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Informationspflicht gegenüber Patienten

 | Gericht:  Bundesgerichtshof (BGH)  | Aktenzeichen: VI ZR 285/17 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Schadenersatzrecht , Ausübung des zahnärztlichen Berufs , Berufliche Kommunikation

 Urteilstext

 

Tenor

  Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Juni 2017 aufgehoben.

 

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Von Rechts wegen

 

 

 

 

 Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte, seine langjährige Hausärztin, wegen eines Behandlungsfehlers in Anspruch.

 

Der Kläger stellte sich am 31. Juli 2008 mit Schmerzen im linken Bein und Fuß bei der Beklagten vor. Die Beklagte überwies ihn an die Streithelferin, die die fachärztliche Behandlung fortsetzte. Am 7. Oktober 2008 suchte der Kläger wegen der Schmerzen in der Kniekehle und im Kniegelenk links notfallmäßig das J.-​E.-​Krankenhaus in N. ("Krankenhaus") auf. Eine Magnetresonanztomographie vom 14. Oktober 2008 zeigte eine etwa 1 cm große Geschwulst in der linken Kniekehle. Der radiologische Befund wurde an die Streithelferin übersandt; die Beklagte erhielt ihn nicht. Am 22. Oktober 2008 stellte sich der Kläger in der neurochirurgischen Ambulanz des H. Klinikums in K. ("Klinikum") vor. Der Arztbrief vom 24. Oktober 2008 über diese Vorstellung wurde an die neurologische Abteilung des Krankenhauses und nachrichtlich an die Streithelferin übersandt. Die Beklagte erhielt auch diesen Brief nicht. Am 24. Oktober 2008 überwies die Streithelferin den Kläger zur stationären Krankenhausbehandlung an das Klinikum, die dort vom 28. Oktober bis 4. November 2008 stattfand. Am 30. Oktober 2008 wurde die Geschwulst mikrochirurgisch resektiert.

 

Die Beklagte erhielt einen Arztbrief des Klinikums vom 4. November 2008 (im folgenden auch "erster Arztbrief"), der laut auf ihm enthaltenem Vermerk nachrichtlich auch an die Streithelferin und an das zunächst behandelnde Krankenhaus geschickt wurde. Unter anderem heißt es darin: "Ein Ergebnis der histologischen Untersuchung liegt leider noch nicht vor. Der Patient wird darüber gesondert informiert. Bei Auffälligkeiten im Bereich der OP-​Wunde ist eine Wiedervorstellung des Patienten natürlich jederzeit bei uns möglich. Ansonsten bitten wir um Wiedervorstellung des Patienten zur postoperativen Verlaufskontrolle in ca. sechs Wochen in unserer NC-​Ambulanz. Wir danken Ihnen für die Überweisung des Patienten."

 

Mit an die Beklagte und deren Praxiskollegen gerichtetem Arztbrief vom 9. Januar 2009 (im folgenden auch "zweiter Arztbrief"), auf dem weitere Empfänger nicht angegeben waren, informierte das Klinikum die Beklagte nach Vorliegen des histologischen Befundes wie folgt: "Am 30.10.2008 erfolgte die Resektion eines Nervenscheidentumors im Bereich der linken Kniekehle. Entgegen der vermuteten Diagnose eines Neurinoms stellt sich bei der Durchsicht der Präparate im Referenzzentrum ein maligner Nervenscheidentumor dar. Wir bitten, den Patienten in einem onkologischen Spezialzentrum (z.B. Universitätsklinik Düsseldorf) vorzustellen."

 

Eine Weiterleitung dieses Schreibens an den Kläger oder eine sonstige Information des Klägers durch die Beklagte erfolgte nicht. Als sich der Kläger, der zuletzt im August 2008 in der Praxis der Beklagten vorstellig geworden war, am 17. Mai 2010 wegen einer Handverletzung dort vorstellte, kam das Gespräch auf die Bösartigkeit der im Oktober 2008 entfernten Geschwulst. Der Kläger wurde sodann in einem Universitätsklinikum weiterbehandelt. Dort wurde festgestellt, dass sich im Bereich der linken Kniekehle ein Rezidiv des Nervenscheidentumors gebildet hatte. Weitere stationäre Aufenthalte und Operationen folgten.

 

Der Kläger meint, die Beklagte habe die Bekanntgabe der in dem zweiten Arztbrief enthaltenen Informationen an ihn behandlungsfehlerhaft unterlassen. Mit seiner Klage macht er Ansprüche auf Schmerzensgeld, weiteren Schadensersatz, Feststellung und Freistellung von vorgerichtlichen Kosten geltend. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

 

 

Entscheidungsgründe

 I. 

