Gebührennummer 2197 ist neben der Gebührennummer 6100 GOZ berechenbar

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Laufen  | Aktenzeichen: 2 C 220/15 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext


Tenor

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 473,84 nebst Zinsen aus EUR 204,72 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.10.2014 sowie weitere EUR 83,54 zu bezahlen.

2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

nicht aufgeführt


Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die zulässige Klage ist begründet, da der geltend gemachte Anspruch besteht.

Denn für die adhäsive Befestigung der Brackets kann hier die Ziff. 2197 GOZ angesetzt werden. Mithin ist die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag verpflichtet, der Klagepartei den geltend gemachten Betrag zu erstatten.
I.
Denn die Ziff. 2197 G0Z ist hier einschlägig. Gegenstand der zahnärztlichen Leistung war hier eine adhäsive Befestigung. Dass Ziff. 2197 GOZ nur von der Befestigung von plastischen Aufbauten, Stiften, Inlays, Kronen, Teilkronen und Veneers spricht ist insoweit unschädlich. Denn durch Verwendung des Kürzels „etc." wird deutlich, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.

II.
Gleichfalls ist die Berechnung nicht dadurch ausgeschlossen, dass hier gleichzeitig die Ziff. 6100 GOZ geltend gemacht wurde. Zwar kann nach § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ neben Ziff. 6100 eine weitere Gebühr nicht berechnet werden für Leistungen, die einen Bestandteil der nach Ziff. 6100 abgerechneten Leistung oder eine besondere Ausführung hiervon darstellen.

Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

1.
Eine Leistung ist Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von dieser umfasst ist, § 4 Abs. 2 S. 4 GOZ.

a)
Dabei ergibt sich die Umfassung der einen Leistung durch die andere hier nicht bereits aus der Synonomie der Begriffe „Klebebrackets" und „adhäsiv befestigte Brackets".

Die Ziff. 2197 GOZ spricht hier nur allgemein von „adhäsiver Befestigung". Aber auch aus dem Umstand, dass einerseits in Ziff. 6100 GOZ von zu klebenden Brackets, andererseits in Ziff. 2197 von adhäsiver Befestigung die Rede ist, kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass hier die adhäsive Befestigung umfasst sein soll. Denn die „adhäsive Befestigung" stellt bereits nach dem Wortlaut eine über das bloße Kleben hinausgehende Leistung dar.

b)
Auch aus dem Inhalt der jeweils vorzunehmenden Leistungen ergibt sich keine Anwendbarkeit des Kumulationsverbots des § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ.

aa)
Die nach Ziff. 2197 zu erbringende Leistung ist nicht von der nach Ziff. 6100 zu erbringenden Leistung umfasst.

(1) Die Eingliederung nach Ziff. 6100 GOZ kann auch ohne die Anwendung der adhäsiven Technik erfolgen.

Maßgeblich ist insofern, ob ohne den nach Ziff. 2197 abgerechneten Leistungsinhalt die nach Ziff. 6100 abgerechnete Leistung nach ihrem technischen Ablauf oder anderen für die Leistungserbringung bestimmenden Faktoren nicht erbracht werden kann (Zuck in: Nomos Kommentar-GOZ, § 4 Rn. 5). Die Befestigung eines Brackets kann entweder auf konventionelle, mittels Zement, oder aber durch die Adhäsivtechnik bewerkstelligt werden. In letzterem Fall aber bedarf es einer speziellen Präparation des Zahns durch ein Ätzmittel. Die Eingliederung eines Klebebrackets kann daher auch ohne die Verwendung der Adhäsivtechnik erfolgen.

Dementsprechend ist die adhäsive Befestigung gerade nicht Bestandteil des Klebens. Vielmehr ist sie eine über das Kleben hinausgehende Leistung. Denn die adhäsive Befestigung erschöpft sich gerade nicht im Verbinden des Brackets mit dem Zahn. Vielmehr wird - wie die Parteien dem Gericht dargelegt haben - hier mittels einer Ätzflüssigkeit auf den Zahn selbst eingewirkt. Die adhäsive Befestigung schafft damit über das Ankleben eine zusätzliche Festigkeitsgewähr.

(2) Die adhäsive Befestigung stellt auch keine besondere Ausführung der Eingliederung dar.

