Urteilstext
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.02.2017 - Az. 11 O 138/16 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 300.000,00 Euro
Gründe
A
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, die kostenlose Abgabe eines Produktkoffers mit sechs Arzneimitteln an Apotheker zu unterlassen.
I.
Beide Parteien sind bundesweit tätige pharmazeutische Unternehmen. Sie produzieren verschreibungsfreie Arzneimittel gegen Erkältungen, die nur über Apotheken abgegeben werden dürfen.
Die Beklagte gab ungefragt an Apotheker in ganz Deutschland ein Probepaket mit sechs Arzneimitteln gegen Erkältungsbeschwerden kostenlos ab. Der Deckel des Produktkoffers ist beschriftet mit folgender Werbung: „Unsere 6 gegen Erkältung - Eine gesunde Herbst- und Winterzeit wünschen die 6 Richtigen von X“ (Anlage K 4). Die Arzneimittel waren in der kleinsten für den Verkehr zugelassenen Packungsgröße. Sie wurden - mit Ausnahme des „A Nasensprays“ - mit dem Hinweis „zur Erprobung“ versehen. Der mittlere Verkaufspreis aller Arzneimittel zusammen betrug 48,16 Euro.
Die Klägerin stützt ihr Unterlassungsbegehren auf § 3a UWG i.V.m. § 7 HWG. Sie trug in der ersten Instanz vor, dass die kostenlose Abgabe der Arzneimittel die Geringwertigkeitsgrenze übersteige. An der rechtlichen Bewertung ändere der Hinweis „zur Erprobung“ nichts.
Die Klägerin beantragte in erster Instanz,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken die Fertigarzneimittel A Nasenspray (Lösung), B Saft (Saft), C Saft (Saft), D Elixir (Flüssigkeit), E Kapseln forte 200 mg (magenresistente Kapseln, 20 Stück) und F Halstabletten Kirsche (Lutschtabletten, 12 Stück), im Paket kostenlos an Apotheker abzugeben und/oder abgeben zu lassen.
Die Beklagte beantragte in erster Instanz,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass durch die Aufschrift „zur Erprobung“ die Geringwertigkeitsgrenze des § 7 HWG nicht überschritten sei. Weiter folge aus dem Verweis auf § 47 Absatz 3 AMG, dass Arzneimittel zu Erprobungszwecken kostenlos an Ärzte abgegeben werden dürften. Dies gelte auch für Apotheker, die in § 47 Absatz 3 AMG nur deshalb nicht gesondert genannt seien, weil die Abgabe von Arzneimittelmustern bereits nach §§ 43, 47 Absatz 1 AMG erlaubt sei und § 47 Absatz 3 AMG lediglich eine Erweiterung des Kreises der Berechtigten regele. Jedes andere Verständnis setze sich zur Richtlinie 2001/83/EG in Widerspruch und stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ärzten und Apothekern dar.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze und die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
II.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Klägerin habe einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 Nr. 1, § 3 Absatz 1, § 3a UWG i.V.m. § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG. Die Gewährung von Zuwendungen oder sonstiger Werbegaben sei grundsätzlich unzulässig. Nur für geringwertige Kleinigkeiten oder für Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte Bezeichnung des Werbenden und/oder des Produktes gekennzeichnet seien, gebe es Ausnahmen. Die unentgeltliche Abgabe von sechs Arzneimitteln im Paket bei einem Verkaufspreis von 48,16 Euro übersteige die Geringwertigkeitsgrenze. Der Hinweis auf den Packungen „zur Erprobung“ führe nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung, da der Apotheker hierdurch nicht gehindert sei, die Arzneimittel selbst zu nutzen oder entgeltlich bzw. kostenlos an Endverbraucher abzugeben.
