Jameda - Löschung des Profils einer Ärztin

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt  | Aktenzeichen: 16 U 218/18 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation , Sonstiges

Urteilstext

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. November 2018 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau - 7 O 599/18 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt (Berufung: 7.000,- €, Anschlussberufung: 3.000,- €).

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Augenärztin in Stadt1. Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.(X).de ein Arztsuche - und Arztbewertungsportal, auf dem Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei abgerufen werden können.

Die Klägerin begehrt die Entfernung ihrer auf dieser Internetseite veröffentlichen Daten, hilfsweise die Entfernung einer dort ersichtlichen negativen Kritik.

Die Beklagte bietet als ihre eigenen Informationen die sog. Basisdaten eines Arztes an, wozu zumindest der Name, die Fachrichtung, Praxisanschrift bzw. Praxisstandorte, Kontaktdaten und ggf. weitere praxisbezogene Informationen gehören. Daneben sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer in Form eines Notenschemas, aber auch in Form von Freitextkommentaren abgegeben haben.

Ein Bild der Ärzte wird nicht gezeigt, lediglich ein Schattenriss.

Daneben bietet die Beklagte Ärzten im Rahmen von „Premium-​Paketen“ entgeltlich an, ihr Profil mit einem Foto und zusätzlichen Informationen zu versehen („Besondere Darstellung auf X.de“), zu einer besseren Auffindbarkeit bei der Suchmaschine Google beizutragen und „exklusive Inhalte und Betreuung“ zu nutzen. Auf einen entsprechenden Bildschirmausdruck wird verwiesen (Bl. 80 f. d. A.).

Die Profile zahlender Ärzte, die zwischen einer Gold- und einer Platinmitgliedschaft wählen können, werden in der rechten oberen Ecke als „Anzeige“ gekennzeichnet und farblich hervorgehoben, wie auf Bl. 39 ff. d. A. ersichtlich ist. Daneben werden sie aber wie alle - ohne farbliche Hervorhebung - in die Liste eingestellt. Eine Sortierung der Ärzte nach der Gesamtnote erfolgt nicht.

Die Beklagte wirbt bei Ärzten für ihre „Serviceleistungen“ mit dem Hinweis, dass zahlende Kunden - wie 95 % der Premiumkunden - mit ihrem X-​Profil bei Google auf Seite 1 gelistet werden und Goldkunden deutlich häufiger von Patienten aufgerufen würden und wegen der Portraitfotos und der Praxisbilder auffällig mehr Interesse bei Patienten hervorriefen als Ärzte, die nur mit ihren Basisdaten aufgeführt seien.

Die Klägerin erfuhr Anfang des Jahres 2018, dass auf der Internetseite der Beklagten zu ihrer Position eine negative Bewertung eingestellt wurde, in der sie in ihrer augenärztlichen Tätigkeit als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell“ bezeichnet wurde. Die Klägerin bat die Beklagte um Löschung dieser Bewertung und um Mitteilung des Urhebers/ der Urheberin der Kritik. Letzteres wurde abgelehnt, die Bewertung indes in der Folgezeit zunächst unsichtbar, nach einem Diskurs mit der Rezensentin indes wieder sichtbar gemacht.

Auch die Löschung der Basisdaten der Klägerin, in deren Eintragung sie nicht eingewilligt hatte, lehnte die Beklagte ab. Die Klägerin wird auf dem Portal der Beklagten mit ihrem Namen, ihrer Fachrichtung und ihrer Praxisanschrift geführt.

