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GOÄ-Nr. 4 im Zusammenhang mit einer KFO-Behandlung

 | Gericht:  Verwaltungsgericht (VG) München  | Aktenzeichen: M 17 K 11.2716 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext


Tenor

I.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin weitere Beihilfe in Höhe von EUR 15,38 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom ... 2011 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom ... 2011 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand


Die Klägerin ist gegenüber der Beklagten beihilfeberechtigt. Sie beantragte unter dem ... 2011 die Gewährung von Beihilfe u. a. für eine Rechnung über eine zahnärztliche Leistung für ihren am ... 2000 geborenen Sohn. Mit Bescheid der Postbeamtenkrankenkasse wurde teilweise Beihilfe gewährt. Die Leistung für einen Rechnungsbetrag in Höhe von EUR 19,23 wurde abgelehnt. Es habe keine unübliche Situation vorgelegen. Die Miteinbeziehung der Eltern jüngerer Kinder sei medizinischer Standard. Die Ziffer GOÄ 4 habe nicht in Rech¬nung gestellt werden können. Mit Schreiben vom ... 2011 teilte die Beklagte (...) der Klägerin mit, eine antragsgemäße Leistung komme nicht in Betracht. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom ... 2011 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Gebührenposition GOÄ-Ziffer 4 sollte die Abrechnung einer Anamneseerhebung oder Beratung dann ermöglichen, wenn diese nach den besonderen Umständen des Behandlungsfalles die Einbeziehung einer Bezugs- oder Begleitperson erforderte. Die Einbeziehung einer Bezugsperson sei jedoch bei Kindern der Regelfall und damit mit den GOÄ-Ziffern 1 bzw. 3 abgegolten. Im Übrigen käme die Abrechnung der GOÄ-Ziffer auch neben den übrigen Ziffern nicht in Betracht, da sie Bestandteil anderer Leistungen sei (§ 4 Abs. 2a GOÄ).

Mit Schriftsatz vom ... 2011 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage und beantragte zunächst die Aufhebung der ablehnenden Bescheide. In einer weiteren Begründung wurde ausgeführt, die GOÄ-Ziffer 4 könne neben der GOÄ-Ziffer 1 abgerechnet werden, ein Ausschluss der Leistungen sei nicht geregelt. Die Unterweisung der Bezugsperson sei hier notwendig. Ein Knabe von neun Jahren und sechs Monaten sei nicht in der Lage, sich über die Auswirkungen einer krankhaften Zahn- und Kieferfehlstellung im Klaren zu sein und die Konsequenzen einer Kieferbehandlung mit deren möglicherweise lästigen und schmerzhaften Auswirkungen zu übersehen. Des Weiteren wurde in der Folge eine Stellungnahme des behandelnden Zahnarztes zu diesem Thema vorgelegt, auf die verwiesen wird.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung

und verwies auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Beschluss vom 17. Oktober 2011 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In der mündlichen Verhandlung erweiterte der Bevollmächtigte seinen Antrag auf Leistung weiterer Beihilfe in Höhe von EUR 15,38.

Für den Sachverhalt im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf weitere Beihilfe in der tenorierten Höhe. Der Bescheid vom ... 2011 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom ... 2011 ist insoweit rechtswidrig und war daher aufzuheben (§ 113 Abs. 4 VwGO).

Grundsätzlich besteht im Krankheitsfall ein Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für alle notwendigen und wirtschaftlich angemessenen Aufwendungen (§ 6 Abs. 1 Bundesbeihilfeverordnung -BBhV-), wobei Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen dann als ange-messen angesehen werden, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte entsprechen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV). Dies ist hier der Fall. Nach § 6 Abs. 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte kann die Vergütung für bestimmte Leistungen auch nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden, so auch hier. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für die Abrechnungen einer Leistung nach Ziffer 4 GOÄ vor. Nach dieser Ziffer kann eine Leistung bei „Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Be zugsperson(en) im Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken in Rechnung gestellt werden". Nach der Begründung der Bundesregierung soll diese Regelung nur bei schwierigen und aufwendigen Fremdanamnesen bzw. Besprechungen mit Bezugspersonen gelten. Dabei wird dem Abrechnenden ein relativ weiter Ermessensspielraum eingeräumt, der auch ein gewisses „Missbrauchspotential" in sich birgt (s. Komm. zur GOÄ, Deutscher Ärzteverlag Stand Mai 2011, Ziffer 4 GOÄ RdNr. 1). In der Ziffer selbst kommt die Voraussetzung der schwierigen und aufwendigen Fremdanamnese nicht zum Ausdruck. Doch auch wenn man sie als Voraussetzung für den Ansatz der Leistungen zu Grunde legt, ist die Inrechnungstellung hier berechtigt. Der Bevollmächtigte der Klägerin und der behandelnde Zahnarzt führen überzeugend aus, dass für eine kieferorthopädische Behandlung eines neun Jahre alten Kindes die Unterweisung und Führung bezüglich der medizinischen Notwendigkeiten und Risiken sowohl mit dem Patienten als auch mit der Bezugsperson (in der Regel den Eltern) besprochen werden muss. Das gleiche gilt für den täglichen Umgang mit der Zahnspange im Hinblick auf Mundhygiene, zeitweise Überlastung der Kiefergelenke und der möglichen Irritation am Zahnfleisch. Auch hier muss ein verantwortungsvoller Arzt sowohl die Einsichtsfähigkeit des Kindes bei einer Beratung berücksichtigen als auch andererseits auf der Erwachsenenebene die Bezugsperson unterweisen. Daher ist der Ansatz der GOÄ-Ziffer als wirtschaftliche notwendig anzusehen. Der Ansatz ist auch nicht nach § 4 Abs. 2a GOÄ ausgeschlossen. Eine nach Ziffer 4 ausdrücklich ausgeschlossene Leistung wurde nicht abgerechnet.

Zwar dürfte in der Regel die Ziffer 1 GOÄ als unselbständige Teilleistung ausgeschlossen sei, nicht jedoch wenn - wie hier - neben der Bezugsperson auch der Patient selbst bera-ten wird (Kommentar der Gebührenordnung für Ärzte, a. a. O. RdNr. 6).

Gegen den Steigerungsfaktor von 1,5 ist nichts einzuwenden. Bei einem Beihilfesatz von 80 % ergibt sich der Anspruch auf eine weitere Beihilfeleistung in Höhe von EUR 15,38.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 15,38 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -).


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