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Haftung des Betreibers einer Ärztebewertungsplattform

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe  | Aktenzeichen: 6 W 49/19 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie:  Berufliche Kommunikation , Sonstiges

Beschlusstext

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 10.07.2019, Az. 14 O 26/19, abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich des Beschwerdeverfahrens – werden der Beklagten auferlegt.

Gründe

I.
Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist eine Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO nach übereinstimmender Erledigungserklärung. In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hat der Kläger von der Beklagten die Löschung einer von einem Dritten abgegebenen Bewertung im Internetportal der Beklagten verlangt.

Der Kläger ist ein in [...] niedergelassener Facharzt. Die Beklagte betreibt eine Suchmaschine und bietet weitere Internetdienste an, darunter auch den Geolokalisationsdienst [G], der unter [G‘.] unter anderem Bewertungen von registrierten Benutzern zu eingetragenen Geschäften zulässt. Die Bewertungen erfolgen durch die Vergabe von Sternen auf einer Skala von 1 bis 5 Sternen und der fakultativen Eingabe einer Texterläuterung.

Die Praxis des Klägers wurde unter dem [pseudonymen] Nutzernamen [N] mit einem von fünf Sternen ohne Textkommentar bewertet. Daraufhin wandte sich der Kläger zunächst mit Schreiben vom 16.09.2017 (Anlage K2) an ein Tochterunternehmen der Beklagten, die [G] Germany GmbH, und unter dem 06.11.2017 an die Beklagte. Er verlangte Aufklärung durch eine Anfrage beim Verfasser der Bewertung, ob dieser jemals in seiner Praxis gewesen und von ihm behandelt worden sei, und bis zur Klärung des Sachverhalts die Löschung der Bewertung. Mit Schreiben vom 11.01.2018 (Anlage K3) forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers von der Beklagten erneut die Löschung der Bewertung und verwies auf „die Behauptung des Mandanten, der angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde“. Dieses Verlangen wies die Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2018 zurück, da ein offensichtlicher Rechtsverstoß nicht ersichtlich sei.

Unter dem 29.03.2018 erhob der Kläger Klage beim Landgericht Mannheim mit dem Antrag auf Löschung der Bewertung. Am 02.11.2018 wurde die Bewertung aus dem Internetportal entfernt. Daraufhin erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte müsse die Kosten tragen, da seine Klage zulässig und begründet gewesen sei. Die Bewertung verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Die Beklagte sei zur Löschung verpflichtet gewesen, nachdem der Kläger sie im Vorfeld der Klage auf die Rechtsverletzung aufmerksam gemacht habe.

Die Beklagte macht geltend, sie habe die Kosten nicht zu tragen, weil die Klage unbegründet gewesen sei. Die Bewertung stelle eine von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung dar. Die Beklagte als Portalbetreiberin wäre nur dann zur Löschung verpflichtet gewesen, wenn ein Rechtsverstoß offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbar gewesen wäre. Das sei hier nicht der Fall gewesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10.07.2019, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte hafte als Host-Providerin nur als mittelbare Störerin, da sie sich den Inhalt der Bewertung nicht zu Eigen gemacht habe. Nach den dafür aufgestellten Grundsätzen sei die Beklagte erst verantwortlich, wenn sie Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlange, insbesondere durch eine Beanstandung, die so konkret gefasst sei, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden könne. Sei dies der Fall, so sei eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhaltes unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Inhalt Verantwortlichen erforderlich.

Die vorliegende „Ein-Stern-Bewertung“ greife zwar in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein, weil sie geeignet sei, sich abträglich auf das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken. Ohne die erforderlichen Angaben zu allen in Betracht kommenden Tatsachen sei ein Rechtsverstoß für die Beklagte aber nicht unschwer, insbesondere nicht ohne nähere Prüfung, erkennbar gewesen.