Bei Abruf der Suche nach Augenärzten in Stadt1 erscheint sie unter „9 Augenärzten in Stadt1“ mit der Angabe einer Gesamtnote und weiteren Praxisstandorten (vgl. Bl. 82 f. d. A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Löschung der Daten der Klägerin verpflichtet. Die Beklagte betreibe ihr Arztsuche- und Arztbewertungsportal rein aus wirtschaftlichen Gründen und mit Gewinnerzielungsabsicht. Sie könne sich nicht auf die Meinungs- und Medienfreiheit berufen. Jedenfalls sei ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 GG als vorrangig zu bewerten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Basisdaten der Klägerin aus dem von ihr betriebenen Arztbewertungsportal X, bestehend aus dem Vor- und Zunamen der Klägerin sowie den Praxisanschriften Straße1, Stadt2, Straße2, Stadt1 und Straße3, Stadt3 und der Bezeichnung Augenpraxis A Standort Stadt2 nebst Telefonnummer zu löschen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und darauf verwiesen, dass es sich angesichts der farblichen Hervorhebung der Premiumkunden in als „Anzeige“ bezeichneten Feldern um keinen Fall der verdeckten Vorteilsverschaffung handele, zumal die eigentliche Auflistung der Ärzte davon nicht betroffen sei.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 95 bis 96 R d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgeben. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 96 R bis 100 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 9. November 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einer am 29. November 2018 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die mit einer am 9. Januar 2019 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Beklagte rügt Rechtsfehler und verweist darauf, dass die Premiumkunden zwar in den „Anzeigen“ farblich hervorgehoben, zusätzlich aber ganz normal gelistet würden. Durch die Anzeigenfenster seien Premiumkunden und Nichtkunden gleichermaßen betroffen. Es müsse nach Einführung der DSGVO geklärt werden, ob die Portale der Beklagten nicht unter das Medienprivileg des Art. 85 DSGVO fielen, zumal Freitextkommentare erfolgen könnten, welchen ein meinungsbildender Charakter zukäme. Hinzu käme, dass mit der DSGVO nunmehr entscheidend auf die weite Auslegung des EuGH zum Begriff „Journalismus“ abgehoben werden müsste. Die österreichische Datenschutzbehörde z.B. habe im Hinblick darauf für ein Meinungsforum die Anwendbarkeit des Medienprivilegs bejaht.

Unabhängig von der Frage der Anwendung des Medienprivilegs erfolge die Datenverarbeitung auf dem Portal der Beklagten rechtmäßig. So handele es sich bei den von der Beklagten im sog. Basisprofil der Klägerin verarbeiteten Daten um solche, die ausschließlich, nämlich über die Kassenärztliche Vereinigung, öffentlich zugänglich seien. Sie - die Beklagte - verarbeite die Daten mit berechtigtem Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f) DSGVO, nämlich mit dem erheblichen öffentlichen Interesse an der vollständigen Listung von Ärzten in Bewertungsportalen. Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten stehe dem nicht entgegen, da das fungieren als Werbeplattform lediglich Folge, nicht aber Zweck der Datenverarbeitung sei. Ein Fall verdeckter Vorteilsverschaffung sei nicht mehr gegeben, da das vom BGH im Urteil vom 20. Februar 2018 (VI ZR 30/17) kritisierte Anzeigenbanner entfernt worden sei. Es reiche nicht jeder irgendwie geartete Vorteil eines Kunden im Vergleich zum Nichtkunden, vielmehr müsse eine verdeckte Vorteilsverschaffung vorliegen, was vorliegend schon ausscheide, da für den Nutzer der Plattform klar sei, dass für die als Anzeige eindeutig gekennzeichneten und graphisch hervorgehobenen Anzeigen Geld fließe. Auch sehe der BGH (Urt. v. 23. September 2014, VI ZR 358/13) in der Beklagten eine unverzichtbare Mittlerperson für die Informationsbeschaffung für Patienten. Eine Löschung des Profils würde überdies bedeuten, dass auch sämtliche Bewertungen, die Patienten über den jeweiligen Arzt äußern, gelöscht würden; auch das würde das Recht auf freie Meinungsäußerung betreffen und unter die Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 Buchstabe a) DSVO fallen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die Bewertung der Klägerin aus dem von ihr betriebenen Arztbewertungsportal „X“ zu dem Standort Straße2, Stadt1, mit der Bezeichnung „sehr arrogant, unprofessionell und unfreundlich!“ vom 14.12.2017 zu löschen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung auch des Hilfsantrags.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senats ist entgegen der Ansicht des Landgerichts die Klage abzuweisen.

1.

Zunächst hat der auf Löschung der Basisdaten der Klägerin gerichtete Hauptantrag keine Aussicht auf Erfolg.

