Urteilstext
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zur Vollstreckung an dem Geschäftsführer) zu unterlassen:
a) Im geschäftlichen Verkehr auf Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie hinzuweisen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
b) Im geschäftlichen Verkehr Herrn Doktor F. als „Leiter der Abteilung für Oral-& Mund Kiefer Gesichtschirurgie“ oben der Beklagten zu bewerben, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 553,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 267,50 seit 18.01.2018 und aus weiteren € 265,50 seit 04.04.32018 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.
Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs F. mit Sitz in B., zu deren Mitgliedern die Landesärztekammer, die Landeszahnärztekammer, die Bundesärztekammer, die Bundeszahnärztekammer, die Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund und Kieferbereich e.V. und die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. unter anderem gehören. Die Beklagte betreibt eine Klinik in ... . Der Geschäftsführer der Beklagten, Doktor F., ist Zahnmediziner und Leiter der Abteilung der Beklagten für Oralchirurgie. Die Beklagte hat in der Zeit bis zum 8. Dezember 2017 auf der Startseite ihrer Homepage eine Rubrik „Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie“ vorgesehen und wurde diesbezüglich von der Klägerin mit Schreiben vom 12.7.2017 abgemahnt (K1). Im Verlauf des Rechtsstreits hat sie ihre Internetseite umstrukturiert und den Hinweis auf die Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie entfernt.
In einer Werbeanzeige in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 20.1.2018 (K7) suchte die Beklagte Patienten für Zahnimplantate für die Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Zahnärzten. Die Materialkosten würden von der S. Klinik übernommen ... . Die Kursleitung und operative Eingriffe würden durchgeführt von Doktor R. F., Fachzahnarzt für Oralchirurgie, S. Klinik, Leiter der „Abteilung für Oral- & Mund Kiefer Gesichtschirurgie“ (Aktenseite 73). Die Klägerin hat die Beklagte diesbezüglich mit Schreiben vom 1.2.2018 abgemahnt (Aktenkonvolut K8).
Die Facharztbezeichnung für den Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie setzt das Studium der Humanmedizin und Zahnmedizin voraus. Der Bereich Oralchirurgie stellt ein zahnärztliches Fach dar, Voraussetzung ist das Studium der Zahnmedizin. Der Geschäftsführer der Klägerin ist Zahnmediziner.
Die Beklagte hat Kontakt zu Herrn Professor B., einem Klinikarzt in Lyon.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr werbend auf Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie hinzuweisen, wie sie es an prominenter Stelle auf der Startseite Ihrer Homepage bereits getan habe, obwohl bei ihr ein Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie nicht dauerhaft angestellt sei. Nach den berechtigten Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise gehe der informierte Verbraucher bei einer Klinik, die mit der Bezeichnung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie werbe, berechtigterweise davon aus, die betreffende Abteilung verfüge über eine gewisse organisatorische Größe und entsprechende personelle Ausstattung. Diese Voraussetzungen erfülle die Beklagte keinesfalls, unabhängig davon, inwieweit die Beklagte Herrn Professor B., Lyon, zur Behandlung von Einzelfällen hinzuziehe. Bereits die Frage, ob eine Hinzuziehung eines Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen im Einzelfall erforderlich sei, gehöre in den Bereich der Humanmedizin, der von den bei der Beklagten beschäftigten Fachärzten, Zahnmedizinern, nicht abgedeckt werden könne. Fraglich sei, worauf es allerdings im Ergebnis nicht mehr ankomme, ob Herr Professor B. gemäß § 10 Buchst. b Abs. 1 Z. 3 und 4 BOÄ entsprechend beruflich qualifiziert sei bzw. über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge um eine Behandlung in Deutschland in zulässiger Weise vornehmen zu können. Auch wenn der Verbraucher nach eingehender Recherche des Internetauftritts der Beklagten selbst feststellen könne, dass dem Ärzteteam der Beklagten tatsächlich keine Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie dauerhaft angehörten, würde er durch die Werbung, wie die Beklagte sie vornehme, in die Irre geleitet werden. Der Verbraucher rechne bei dem Hinweis auf eine Mund-,Kiefer und Gesichtschirurgie auf der Homepage der Beklagten mit einer dort befindlichen eigenen Abteilung mit entsprechendem fachlichen Know-how und entsprechend fachlich ausgebildeten Ärzten.