In Fällen, in denen eine Äußerung auf verschiedenen Tatsachengrundlagen beruhen könne, müsse der Betroffene zu allen in Frage kommenden Varianten vortragen. Wenn dem Betroffenen keine weiteren Angaben möglich seien, könne und müsse er jedenfalls diejenigen Tatsachenkerne, die nicht gänzlich fernlägen, in Abrede stellen. Hier habe der Kläger seine Beschwerde ausschließlich darauf gestützt, dass kein Patienten- oder Behandlungskontakt stattgefunden habe. Das sei unzureichend, weil sich die Bewertung – für die angesprochenen Nutzer erkennbar – auf eine Vielzahl von Berührungspunkten beziehen könne, in denen kein Patienten- oder Behandlungskontakt bestanden habe, etwa Terminvereinbarungen oder die Freundlichkeit der Mitarbeiter. Denn einer Bewertung ohne Begleittext sei kein konkreter Aussagegehalt zu entnehmen, insbesondere nicht der Vorwurf eines Behandlungsfehlers. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Portal der Beklagten branchenübergreifend und nicht auf ärztliche Dienstleistungen spezialisiert sei.

Das Landgericht hat dabei auch eine Anwendung des Grundgedankens des § 307 ZPO und eine reziproke Anwendung des § 93 ZPO in Erwägung gezogen, davon aber letztlich ohne nähere Begründung abgesehen.

Gegen den am 29.07.2019 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit sofortiger Beschwerde vom 12.08.2019, mit der er seinen Antrag, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weiterverfolgt. Er macht geltend, das Prozessverhalten der Beklagten könne schlechterdings keinen anderen Grund haben als den, dass der Rechtsstandpunkt des Klägers im Ergebnis hingenommen worden sei. In entsprechender Anwendung der §§ 307, 93 ZPO habe die Beklagte daher die Kosten zu tragen. Denn der Kläger habe Veranlassung zur Klage gehabt, nachdem er sich vorgerichtlich mehrfach an die Beklagte gewandt und nur die unbefriedigende Auskunft erhalten habe, er solle sich an den (anonymen) Bewerter wenden. Die Auffassung des Landgerichts, der Kläger müsse alle möglichen Tatsachenkerne benennen, überspanne angesichts des fehlenden textlichen Inhalts der Bewertung die Anforderungen an den Tatsachenvortrag.

Die Beklagte macht demgegenüber geltend, der Kläger habe vorgerichtlich einen Behandlungskontakt nicht in Frage gestellt; vielmehr habe er Auskunft verlangt, zu welchem Zeitpunkt der Bewertende in der Praxis gewesen sei und ob er seine Behandlung beweisen könne. Erst in der Klage habe der Kläger behauptet, es habe kein Behandlungskontakt vorgelegen. Daraufhin habe die Beklagte unverzüglich – obwohl sie hierzu nicht verpflichtet gewesen sei – ein Stellungnahmeverfahren eingeleitet. Welches Ergebnis dieses hatte, hat sie nicht mitgeteilt.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die rechtlichen Maßstäbe für die Kostenentscheidung nach einer übereinstimmenden Erledigungserklärung gemäß § 91a ZPO hat das Landgericht zutreffend dargestellt: Es kommt vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (BGH, Beschluss vom 07.05.2007, VI ZR 233/05 – juris Rn. 7). Im Rahmen der Ermessensentscheidung können aber die Grundgedanken sonstiger kostenrechtlicher Vorschriften berücksichtigt werden, insbesondere die Wertungen der §§ 307, 93 ZPO (Zöller- Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 91a Rn. 24f.).

Danach waren die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben, weil der Kläger im Rechtsstreit obsiegt hätte (1.) und anderweitige Umstände auch im Rahmen der Ermessensentscheidung keine andere Kostenverteilung rechtfertigen (2.).

1.
Der Kläger hätte nach dem für den Senat maßgeblichen Sach- und Streitstand mit seiner Klage Erfolg gehabt.

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die Anwendung des deutschen Sachrechts werden von den Parteien zu Recht nicht in Frage gestellt. Demnach kommt eine Haftung der Beklagten nur nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers in Betracht. Zutreffend und unangegriffen hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte nicht unmittelbare Störerin ist, weil sie sich den Eintrag nicht zu Eigen gemacht hat. Die Beklagte ist aber als mittelbare Störerin verantwortlich.