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, auch wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehe, dass die unterlassene Weiterleitung des zweiten Arztbriefs einen Aufklärungsfehler (Sicherungsaufklärung) darstelle, sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis, dass der Fehler ursächlich für den weiteren Verlauf der Erkrankung gewesen sei, nicht geführt. Es könne auch nicht mit der Folge einer Beweislastumkehr festgestellt werden, dass der Beklagten ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen sei. Zwar obliege es nach den Ausführungen des Sachverständigen grundsätzlich dem behandelnden Arzt, dem Patienten sowie dem Behandlungsteam relevante Befunde oder Therapieempfehlungen mitzuteilen. Das Unterlassen solcher Maßnahmen stelle hier aber keinen groben Behandlungsfehler dar. Soweit der Sachverständige dies in seinem schriftlichen Gutachten noch angenommen habe, sei er bei seiner Anhörung davon abgerückt. Es sei nachvollziehbar, dass die Beklagte in der gegebenen Situation untätig geblieben sei, so etwas könne unter den gegebenen Umständen im alltäglichen Ablauf passieren. Dabei habe der Sachverständige zutreffend auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls abgestellt. Denn es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte den Kläger bereits im Sommer 2008 an die Streithelferin in fachärztliche Behandlung überwiesen und ihn letztmals im August 2008 gesehen habe. Zum Zeitpunkt der Übersendung des in Rede stehenden Arztbriefs habe sich der Kläger nach Übernahme der Behandlung durch die Streithelferin bereits seit rund fünf Monaten nicht mehr bei der Beklagten vorgestellt. Dem üblichen Procedere hätte es daher entsprochen, den Arztbrief primär an die Streithelferin, gegebenenfalls noch an das erstbehandelnde Krankenhaus, nicht aber an die Beklagte zu übersenden, die zu diesem Zeitpunkt nicht in die Behandlung eingebunden gewesen sei. Zwar sei weiter zu bedenken, dass der Arztbrief ausschließlich an die Beklagte und nicht, auch nicht nachrichtlich, an die behandelnden und überweisenden Ärzte adressiert gewesen sei. Der Beklagten habe es sich allerdings nicht aufdrängen müssen, dass sie von dem Klinikum fehlerhaft als maßgebliche Behandlerin angesehen und als einzige Adressatin der Bitte ausgewählt worden sei, den Kläger in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen.

 

Anderes komme zwar bei einem direkten Vergleich der Verteilerliste des ersten Arztbriefs mit derjenigen (leeren) des zweiten in Betracht. Es könne jedoch weder festgestellt werden, dass die Beklagte einen solchen Vergleich vorgenommen habe, noch könne es als grob fehlerhaft gewertet werden, einen solchen Abgleich unterlassen zu haben. Hierzu habe der Sachverständige ausgeführt, es habe kein Anlass für die Beklagte bestanden, sich bei Erhalt des zweiten Arztbriefs die Patientenakte, die einem Arzt üblicherweise nicht zusammen mit eingehender Post vorgelegt werde, noch einmal bringen zu lassen und durchzusehen, da die Beklagte nicht mehr in die Behandlung einbezogen gewesen sei. Schließlich könne angesichts des Zeitablaufs von über zwei Monaten zwischen dem Eingang der beiden Arztbriefe auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten die Verteilerliste des ersten Arztbriefs noch präsent gewesen sei.

 

II.

Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts können die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche (§ 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB) nicht verneint werden.

 

Die Beklagte hat ihre ärztlichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt, weil sie ihn über die Diagnose eines malignen Nervenscheidentumors und die Behandlungsempfehlungen des Klinikums nicht informiert hat. Sie hätte sicherstellen müssen, dass der Kläger von dem allein an sie gerichteten zweiten Arztbrief und der darin enthaltenen bedrohlichen Diagnose sowie von den vom Klinikum angeratenen ärztlichen Maßnahmen unverzüglich Kenntnis erlangte.

 

Der Patient hat einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen (BVerfG, Beschluss vom 18. November 2004 - 1 BvR 2315/04, NJW 2005, 1103 Rn. 26 f.). Das gilt in besonderem Maße, wenn ihn erst die zutreffende Information in die Lage versetzt, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen (Therapeutische Aufklärung/Sicherungsaufklärung). Es ist ein (schwerer) ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, nicht informiert und ihm die erforderliche ärztliche Beratung versagt wird (Senatsurteile vom 25. April 1989 - VI ZR 175/88, BGHZ 107, 222, 225 f.; vgl. vom 11. April 2017 - VI ZR 576/15, NJW 2018, 621 Rn. 19 f.; vom 17. November 2015 - VI ZR 476/14, NJW 2016, 563 Rn. 15, 18 auch OLG Köln, Beschluss vom 13. Oktober 1989 - 27 W 23/89, NJW 1990, 772 f.).

