Gutscheinaktion unzulässig

 | Gericht:  Ärztegerichtshof des Saarlandes  | Aktenzeichen: ÄG 5/2008 - siehe nächste Instanz: ÄGH Saarland Az.: 2/09 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Berufliche Kommunikation

Urteilstext


Tenor

In dem berufsgerichtlichen Verfahren gegen die Zahnärztin … wegen Verletzung von Berufspflichten hat das Ärztegericht des Saarlandes in der Hauptverhandlung am 8.April 2009, an der teilgenommen haben Präsident des Amtsgerichts … als Vorsitzender,
Frau Dr. med. dent. … und Dr. med. dent. … als zahnärztliche Beisitzer, Assessor … als Vertreter der Zahnärztekammer für Recht erkannt:

Die Beschuldigte … und der Beschuldigte … haben gegen das den Zahnarzt treffende Gebot, berufswidrige Werbung und damit insbesondere anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung zu unterlassen, und tateinheitlich hierzu in zwei Fällen das den Zahnarzt treffende Gebot, maximal drei Tätigkeitsschwerpunkte personenbezogen zu führen und die Bezeichnung Zentrum zu unterlassen, (§ 20 Abs. 4 in Verbindung mit der Richtlinie zur Ausweisung von Tätigkeitsschwerpunkten und § 21 Abs. 1 und Absatz 5 der Berufsordnung für die saarländischen Zahnärztinnen und Zahnärzte vom 7.12.2005), verstoßen und hierdurch ihre Berufspflichten verletzt. Gegen sie wird eine Geldbuße von je EUR 200,00 festgesetzt.

Die Beschuldigten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.

Die VerfahrensgebÜhr wird auf EUR 600,00 festgesetzt.


Gründe

I.
Die Beschuldigte …  legte am 25.2.1991 ihre zahnärztliche Prüfung an der Universität Frankfurt ab und erhielt mit Urkunde des Hessischen Landesprüfungsamtes für Heilberufe vom 28.2.1991 die Approbation als Zahnärztin. Der Beschuldigte … legte am 11.12.1990 seine zahnärztliche Prüfung an der Universität Frankfurt ab und erhielt mit Urkunde des Hessischen Landesprüfungsamtes für Heilberufe am 19.12.1990 die Approbation als Zahnarzt. Am 01.02.1993 ließ er sich in Marpingen nieder. Ab dem 1.4.1993 betrieb er zusammen mit der Beschuldigten zu 1), seiner Ehefrau, eine Gemeinschaftspraxis. Zum 01.04.1994 wurde die Gemeinschaftspraxis von … verlegt. Der Vorstand der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Saarland genehmigte im November 2007 beiden Beschuldigten, eine weitere vertragsärztliche Tätigkeit in Schmelz-Limbach. Beide nahmen am 19.11.2007 diese Tätigkeit zusätzlich in einer Zweigpraxis in Schmelz auf. Sie übernahmen die Praxis des verstorbenen Zahnarztes …

1.
Mit Kenntnis der Beschuldigten und unter zur Verfügung stellen von Patientenanschriften schrieb Frau … der Witwe des verstorbenen Zahnarztes unter dem Briefkopf „Zahn-Zentrum" …„ Das Labor & die Zahnärzte" am 19.12.2007 an frühere Patienten ihres Ehemannes u. a. folgendes:

Nach dem plötzlichen Tod von Herrn Zahnarzt … möchte ich, seinem Wunsche entsprechen und mich in seinem Namen für das langjährige Vertrauen in die Zahnarztpraxis … bedanken. Es war ihm ein wichtige Anliegen, dass die Praxis in Limbach weitergeführt und in gute Hände gegeben wird. Wir, das „Team …“ führen seit kurzem die Praxis weiter und möchten Ihnen
auf diesem Wege Vorteile unserer Dienstleistungen aufzeigen:

Herr … und seine Ehefrau Zahnärztin … führen die Praxis zusammen mit einem sehr engagierten Team weiter. Mit einer seit 15 Jahren bestehenden Praxis in Hasborn und angegliedertem Zahnlabor ist das Praxisteam  … auf allen Gebieten der Zahnmedizin auf dem neuesten Stand. Neben der allgemeinen Zahnmedizin sind die Tätigkeitsschwerpunkte:

Kinder-Zahnheilkunde - Implantologie - Prothetik - Paradontologie. Speziell in der Prothetik bietet das praxiseigene Zahnlabor große Voreile:

- fünf statt zwei Jahre Garantie auf Zahnersatz fünf % preiswertere Laborleistung Schnellere Anfertigung Ihres Zahnersatzes

- Individuelle Gestaltung und Anpassung Ihres Zahnersatzes durch die Zahntechniker vor Ort.