Die Zulässigkeit der kostenlosen Abgabe folge auch nicht aus § 47 Absatz 3 AMG. Apotheker seien in dieser Vorschrift nicht als zulässige Adressaten von Arzneimittelmustern erwähnt. Der Gesetzeszweck erfordere auch keine abweichende Beurteilung, denn die Abgabe von Mustern sei alleine dazu zugelassen, dass Ärzte durch die Weitergabe an Patienten Erfahrungen sammeln könnten. Eine andere Auslegung ergebe sich auch nicht aus der Richtlinie 2001/83/EG, denn sie erlaube den Mitgliedstaaten, die Abgabe von Arzneimittelmustern einzuschränken. Unabhängig davon lägen die Voraussetzungen von § 47 Absatz 3 AMG nicht vor, da die beanstandeten Probepakete verschickt worden seien, ohne dass die Apotheker zuvor schriftlich um die Zusendung von Arzneimittelmustern ersucht hätten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Eine beglaubigte Abschrift des Urteils des Landgerichts vom 09.02.2017 wurde der Beklagten am 15.02.2017 zugestellt. Die Berufung ging formgerecht am 13.03.2017 vorab per Fax ein (Bl. 80). Sie wurde am 18.04.2017, dem Dienstag nach Ostern, begründet.
III.
Mit der Berufung verteidigt sich die Beklagte weiter.
Die Urteilsformel sei zu weit gefasst, da nicht zum Ausdruck komme, dass die Arzneimittel „zur Erprobung“ abgegeben wurden. Der Apothekeneinkaufspreis für alle sechs Produkte zusammen betrage - ohne Berücksichtigung möglicher Rabatte - 27,47 Euro. Die Beklagte wäre gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2b HWG zudem berechtigt gewesen, den Apothekern Rabatte in ganz erheblicher Höhe zu gewähren. Jedes in dem Koffer enthaltene Medikament sei einzeln betrachtet eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne des § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG.
Ein Verbot der Abgabe von Arzneimittelmustern an Apotheker ergebe sich auch nicht aus § 47 Absatz 3 AMG. Dann müsse dieses Handeln jedoch erlaubt sein, da die Strafandrohung in § 97 AMG Analogien verbiete. Zudem erlaube der Erwägungsgrund 51 zur Richtlinie 2001/83/EG ausdrücklich auch die Abgabe von Mustern an Apotheker.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart, Az. 11 O 138/16, vom 09.02.2017 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt ergänzend aus,
selbst der Apothekeneinkaufspreis von 27,47 Euro liege deutlich über der Geringwertigkeitsgrenze von 1,00 Euro bzw. 5,00 Euro. Da die Rabatte unterschiedlich seien und nicht zwingend, könnten solche Nachlässe nicht berücksichtigt werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
B
I.
Mit Recht hat das Landgericht entschieden, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der kostenlosen Abgabe von Fertigarzneimitteln an Apotheker aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 7 Absatz 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zusteht.
1.
Gemäß § 8 Absatz 1 Satz 1 UWG kann derjenige, der eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch steht jedem Mitbewerber zu (§ 8 Absatz 3 Nr. 1 UWG). Ein solcher ist gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Die Klägerin steht zu der Beklagten in einem solchen Wettbewerbsverhältnis, da beide Parteien als pharmazeutisch tätige Unternehmen apothekenpflichtige Arzneimittel gegen Erkältungen herstellen und über Apotheken an Endverbraucher absetzen.
2.
Die kostenlose Abgabe der Arzneimittel stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 Absatz 1, § 3a UWG dar. Die kostenlose Abgabe von Arzneimitteln an Apotheker ist eine geschäftliche Handlung gem. § 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG, da es sich um eine Werbemaßnahme handelt.
3.
Diese geschäftliche Handlung ist auch unlauter (§ 3 Absatz 1 UWG). Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG).
4.
Die kostenlose Abgabe von Arzneimitteln an Apotheker verstößt gegen § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG.