Wie das Landgericht ausführlich dargelegt hat, sind Host-Provider wie die Beklagte nicht verpflichtet, die von den Nutzern eingestellten Beiträge vor deren Veröffentlichung zu überprüfen. Die Verantwortlichkeit des Host-Providers als mittelbarer Störer tritt aber ein, wenn er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert ist, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II). Insoweit gilt für den Anbieter eines Internetforums nichts Anderes als für den Betreiber einer Suchmaschine (BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 489/16).

Die Folgen, die eine solche Beanstandung nach sich zieht, sind allerdings für Suchmaschinenbetreiber und Host-Provider verschieden.

Suchmaschinenbetreiber sind privilegiert, weil einerseits die Informationsflut im Internet ohne Suchmaschinen nicht beherrschbar wäre und weil andererseits kein rechtliches Verhältnis zu den Verfassern der beanstandeten Inhalte besteht, aufgrund dessen der Suchmaschinenbetreiber dem Sachverhalt durch eine Anfrage beim unmittelbaren Störer nachgehen könnte (Notice-and-take-down-Verfahren). Suchmaschinenbetreiber haften deshalb nur, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbar ist (BGH, Urteil vom 27.02.2018 – VI ZR 489/16 – juris Rn. 34-36; Senat, Urteil vom 10.06.2020, 6 U 129/18 – juris Rn. 43).

Das gilt für Host-Provider nicht in gleicher Weise. Ist ein Hostprovider mit einer hinreichend konkreten Behauptung eines Betroffenen konfrontiert, ein von einem Nutzer eingestellter Beitrag verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 24). Erst auf Grundlage dieser Sachverhaltsaufklärung erfolgen dann die rechtliche Bewertung und die Entscheidung darüber, ob der Beitrag tatsächlich zu löschen ist.

Im vorliegenden Fall war jedenfalls die Beanstandung vom 11.01.2018 hinreichend konkret (a.) und auf ihrer Grundlage, also die tatsächlichen Angaben der Beanstandung unterstellt, ein Rechtsverstoß unschwer zu bejahen (b.). Die Beklagte hätte daher schon vorgerichtlich in eine Prüfung eintreten müssen. Da sie dies nicht getan hat und auch im Prozess das Ergebnis ihrer Sachaufklärung nicht mitgeteilt hat, ist im Rahmen des § 91a Abs. 1 ZPO von einer begründeten Klage auszugehen (c.).

a.
Wann eine Beanstandung so konkret gefasst ist, dass sie die Prüfungspflicht des Host- Providers auslöst, ist eine Frage des Einzelfalles.

Dabei besteht eine Wechselwirkung mit der Schlüssigkeitsprüfung, die der Host-Provider auf Grundlage der Beanstandung anstellen muss: Die Behauptung ist dann hinreichend konkret, wenn die Rechtsverletzung unschwer bejaht werden kann, falls die Behauptung zutrifft (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 24, 27). Die genauen Anforderungen an Inhalt, Umfang und Detailtiefe der Beanstandung sind auchdavon abhängig, welche Informationen und Erkenntnismöglichkeiten der Betroffene hat. Dieser muss zwar seine Informationsquellen ausschöpfen, es kann ihm aber nicht abverlangt werden, sich auch bestimmt und konkret zu Tatsachen zu äußern, über die er keine Kenntnis haben kann. So kann es genügen, dass ein Arzt die Mutmaßung äußert, es habe in Wahrheit keinen (Behandlungs-)Kontakt gegeben, wenn die beanstandete Bewertung unter einem anonymen Benutzernamen erstellt wurde und keinerlei Angaben zu einem tatsächlichen, konkreten Vorfall oder Kontakt enthält (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 26). All dies gilt auch und insbesondere, wenn die beanstandete Äußerung – wie hier – nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil zu qualifizieren ist, das Werturteil vom Betroffenen aber mit der schlüssigen Behauptung als rechtswidrig beanstandet wird, der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaue, sei unrichtig, dem Werturteil fehle damit jegliche Tatsachengrundlage (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 24).

Danach liegt jedenfalls in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 11.01.2018 (Anlage K3) eine hinreichend konkrete Beanstandung. In diesem Schreiben wird das Verlangen nach Löschung der Bewertung damit begründet, dass der Bewertung des Nutzers [N] kein Behandlungskontakt mit dem Kläger zugrunde gelegen habe.