Dass u. U. im Falle der adhäsiven Befestigung ein anderes Klebemittel zur Verwendung kommt und daher die Leistung „Kleben" letztlich in ihrer konkreten Art der Ausführung durch die adhäsive Befestigung mitbeeinflusst wird, vermag dabei nicht, die adhäsive Befestigung als eine besondere Ausführung des Klebens erscheinen zu lassen. Denn die adhäsive Befestigung ändert nichts daran, dass das Bracket auf dem Zahn aufgeklebt wird. Die Verbindung wird nur ggf. deshalb fester, weil der Zahn zuvor zur adhäsiven Befestigung verätzt wurde. Dieser Vorgang ist aber insofern eine eigenständige Leistung, die in quantitativer Hinsicht ein „mehr" darstellt und nicht nur in qualitativer Hinsicht ein „aliud".

bb)
Dass hier die Ziff. 2197 neben der Ziff. 6100 angesetzt werden kann, ergibt sich auch im Umkehrschluss aus der Regelung der Ziff. 2220.

Dort wurde explizit festgeschrieben, dass das Präparieren der Zahnfläche von bestimmten anderen Ziffern der GOZ mitabgegolten ist. Für das Verhältnis von Ziff. 6100 und Ziff. 2197 liegt aber gerade keine solche Bestimmung vor.

cc)
Unabhängig hiervon ist auch davon auszugehen, dass die nach der Ziff. 2197 GOZ zu erbringende Leistung bei der Bewertung der Ziff. 6100 nicht berücksichtigt ist.

(1) Jedenfalls aber scheitert eines Anwendbarkeit des sich aus § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ ergebenden Kumulationsverbots daran, dass die nach Ziff. 2197 abzurechnende Leistung nicht bei der Bewertung der Ziff. 6100 GOZ berücksichtigt wurde, § 4 Abs. 2 S. 2  a. E. GOZ. Im Ergebnis steht für die, für die adhäsive Befestigung vorgesehene Vergütung außer Verhältnis zur für die, für die Leistung nach Ziff. 6100 GOZ vorgesehene Vergütung dementsprechend kann nicht davon auszugehen sein, dass die eine Leistung bei der Bewertung der andere Leistung berücksichtigt ist (Zuck in; Nomos Kommentar-GOZ, § 4 Rn. 5). Insofern ist festzuhalten, dass hier das Gebührenverzeichnis für die Ziff. 2197 einen Wert von 130 Punkten vorsieht, für die Ziff. 6100 einen Wert von 165 Punkten. Ausgehend davon, dass für die Eingliederung eines Brackets denknotwendig noch zahlreiche weitere Leistungen erbracht werden müssen (Planung, Desinfektion, Dokumentation), so dass für diese zusätzlichen Leistungen nur ein Wert von 35 Punkten angesetzt wäre, wäre bei Schaffung der Ziff. 6100 die adhäsive Befestigung mitberücksichtigt worden (AG Pankow-Weißensee Urteil vom 10.01.2014 - 6 C 46/13). Zwar bestreitet hier die Beklagte, dass mit der adhäsiven Befestigung ein Mehraufwand für den Zahnarzt gegenüber dem konventionellen Kleben verbunden wäre. Jedoch ändert dies andererseits nichts daran, dass die Eingliederung des Brackets im Sinne der Ziff. 6100 zahlreiche weitere Leistungen umfasst.

(2) Aus dem Umstand, dass die Technik der adhäsiven Befestigung bereits seit längerem in der zahnmedizinischen Fachliteratur beschrieben wird, ergibt sich dabei im vorliegenden Fall nichts anderes. Denn maßgeblich ist, ob hier tatsächlich eine Berücksichtigung erfolgt, wie sich aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 S. 4 GOZ ergibt. Dass hier ggf. dem Normgeber die Technik der adhäsiven Befestigung bereits bekannt war, legt nicht zwingend den Schluss nahe, dass auch tatsächlich eine Berücksichtigung erfolgt ist.

III.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan.

Im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten waren diese der Klagepartei ebenfalls zuzusprechen.

Denn die Beklagte befand sich spätestens per 31.10.2014 in Verzug. Verzug liegt dann nicht vor, wenn der Schuldner die Nichtleistung nicht zu vertreten hat, § 286 Abs. 4 BGB. Dabei ist vorliegend auch davon auszugehen, dass eine abweichende rechtliche Einschätzung von Seiten der Beklagten hier das Vertretenmüssen nicht entfallen lässt. Dabei ist insbesondere davon auszugehen, dass der Beklagten im fraglichen Zeitpunkt bereits von ihrer Rechtsauffassung abweichende Gerichtsurteile vorlagen, wie sie mit Schreiben vom 01.08.2014 (Anlage K3) und vom 29.10.2014 (Anlage K7) einräumt.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.


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