a)
Demnach ist es unzulässig, „Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen)“ anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit die Werbemittel nicht unter die dort genannten Ausnahmetatbestände fallen, insbesondere wenn sie nicht nur geringwertige Kleinigkeiten sind (§ 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 HWG). Es handelt sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG. Die Vorschrift ist dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (BGH, Urteil vom 06. Juli 2006 - I ZR 145/03, juris Rn. 25). Allgemein zählen Vorschriften, die die Zulässigkeit der Werbung aus Gründen des Gesundheitsschutzes regeln, zu den Marktverhaltensregeln, die auch im Bereich der Vollrechtsharmonisierung nach nationalem Recht durchsetzbar bleiben (OLG Stuttgart, Urteil vom 08. Juni 2017 - 2 U 127/16, juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 141/06, Rn. 16, juris)
b)
Mit der Abgabe von kostenlosen Arzneimitteln (§ 1 Absatz 1 Nr. 1 HWG, § 2 AMG) gewährt die Beklagte eine Zuwendung bzw. sonstige Werbegabe im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG. Der Begriff der Werbegabe erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt wird (BGH, Urteil vom 06. November 2014 - I ZR 26/13, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 13/10, juris Rn. 15). Mit der Norm des § 7 HWG, die die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) umsetzt, sind grundsätzlich alle (über eine Geringwertigkeitsschwelle hinausgehende) finanziellen oder materiellen Vorteile verboten, denen keine anerkannte Gegenleistung gegenübersteht (Mand in: Göring, Heilmittelwerberecht (2015), § 7 HWG Rn. 44, 106). Wie das Landgericht zutreffend und ohne Beanstandung festgestellt hat, liegt in der Übersendung kostenloser Arzneimittel eine Werbung gerade für die in dem Koffer enthaltenen Produkte. Damit handelt es sich auch nicht lediglich um allgemeine Firmenwerbung, welche nicht von § 7 HWG umfasst wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 99/07, juris Rn. 15).
c)
Eine kostenlose Abgabe erfüllt auch die weitere Anforderung an eine Werbegabe im Sinne von § 7 HWG, dass von ihr eine abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten ausgeht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 83/12, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, juris Rn. 29). Nach der Systematik der in § 7 HWG umgesetzten Richtlinie 2001/83/EG soll das in Artikel 94 Absatz 1 der Richtlinie geregelte Verbot Verkaufsförderungspraktiken verhindern, die geeignet sind, bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe ein wirtschaftliches Interesse an der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln zu wecken (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 13/10, juris Rn. 18). Die abstrakte Gefahr der unsachlichen Beeinflussung besteht darin, dass der Apotheker die Arzneimittel selbst nutzen kann und dazu verleitet sein kann, bei der Kundenberatung das Produkt der Beklagten besonders hervorzuheben. Dies ist auch das erkennbare Ziel der Werbemaßnahme.
5.
Es liegt auch keiner der in § 7 Absatz 1 HWG genannten Ausnahmetatbestände vor. Insbesondere handelt es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben nicht um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten. Tatbestandlich wird unterschieden zwischen „Gegenständen von geringem Wert“, die eine Werbebotschaft tragen, und „geringwertigen Kleinigkeiten“ ohne Werbeaufdruck (Brixius in Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, 5. Aufl. 2016, § 7 HWG Rn. 77). Handelt es sich - wie hier - um eine kennzeichenmäßige Nutzung des Firmenlogos als Herstellerbezeichnung, ist die zweite Alternative („geringwertige Kleinigkeit“) einschlägig, da der Verkehr eine solche Kennzeichnung nicht als wertmindernden Makel ansieht.
a)
Zulässig ist gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 1 Alt. 2 HWG die Zuwendung von geringwertigen Kleinigkeiten, worunter auch Warenproben fallen können (Brixius in Bülow/Ring, a.a.O., § 7 HWG Rn. 89). Zwar gilt nach dem Gesetzeswortlaut diese Ausnahme nicht für Arzneimittel, wenn die Zuwendung entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt wird. Da die streitgegenständlichen Arzneimittel nicht der Preisbindung unterliegen (§ 78 Absatz 2 Satz 3 AMG), können sie in den vorgeschriebenen Wertgrenzen allerdings als Warenprobe abgegeben werden.
b)
Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Werbegabe die Geringwertigkeitsschwelle überschreitet.
aa)
Entgegen der Auffassung der Berufung ist dabei nicht auf den Wert des einzelnen Medikamentes, sondern auf den Wert aller in dem Koffer enthaltenen Medikamente abzustellen. Nach den Umständen des Einzelfalls kann schon deshalb nicht auf den Wert eines einzelnen Medikamentes abgestellt werden, weil sie nicht einzeln abgegeben wurden, sondern - zudem ungefragt - nur zusammen in dem Koffer. Werden für sich allein als geringwertig anzusehende Zuwendungen gebündelt gewährt, ist regelmäßig auf den Summeneffekt abzustellen (BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, juris Rn. 27).
bb)
Keine Auswirkungen auf das Ergebnis hat es allerdings, dass das Ausgangsgericht seiner Begründung den Verkaufswert der Medikamente von insgesamt 48,16 Euro zugrunde gelegt hat. Der Wert dieser Zuwendung bzw. des finanziellen oder materiellen Vorteils ist aus Sicht des unmittelbar begünstigten Apothekers zu betrachten (BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, juris Rn. 27). Dieser liegt lediglich in der Ersparnis des Einkaufspreises, nicht jedoch in der Erzielbarkeit eines bestimmten Verkaufspreises.