 

Erhält der behandelnde Arzt einen Arztbericht, in dem für die Weiterberatung und Weiterbehandlung des Patienten neue bedeutsame Untersuchungsergebnisse enthalten sind, die eine alsbaldige Vorstellung des Patienten bei dem Arzt unumgänglich machen, so hat er den Patienten (sogar dann) unter kurzer Mitteilung des neuen Sachverhaltes einzubestellen, wenn er ihm aus anderen Gründen die Wahrnehmung eines Arzttermins angeraten hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob außer dem behandelnden Arzt vielleicht auch andere Ärzte etwas versäumt haben (Senatsurteile vom 25. Juni 1985 - VI ZR 270/83, VersR 1985, 1068 unter II A 1, Ls; vom 27. November 1990 - VI ZR 30/90, NJW 1991, 748, 249).

 

Vor diesem Hintergrund ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ein Behandlungsfehler gegeben.

 

Zwar geht durch eine Überweisung an ein Krankenhaus grundsätzlich die Verantwortung für die Behandlung auf die Ärzte des Krankenhauses über. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. So hat etwa der weiterbehandelnde Hausarzt von ihm erkannte oder ihm ohne weiteres erkennbare gewichtige Bedenken gegen Diagnose und Therapie anderer Ärzte mit seinem Patienten zu erörtern (BGH, Urteil vom 8. November 1988 - VI ZR 320/87, VersR 1989, 186, 188). Auch darf kein Arzt, der es besser weiß, sehenden Auges eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss, es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten (Senatsurteil vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, NJW 2002, 2944 unter II 1 a).

 

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Kläger wegen der Beschwerden im Bereich des Knies an die Streithelferin überwiesen. Damit war die Verantwortung für die (weitere) Behandlung insoweit zwar grundsätzlich zunächst an die Streithelferin und in der Folge an die weiterbehandelnden Krankenhäuser übergegangen. Gleichwohl war die Beklagte aus dem Behandlungsvertrag mit dem Kläger weiterhin verpflichtet, ihm die zu ihrer Kenntnis gelangte Diagnose mitzuteilen. Das ergibt sich schon daraus, dass der zweite Arztbrief allein an die Beklagte gerichtet ist und eine unmittelbar an sie gerichtete Handlungsaufforderung ("Wir bitten, den Patienten … vorzustellen") enthält. Dem konnte die Beklagte unschwer entnehmen, dass die behandelnden Ärzte des Klinikums sie als weiterbehandelnde Ärztin ansahen. Auch wenn dies aus Sicht der Beklagten irrtümlich und damit fehlerhaft war, durfte sie das Schreiben nach den genannten Grundsätzen nicht unbeachtet lassen und damit sehenden Auges eine Gefährdung ihres Patienten - des Klägers - hinnehmen. Das gilt umso mehr, als es sich bei der Beklagten um die langjährige Hausärztin des Klägers handelt. Sie hätte aus diesem Grund damit rechnen müssen, dass der Kläger - wie er auch geltend gemacht hat - sie im Rahmen einer Krankenhausbehandlung als Empfängerin etwaiger Arztbriefe angeben werde.

 

Es kann hier dahinstehen, ob - wie das Berufungsgericht gemeint hat - die Beklagte zwischen dem letzten Termin im August 2008 bis zum 17. Mai 2010 mit dem Kläger in keinem Behandlungsverhältnis gestanden hat. Zwar kann ein Behandlungsvertrag durch eine an einen anderen Arzt oder ein Krankenhaus veranlasste Überweisung enden (vgl. Frahm/Walter, Arzthaftungsrecht, 6. Aufl., S. 30; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 630a Rn. 13). Ob dies im Hinblick auf die langjährige Behandlung des Klägers durch die Beklagte als seine Hausärztin auch hier der Fall war, kann indes offenbleiben. Denn der Arzt hat sicherzustellen, dass der Patient von Arztbriefen mit bedrohlichen Befunden - und gegebenenfalls von der angeratenen Behandlung - Kenntnis erhält, auch wenn diese nach einem etwaigen Ende des Behandlungsvertrags bei ihm eingehen. Ihn trifft eine aus dem Behandlungsvertrag nachwirkende Schutz- und Fürsorgepflicht (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteile vom 25. Juni 1973 - II ZR 26/72; BGHZ 61, 176, 178 f.; vom 28. November 1996 - IX ZR 39/96, VersR 1997, 617 unter II 2; MüKoBGB/Ernst, 7. Aufl. § 280 Rn. 115, 120; Schwarze in: Staudinger, Neubearb. 2014, § 280 Rn. B 11; Palandt/Grüneberg, 77. Aufl., § 241 Rn. 7; § 280 Rn. 7). Der Arzt, der als einziger eine solche Information bekommt, muss den Informationsfluss aufrechterhalten, wenn sich aus der Information selbst nicht eindeutig ergibt, dass der Patient oder der diesen weiterbehandelnde Arzt sie ebenfalls erhalten hat.

