche sein wird (Fritzsche, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 11 HWG Rn. 51).
Dass auch der von der Werbung angesprochene Verkehr von einem instrumentellen und nicht rein kosmetischen Eingriff ausgeht, zeigen die Kommentare zu den Vorher-Nachher-Fotos der Anlage K 2, bei denen die Nutzer nach dem Preis der „OP“ fragen.
Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen, da die Regelung des § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 HWG dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dient.
Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ist aus § 13 Abs. 3 UWG begründet, der Höhe nach ist er unstreitig.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.