Den Ansatz des Verkaufspreises hat das Landgericht damit begründet, dass der Apotheker die Produkte entgeltlich oder kostenlos an die Endkunden weitergeben könne. Eine entgeltliche Weitergabe dürfte bei fünf der sechs Arzneimittel durch den Aufdruck „zur Erprobung“ zwar nicht ausgeschlossen sein. Der Kunde hat allerdings nicht die Erwartung, von seinem Apotheker mit entsprechend gekennzeichneten Produktproben versorgt zu werden. Auch aus der ungefragten kostenlosen Weitergabe solch gekennzeichneter Arzneimittel an Kunden ist eine Wertschöpfung nicht zu erwarten, da dies gem. § 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 15 HWG verboten ist. Zwar schließt das mögliche gesetzeswidrige Handeln Dritter nicht notwendigerweise die wettbewerbsrechtliche Haftung aus (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23. März 2017 - 2 U 113/16, juris Rn. 39). Dass der Verkaufswert der Medikamente allerdings einem Wertzuwachs des Apothekers entspricht, kann auf dieser Grundlage nicht festgestellt werden. Auch für die Eigenversorgung würde der Apotheker nicht mehr als den Einkaufspreis aufwenden.
cc)
Mithin ist von dem Apothekereinkaufspreis auszugehen, der - erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragen - unstreitig bei 27,47 Euro liegt. Soweit die Beklagte ausgeführt hat, dass dieser Einkaufspreis durch Rabatte noch niedriger liege, hat sie trotz gerichtlichen Hinweises auf ihre Darlegungspflichten keinen ausreichenden Prozessvortrag gehalten. Besteht Streit über die Geringwertigkeit einer Werbegabe, trägt der Werbende die Darlegungs- und Beweislast, wie sich aus dem Wortlaut des § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG („es sei denn“) ergibt (Brixius in Bülow/Ring, a.a.O., § 7 HWG Rn. 76). Weder zur Höhe des Rabatts wurde vorgetragen noch dazu, ob jedem der Empfänger des Arzneimittelkoffers dieser Rabatt für die in ihm enthaltenen Medikamente eingeräumt wurde.
dd)
Bei Zugrundelegung eines Einkaufspreises von 27,47 Euro ist die Zuwendung nicht geringwertig. Für Zuwendungen an den Verbraucher hat der Bundesgerichtshof eine Wertgrenze von 1,00 Euro definiert (BGH, Urteil vom 08. Mai 2013 - I ZR 98/12, juris Rn. 20 und vom selben Tag, Az. I ZR 90/12, juris Rn. 11).
(1)
Die Wertgrenze von 1,00 Euro gilt in gleicher Weise für die Angehörigen der Fachkreise. § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG ist nicht dahingehend auszulegen, dass zwischen der Publikumswerbung und der Fachkreiswerbung zu differenzieren ist, sondern dahingehend, dass auch bei Angehörigen der Fachkreise keine höhere Schwelle der Beeinflussbarkeit liegt, so dass die Wertgrenze von 1,00 Euro allgemeine Gültigkeit beansprucht.
(2)
Die Frage ist vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Er hat ausgesprochen, dass bei einer Publikumswerbung im Hinblick auf die leichte Beeinflussbarkeit der Werbeadressaten von einer niedrigen Wertgrenze auszugehen sei (BGH, Urteile vom 09. September 2010 - I ZR 193/07, Rn. 25 und Az. I ZR 98/08, juris Rn. 22) und die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung im Sinne einer individuellen Beeinflussbarkeit der Zuwendungsempfänger zu bewerten ist (BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, juris Rn. 29). In welcher Höhe die Geringwertigkeitsschwelle für den Bereich der Fachkreiswerbung anzusetzen sei, hat er bislang nicht entschieden.