Mit der Forderung, der Kläger hätte darüber hinaus auch in Abrede stellen müssen, dass es sich bei dem Bewertenden um jemanden handle, der mit ihm weder in Praxis- noch in Behandlungskontakt getreten sei – etwa durch eine vergebliche Anfrage nach einem zeitnahen Termin – stellt das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Konkretisierung der Beanstandung. Da die Bewertung anonym und ohne Textzusatz eingestellt wurde, hatte der Kläger keine Möglichkeit, dem zugrundeliegenden Sachverhalt nachzugehen. Schon die Behauptung, es habe kein Behandlungskontakt stattgefunden, stellt eine – wenn auch notwendige – Mutmaßung dar. Die darüberhinausgehende Erklärung, es habe auch keinen sonstigen Praxiskontakt gegeben, wäre offensichtlich spekulativ und daher auch nicht substantieller gewesen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 18.06.2019, 2 U 97/18 - juris Rn. 48f.). Sie hätte daher auch aus der Perspektive der Beklagten weder einen inhaltlichen Mehrwert gehabt noch ihren Prüfungsumfang beeinflusst.

Der von der Beklagten herangezogene Vergleich mit der Beanstandung durch einen Rechtsanwalt, der den Namen des Bewertenden kennt, trägt dagegen nicht. Soweit in dieser Konstellation verlangt wird, der Rechtsanwalt müsse auch ausschließen, dass die Bewertung von einem Prozessgegner stamme, ist dies auf den vorliegenden Fall von vornherein nicht übertragbar, da es im Arzt-Patienten-Verhältnis keinen „Gegner“ oder in sonstiger Weise einbezogenen Dritten gibt. Auch das Hanseatische Oberlandesgericht hat in den Entscheidungen, auf die sich die Beklagte beruft, ausgeführt, es teile „nicht die Auffassung des Klägers, wonach es keinen relevanten Unterschied mache, ob ein Arzt oder ein Anwalt bewertet werde“ und es könne deshalb ausreichen, „wenn der betroffene Arzt gegenüber dem Host-Provider behauptet, dass der angegriffenen Bewertung kein Behandlungskontakt zu Grunde liege; dies kann namentlich dann gelten, wenn die Bewertung keinerlei tatsächlichen, die konkrete Behandlung beschreibenden Angaben enthielt, weil dann der Bewertete zu konkreteren Darlegungen gegenüber dem Host- Provider nicht in der Lage ist“ (OLG Hamburg, Urteil vom 22.01.2019, 7 U 126/16, und Beschluss vom 20.03.2020, Az. 7 W 70/19, von der Beklagten vorgelegt als Anlagen B2 und B3).

Ob auch schon die beiden vom Kläger selbst verfassten, per Email an das deutsche Tochterunternehmen der Beklagten bzw. über das Portal der Beklagten an diese selbst gerichteten Beanstandungen hinreichend konkret waren, obwohl der Kläger darin – wie die Beklagte zutreffend geltend macht – nur die Weiterleitung einer Anfrage nach dem Patienten- oder Behandlungskontakt und die vorübergehende Löschung begehrte, muss nicht entschieden werden (vgl. allerdings OLG Braunschweig, Urteil vom 18.06.2019, 2 U 97/18 - juris Rn. 5).

b.
Auf Grundlage der Beanstandung vom 11.01.2018 war ein Rechtsverstoß unschwer zu bejahen.

Dass die negative Bewertung einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt, hat das Landgericht zutreffend und von der Beschwerdeerwiderung unangegriffen ausgeführt. Wenn der Bewertung kein Behandlungskontakt zugrunde lag, fehlte es an der erforderlichen Tatsachengrundlage und damit an einer Rechtfertigung für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 36).