Eine unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 17 Abs. 1 Buchstabe d) DSGVO ist nach Auffassung des Senats nicht gegeben.

a.

Ein Löschungsanspruch scheidet nicht etwa deshalb aus, weil sich die Beklagte auf das Medienprivileg des Art. 85 DSGVO in Verbindung mit Art. 38 BayDSG berufen könnte.

Auch bei weiter Auslegung journalistischer Tätigkeit geht es bei der vorliegenden Datenverarbeitung durch die Beklagte nur um die Ansammlung und Verwaltung fremder Meinungsäußerungen in Form der Patientenbewertungen; dies stellt keine eigene journalistische Tätigkeit eines Portalbetreibers dar, der sich diese Äußerungen Dritter offensichtlich auch nicht zu eigen macht. Der Portalbetreiber kommt nur einer vermittelnden Rolle nach.

Diese Auffassung steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 41 BDSG a.F. (z.B. Urt. vom 23.6.2009 - VI ZR 196/08, zitiert nach juris), wonach die datenschutzrechtliche Privilegierung erst einsetzt, „wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist.

Auch das OLG Köln (Urt. v. 14. 11.2019 - 15 U 126/19 -, zitiert nach juris, Rdnr. 35 ff mit weiteren zustimmenden Nachweisen aus der Kommentarliteratur zur DSGVO) teilt diese Auffassung.

b.

Die Datenverarbeitung durch die Beklagte ist auch rechtmäßig im Sinne des Art. 6 DSGVO.

Nach Auffassung des Senats ist die Datenverarbeitung, die ja ohne Einwilligung der Klägerin erfolgt ist, gleichwohl rechtmäßig, da die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f) DSVO erfüllt sind. Nach dieser Norm ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Die erforderliche Abwägung zwischen den berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten einerseits und den Interessen oder Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person auf der anderen Seite fällt nach Auffassung des Senats zu Lasten der Klägerin aus.

Dabei war zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 20. Februar 2018 (VI ZR 30/17 - Ärzteportal III (Urteilsbezeichnung von der Redaktion geändert)) zum alten Recht (Löschungsanspruch nach dem BDSG) nochmals hervorgehoben hat, dass das von der Beklagten betriebene Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt, sofern die Betreiberin des Bewertungsportals als neutraler Informationsmittler auftritt. Das geschah unter Bezugnahme auf die Ärzteportal I (Urteilsbezeichnung von der Redaktion geändert) - Entscheidung (Urt. v. 23.9.2014 - VI ZR 358/123, zitiert nach juris), der ein Sachverhalt zugrunde lag, wonach sich das Bewertungsportal darauf beschränkte, in Profilen die „Basisdaten“ des einzelnen Arztes zusammen mit von Patienten oder anderen Internetbenutzern vergebenen Noten oder Freitextkommentaren zu veröffentlichen. Der Sachverhalt, der „Ärzteportal III“ (Urteilsbezeichnung von der Redaktion geändert) zugrunde lag, war allerdings ein anderer, weil die Beklagte ihre Stellung als neutraler Informationsmittler nicht wahrte, sondern durch die Art der Werbung, die sie Ärzten auf ihrem an potentielle Patienten gerichteten Bewertungsportal anbot, einzelnen Ärzten verdeckte Vorteile verschaffte (vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2018, aaO, Rdnr. 17 ff.).

So liegt der Fall jedoch vorliegend nicht. Nach Auffassung des Senats verschafft die Beklagte ihren Premiumkunden, die sie gegen Entgelt bevorzugt, keine als „verdeckt“ zu bezeichnenden Vorteile.

Zunächst hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass der Aufbau des Portals, wie er der Ärzteportal III (Urteilsbezeichnung von der Redaktion geändert)-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichts geändert wurde. Damals war es so, dass die Beklagte bei dem nicht zahlenden Arzt dem Internetnutzer dessen Basisdaten nebst Bewertung anzeigte und ihm mittels eines eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten anbot, hingegen auf dem Profil des Premiumkunden - ohne dies dem Internetnutzer hinreichend offen zu legen - keine werbenden Hinweise auf die örtliche Konkurrenz zuließ.