(3)
Der Wortlaut der Vorschrift - „geringwertige Kleinigkeiten“ - bildet die Grenze der Auslegung. Hierunter fallen allein Gegenstände von so geringem Wert, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint. Als geringwertige Kleinigkeiten sind daher nur kleinere Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen (BGH, Urteil vom 09. September 2010 - I ZR 193/07, juris Rn. 25), z.B. Bonbons, Luftballons und Taschentücher (OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.03.2006 - 1 U 12/06, WRP 2006, 913 [915]). Mit Logos bedruckte Kleinartikel wie Kugelschreiber, Notizblöcke oder Streichhölzer stellen lediglich Werbeträger dar, von denen regelmäßig über die schlichte Werbebotschaft hinaus keine unsachliche Beeinflussung ausgeht.
(4)
Diese Erwägungen treffen dem Grunde nach auch auf Angehörige der Fachkreise im Sinne von § 2 HWG zu, mithin Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes, Einrichtungen, die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen, oder sonstige Personen, soweit sie mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln erlaubterweise Handel treiben oder sie in Ausübung ihres Berufes anwenden.
Der Wortlaut in § 7 HWG unterscheidet nicht zwischen der an Verbraucher gerichteten Werbung und der Werbung an Fachkreise, obwohl das Gesetz durchgehend eine Bewertung dahingehend vornimmt, ob diese Differenzierung sachgerecht ist (vgl. § 4 Absatz 3 Satz 1, § 4a Absatz 2, § 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Absatz 1 und 2 sowie § 12 Absatz 1 und 2 HWG).
(5)
Schon weil der gesetzliche Wortlaut der „geringwertigen Kleinigkeit“ die Grenze der Auslegung bildet, kann das Verbot nicht mit dem Argument unterminiert werden, dass dem Apotheker auf andere Weise Rabatte in unbegrenzter Höhe gewährt werden dürften. Deshalb ist es auch kein maßgebender Gesichtspunkt, dass pharmazeutische Unternehmen Apothekern - außerhalb der preisgebundenen Arzneimittel - gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 a HWG Vorteile durch Rabatte gewähren können (so aber Gröning/Mand, a.a.O., § 7 HWG Rn. 186). Solche Nachlässe auf den an sich geforderten Preis sind nur zugelassen, wenn sie zusammen mit einem Heilmittel angeboten, angekündigt oder gewährt werden (OLG Hamburg, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 U 26/12, juris Rn. 39). Zweck der gesetzlichen Ausnahme ist es, den Preiswettbewerb in der Vertriebskette zu intensivieren (Gröning/Mand, a.a.O., § 7 HWG Rn. 217). Nach der Idealvorstellung des Gesetzgebers, gibt der Apotheker - gezwungen durch den Wettbewerb - seinen Rabattvorteil (jedenfalls zum erheblichen Teil) an den Verbraucher weiter. Maßgebend für das Übersteigen der Geringwertigkeitsschwelle ist allein, ob die Werbegabe als Geschenk empfunden wird, für das sich der Empfänger in irgendeiner Weise gegenüber dem Zuwendenden dankbar erweisen müsste (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 13/10, juris Rn. 19). Dies ist bei einem handelsüblichen Rabatt nicht der Fall, wohl aber bei einem Werbegeschenk.
Die hier streitgegenständliche Maßnahme steht nicht in einem Zusammenhang mit einem zum Vorteil der Kunden geführten Preiswettbewerb, sondern stellt eine persönliche, im Vermögen des Apothekers verbleibende Begünstigung dar, die die Gefahr einer sachfremd beeinflussten Beratung des Kunden mit sich führt. Während der Rabatt durch den Wettbewerb zu einem Vorteil des Kunden führen soll, intendieren Geschenke eine bevorzugte „Berücksichtigung“ des eigenen Produkts in der Kundenberatung, was sich - jedenfalls ist dies nicht ausgeschlossen - zu Lasten des Kunden auswirken kann.