Da ich zeitweise auch selbst in der Praxis tätig bin, würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Sie der Praxis … Ihr Vertrauen schenken.
Herzliche Grüße und ein glückliches und gesundes 2008 wünscht Ihnen im Team „Zahn-Zentrum …“

Sodann heißt es in dem Schreiben unter Ps. „10 €-Gutschein:

Mit diesem Gutschein möchten wir Sie in unserer Praxis begrüßen. Sie erhalten bei Vorlage des Gutscheins 10 € Nachlass auf den Eigenanteil von Behandlungskosten. Gültig bis Ende 2008. Einmalig je Patient".

2.
Beide Beschuldigte veröffentlichten in der Zeitschrift „Wochenanzeiger" 01/02/2008 eine Annonce mit der Überschrift „Schöne und gesunde Zähne jetzt auch in Limbach", „ Zahn—Zentrum … sodann folgt später als Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten: „Kinder-Zahlheilkunde, Implantologie, Allgemeine Zahn-Heilkunde, Prothetik, Paradontologie" sowie unter Hinweis auf ein eigenes Dental-Labor, dass es sich um eine „ fünf % preiswertere Laborleistung" handele.

3.
Zumindest im Februar 2008 führten sie auf ihrer Homepage im Internet u. a. aus: „ Schöne und gesunde Zähne NEU in Limbach", „Zahn-Zentrum … und führten als Tätigkeitsschwerpunkte auf: „Kinder-Zahlheilkunde, Implantologie, Allgemeine Zahn-Heilkunde, Prothetik, Paradontologie".

II.
Dieser Sachverhalt steht fest auf Grund der verlesenen Urkunden und den Einlassungen der Beschuldigten, soweit ihr das Gericht zu folgen vermochte. Die Veröffentlichung der Anzeige in dem Wochenanzeiger und die Gestaltung der Homepage haben die Beschuldigten nicht bestritten. Zu dem Brief vom 19.12.2009 haben sie ausgeführt, dass sie keine Kenntnis von der „Aktion" gehabt hätten und sie ihnen somit auch nicht vorzuwerfen sei. Das Gericht glaubt den Beschuldigten diese Einlassung nicht. Es ist vielmehr davon überzeugt, dass das Schreiben mit ihrem Wissen und ihrer Mithilfe versandt wurde. Dafür spricht zunächst, dass es auf einem Briefbogen der Beschuldigten geschrieben wurde und deren Logo enthielt. In ihm ist des Weiteren auf das „Team Zahn-Zentrum … Bezug genommen, was nicht erforderlich gewesen wäre, wenn Frau … lediglich den Wechsel der Praxis hätte mitteilen. Am Gewichtigsten ist jedoch, dass in dem Schreiben ein Gutschein enthalten ist, der nur von den Beschuldigten eingelöst werden konnte. Dort heißt es auch, dass „wir", mithin die Beschuldigten, die Patienten „mit diesem Gutschein in unserer Praxis begrüßen" wollen. Auch die schriftliche Einlassung der Beschuldigten, die der Verteidiger des Beschuldigten … zum Gegenstand seiner Einlassung gemacht hat, spricht dafür, dass der Inhalt dieses Schreibens sehr wohl den Beschuldigten zuzurechnen ist. Denn in jener Einlassung werden die Gründe dargelegt, die zu der Versendung des Schreibens führten.

III.
1.
Beide Beschuldigten haben, wie im Tenor aufgeführt, gegen Berufspflichten verstoßen

Nach § 21 Abs. 1 der Berufsordnung ist dem Zahnarzt zwar die sachliche Information über seine Berufstätigkeit gestattet. Berufswidrige Werbung ist ihm jedoch untersagt. Berufswidrig ist nach dieser Vorschrift insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung. Zudem darf der Zahnarzt eine berufswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden und hat dem entgegen zu wirken. Das Berufsgericht hält diese Vorschrift auch im Hinblick auf seinen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit beschränkenden Charakters (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) für verfassungsgemäß. Denn durch sie werden dem Arzt grundsätzlich sachliche Informationen gestattet. Lediglich bestimmte Verhaltensweisen, die auch einen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG begründen würden, sind verboten.

Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten im Wettbewerb herabsetzend ist, d. h. die dem Mitbewerber, seinem Unternehmen oder seinen gewerblichen Leistungen entgegengebrachte Wertschätzung mindert, ist nach dem Eindruck der - durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen (BGH, GRUR 2002, 982) - angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen (BGH WPR 1999, 414; OLGR München 2006, 704-706 ). Gleiches gilt für die Frage, ob hier die Herabsetzung eines Mitbewerbers vorliegt. Dies bejaht das Berufsgericht. Durch die Formulierungen: „Schöne und gesunde Zähne jetzt auch in Limbach" und „Schöne und gesunde Zähne NEU in Limbach" wird bei den Lesern der Eindruck erweckt, dass es erst durch die Beschuldigte ermöglicht wird, in Limbach schöne und gesunde Zahne zu erhalten, dies aber früher nicht möglich war. Damit wird die Arbeit von Zahnärzten, die schon länger in Limbach praktizieren herabgesetzt. Denn ihnen wird unterstellt, dass es ihnen nicht gelungen ist, Zähne gesund und schön zu halten. Zwar mag das Logo der Beschuldigten „Schöne und gesunde Zähne" lauten. Ein durchschnittlich informierter und aufmerksamer Dritter, wie ein Leser der Zeitung, wird dieses Logo aber nicht kennen und den Text so verstehen, wie er auch durch das Berufsgericht verstanden wurde, dass man nämlich schon zu dem Zahnzentrum … kommen müsse, um etwas für die Schönheit und Gesundheit der Zähne tun zu können. Eine weitere untersagte Werbung liegt in der Ausgabe des Gutscheins über 10 € in dem Schreiben vom 19.12.2007. Zwar handelt es sich hierbei nicht um eines der Fallbeispiele der anpreisenden, irreführenden, herabsetzenden oder vergleichenden Werbung. Durch das Wort „insbesondere" ist jedoch ausgedrückt, dass es sich hier nur um Beispiele handelt. Oberbegriff ist die berufswidrige Werbung. Eine solche liegt auch vor, wenn der Arzt mit einem Geldgeschenk - bei dem Gutschein handelt es sich im Grunde um eine Zuwendung von 10,- € - einen Patienten veranlasst, gerade seine Praxis aufzusuchen. Denn damit steht nicht die sachliche Information über die Leistungen des Arztes und die Gesundheit der Patienten im Vordergrund, sondern es wird eine Zugabe gewährt, die zu einem nicht erwünschten Preiswettbewerb zwischen Ärzten führen könnte. Im Grunde gelten hier die gleichen Überlegungen, die auch zur Festlegung eines einheitlichen Preises für Arzneimittel im Arzneimittelgesetz geführt haben (vgl. etwa Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 19.2.2009, 3 U 225/06 mit zahlreichen Nachweisen zur Unzulässigkeit der Gewährung von Boni durch eine Intemetapotheke).

2.
Durch die Bezeichnung als Zahn-Zentrum haben die Beschuldigten weiter gegen § 21 Abs. 4 der Berufsordnung verstoßen. Dort ist bestimmt, dass eine Einzelpraxis sowie eine Berufsausübungsgemeinschaft sich nicht als „Zentrum" bezeichnen darf. Bei der gemeinsamen Berufsausübung der Beschuldigten handelt es sich um einen Zusammenschluss zwischen Zahnärzten, die einen gemeinsamen Praxissitz haben, mithin um eine Berufsausübungsgemeinschaft (§ 16 Abs. 2 Berufsordnung), nicht aber um einen fachübergreifenden Zusammenschluss von Ärzten (§ 17 Berufsordnung).

3.
Die Beschuldigten haben zudem gegen § 20 Abs. 4 Berufsordnung verstoßen. Diese Vorschrift regelt in Verbindung mit der entsprechenden Richtlinie die Voraussetzungen für das Ausweisen von Tätigkeitsschwerpunkten. Nach der Richtlinie dürfen maximal drei Tätigkeitsschwerpunkte aus anerkannten Gebieten ausgewiesen werden, wobei die Angabe der Tätigkeitsschwerpunkte personenbezogen zu erfolgen hat. Außerdem müssen die Tätigkeitsschwerpunkte der Ärztekammer des Saarlandes - Abteilung Zahnärzte - angezeigt sein. Sowohl in der Annonce im Wochenanzeiger als auch auf der Homepage im Internet werden insgesamt fünf Tätigkeitsbereiche aufgeführt, die zudem nicht personenbezogen sind.

4.
Demgegenüber stellt die Angabe „5 % preiswertere Laborleistung" nach Auffassung des Gerichts keine unerlaubte Werbung dar. Die Angabe bezieht sich ersichtlich auf das eigene Dental-Labor, das gegenüber nicht angeschlossenen Labors günstigere Preise bietet. Damit konnte aber geworben werden.

Eines Freispruchs bedurfte es nicht. Denn auch mehrere zeitlich voneinander getrennte Verfehlungen sind einheitlich zu beurteilen, weil das zu ahndende Gesamtverhalten als eine Verfehlung erscheint. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Berufsvergehens verbietet neben einem Freispruch auch eine teilweise Einstellung des Verfahrens etwa wegen eines Verfah- renshindemisses.

IV.
§ 33 des Saarländischen Heilberufekammergesetz sieht als geringste Sanktion zunächst eine Verwarnung, sodann ein Verweis, eine Geldbuße bis zu EUR 50.000,00 und schließlich der Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts zu den Organen der Kammer vor. Bei der Bemessung der Ahndung hat das Gericht berücksichtigt, dass die Beschuldigte jeweils ihre Werbung einstellten, nachdem sie von der Zahnärztekammer daraufhingewiesen worden waren, dass diese gegen Berufsrecht verstößt. Andererseits wird damit die - verbotene - Werbung aber nicht ungeschehen gemacht. Das Berufsgericht hielt eine geringe Geldbuße für ausreichend, aber auch für erforderlich, um die Vergehen zu ahnden.

V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 26 der Berufsgerichtsordnung.


Ausdruck Urteil - PDF