Heute gibt es solche Anzeigenbanner, die nur im Profil des Nichtkunden Konkurrenten (mit Bild) aus der Umgebung des Arztes einblenden, nicht mehr.

Darüber hinaus sind die Vorteile, die den Premiumkunden erwachsen, eben keine verdeckten Vorteile. So ist es für den Portalnutzer klar ersichtlich, dass für die Anzeigen, die als solche bezeichnet und farblich unterlegt sind, eine Vergütung zu entrichten ist. Hier fehlt es nicht an der erforderlichen Transparenz. Es kommt hinzu, dass die Anzeigen Premiumkunden und Nichtkunden gleichermaßen treffen, weil auch der Arzt der Anzeige nochmals in der Liste erscheint (vgl. Bl. 70 d. A.), somit keine verdeckte Ungleichbehandlung vorliegt. Auch gibt es bei den Premiumkunden ein rotierendes System, sodass nicht immer derselbe Arzt als Konkurrent erkennbar ist.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts verlässt die Beklagte auch nicht dadurch die Funktion eines neutralen Informationsvermittlers, indem sie Kunden zur Premiummitgliedschaft lockt. Die Beklagte schafft zwar Anreize für eine Premiummitgliedschaft, indem sie darauf hinweist, dass Premiummitglieder in den vorderen Plätzen bei Google auftauchten und häufiger von interessierten Internetnutzern angeklickt würden. Das Auftauchen bei Google im Sinne einer besseren Auffindbarkeit steht allerdings außerhalb des Systems. Der Algorithmus bei Google ist für die Beklagte nicht beherrschbar. Auch ist mit der Funktion eines neutralen Informationsmittlers nach Auffassung des Senats nicht zwangsläufig ein Werbeverbot verbunden. Entscheidend ist vielmehr, wie verständlich die Informationen für den Nutzer des Portals der Beklagten sind und ob dieser erkennen kann, dass es Vorteile für den zahlenden Kunden gibt, und dass diese Vorteile die Nichtkunden nicht unangemessen benachteiligen.

Davon ist vorliegend auszugehen. So ist nach Auffassung des Senats entscheidend, dass alle Ärzte gelistet werden, solche mit Basisdaten und solche mit einer Premiummitgliedschaft.

Auch die Reihenfolge des Erscheinens innerhalb der Liste erfolgt unabhängig von einer Premiummitgliedschaft, sodass sich die Premiummitgliedschaft nicht auf das Ranking auswirkt. Bei den Premiumkunden wird nur eine zusätzliche Anzeige, die klar als solche ausgewiesen ist (als „Anzeige“ bezeichnet und farblich unterlegt), sichtbar. Es ist überdies so, dass bei der Version des Portals, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung existierte, in den Schattenrissen der Nichtkunden mit Basisdaten der Hinweis enthalten ist, dass nur X-​Kunden ein Profilbild hinterlegen können (vgl. Bl. 361 d. A.). Auch dadurch wird zusätzlich Transparenz geschaffen und für den Internetnutzer erkennbar, dass die Ärzte mit Profilbild zahlende Kunden der Beklagten sind.

Auch ist nach Auffassung des Senats nicht die Annahme gerechtfertigt, die Daten der anderen Ärzte dienten als Werbeplattform für die zahlenden Konkurrenten, wie es das Landgericht zum Ausdruck gebracht hat. Denn dabei wird übersehen, dass sich ja auch die Premiumkunden untereinander Konkurrenz machen.

Ohne Erfolg hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass es systemimmanent sei, dass unvermittelt ein Premiumzahnarzt bei den Augenärzten auftauchen könne, nie aber die Klägerin bei den Zahnärzten. Hierzu ist zu sagen, dass dieses Auftauchen unabhängig von der Listung erfolgt, also nicht das Konkurrenzverhältnis der Fachärzte betrifft. Auch wenn ein mit der Klägerin konkurrierender Augenarzt bei den Zahnärzten auftaucht, kann dies nicht zu einer Benachteiligung der Nichtkunden führen, da diese ja ordnungsgemäß gelistet und benotet werden. Überdies wäre auch dieser Vorteil, sollte es einer sein, transparent, da das Auftauchen bei anderen Fachärzten nur durch eine Anzeige ermöglicht werden kann und damit erkennbar durch eine Bezahlung.