(6)
Auch der Gesetzeszweck spricht dafür, bei Angehörigen der Fachkreise einen ebenso strengen Maßstab anzulegen wie bei Verbrauchern. Nach psychologischen Erkenntnissen entsprechend der sozialen Reziprozitätsregel ist bei einer kostenlosen Leistung oft zu erwarten, dass sich der Empfänger in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen wird (Cialdini, Die Psychologie des Überzeugens, 8. Aufl. (2017), Kap. 2). Dies kann im vorliegenden Fall dazu führen, dass der umworbene Apotheker einem Kunden die Produkte der Beklagten empfiehlt, was auch das erkennbare Ziel der Werbemaßnahme war. Genau hierin besteht eine unsachliche Beeinflussung, die durch das Gesetz verhindert werden soll.
(7)
Schließlich kann aus dem Kodex über die freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA-Kodex) - insbesondere der jüngeren Verschärfung - als Indiz entnommen werden, dass die Wertgrenze äußerst niedrig anzusetzen ist.
Zunächst lag die Wertgrenze für Zuwendungen an die Apotheker bei 5,00 Euro, der jedoch allenfalls indizielle Bedeutung beigemessen wurde (BGH, Urteil vom 09. September 2010 - I ZR 157/08, juris Rn. 13). Ob der Kodex eine in der Branche übliche tatsächliche Handhabung erkennen lässt, ist unterschiedlich beurteilt worden (bejahend: OLG Hamburg, Urteil vom 24. September 2014 - 3 U 193/13, juris Rn. 28; verneinend OLG München, Urteil vom 26. November 2009 - 6 U 2279/08, juris Rn. 83).
§ 21 der neuen Fassung verbietet den Mitgliedsunternehmen im Grundsatz sogar alle Geschenke an Apotheker, es sei denn, es liege eine in § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 HWG geregelte Ausnahme vor (§§ 2, 21 des Kodex n.F.). Schon weil der Kodex selbst die in § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG gesetzlich zugelassene Ausnahme untersagt, gibt die Neufassung für die Auslegung des Begriffs der geringwertigen Kleinigkeit zwar keinen unmittelbaren Anhaltspunkt (vgl. Mand in Gröning, Heilmittelwerberecht (2015), § 7 HWG Rn. 188), zumal nicht vorgetragen ist, dass die Beklagte Vereinsmitglied ist, so dass eine unmittelbare Anwendung ohnehin ausscheidet (OLG München, Urteil vom 26. November 2009 - 6 U 2279/08, juris Rn. 77). Die jüngste Verschärfung des Kodexes unterstreicht jedoch die Sensibilisierung eines Teils der Branche und bestätigt den Gesetzeszweck, wonach die pharmazeutischen Unternehmen zur Vermeidung unsachlicher Beeinflussung der Apotheker äußerste Zurückhaltung bei Werbezugaben walten zu lassen haben.
(8)
Unter allen genannten Gesichtspunkten sind die hier in Rede stehenden Werbegaben im Wert von über 25,00 Euro jedenfalls nicht mehr geringwertige Kleinigkeiten. Schon 10,00 Euro verlassen den Üblichkeitswert bei weitem (OLG Stuttgart, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 2 U 79/04, juris Rn. 21; vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - I ZR 68/01, juris Rn. 15). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Apotheker hierdurch unsachlich beeinflusst wird (bei einem Wert von 9,97 Euro: OLG Hamburg, Urteil vom 24. September 2014 - 3 U 193/13, juris Rn. 28). Der übersandte Wert stellt jedenfalls nicht mehr nur einen Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit dar. Er bewegt sich nicht im sozial-adäquaten Bereich, der auch sonst die Grenze zu einer unsachlichen Beeinflussung zieht (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 1983 - 4 StR 375/82, juris Rn. 43). Eine unsachliche Beeinflussung kann abstrakt nur dann ausgeschlossen werden, wenn es sich um eine Ware handelt, die von niemandem wirtschaftlich sonderlich geachtet wird (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1953 - I ZR 168/53, juris Rn. 23). Dies behauptet auch die Beklagte nicht von ihren Produkten.
3.