 

Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann ein grober Fehler vorliegend nicht verneint werden. Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, ob die unterlassene Information des Klägers über den Inhalt des zweiten Arztbriefes einen groben Behandlungsfehler darstellt, den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt und erheblichen Prozessstoff außer Acht gelassen hat.

 

Ein Behandlungsfehler ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats als grob zu bewerten, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 139/10, VersR 2012, 362 Rn. 8; vom 17. November 2015 - VI ZR 476/14, NJW 2016, 563 Rn. 14). Bei der Einstufung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob handelt es sich um eine juristische Wertung, die dem Tatrichter und nicht dem Sachverständigen obliegt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011, aaO Rn. 9 mwN). Dabei muss diese wertende Entscheidung des Tatrichters jedoch in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können (Senatsurteil vom 17. November 2015, aaO Rn. 14).

 

Die Frage, ob ein Behandlungsfehler als grob zu bewerten ist, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung. Revisionsrechtlich ist insoweit nur nachprüfbar, ob das Berufungsgericht den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt und ob es bei der Gewichtung dieses Fehlers erheblichen Prozessstoff außer Betracht gelassen oder verfahrensfehlerhaft gewürdigt hat (st. Rspr., Senat, Urteile vom 28. Mai 2002 - VI ZR 42/01, VersR 2002, 1062 unter II 2 a mwN; vom 17. November 2015 - VI ZR 476/14, NJW 2016, 563 Rn. 13 mwN).

 

Solche Fehler sind dem Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - hier unterlaufen.

 

Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung - den Ausführungen des Sachverständigen bei seiner Anhörung folgend - zugrunde gelegt, dass ein grober Behandlungsfehler ausscheide, wenn ein solcher Fehler unter den gegebenen Umständen im alltäglichen Ablauf passieren könne. Dabei hat es berücksichtigt, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt der Übersendung des zweiten Arztbriefs bereits seit fünf Monaten nicht mehr bei der Beklagten vorgestellt hatte.

 

Auf diese Umstände kommt es indes bei der Frage, ob ein Behandlungsfehler als grob zu bewerten ist, nicht an. Dass Fehler vorkommen (können), sagt nichts darüber aus, ob sie objektiv nicht mehr verständlich sind. Auch der Zeitpunkt des letzten Behandlungskontakts ist für die Frage, ob in der unterlassenen Information des Patienten über einen Arztbrief mit einem derart bedrohlichen Befund wie dem vorliegenden ein grober Fehler liegt, nicht von Belang.

 

Soweit das Berufungsgericht meint, der Beklagten, die außerhalb des Behandlungsgeschehens gestanden habe, habe sich nicht aufdrängen müssen, dass sie von dem Klinikum entgegen den üblichen Abläufen fehlerhaft als behandelnde Ärztin angesehen worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Es ergibt sich unmittelbar aus dem zweiten Arztbrief selbst, dass er allein an die Beklagte gerichtet ist. Dass es daneben weitere Arztbriefe oder Informationen in mündlicher Form an die (eigentlich) weiterbehandelnden Ärzte - die Streitverkündete - geben könne, hat der Sachverständige als "völlig untypisch" erachtet. Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht diese Äußerung des Sachverständigen außer Acht gelassen hat.

 

Hinzu tritt, dass der Beklagten bereits in dem im Original an sie - und nicht an die Streitverkündete - gerichteten ersten Arztbrief mitgeteilt worden war, dass das Klinikum sie als einweisende Ärztin ansah ("Wir danken für die Überweisung des Patienten"). Darauf, ob die Beklagte bei Erhalt des zweiten Arztbriefs die Verteilerliste des ersten Arztbriefes noch vor Augen hatte, kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts demgegenüber nicht an.

 

Schließlich hat das Berufungsgericht bei seiner Bewertung vollständig außer Acht gelassen, dass es sich bei der Beklagten um eine Hausärztin handelt, bei der der Kläger langjährig in Behandlung war. Gerade ein in der Langzeitbetreuung und damit auch interdisziplinären Koordination tätiger Hausarzt muss indes damit rechnen, dass seine Patienten ihn im Rahmen einer Krankenhausbehandlung als Ansprechpartner angeben. Es muss sich ihm aufdrängen, dass er - wenn auch möglicherweise aufgrund einer wie hier durch die Streitverkündete erfolgten Weiterbehandlung durch einen (weiteren) Facharzt zu Unrecht - als für die Weiterbehandlung verantwortlicher Arzt angesehen wird und in dieser Funktion die dazu erforderlichen Informationen erhält.

 

Demgegenüber schließt allein der Umstand, dass der erste Arztbrief den Hinweis enthielt, der Patient werde über das Ergebnis der histologischen Untersuchung gesondert informiert, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung einen groben Fehler nicht aus. III.

 

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


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