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass das Informationsinteresse an der Auflistung der Ärzte mit ihrer Benotung und den Freitextkommentaren deren Datenverarbeitung im Portal der Beklagten rechtfertigt, da das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht das Recht der Beklagten auf Kommunikationsfreiheit und Art. 12 Abs. 1 GG überwiegt, weil eben die Premiumvorteile offen kommuniziert und durch die Anzeigenschaltungen transparent werden und das System der Listung der Ärzte insgesamt nicht in Frage stellen.

Zusammenfassend ist der Senat somit der Auffassung, dass die Beklagte bei der Datenverarbeitung des Ärzteportals, wie es sich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellt, als neutrale Informationsmittlerin fungiert und ihren Premiumkunden keine verdeckten Vorteile verschafft.

c.

Da nach Auffassung des Senats ein Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu verneinen ist, kommt es auf die Ausnahmeregelung des Art. 17 III Buchstabe a) DSGVO nicht mehr an.

2.

Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Hilfsantrag, der auf Löschung der negativen Bewertung der Klägerin gerichtet ist, ist zulässig.

Seine Geltendmachung ist als Anschlussberufung zu verstehen; diese ist innerhalb der Berufungserwiderungsfrist gemäß § 524 ZPO erfolgt.

Es liegen auch die Voraussetzungen des § 533 ZPO vor.

Zunächst ist von einer Sachdienlichkeit i. S. d. § 533 Nr. 1 ZPO auszugehen, weil mit der Entscheidung über den Hilfsantrag der Streit über die Pflicht der Beklagten zur Löschung der nachteiligen Bewertung ausgeräumt wird. Überdies ist eine Zulässigkeit nach § 533 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu bejahen, weil der Hilfsantrag aufgrund neuer, jedoch unstreitiger Tatsachen erfolgt ist. Unstreitig ist, dass die negative Bewertung der Klägerin durch eine Rezensentin von der Beklagten wieder auf der Plattform eingestellt wurde und die Klägerin unstreitig mit Schreiben vom 7. Februar 2019 (Anlage K 10) um Löschung gebeten hatte.

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet.

Ein Anspruch der Klägerin ist nicht aus § 1004 BGB begründet.

Das Verfahren, das vom Portalbetreiber einzuhalten ist, hat die Beklagte eingehalten, indem sie die Stellungnahme der Kritikerin eingeholt und diese wiederum der Klägerin zugeleitet hatte.

Die von der Klägerin bemängelte Kritik als „arrogant, unfreundlich und unprofessionell“ ist auch von der Klägerin hinzunehmen, weil sie dadurch nicht rechtswidrig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Vielmehr handelt es sich um Meinungsäußerungen, die die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreiten. Diese Äußerungen beruhen auch auf einem Besuch der Kritikerin bei der Klägerin, entbehren also nicht jeder Tatsachengrundlage.

Offensichtlich fühlte sich die Patientin von der Klägerin nicht ernst genommen. Dass sie sie als unprofessionell bezeichnet hat, betraf überdies auch nicht ihre ärztliche Kunst, sondern - wie aus der letzten Stellungnahme der Kritikerin vom 29. August 2018 hervorgeht - den menschlichen Umgang der Klägerin.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzlich ist die Frage, ob die Beklagte durch die aktuelle Ausgestaltung des Ärztebewertungsportals noch ihrer Funktion als neutrale Vermittlerin gerecht wird oder Premiumkunden verdeckte Vorteile verschafft, und ob sich unter der Regie der DSGVO die Rechtslage anders darstellt. Auch hatte das OLG Köln in seinem Urteil vom 14. November 2019 (15 U 126/19) die Revision zugelassen.

Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO festzusetzen.

 

 

-anhängig BGH, VI ZR 692/20-


Ausdruck Urteil - PDF