Dem Landgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Ausnahmevorschrift des § 47 Absatz 3 AMG nicht eingreift. Diese Bestimmung bleibt gemäß § 7 Absatz 1 Satz 3 HWG unberührt. Sie erlaubt den pharmazeutischen Unternehmen unter bestimmten Auflagen als (weitere) Ausnahme für den regelmäßigen Vertriebsweg über die Apotheken die Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Ärzte, andere Personen aus dem Bereich der Heilkunde sowie an Ausbildungsstätten für die Heilberufe.
a)
Die von der Beklagten vertretene Ansicht, auch Apotheker seien ein - selbstverständlicher - Bestandteil des Adressatenkreises des § 47 Absatz 3 AMG, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht erheblich.
Es liegen ungeachtet dieser Frage des Adressatenkreises die Voraussetzungen der ebenfalls zu beachtenden Einschränkungen für die Musterabgabe (Gröning/Mand, a.a.O., § 7 HWG Rn. 251) nicht vor: Gemäß § 47 Absatz 4 Satz 1 AMG dürfen Arzneimittelmuster nur auf jeweilige schriftliche oder elektronische Anforderung abgegeben werden. Die Beklagte hat indes den Arzneimittelkoffer nach den Feststellungen des Landgerichts ohne eine solche Anforderung übersandt. Hiergegen wendet sich die Berufung auch nicht. Da schon deshalb die Erlaubnisvoraussetzungen nicht vorliegen, bleibt die Abgabe nach Maßgabe von § 7 HWG verboten. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, dass die Beklagte die Arzneimittel auch nicht, wie von § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 11 AMG jedoch wörtlich verlangt wird, als „unverkäufliches Muster“ bezeichnet hat, sondern (und auch nicht alle) mit der Kennzeichnung „zur Erprobung“. Das Gesetz verlangt jedoch die wörtliche Verwendung (Pannenbecker in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Aufl. 2016, § 10 AMG Rn. 40), zumal sich bei der Verwendung der von der Beklagten gewählten Bezeichnung die Unverkäuflichkeit nicht ohne weiteres ergibt.
b)
Im Übrigen - nicht streitentscheidend - ist auch der Auffassung des Landgerichts beizutreten, dass sich Pharmazieunternehmen nicht auf § 47 Absatz 3 AMG berufen können, um kostenlos Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Die Begründung des Landgerichts überzeugt.
aa)
§ 47 AMG trifft, wie die amtliche Überschrift zeigt, für sich genommen eine Regelung über den Vertriebsweg. Wie sich aus Absatz 1 sowie aus § 43 AMG ergibt, dürfen Fertigarzneimittel - mit den dort genannten Ausnahmen - nur über Apotheken abgegeben werden. Die hier maßgebliche Regelung in § 47 Absatz 3 AMG lässt zusätzlich die unmittelbare Abgabe von Arzneimitteln u.a. an Ärzte zu Informationszwecken zu (§ 47 Absatz 4 Satz 3 AMG) und begrenzt dabei sowohl die Menge als auch die Veräußerlichkeit (§ 47 Absatz 4 Satz 1, § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 11 AMG). In ihrer Funktion als Norm über den Vertriebsweg ist - insofern ist der Beklagten recht zu geben - die Aufnahme der Apotheker in den Adressatenkreis überflüssig, da sich deren (kostenpflichtige) Bezugsberechtigung bereits aus §§ 43, 47 Absatz 1 AMG ergibt.
bb)
Durch die Erklärung in § 7 Absatz 1 Satz 3 HWG, dass § 47 Absatz 3 AMG unberührt bleibt, wird die Regelung über den Vertriebsweg um eine Regelung über die Zulässigkeit der Heilmittelwerbung ergänzt. Die Vorschrift besagt, dass die (kostenlose) Abgabe von Mustern in den Grenzen des § 47 Absatz 3 AMG auch heilmittelwerberechtlich nicht zu beanstanden ist.