Das gilt jedenfalls dann, wenn der angesprochene, durchschnittliche Nutzer eine pseudonyme „Ein-Stern-Bewertung“ ohne Kommentar immer auf die angebotene Leistung, hier die Behandlung durch den Kläger, bezieht. Das ist nach Überzeugung des Senats, dessen Mitglieder zu dem angesprochenen Nutzerkreis gehören und der den Aussagegehalt der Bewertung daher selbst überprüfen kann (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 35), in dem Sinn der Fall, dass eine Bewertung ohne Kommentar als Gesamtbeurteilung verstanden wird, in die die angebotene – hier ärztliche – Leistung immer einfließt. Denn die Information über die fachliche Qualität der angebotenen Leistungen ist das vorrangige Interesse der Nutzer (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 17.07.2019, 3 W 1470/19 – juris Rn. 36, 38). Dabei verkennt der Senat nicht, dass in die Gesamtbewertung, die in der Vergabe der Sterne zum Ausdruck kommt, auch weitere Rahmenbedingungen des Angebots einfließen können. Diese haben aber gegenüber der Bewertung der angebotenen Leistung ein untergeordnetes Gewicht. Daher rechnet der durchschnittliche Nutzer damit, dass es besonders gekennzeichnet wird, wenn sich eine Bewertung ausnahmsweise vorrangig oder gar ausschließlich auf das sonstige Auftreten – wie Freundlichkeit oder Organisation – des Bewerteten beziehen soll. Das gilt vor allem, wenn die Bewertung besonders negativ ausfällt, wie hier mit nur einem Stern. Denn nach der sonst geübten, dem Senat bekannten Praxis liegen Bewertungen, in denen nur die Rahmenbedingungen beanstandet werden und dies mit Kommentaren wie „fachlich ordentlich oder gut; Service schlecht“ oder dergleichen offengelegt wird, in der Regel zumindest im mittleren Bereich.

Der Senat teilt aus diesen Gründen nicht das Verständnis des Landgerichts, dass sich eine unkommentierte Ein-Stern-Bewertung auf dem Portal der Beklagten ebenso gut auf einen rein organisatorischen Praxiskontakt, etwa eine Terminanfrage, wie eine Behandlung beziehen könne. Er verkennt dabei nicht, dass diese Auslegung auch von weiteren Gerichten mit dem Argument vertreten wird, dass die von der Beklagten zur Verfügung gestellten Bewertungsfunktion – im Gegensatz etwa zu einem Ärztebewertungsportal – nicht branchen- und leistungsspezifisch, sondern branchenübergreifend und inhaltlich völlig offen gestaltet sei (LG Regensburg, Urteil vom 24.04.2018, 62 O 708/17; LG Köln, Beschluss vom 19.07.2016, 28 O 77/16, jeweils von der Beklagten vorgelegt als Anlage B1). Die offene Gestaltung des Portals ändert aber nichts daran, dass die Qualität der angebotenen Leistung für die Nutzer im Vordergrund steht und diese erwarten, dass sich eine (sehr negative) Bewertung ohne Zusatzbemerkung zumindest auch darauf bezieht.

Hinzu kommt, dass es dem Zusammenhang zwischen der Prüfung der Rechtsverletzung und den Anforderungen an die Konkretisierung der Beanstandung nicht gerecht würde, wenn ein Rechtsverstoß unter Hinweis auf Auslegungsmöglichkeiten abgelehnt würde, zu denen sich der Betroffene nicht erklären kann und muss. Denn die Wertungen, unter denen beide Fragen geprüft werden, dürfen sich nicht widersprechen. Wenn sich der Kläger – wie oben dargelegt – nicht spekulativ dazu äußern musste, ob die Bewertung von einer Person stammt, die mit seiner Praxis nur in organisatorischen Kontakt getreten ist, kann nicht der Rechtsverstoß auf Grundlage dieser Auslegungsvariante abgelehnt werden.

Auch bei der umfassenden Interessenabwägung, die bereits für die Bestimmung des Überprüfungsaufwandes zu erfolgen hat, der vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, überwiegen die Interessen des Klägers. Bei dieser Interessenabwägung sind die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 38). Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Möglichkeit hat, den Urheber der anonymen Bewertung ausfindig zu machen, und daher letztlich schutzlos gestellt wäre, wenn in einer Konstellation wie der vorliegenden bereits eine Prüfungsobliegenheit des Host-Providers abgelehnt würde. Eine solche Einschränkung von Rechtsschutzmöglichkeiten ist auch dann zu vermeiden, wenn – wie das Landgericht ausführt – von einer einzelnen, isolierten Ein-Stern-Bewertung keine nachhaltig schwerwiegende Beeinträchtigung ausgehen mag. Im Gegenzug gefährdet es den Betrieb des Portals durch die Beklagte nicht wirtschaftlich oder erschwert ihn unverhältnismäßig, wenn ihr zumindest eine Anfrage beim Bewertenden auferlegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 40). Die Beklagte hat es in der Hand, durch die Gestaltung ihres Portals und die Nutzungsbedingungen die Aussagekraft der Bewertungen so zu gestalten, dass Unklarheiten wie die vorliegende vermieden werden.

c.
Auf dieser Grundlage hätte die Klage nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigungserklärungen Erfolg gehabt.