Bezeichne sich der Geschäftsführer der Beklagten als Leiter der Abteilung für Mund Kiefer und Gesichtschirurgie, obgleich er als ausgebildeter Zahnmediziner eine ärztliche Behandlung in diesem Bereich nicht vornehmen könne und eine Weiterbehandlung durch entsprechend im Einzelfall hinzugezogene Fachärzte nicht selbst vornehmen könne, sei das mit den Annahmen der angesprochenen Verkehrskreise nicht zu vereinbaren, weshalb auch diese Werbung zu unterlassen sei.
Die Klägerin beantragt nach Klageerweiterung zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens Euro 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre, zur Vollstreckung an den Geschäftsführer) zu unterlassen:
Im geschäftlichen Verkehr auf Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie hinzuweisen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
Im geschäftlichen Verkehr Herrn Doktor R. F. als „Leiter der Abteilung für Oral-& Mund Kiefer Gesichtschirurgie“ oben der Beklagten zu bewerben, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
Die Beklagte beantragt Klagabweisung.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Die ursprüngliche Werbung auf der Homepage der Beklagten stelle keine irreführende Werbung dar, da der durchschnittlich informierte Verbraucher unter dem Team der Klinik die dort fest angestellten Ärzte und deren Facharztzusatz ohne weiteres feststellen könne. Tatsächlich habe die Beklagte die Möglichkeit, über Professor B., Lyon, einen Facharzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie hinzuzuziehen, was in der Vergangenheit auch durchaus schon der Fall gewesen sei. Die Werbung mit der besonderen Leistung der Klinik im Bedarfsfall sei daher inhaltlich korrekt.
Wegen des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
Die Klägerin macht berechtigterweise im Rahmen der ihr zustehenden Verbandsklagebefugnis Ansprüche ihrer Mitglieder nach §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte geltend.
Die Klägerin, ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen kann eigene wettbewerbsrechtliche Ansprüche nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG geltend machen, da ihr eine erhebliche Zahl von Dienstleistern angehört, die der Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Die Klägerin hat mit ihrer Replikschrift vom 22.03.2018 vorgetragen, unter ihren Mitgliedern befänden sich auch die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg und die Landesärztekammer Baden-Württemberg, die Bundesärztekammer und die Bundeszahnärztekammer, außerdem die Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn- und Kieferbereich e.V. sowie die Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie e.V. Der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband braucht nicht nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt zu sein. Es reicht aus, wenn der vermittelnde Verband von seinen Mitgliedern mit der Wahrnehmung ihrer gewerblichen Interessen beauftragt ist (BGH, Urteil vom 16.03.2006 - I ZR 103/03). So liegt der Fall hier. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.03.2018, dem Gericht im Verhandlungstermin übergeben am 15.5.2018, diesen substantiierten Sachvortrag bestreitet, ist ihr Vorbringen verspätet, §§ 132 Abs. 1, 296 Abs. 2, 282 ZPO und kann daher keine Berücksichtigung finden. Die Replikschrift der Klägerseite vom 22.03.2018 war der Gegenseite ausweislich EB Bl. 79 bereits am 03.04.2018 zugegangen. Ein rechtzeitiges Bestreiten hätte es dem Gericht ermöglicht, zum Verhandlungstermin vom 15.05.2018 die zum Nachweis klägerseits benannte Zeugin Rechtsanwältin K. (Aktenseite 63) zu laden. Es ist allein Sache der Klägerin, wie sie bestrittene Tatsachenbehauptungen unter Beweis stellt, der Vorlage von Kopien von Mitgliedschaften bedurfte es nicht. Schließlich ist die Verspätung der Duplik auch nicht ausreichend entschuldigt mit höherem Arbeitsanfall aufgrund der Beschäftigung mit der neuen Datenschutzgrundverordnung.
Die Gestaltung der Homepage der Beklagten unter Hinweis auf die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an prominenter Stelle stellt eine geschäftsähnliche Handlung Sinn von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Nach dieser Regelung ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. Die Angabe des Begriffs Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie dient als Werbung für ärztliche Dienstleistungen der Beklagten, die deren Dienstleistungen objektiv fördern sollen.