Daraus lässt sich jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der gesetzgeberische Wille entnehmen, dass durch den Verweis in § 7 Absatz 1 Satz 3 HWG auch Apotheker erfasst werden sollten. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, wäre eine Klarstellung leicht möglich gewesen, z.B. durch die Formulierung: „Für die Abgabe von Mustern von Arzneimitteln an Fachkreise gilt § 47 Absatz 3 AMG entsprechend.“
Ob die - uneingeschränkte - Einbeziehung von Apothekern gewünscht ist, ist eine den Gerichten entzogene rechtspolitische Frage (begrüßend Gröning/Mand, a.a.O., § 7 HWG Rn. 253). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Gleichstellung von Apothekern und Ärzten auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Interessenlage der Apotheker ist nicht ohne weiteres mit derjenigen der Ärzte vergleichbar. Insbesondere Ärzten sollte durch das Gesetz die Möglichkeit eröffnet werden, durch die Weitergabe an Patienten Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln zu sammeln. Ein damit vergleichbares Verhältnis gibt es zwischen Apothekern und Kunden nicht, auch wenn es inzwischen häufiger als zum Entstehungszeitpunkt des AMG vorkommen mag, dass sich Patienten bei Schmerzen nicht vom Arzt, sondern allein vom Apotheker beraten lassen (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. September 2016 - 6 U 161/15, juris Rn. 21; OLG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 3 U 16/13, juris Rn. 34). Für verschreibungspflichtige Arzneimittel hätte der Apotheker ohnehin kein anerkennenswertes Informationsinteresse; die Beziehung von Mustern würde ihm eine gegen die Wertungen der § 78 AMG, § 7 Absatz 1 Nr. 1 HWG stehende kostenlose Bezugsquelle eröffnen.
cc)
Ebenfalls zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass eine andere Auslegung von § 47 Absatz 3 AMG auch nicht durch die Richtlinie 2001/83/EG geboten ist. Artikel 96 der Richtlinie sieht vor, dass Gratismuster „nur ausnahmsweise“ unter bestimmten Voraussetzungen „an die zur Verschreibung berechtigten Personen abgegeben werden“ dürfen, womit ausschließlich Ärzte erfasst sind. Der von der Berufung angeführte Erwägungsgrund 51 ändert hieran schon deshalb nichts, weil Artikel 96 Absatz 2 der Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlass strengerer Vorschriften ermächtigt, wovon die Bundesrepublik in § 47 Absatz 3 AMG Gebrauch gemacht hat (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 29. September 2016 - 6 U 161/15, juris Rn. 25; die Revision gegen dieses Urteil wird beim Bundesgerichtshof unter dem Az. I ZR 235/16 geführt).
4.
Der Verstoß ist auch im Sinne von § 3a UWG geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beeinträchtigung ergibt sich aus der beschriebenen abstrakten Gefahr der unsachgemäßen Beeinflussung. Die Wiederholungsgefahr wird durch den Erstverstoß vermutet. Die von der Beklagten geforderte Einschränkung des Tenors auf Arzneimittel mit der Kennzeichnung „zur Erprobung“ ist nicht geboten, da dieser Umstand keine rechtliche Relevanz hat und der Erstverstoß auch ein Arzneimittel ohne diese Kennzeichnung umfasst.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Absatz 2 ZPO nicht vorliegen. Die von der Beklagten in den Mittelpunkt gerückte Frage nach dem Anwendungsbereich von § 47 Absatz 3 AMG ist nicht entscheidungserheblich, weil die Arzneimittelmuster entgegen § 47 Absatz 4 AMG nicht auf Anforderung der Apotheker überlassen wurden und eine Anwendung von § 47 Absatz 3 AMG schon aus diesem Grund ausscheidet.
Die Frage der Geringwertigkeitsgrenze im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 HWG bei einer an Fachkreise adressierten Werbung ist zwar entscheidungsrelevant. Auch wäre eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Geringwertigkeitsgrenze bezüglich dieses Personenkreises zur Fortbildung des Rechts geboten. Die Beklagte selbst hat sich jedoch nicht auf den Standpunkt gestellt, dass die Wertgrenze über dem hier maßgeblichen Betrag von 27,48 Euro liege. Vielmehr vertritt sie die Auffassung, dass jedes Medikament einzeln zu betrachten sei. Diese Frage wiederum ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im gegenteiligen Sinne geklärt. Werden für sich allein als geringwertig anzusehende Zuwendungen gebündelt gewährt, ist regelmäßig auf den Summeneffekt abzustellen (BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, juris Rn. 27). Dieser Rechtssatz wird vorliegend auf den Einzelfall angewandt, indem darauf abgestellt wird, dass die Medikamente nur zusammen in dem Koffer abgegeben wurden.