Wie das Landgericht ausführlich und zutreffend ausgeführt hat (S. 9 des Beschlusses vom 10.07.2019), hat der Betroffene gegen den Host-Provider einen Anspruch auf Löschung der Bewertung, wenn seine Interessen bei einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung der jeweils grundrechtlich geschützten Positionen und der Umstände des Einzelfalles überwiegen. In diese Abwägung können nur diejenigen Umstände eingestellt werden, die das Gericht unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast feststellen kann.

Danach hat der Senat seiner Entscheidung (nur) die Behauptung des Klägers zugrunde zu legen, es habe keinen Behandlungskontakt gegeben. Auf dieser Grundlage fehlte es der Bewertung – wie oben dargestellt – an der erforderlichen Tatsachengrundlage und sie war von der Beklagten zu löschen.

Dass der tatsächliche Hintergrund der Bewertung unklar bleibt, geht dabei zu Lasten der Beklagten. Dieser hätte es oblegen, sich zum Ergebnis ihres Prüfungsverfahrens zu erklären. Zwar trägt nach den allgemeinen Regeln der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Behauptungen, hier das Fehlen eines Behandlungskontaktes. Der Umstand, dass dem Kläger eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, sowie die oben dargestellte Rechercheobliegenheit der Beklagten führen aber dazu, dass diese eine sekundäre Darlegungslast trifft. Kommt die Beklagte dieser nicht nach, ist die Behauptung des Klägers, der von ihm angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten (BGH, Urteil vom 01.03.2016, VI ZR 34/15 – jameda.de II – juris Rn. 46-49).

2.
Der Verlauf des vorliegenden Verfahrens gibt keinen Anlass, im Rahmen des gerichtlichen Ermessens entsprechend den in §§ 307, 93 ZPO enthaltenen Wertungsentscheidungen von der Kostenlast der Beklagten abzurücken.

In Anwendung des Grundgedankens aus §§ 307, 93 ZPO können dem Kläger nach einer Erledigungserklärung die Kosten auferlegt werden, wenn sich der Beklagte sofort freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Voraussetzung dafür ist, dass das Prozessverhalten des Beklagten im Wege der Auslegung keinen anderen Grund haben kann als den, dass der Rechtsstandpunkt des Klägers im Ergebnis hingenommen werde. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn der Beklagte den Antrag stellt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen, und diesen Antrag ausführlich begründet. Denn damit unterwirft er sich gerade nicht – anerkenntnisgleich – dem gegnerischen Rechtsstandpunkt (BGH, Beschluss vom 24.10.2011, IX ZR 244/09 – juris Rn. 12f.). So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat kein Anerkenntnis erklärt, sondern sich damit verteidigt, dass der Kläger auf die von ihr durchgeführte Löschung keinen Anspruch gehabt habe und die Klage deshalb unbegründet gewesen sei.

Umgekehrt kann es in reziproker Anwendung des § 93 ZPO zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden, wenn dieser Veranlassung zur Klage hatte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.04.2003, 2 WF 124/02 – juris Rn. 21). Das war hier der Fall, nachdem drei vorgerichtliche Beanstandungen erfolglos geblieben waren und der Kläger keine andere Möglichkeit hatte, seine Interessen durchzusetzen.

3.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO ebenfalls der Beklagten zur Last. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren war nicht festzusetzen, da eine Festgebühr anfällt (Nr. 1810 KV-GKG).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) bestand nicht. Die rechtlichen Grundsätze für die Haftung eines Host-Providers für Bewertungen auf dem von ihm betriebenen Portal sind höchstrichterlich geklärt und nicht umstritten. Die Anwendung auf den konkreten Fall ist eine Einzelfallentscheidung.


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