Die beanstandete Angabe stellt auch eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 3 UWG dar. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung unter anderem dann irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Dienstleistung (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG) und über die Eigenschaften des Unternehmers (§ 5 Absatz ein S. 2 Nr. 3 UWG) enthält. Zu Ermittlung der insoweit maßgeblichen Verkehrsauffassung ist auf den normalen, verständigen, informierten und aufmerksamen Durchschnittsverbraucher abzustellen. Dies kann die Kammer aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, denn die Kammer gehört zu den angesprochenen Verkehrskreisen. Nach eigener Prüfung und Abwägung der relevanten Umstände ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angabe der beanstandeten Begriffe auf der Homepage der Beklagten zur Täuschung geeignet ist. Der normal informierte und angemessen aufmerksame Internetnutzer kann bei dem Internetauftritt der Beklagten nicht deutlich erkennen, dass der Beklagten, einer Klinik, ein Mund-, Kiefer- oder Gesichtschirurg gar nicht angehört. Mit dem Internetauftritt löst die Beklagte eine Verwirrung des Internet Users dahingehend aus, ob die Beklagte personell ausreichend ausgestattet ist, Erkrankungen im Bereich Mund-, Kiefer-. Gesichtschirurgie vor Ort durch Fachärzte behandeln zu lassen. Die Erwähnung der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie neben der Oralchirurgie lässt berechtigterweise darauf schließen, die Beklagte verfüge über verschiedene Abteilungen, neben der Oralchirurgie auch der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie mit der Folge, dass vor Ort Fachärzte der Beklagten angehören, die über eine entsprechende Facharztausbildung der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie verfügen und daher in der Lage sind, Erkrankungen fachgerecht zu behandeln. Dies ist zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung unstreitig nicht der Fall. Der Verstoß ist geeignet, Patienten als Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen. Mag der Patient auch die unrichtige Vorstellung durch Anklicken der Rubrik „Team der Klinik“ mit der Auflistung der bei der Beklagten aktuell tätigen Fachärzte und deren Bezeichnung selbst ermitteln können, wird die bereits von der Beklagten veranlasste Irreführung hierdurch nicht beseitigt. Unerheblich ist es, ob und inwieweit die Beklagte Kontakt zu Herrn Professor B., Lyon, hat und diesen im Einzelfall zur medizinischen Behandlung hinzuziehen kann. Die von der Beklagten bei dem Verbraucher hervorgerufene Vorstellung, die Beklagte sei im Facharztbereich mit bei ihr regelmäßig tätigen Fachärzten im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ausgestattet, kann nicht erfüllt werden mit der vereinzelten Hinzuziehung eines in Lyon ansässigen Facharztes, weshalb es auf den Streit der Parteien nicht ankam, wie häufig eine Hinzuziehung des Herrn Professor B., Lyon, tatsächlich erfolgt und über welche Qualifikation er verfügt.
Mag auch die Beklagte ihre Internetseite inzwischen dahingehend umstrukturiert haben, dass sie den Hinweis auf die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie entfernte, ist damit die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Für die Wiederholungsgefahr besteht bereits aufgrund des Verstoßes eine tatsächliche Vermutung. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, wie mit Abmahnschrift vorprozessual eingefordert, hat die Beklagte nicht abgegeben. Mit der Entfernung des beanstandeten Hinweises trat auch keine Erledigung ein. Allein die Umgestaltung der Homepage unter dem Druck des anhängigen Rechtsstreits konnte die auf dem Verstoß basierende Wiederholungsgefahr ohne Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht ausräumen.
Präsentiert sich der Geschäftsführer der Klägerin, Doktor F., Zahnmediziner, in der Werbeanzeige der Beklagten als Leiter der Abteilung für Oral- und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie löst er mit seiner Werbeanzeige gleichfalls eine Verwirrung des Verbrauchers dahingehend aus, es gehöre der Klinik der Beklagten ein Arzt mit der Facharztbezeichnung Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an. Auf obige Ausführungen wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Auch insoweit liegt Wiederholungsgefahr vor. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, wie vorprozessual eingefordert, hat die Beklagte nicht abgegeben. Die aufgrund des Verstoßes bestehende tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr wurde daher nicht ausgeräumt.
Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten beruht auf § 12 Abs. 1 S.2 UWG. Die Höhe der geltend gemachten Abmahnkostenpauschale wurde nicht substantiiert bestritten und ist im Übrigen auch als angemessen anzusehen (§ 287 ZPO).
Der Ausspruch zu den Ordnungsmitteln beruht auf § 890 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.